[Restauration] alte Parlour-Gitarre

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Hallo liebe Akustiker,
nachdem die Western nun fertig ist, gebe ich euch in diesem Thread mal Einblicke in das Instandsetzen bzw. die Restauration eines (sehr) alten Instruments. Auch kann ich vll. den ein oder anderen Tipp zur Qualitätsbeurteilung alter Instrumente geben.

Die Restauration wird bei diesem Instrument vom Reparieren heftiger Risse über das Ersetzen fehlender Originalteile bishin zur neuen, historisch korrekten Schelllack-Lackierung reichen.


Aber nun zum eigentlichen Instrument:


Die Gitarre hat mir ein Bekannter überlassen, der sie sich damals als ebay-Schnäppchen gesichert hat. Allerdings ist er leider falsch an das Instrument "herangegangen" - er spannte einfach Stahlsaiten auf und meinte, sich eine günstige "Schrammel-Gitarre" gesichert zu haben. Leider hat er dabei die wahren Qualitäten der Gitarre ziemlich verkannt.


Mir präsentierte sich die Gitarre dann wie folgt:

Die Gitarre hat relativ große Risse in der Decke - am Halsansatz (Bild 2) sowie am Steg (Bild 3) - sowie einen wirklich heftigen Riss im Boden (Bild 4).
Auch hat sich der Boden "rechts oben" etwas zusammengezogen, sodass ein Stück der Zarge übersteht (Bild 5). Der Lack ist kaum mehr vorhanden, es handelte sich wohl aber um Schelllack.
Die Risse kommen höchstwahrscheinlich alle durch falsche Lagerung (zu trocken).

Es handelt es sich auf jeden Fall um eine vollmassive, handgebaute Gitarre, die ihrerzeit zwar nicht super hochwertig war; verglichen mit vielem heutigen "Hochglanzschrott" aber immer noch sehr sehr gut ist. Die Kopfplattenanschäftung (Bild 6), die mein Bekannter eher für ein Indiz minderer Qualität hielt, ist ein Highlight und war nur bei hochwertigeren Gitarren üblich. Es handelt sich um die klassische Schwalbenschwanzverbindung - die aufwändigste und bruchsicherste Verbindung. Darauf wird heute aus Kostengründen verzichtet.
Eine Restauration lohnt sich also trotz des relativ schlimmen Zustandes auf jeden Fall!


Ich werde nun also versuchen, die Gitarre zu reparieren und in einen weitesgehend originalen, spielbaren Zustand zu versetzen.



Grüße,
Paul
 
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Hallo Paul,

da bin ich ja mächtig gespannt was in dem alten Schätzchen so drin steckt!

Auf die Arbeitsberichte bin ich schon gespannt.

Gutes Gelingen!

Geli
 
Hi Paul,

ein schönes altes Schätzchen - ich bin ja auch ein Fan dieser Parlour-Bauweise :great:

Ich wünsche dir (und der Gitarre), dass es gelingt, sie in's Musikleben zurückzuholen. :)

Die Stahlsaitenbestpannung sollte für dieses Instrument aber schon ok sein, der Steg mit den Pins und die Wickelachsen der Mechaniken aus Metall sprechen für eine usrsprüngliche Stahlbesaitung.

Vergleiche dazu auch mal unsere Diskussion hier: https://www.musiker-board.de/nylon/328464-uralte-konzertgitarre-arthur-john.html
 
Hallo Peter,
vielen Dank für die Glückwünsche und den Link!

Tatsächlich mag die Gitarre ursprünglich für die Benutzung mit Stahlsaiten ausgelegt worden sein, allerdings ist von der dauerhaften Belastung (heutiger (?), in der Saiten-Historie kenne ich mich nicht wirklich aus...) Stahlsaiten eher abzuraten. Knackpunkte sind hier die Beleistung und der unverstärkte Hals.
Ich favorisiere bei solchen Gitarren immer Seil-Saiten von Thomastik, da sie mir klanglich einfach am meisten zusagen.


Gruß,
Paul
 
Vielen Dank, das schau ich mir mal genauer an!
 
Hallo Paul,

schön, Dich weiter bei Deiner spannenden Arbeit begleiten zu dürfen!

Es fällt mir schwer, das Alter des Instrumentes zu schätzen. Die Form/Ausschmückung des Stegs erinnert mich an Formen aus der Jahrhundertwende bis weit in die 1920iger Jahre hinein, es könnte aber auch sein, dass es noch älter ist.

Ich glaube auch nicht daran, dass es im ehemaligen Originalzustand mit Stahlsaiten bespannt war (trotz des Indizes der metallenen Wellen der Mechanik).

Im vergangenen Jahr hatte ich die Gelegenheit, eine originale Parlor-öGitarre aus der Mitte des 19. Jhd. zu hören und sie hatte einen erstaunlich klaren und kräftigen Klang, wie ich ihn nicht erwartet hätte. Ich schätze, die Restauration lohnt sich - viel Erfolg!
 
Die Kopfplattenanschäftung (Bild 6), die mein Bekannter eher für ein Indiz minderer Qualität hielt, ist ein Highlight und war nur bei hochwertigeren Gitarren üblich. Es handelt sich um die klassische Schwalbenschwanzverbindung - die aufwändigste und bruchsicherste Verbindung. Darauf wird heute aus Kostengründen verzichtet.
So seltsam es sich heuzutage anhören mag, aber das war die kostengünstigere Variante.
Noch bis in die 50erJahre war menschliche Arbeitskraft sehr billig und reichlich verfügbar.
Oft wurden solche Arbeiten von Heimarbeitern mit kärglichem Salär erledigt.

Ich habe hier z.B. eine Framus 5/2, Ende 50er, bei der dieses Verfahren ebenfalls (in etwas abgewandelter Form )angewandt wurde.


Wäre mal interessant, einen Gitarrenbauer von Heute deine Gitarre durchkalkulieren zu lassen.....ich denke, das würde ein vierstelliger Betrag werden.
Trotz allem, schön, daß Du das Teil wieder auf Vordermann bringst:great:
 

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Hallo,
vielen Dank für diesen informativen Post! Geschichtlich bin ich in diesem Punkt nicht sehr bewandert und ich werde gern schlauer! Danke dir dafür ;) (Ich hatte mich tatsächlich schon mit einem befreundeten Akustikgitarrenbauer aus der Umgebung unterhalten)

Zu gründachs' Post:
Die Gitarre hatte schon in diesem Zustand einen wirklich erstaunlich druckvollen Klang - eig. hätte ich Vorher-Nachher-Soundsamples machen sollen... :redface:


Nunja, sollte ich heute dazu kommen, sieht der Plan für heute so aus:
Die Gitarre nackig machen (sprich alles ab, was kann - Stegpins, Mechaniken....), sie erstmal putzen und mich dann der Mechaniken annehmen. Ein Blick mit dem Spiegel hat mir schon verraten, dass die Beleistung intakt ist. Das ist super, da ich die Gitarre nun höchstwahrscheinlich nicht öffnen muss!
 
So,
es ging schon etwas weiter, allerdings versagt mir meine Kamera bzw. deren Speicherdisk gerade den Dienst, weswegen ich die Bilder nicht auf den PC und damit hierher bekomme.... :redface:
Die reiche ich auf jeden Fall nach.

Bin schon ein kleines Stück weitergekommen. Ersteinmal wurden Mechaniken, Stegpins sowie die Überbleibsel des unteren Gurtpins demontiert. Dann habe ich die Gitarre ersteinmal mit einem feuchten, lauwarmen Lappen gesäubert. Anschließen habe ich mit Spiritus die Reste des Schelllacks entfernt.

Einer der Mechanikenflügel hat ja gefehlt, weswegen meine derzeitige Beschäftigung ist, eine Kopie aus Knochen anzufertigen. Diese wird dann anschließen noch, passend zum Rest, auf alt getrimmt werden.


Das wars soweit, ohne Bilder bringt das ja auch nicht soviel. Hoffe ich kann die möglichst schnell nachreichen und dann auch weiterberichten. Ich bin zuversichtlich, was die Restauration angeht. Die Bebalkung ist, wie gesagt, komplett intakt. Die größte Arbeit wird also sein, sich um die Risee zu kümmern.



Grüße
 

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