saTa
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Servus, die Damen.
Kurz zu meiner verstärkerischen Vorgeschichte: Mein erster Röhrenamp war ein Marshall 4210 Zweikanaler JCM800 Combo, der wurde von einem ENGL Screamer50 abgelöst, der wiederum kurzzeitig einem Powerball wich. Da der mir aber nun im Bandgefüge garnicht so gefallen wollte, wich er einem Marshall 6100 30th Anniversary, den ich ewig zu behalten glaubte.
Wenn man den Gainregler hochdreht, kommt bei jedem Amp irgendwann so ein Punkt, ab dem machts RUMMS und gut klingt er. In jedem Kanal und bei wirklich jedem Röhrentop. Dieser Punkt kam mir beim Marshall mit der Zeit zunehmend zu spät, weil mein Geschmack sich immer mehr zum Funkigen und Rockigen, weg von Metal und Hardcore entwickelte. Hier kommt der ENGL ins Spiel.
Ursprünglich ging ich in den MusicShop München, um einen Vox AC30 und einen Orange AD30HTC zu testen. Der Orange war leider nicht da, der Vox war clean und leicht übersteuernd sahnig, konnte mehr aber nicht wirklich zufriedenstellend. Der Boost Kanal klingt flach und zweidimensional, finde ich. Einen Fendercombo hab ich noch gespielt, ähnliches Resultat. Und dann stand da ein 2x12 ENGL Combo mit Greenbacks und ich hab ihn einfach mal angespielt, weil er so nett designt war. Und das war er. Das war er, dieser mittige, differenzierte, rotzige, freche und sich entwickelnde Sound, mit dem man Akkorde so schön lange stehen lassen kann. Allerdings im "Cleankanal" schon. Das hat mich gewundert. Erklärt sich, wenn man sich den Amp näher ansieht.
Technikgerede:
- Er ist ein Einkanaler mit zwei Gainabstufungen, die wie zwei Kanäle zu verwenden sind.
- 50W Röhrentop, zwei unklassische 6L6er. Sovteks ab Werk.
- Die Vorstufe ist mit 4 ECC83ern besetzt. Ab Werk auch Sovteks.
- Erhältich ist er als Top, 2x10" und 2x12" Combo. Weil ich zwei sehr gute Marshallboxen besitze, entschied ich mich für das 18k "leichte" Topteil.
- Recht kompakt gebaut ist er, wie der Screamer es schon war.
- Ausgänge wie gewohnt 1x8, 1x16, 2x8 und 2x16Ohm.
- Paralleler FXLoop, wenn man den Regler ganz aufdreht, ist er aber quasiseriell.
- DI-Out, den ich schon am Screamer nicht getestet hab.
- Der Powerschalter ist auf der Rückseite, der Standbyschalter ist ein Kippschalter auf der Vorderseite. Daneben eine rote Lampe. Es wird recht klar, woran sich hier orientiert wird.
Weg vom Technischen zum Interessanten, die Features:
- Wie erwähnt: zwei Gainmodi, per Fußschalter abrufbar (Klinkenbuchse an der Rückseite)
- VLS (ENGL Feature: Fußschaltbare Lautstärkeabsenkung für den Normalbetrieb, für Soli außschaltbar. Praktisch: wird über die selbe Stereobuchse angesteuert, wie der Kanalswitch, man braucht also nur einen Zweifachfußschalter.)
- Reverb1/Reverb2 - einstellbar für beide "Kanäle" - auch per Fußschalter abrufbar. Ich vermute, das Reverb ist das selbe, wie im Screamer. Klingt sehr ähnlich - etwas kalt für meinen Geschmack.
- Master1/Master2 - Mastervolumen für beide Gainmodi separat einstellbar.
- Ein 3-Band-EQ für beide "Kanäle", schade. Aber verkraftbar. Wer mehr Vielseitigkeit braucht, hat hier wohl eh den falschen Amp oder muss sich einen externen EQ leisten.
- Bright und Depth Schalter, die zum Glück nicht so extrem, wie am Powerball greifen. Den Bright Schalter verwende ich sogar - der Depp-Schalter ist mit Humbuckern und 10-52 Saiten unnötig. Der Mittenregler ist meines Erachtens für das Ziel des klassischen Gitarrensounds ein wenig zu schwach angesetzt, der Bassregler ENGL-typisch zu hoch. Ich spiele für's Erste mit Bass auf 3/10, Mitten 8/10 und Höhen 5/10.
Der Sound... ja...
Der isses. Wer Metal macht, braucht was anderes und dafür bietet ENGL genug anderes an. Dieser Amp hier macht tatsächlich dynamischen, klassischen, mittigen Sound. Er zerrt luftig roh, nicht so glatt und dicht, wie die bekannteren Modelle unserer netten deutschen Ampschmiede. Die zwei Gainstages funktionieren interessant - wer mag, kann beide Kanäle als Crunch verwenden, man hat im Endeffekt zwei unterschiedlich weit reichende Gainregler, deren Einstellungen man per Fußschalter abrufen kann, auf einem Kanal. Ich hab den ersten ca. auf Mittelstellung, was mit Humbuckern sanft gespielt tollen Cleansound, hart hingelangt einen leichten Crunch gibt. Das selbe ist mit etwas Konzentration auch mit der zweiten Einstellung noch möglich, die zerrt allerdings schon sehr viel mehr.
Wer viel Gain braucht, findet auch hier genug, seine Stärken entfaltet er aber im dynamischen Bereich. Tatsächlich ist Dynamik das Wort, das diesen Amp am besten beschreibt. Mit geeigneten Einstellungen reagiert er sowohl in Lautstärke als auch in Verzerrung unglaublich auf den Gitarristen - anders als überkomprimierende Mesas oder die "großen" ENGLs, die einfach jede Berührung der Saiten unendlich drücken lassen. Man hat seinen Sound hier echt unter Kontrolle, was den Amp in meinen Augen viel vielseitiger macht, als 4 Kanäle und EQs das bei anderen Tops machen, die dann doch irgendwie immer gleich und einseitig klingen.
Des einen Freud, des anderen Leid: Wer sich seines Gitarrenspiels noch nicht so sicher ist, wird sich mit dem Classic50 nicht anfreunden können. Die Kosten dieser Dynamik und der Möglichkeit, spielerische Feinheiten zur Geltung zu bringen sind eine wahnsinnige Ehrlichkeit, die auch jeden Fehler durchklingen lässt. Tapping ist ohne viel Übung quasi nicht möglich, weil's einfach viel leiser als das normale Spiel ist. nur halb erwischte Saiten drücken nicht raus, als wären sie voll angeschlagen worden und die Transparenz lässt jede verstimmte Saite hören (offene Akkorde klingen selbst verzerrt - man muss sich nicht auf Powerchords begrenzen um Matsch zu vermeiden). Kein Amp für Anfänger.
Diese Ehrlichkeit und Transparenz schlägt sich bis auf die Wahl des Klangholzes durch. Als ich den Powerball hatte, hab ich selbst kaum Unterschiede zwischen meinen Strats und meiner Lespaul gehört. Der Amp hat alles wie fertig gemastert von Platte drücken lassen. Toll für manche, für mich aber nicht das Richtige. Der Classic50 verlangt gutes Klangholz in der Signalkette - ich hab ihn heute mit einer Gibson LesPaul Studio WB und einer Ibanez JS6000 gespielt, nächste Woche folgen die ESP Telecaster und die Fender Strat. Die ESP Eclipse meines Mitgitarristen klang schon GANZ anders. Der Amp bringt gute Gitarren zur Geltung - und zeigt den günstigeren Modellen klar und gnadenlos den Klassenunterschied auf.
Fazit:
Wer will, dass die Finessen, die man jahrelang übt, und die Gitarren, die man ebensolang sammelt, zur Geltung kommen wird dieses Top lieben, wenn er keine drückenden Gitarrensoundwände und sägenden Verzerrungen braucht. Hervorragend für Jazz, Funk, Rock, Emo, Punkrock, Blues und dergleichen mehr. Ehrliche, unsynthetische, übersteuernde Gitarre aus Holz. Toll!
Kritik, Kommentare, Bewertungen, Lob und Beleidigungen erwünscht!
Kurz zu meiner verstärkerischen Vorgeschichte: Mein erster Röhrenamp war ein Marshall 4210 Zweikanaler JCM800 Combo, der wurde von einem ENGL Screamer50 abgelöst, der wiederum kurzzeitig einem Powerball wich. Da der mir aber nun im Bandgefüge garnicht so gefallen wollte, wich er einem Marshall 6100 30th Anniversary, den ich ewig zu behalten glaubte.
Wenn man den Gainregler hochdreht, kommt bei jedem Amp irgendwann so ein Punkt, ab dem machts RUMMS und gut klingt er. In jedem Kanal und bei wirklich jedem Röhrentop. Dieser Punkt kam mir beim Marshall mit der Zeit zunehmend zu spät, weil mein Geschmack sich immer mehr zum Funkigen und Rockigen, weg von Metal und Hardcore entwickelte. Hier kommt der ENGL ins Spiel.
Ursprünglich ging ich in den MusicShop München, um einen Vox AC30 und einen Orange AD30HTC zu testen. Der Orange war leider nicht da, der Vox war clean und leicht übersteuernd sahnig, konnte mehr aber nicht wirklich zufriedenstellend. Der Boost Kanal klingt flach und zweidimensional, finde ich. Einen Fendercombo hab ich noch gespielt, ähnliches Resultat. Und dann stand da ein 2x12 ENGL Combo mit Greenbacks und ich hab ihn einfach mal angespielt, weil er so nett designt war. Und das war er. Das war er, dieser mittige, differenzierte, rotzige, freche und sich entwickelnde Sound, mit dem man Akkorde so schön lange stehen lassen kann. Allerdings im "Cleankanal" schon. Das hat mich gewundert. Erklärt sich, wenn man sich den Amp näher ansieht.
Technikgerede:
- Er ist ein Einkanaler mit zwei Gainabstufungen, die wie zwei Kanäle zu verwenden sind.
- 50W Röhrentop, zwei unklassische 6L6er. Sovteks ab Werk.
- Die Vorstufe ist mit 4 ECC83ern besetzt. Ab Werk auch Sovteks.
- Erhältich ist er als Top, 2x10" und 2x12" Combo. Weil ich zwei sehr gute Marshallboxen besitze, entschied ich mich für das 18k "leichte" Topteil.
- Recht kompakt gebaut ist er, wie der Screamer es schon war.
- Ausgänge wie gewohnt 1x8, 1x16, 2x8 und 2x16Ohm.
- Paralleler FXLoop, wenn man den Regler ganz aufdreht, ist er aber quasiseriell.
- DI-Out, den ich schon am Screamer nicht getestet hab.
- Der Powerschalter ist auf der Rückseite, der Standbyschalter ist ein Kippschalter auf der Vorderseite. Daneben eine rote Lampe. Es wird recht klar, woran sich hier orientiert wird.
Weg vom Technischen zum Interessanten, die Features:
- Wie erwähnt: zwei Gainmodi, per Fußschalter abrufbar (Klinkenbuchse an der Rückseite)
- VLS (ENGL Feature: Fußschaltbare Lautstärkeabsenkung für den Normalbetrieb, für Soli außschaltbar. Praktisch: wird über die selbe Stereobuchse angesteuert, wie der Kanalswitch, man braucht also nur einen Zweifachfußschalter.)
- Reverb1/Reverb2 - einstellbar für beide "Kanäle" - auch per Fußschalter abrufbar. Ich vermute, das Reverb ist das selbe, wie im Screamer. Klingt sehr ähnlich - etwas kalt für meinen Geschmack.
- Master1/Master2 - Mastervolumen für beide Gainmodi separat einstellbar.
- Ein 3-Band-EQ für beide "Kanäle", schade. Aber verkraftbar. Wer mehr Vielseitigkeit braucht, hat hier wohl eh den falschen Amp oder muss sich einen externen EQ leisten.
- Bright und Depth Schalter, die zum Glück nicht so extrem, wie am Powerball greifen. Den Bright Schalter verwende ich sogar - der Depp-Schalter ist mit Humbuckern und 10-52 Saiten unnötig. Der Mittenregler ist meines Erachtens für das Ziel des klassischen Gitarrensounds ein wenig zu schwach angesetzt, der Bassregler ENGL-typisch zu hoch. Ich spiele für's Erste mit Bass auf 3/10, Mitten 8/10 und Höhen 5/10.
Der Sound... ja...
Der isses. Wer Metal macht, braucht was anderes und dafür bietet ENGL genug anderes an. Dieser Amp hier macht tatsächlich dynamischen, klassischen, mittigen Sound. Er zerrt luftig roh, nicht so glatt und dicht, wie die bekannteren Modelle unserer netten deutschen Ampschmiede. Die zwei Gainstages funktionieren interessant - wer mag, kann beide Kanäle als Crunch verwenden, man hat im Endeffekt zwei unterschiedlich weit reichende Gainregler, deren Einstellungen man per Fußschalter abrufen kann, auf einem Kanal. Ich hab den ersten ca. auf Mittelstellung, was mit Humbuckern sanft gespielt tollen Cleansound, hart hingelangt einen leichten Crunch gibt. Das selbe ist mit etwas Konzentration auch mit der zweiten Einstellung noch möglich, die zerrt allerdings schon sehr viel mehr.
Wer viel Gain braucht, findet auch hier genug, seine Stärken entfaltet er aber im dynamischen Bereich. Tatsächlich ist Dynamik das Wort, das diesen Amp am besten beschreibt. Mit geeigneten Einstellungen reagiert er sowohl in Lautstärke als auch in Verzerrung unglaublich auf den Gitarristen - anders als überkomprimierende Mesas oder die "großen" ENGLs, die einfach jede Berührung der Saiten unendlich drücken lassen. Man hat seinen Sound hier echt unter Kontrolle, was den Amp in meinen Augen viel vielseitiger macht, als 4 Kanäle und EQs das bei anderen Tops machen, die dann doch irgendwie immer gleich und einseitig klingen.
Des einen Freud, des anderen Leid: Wer sich seines Gitarrenspiels noch nicht so sicher ist, wird sich mit dem Classic50 nicht anfreunden können. Die Kosten dieser Dynamik und der Möglichkeit, spielerische Feinheiten zur Geltung zu bringen sind eine wahnsinnige Ehrlichkeit, die auch jeden Fehler durchklingen lässt. Tapping ist ohne viel Übung quasi nicht möglich, weil's einfach viel leiser als das normale Spiel ist. nur halb erwischte Saiten drücken nicht raus, als wären sie voll angeschlagen worden und die Transparenz lässt jede verstimmte Saite hören (offene Akkorde klingen selbst verzerrt - man muss sich nicht auf Powerchords begrenzen um Matsch zu vermeiden). Kein Amp für Anfänger.
Diese Ehrlichkeit und Transparenz schlägt sich bis auf die Wahl des Klangholzes durch. Als ich den Powerball hatte, hab ich selbst kaum Unterschiede zwischen meinen Strats und meiner Lespaul gehört. Der Amp hat alles wie fertig gemastert von Platte drücken lassen. Toll für manche, für mich aber nicht das Richtige. Der Classic50 verlangt gutes Klangholz in der Signalkette - ich hab ihn heute mit einer Gibson LesPaul Studio WB und einer Ibanez JS6000 gespielt, nächste Woche folgen die ESP Telecaster und die Fender Strat. Die ESP Eclipse meines Mitgitarristen klang schon GANZ anders. Der Amp bringt gute Gitarren zur Geltung - und zeigt den günstigeren Modellen klar und gnadenlos den Klassenunterschied auf.
Fazit:
Wer will, dass die Finessen, die man jahrelang übt, und die Gitarren, die man ebensolang sammelt, zur Geltung kommen wird dieses Top lieben, wenn er keine drückenden Gitarrensoundwände und sägenden Verzerrungen braucht. Hervorragend für Jazz, Funk, Rock, Emo, Punkrock, Blues und dergleichen mehr. Ehrliche, unsynthetische, übersteuernde Gitarre aus Holz. Toll!
Kritik, Kommentare, Bewertungen, Lob und Beleidigungen erwünscht!
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