Das ist doch mal ein Thema für einen alten Jarre-Fan wie mich, denn gerade Jarre-Fans betrifft das Thema Playback.
Fakt ist (mittlerweile), daß bei Jarres Großkonzerten viel Playback dabei war. Kein Vollplayback, aber die Studiospuren liefen meist im Hintergrund mit. Das fiel besonders dann auf, wenn irgendwas zu hören war, was man so genau einmal im Leben spielen kann, was also nicht reproduzierbar ist.
Er kam zunächst ziemlich easy damit davon, auch schon deshalb, weil auf solche Sachen höchstens die Musikerpolizei gehört hätte und selbst Jarre-Fans, die selbst Synthesizer spielten, eher gebannt auf die gewaltige Licht-, Projektions- und Pyro-Show blickten. Außerdem war es ziemlich schwierig, in einem sechs- oder siebenstelligen Publikum einen Platz zu ergattern, von dem aus man genau beobachten kann, was auf der Bühne abgeht. Und eine so perfekt durchdesignte und durchgeplante Show in solch gewaltigen Ausmaßen konnte man mitnichten mit komplett live und praktisch komplett händisch gespielter Musik unterlegen, bei der Wunder was passieren könnte.
Ohne das Web 2.0 konnten Fans sich seinerzeit auch noch nicht über solche Themen austauschen und auslassen, ja, selbst die Verbreitung von Konzertbootlegs (bis auf einen sind Jarres offizielle Konzertmitschnitte allesamt sowohl gekürzt als auch im Studio nachbearbeitet, daher braucht es Bootlegs, um vergangene Konzerte wirklich beurteilen zu können) war erheblich schwieriger.
Als es dann mit Fanforen losging - in einer Zeit, als Jarre die ganz großen Konzerte nicht mehr spielte -, kamen irgendwann die ersten Diskussionen auf, ob das jetzt jeweils wirklich live ist, oder ob Jarre zu Playback geposet hat. Mit jedem neuen Konzert kam die Diskussion wieder auf, und oft genug kam es zu regelrechten Flamewars zwischen fanatischen Fans und aufmerksamen Fans.
Die '97er Hallentour war showmäßig weniger anspruchsvoll und das Publikum dichter dran, also gab's "mehr live", aber in Danzig 2005 schoß er endgültig den Vogel ab - die Musik, die man da hörte, war allein schon auf dem vorhandenen Equipment nicht machbar, und es klang extrem nach den Studioreleases. Nachdem er dann auch noch ein neues Album in den Sand setzte, dachte Jarre um und gab den Fans 2008 etwas, wovon sie bis dahin noch gar nicht wußten, daß sie das wollten - die gute alte Oxygène, live von vier Musikern mit irrwitzig viel Analog-Gearporn auf Indoor-Bühnen umgesetzt. Daraus entwickelte sich eine Tour, die bis 2011 anhielt und sich immer weiter entwickelte, aber immer live blieb.
Wohlgemerkt: Die in vergleichsweise kleinem Rahmen aufgezogenen China-Konzerte 1981 waren auch live - und klangen folglich nicht die Bohne nach den Studioversionen.
Martman