[Review] Harley Benton CG200-BK - Klassikgitarre

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Malon
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Einen dreiwöchigen Urlaub auf den Azoren wollte ich 2014 nicht ohne Gitarre verbringen. Da die Fluggesellschaft für eine Gitarre einen ganzen Sitzplatz berechnet hätte, habe ich mir von Thomann eine Harley Benton CG200-BK für EUR 39,-- + ca. EUR 20,-- Versand an die Adresse von Bekannten dorthin schicken lassen. Die Gitarre ist seitdem dort - bei nicht unter 70% Luftfeuchtigkeit und ordentlich Salz in der Luft, da rostet sogar (V2A-)Edelstahl. Im Moment lebt sie noch, 2016 werde ich sie wieder besuchen. Leider habe ich damals keine Fotos gemacht, die Thomann-Werksbilder sind nämlich "etwas" geschönt. Meine aktuellen Nylonstrings waren übrigens 2-3 Tausender teurer.

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Der Versand klappte prima, ich habe mich nochmals extra vergewissert, daß die Versandkosten für Portugal auch für die Azoren gelten. Die Gitarre war dabei nur ca. eine Woche unterwegs. Ein paar Wochen später im Urlaub angekommen: Gitarre war im Karton, unbeschädigt, keine Macken.

Erstmal ein paar Daten:
Decke: ??? keine Angaben bei Thomann
Body: Linde - wohl nicht massiv
Hals: Nato (asiatisches Nadelholz), Kunststoffbinding
Griffbrett: Ahorn, schwarz gefärbt.
Steg: auch irgendwas gefärbtes, vermutlich Ahorn
Sattel: Kunststoff 52 mm
Mensur: 650 mm
Lackierung: schwarz, Hochglanz, Kunststoffbinding, bedruckte Rosette

Erster optischer Eindruck:
Die Lackierung ist sehr dick und nicht gerade sorgfältig aufgetragen, die Gitarre riecht etwas nach Chemie. Die Proportionen sind Standard 4/4. Es scheint aber alles ordentlich verarbeitet zu sein.

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Erster Spieleindruck:
Der Hals ist dick, nix für Weicheier wie mich. Die Gitarre ist sehr leise, hat praktisch keine Ansprache/Dynamik, kann gerade noch mit unverstärktem Gesang mithalten. Der Lack bremst. Die G-Saite macht übetrieben gesagt nur "Plop". Die Gitarre ist aber bundrein und die Saitenlage war o.k. Die Werksbesaitung war normal, keine Auffälligkeiten. Ich hatte vorsichtshalber noch ein paar beschichtete Harley Bentons in Hard Tension (ähnlich D'Addario EXP 46) mitgenommen, als Reserve. War aber nicht nötig.

Sound:
Naja, leise, objektiv ausgewogen, aber schön würde ich es nicht nennen. Es fehlen Bässe genauso wie die Brillanzen, aber im großen und Ganzen kann man es im Blindtest durchaus als Klassikgitarre identifizieren. Auf jeden Fall schwingt nicht viel mit. Man hat ein bißchen den Eindruck, auf einer Solidbody zu spielen, da kommt einfach nix mehr von der Decke, wenn man fester anschlägt. Ich spiele nicht mit Plektrum.

Fazit:
Als Notlösung für den Urlaub angemessen, da zählt auch nur Preis-/Leistung. Für's Lagerfeuer - evtl. mit Plektrum gespielt - geht's. Damit stört man keine Nachbarn. Und wenn's regnet ist es auch nicht so schlimm, die dicke Lackierung schützt wahrscheinlich gut. Bei 39,-- Euro ist auch nicht viel hin. Als Feuerholz bitte dann nicht verwenden, wer weiß was da im Lack enthalten ist.

Positiv:
Bundrein, Saitenlage, Verarbeitung bei dem Preis sehr gut.

Negativ:
Klang, Dynamik, Halsdicke/Bespielbarkeit

Empfehlung:
Liebe Anfänger, bitte laßt die Finger davon, damit macht's keinen Spaß zu lernen. Die Gitarre steht sonst nach kürzester Zeit nur noch in der Ecke.
Und bitte liebe Eltern & Verwandte: verschenkt bitte NUR Gitarren, die mindestens eine massive Fichten- oder Zederndecke haben. Das Wort Nato oder Linde sollte NICHT in einer Beschreibung auftauchen. Hängt einfach noch eine Null an den Preis dran, dann bekommt der/die Beschenkte etwas, was auch in 5 Jahren noch richtig Freude macht - zum Ausgleich dafür könnt ihr einfach etwas vollkommen Sinnlos-Überflüssiges NICHT schenken, wie z.B. Smartphone, Spielekonsole...

Wie schon gesagt, als Dritt- oder Viertgitarre für's Lagerfeuer geht's noch, dafür sollte man aber schon etwas spielen können. Für eine Wand-Deko ist sie m.E. nicht hübsch genug, aber das ist ja Geschmackssache.

Und bevor Kritik kommt: Ich weiß, was die Gitarre gekostet hat. Ich weiß aber auch, was man für lächerliche 250 bis 300,-- Euro schon bekommen kann. Lächerlich im Vergleich zu manch' angesagten Elektronik-Geräten, die sich viele bedenkenlos leisten und kein Problem mit dem Preis haben. Also lieber etwas sparen, bevor man frustriert wird.
 
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Vielen Dank für das Review. Da kann man nur hoffen, dass (schuldlos) unbedarfte Eltern hier rein schauen. 39 € ist wirklich nix, aber so eine Gitarre dann wohl auch eher nicht. Ich habe Zweifel, ob eine solche Marktstrategie Anfänger ans Gitarrenspiel bringen könnte. Andererseits: Meine erste Klampfe vom Trödler war auch kompletter Müll, aber irgendwann - nachdem sie zunächst von meinem Bruder als Dartscheibe benutzt worden war, kam ich halt doch mal drauf, ein paar Saiten aufzuziehen (zu lassen - Vater hat geholfen). Gehalten hat die Gitarre dann aber lediglich ca. 3 Monate, bevor sie von einer Shiro abgelöst wurde. So gesehen könnte eine 39 € Klampfe dazu dienen, eine Ahnung zu geben, dass das Gitarrespielen echt Spaß machen könnte, wenn man sich nur ganz schnell ein besseres Instrument zulegt...
 
Sehr wohltuend, auch 'mal sowas zu lesen!

Im Normalfall gewinnt man bei diesen HB - Reviews von "Gitarren" ja den Eindruck, bis zu einer Ramirez sei es nicht mehr weit......
 
So gesehen könnte eine 39 € Klampfe dazu dienen, eine Ahnung zu geben, dass das Gitarrespielen echt Spaß machen könnte, wenn man sich nur ganz schnell ein besseres Instrument zulegt...

Wenn Sie denn achtelwegs klingt und halbwegs (in den unteren Lagen) bespielbar ist. Mittlweile komme ich mit jedem Vogelkasten irgendwie zurecht, auch mit Stacheldrähten und furchtbaren Saitenlagen. Als Beginner hätte mir das den Spaß doch nachhaltig versemmelt. Das Skurrile ist, dass es ja durchaus immer wieder brauchbare Instrumente für ganz wenig Geld gibt, die bespielbar und bundrein sein. Man weiß es eben nur nicht, bevor man sie gespielt hat...
 
Mir gefällt das review auch. Nur einen punkt hätte ich dazu:
Das Wort Nato oder Linde sollte NICHT in einer Beschreibung auftauchen.
Nato würde ich jetzt nicht so generell verdammen. Yamaha z.b. verbaut das holz für korpusse und hälse AFAIK bis in die ~900 Euro-klasse (beispiel). So gesehen sind mMn auch beim holz namen nur schall und rauch, da kann alles drin sein :)

Gruss, Ben
 
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Ich schon:
Hiermit sei bei Klassikgitarren jedwedes Halsmaterial außer Cedro bis in alle Ewigkeit verdammt!
Und kein ander' Ding als Ebenholz soll das Griffbrett sein! :):):):):):):):):):)
(ist nur Spaß!!!)
 
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Danke Malon für Deinen Bericht. Ich stehe vor derselben Entscheidung und hatte mir auch Deine o.a. Gitarre ausgeguckt. Ich brauch die Gitarre nur um bei meinem Aufenthalt auf Lanzarote in Übung zu bleiben. Meine Gitarren hier sind mir zu schade für die Salzluft auf der Insel und der Flugesellschaft will ich auch kein Geld schenken. Wie gesagt, es geht mir darum, die Fingerfertigkeiten in den zwei Monaten nicht zu verlieren. Ist die Gitarre dafür geeignet, wenn man mal von der Qualität absieht. Eine Adresse, wo ich sie hinschicken kann, habe ich. Wäre nett, wenn Du mir einen Rat geben könntest.
 
Danke für den Test.
Mein Problem das ist die Aussage "Liebe Anfänger, bitte laßt die Finger davon, damit macht's keinen Spaß zu lernen. Die Gitarre steht sonst nach kürzester Zeit nur noch in der Ecke. " ohne jegliche Begründung.
(Und anschließend eine moralische Belehrung wie böse Smartphones& Unterhaltungselektronik doch ist. Die das ganze dann unseriös erscheinen lässt, weil hier scheinbar absolute Wahrheiten verkauft werden sollen)

Warum ist die Gitarre denn nicht für Anfänger geeignet? Sie ist scheinbar akzeptabel verarbeitet, macht einen akzeptablen Klang und kostet wenig. Das wären für mich alles Punkte die dafür sprechen. Und 500 Euro werde ich als Anfänger für eine Gitarre bestimmt nicht ausgeben.
 
Also ehrlich verstehe ich Deinen Beitrag nicht wirklich.... .
Warum die Gitarre nichts für Anfänger ist, kann doch jeder lesen! Die Negativ - Stichworte "Klang, Dynamik, Halsdicke/Bespielbartkeit" sollten doch ausreichen, oder muss man hinter jedes Wort deutlich schreiben "Vorsicht: Nichts für Anfänger!", damit es auch wirklich jeder mitkriegt?

Und ein ernstes Wort an Dich als Anfänger (?): wenn Du nicht bereit bist, mehr als 39,00 Euro für ein Hobby auszugeben, das eine sehr intensive und insbesondere langwieirige Lernphase bedingt, die aber später mit "lebenslangen" Spass belohnt wird, sollte man bereit sein, - auch und gerade als Anfänger - ein wenig mehr auszugeben als für eine Flasche Mittelklassewhiskey oder ein T - SHirt von seinem Lieblingsmusiker!
 
Hallo!

Ein Anfänger kann schlecht beurteilen, ob die Gitarre richtig eingestellt ist, stimmt die Saitenlage, sind die Sattelkerben richtig eingefeilt, funktionieren die Mechaniken, etc.? Ist alles ok, dann kann er ja darauf spielen. Wenn die Grundeinstellung aber nicht stimmt und das nicht erkannt und korrigiert wird, dann hat der Anfänger von Anfang an schlechte Bedingungen. Er kommt nicht klar und ist vielleicht nach kurzer Zeit schon frustriert, stellt die Gitarre in die Ecke. Das ist das Hauptproblem für einen Anfänger, wenn er solch eine Gitarre kauft. Mit fachkundiger Beratung und Begleitung beim Gitarrenkauf sieht es dann schon wieder anders aus. Trotzdem würde ich empfehlen, vor dem Kauf solch einer Gitarre, mit anderen hochwertigeren zu vergleichen. Einfach nur um seinen Horizont zu erweitern, gerade weil man keine Erfahrung hat.

Gruss, Klaus
 
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