Home > Feuilleton >, 12. Feb. 2004
Dave Grohl
Autobahn zur Hölle, Standstreifen
Zum Tanzen, Nebenbeihören oder Chillen eignen sich hämmernde Gitarren und manisches Gebrüll über Tod und Verderben nur wenig; als clubtaugliche Partymusik ist der klassisch böse Heavy Metal nicht gerade bekannt. Den Bezug zu aktuellen Popmoden hat das Genre, einst akustisches Äquivalent zu Filmen wie "The Texas Chainsaw Massacre", allerdings schon vor Zeiten verloren.
Es ist in einer Nische zurückgeblieben, die von Veteranen wie "Metallica" oder "Slayer" beherrscht wird und Ironie allenfalls vom Hörensagen kennt. Im Gegensatz zur derzeitigen Bedeutungslosigkeit steht jedoch der Einfluß, den die groberen Spielarten der sich in den achtziger Jahren jäh ausdifferenzierenden Sparte auf die Entwicklung des heutigen Mainstream-Rock hatten. Grunge-Bands wie "Nirvana" oder "Soundgarden" ließen sich von den handwerklich oft ambitionierten Krachschlägern genauso inspirieren wie später die baseballbemützten Jünglinge des sogenannten Nu Metal.
Hommage an den Untergrund-Metal der Achtziger
Während diese Gruppen das Ausdrucksrepertoire des Schwermetalls um Pop-, Punk- und Rap-Elemente sowie die Rolle des verletzlichen jungen Mannes erweiterten, verzichteten sie auf dessen schwerste Hypotheken - nämlich das Schwelgen in Albtraumwelten von Gewalt, Satanismus und Psychopathologie, die endlosen Instrumentalexzesse -, meistens aber auch auf dessen Lust an Risiko und Grenzüberschreitung.
Dave Grohl, als Schlagzeuger von "Nirvana" einer der wichtigen Protagonisten des Grunge, hat nach deren Ende mit seiner Gruppe "Foo Fighters" erfolgreich charts-tauglichen Alternativrock gemacht. Mit seinem Projekt "Probot" (Southern Lord/Soulfood) legt der begabte Multiinstrumentalist nun den Versuch vor, die metallischen Wurzeln seiner Biographie aufzuarbeiten. Die gleichnamige Platte, überwiegend von Grohl allein eingespielt und mit dem Gesang einer Schar von Gästen versehen, versteht sich als Hommage an den Untergrund-Metal der Achtziger. Damals mußte sich dieser in puncto Energie und Bosheit gegen Punk behaupten und splitterte sich in, je nach Perspektive, immer extremere oder lächerlichere Subgenres wie Thrash, Speed, Doom, Death und andere auf.
Allstar-Projekt eines Tausendsassas
Gleichzeitig gerieten die Szenen aber in Bewegung, und an der Schnittstelle von Heavy Metal und Hardcore-Punk entwickelte sich ein erstes Crossover-Phänomen. Demgemäß scherten sich Fans wie Grohl nicht um stilistische oder ideologische Grenzen, sondern bedienten sich in allen Regalen dieses Laboratoriums, solange die Musik nur laut, hart und negativ genug war. Diesem Rezeptionsmuster folgt auch das Projekt "Probot": Grohl lud elf Sänger seiner favorisierten Bands jener Tage ein, auf seine Instrumentaltracks Texte und Gesang zu legen. Entsprechend vielfältig fallen die Resultate aus. Während der Track mit Cronos von "Venom" eine Reprise des frühen Thrash Metal unternimmt und mit geschwinden Riffs und unheilschwangerem Geschrei über die vergangenen "Centuries of Sin" aufwartet, grunzt sich der ehemalige Sänger von "Sepultura", Max Cavalera, durch ein erheblich satteres, moderneres und breaklastigeres Stück.
Der immer noch sehr populäre Lemmy Kilmister von "Motörhead" repräsentiert in "Shake your Blood" den zeitlosen Rauf-und-Sauf-Rock 'n' Roll seiner Gruppe, und King Diamond darf sein theatralisches Kreischen in einer geisterhaften Powerballade zu Gehör bringen. Glücklicherweise hat Grohl mit Mike Dean von "Corrosion Of Conformity" und Kurt Brecht von "D.R.I." auch zwei Vertreter des politisierten Crossover hinzugezogen. Insbesondere die Beiträge mit Brecht und Lee Dorrian von "Napalm Death", jenen Grenzgängern zwischen Avantgarde-Jazz und reinem Lärm, zeigen deutlich, wie gut es der Musik tat, als ein frischer Gluthauch durch die erstarrten Metallrituale fuhr, sie verformte und schräger denn je zurückließ.
Auf dem Weg ins Museum
Mit beachtlichem mimetischem Talent bereitet Grohl den Boden für seine Gäste und deren Gattungsbeitrag. Für eine Metal-Platte geht es daher ungewohnt farbenfroh zu - nun ja, jedenfalls schillert das Dunkel in höchst unterschiedlichen Schattierungen. Von Grohls bekanntem Pop-Ansatz ist dabei wenig zu spüren: Mögen die Riffs auch manchmal eingängig sein oder beim Hören an Eingängigkeit gewinnen, die Stücke sind durch die Bank nichts für Liebhaber des guten Popsongs. Dies macht aber einen Teil ihrer hermetischen Schönheit aus. Grohls gewaltiges Schlagzeug, seine kantigen Gitarrenparts und sein knurrender Baß verschmelzen in den besten Momenten zu sich fast meditativ vorwärtsprügelnden Strömen aus Rhythmus und Sound. Gastgitarristen wie Kim Thayil von "Soundgarden" werfen schließlich jenes Quentchen solistischen Wahnsinns darüber, der den Heavy Metal seit jeher mindestens ebenso geprägt hat wie seine apokalyptischen Bilderwelten.
So überzeugend "Probot" als Crashkurs in Sachen Untergrund-Metal freilich klingt: Von der Besessenheit der alten Helden, denen Grohl hier seine Reverenz erweist, zeigt sich die Platte weitgehend frei. Das liegt nicht nur daran, daß Klänge und Posen, die einstmals radikal und verstörend wirkten, dies heute nicht mehr können. Es hat vielleicht eher mit der Anlage eines solchen All-Star-Projekts unter der Regie eines gutgelaunten Tausendsassas zu tun. Auf dem Weg ins Museum bleibt jener Nimbus des gleichzeitig Furchterregenden wie Behämmerten auf der Strecke, der wohl stets nur in Nischen gedeihen und geschätzt werden kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.02.2004, Nr. 32 / Seite 43
Mark-Stefan Tietze
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