Problem: Zittern vor Aufregung bei Vorspielen/Konzerten (Cello)

Lucath
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Moin zusammen,
ich spiele seit mittlerweile 11 Jahren Cello (hab mit fünf angefangen) und habe ein Problem: Bei Konzerten/Vorspielen bin ich oft ziemlich aufgeregt und dadurch zittert mein ganzer rechter Arm (der Streicharm) :eek: Natürlcih macht sich das im Klang bemerkbar, will heißen: ich kann nicht bzw. kaum gleichmäßig streichen.
Dieses Phänomen tritt zum Glück nicht immer auf, und selbst wenn hört es meistens nach den ersten paar Takten auf, ich hatte allerdings auch schon Vorspiele, bei denen es gar kein Ende nahm und ihr könnt euch hoffentlich vorstellen, dass einen das im ernstfall sogar noch nervöser macht, als ich sowieso schon bin :(
nächste woche spiel ich wieder was in der Schule bei so nem Musikschulkonzert, an sich freu ich mich da drauf, jedoch hab ich angst, dass ich wieder so zitter, insbesondere weil diesmal eine Person im Publikum sitzt, die mir insgeheim sehr viel bedeutet ;)

kennt ihr dieses "Zitter-Problem" auch? Wir Streicher haben nun mal den Nachteil, dass man eine sehr ruhige Hand braucht :D
Wäre also cool wenn ihr mir ein paar Tipps geben könntet...

Gruß
 
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Hi Lucath,

du brauchst nicht glauben, daß nur die Streicher ein exklusives Problem mit Lampenfieber hätten.
Das haben alle anderen Musiker auch :D.

Ich hatte früher auch mit sowas Probleme. Es hat sich gelegt, als ich relativ spät (mit ca. 30) in der
country-band auf die Bühne ging. Ich habe irgendwann ein Gedanken-Rezept entwickelt, daß mir
bis heute sehr hilft:
Ich sage zu mir: "Es gibt zwar etliche Geiger, die das, was ich jetzt gleich hier spielen werde, deutlich
besser spielen können, weil sie einfach besser sind. Es ist sogar möglich, daß ein sehr guter Geiger
heute im im Publikum zuhört und mir genau auf die Finger schaut. Aber jetzt und hier bin ich der Chef
im Ring. Es gibt keine Person im Publikum, die einfach auf die Bühne kommen kann und das, was ich vorbereitet
habe einfach besser spielen kann, als ich. Ich präsentiere jetzt diese Musik und das wird klasse."

Ich spiele seit geraumer Zeit keine Klassik mehr. Früher gab es durchaus immer Stücke mit sogenannten
"Angst-Passagen", Höchstschwierigkeiten, die nur in absoluter Topform und maximaler Konzentration funktionieren.
Es kann passieren, daß man solange verkrampft spielt, bis die letzte Angstpassage überwunden ist und erst danach
die Musik richtig beginnt. Das ist eigentlich schade und auch n bischen beklopptes Denken.

Ich wähle meine Musik heute so, daß ich immer noch etwas Reserve für den Ernstfall habe, denn ich mache
Musik damit sie mir Spaß macht und die Zuhörerschaft Spaß hat. Das geht nur, wenn man die Musik
frei präsentieren kann. Für Angspassagen gibt es nur 2 Möglichkeiten diese zu eliminieren.
1) entweder üben wie ein Berserker, jeden Tag mehrfach, bis diese Stellen im Schlaf sitzten
oder 2) diese Stellen vereinfachen. Das ist zwar in der Klassik selten üblich, aber mich würde das
in gewissen Maßen heute auch nicht mehr groß stören.

Ich meine, kaum jemand ist ein Vollprofi von uns mit der technischen Fertigkeit eines David Garret. Wenn
ein Hobbymusiker nur an einer fiesen Stelle ein Problem hat, die ihn aber vom Kopf her das ganze Stück
versaut, weil er vor lauter Denkerei "gleich kommts, gleich versau ich's.." die einfachen Passagen auch
verkrampft, dann denke ich: ha, da dreh ich 1-2 Noten um, oder lass da eine weg und schon ist das alles
garkein Problem mehr. Warum soll man sich zum Knecht der Musik machen?

Musik ist von Menschen für Menschen gemacht. Musik hat nicht die Absicht, Instrumentalschüler in
Angst und Schrecken zu versetzen nur weil sie mit Höchstschwierigkeiten vollgestopft ist. Man muß ja
auch nicht unbedingt ein Stück auswählen, das ständig am technisch oberen Anschlag fährt. Dabei geht
oft ne menge Musikalität "flöten". Und das ist nicht das Wesen von Musik.

Wenn du ein Stück vorspielst, dann erfüllst du den Raum mit Musik. Du stellst - entweder alleine, oder
im Enseble - ein "Wesen" in den Raum, neben dem du relativ unbedeutend bist. Deine Anwesenheit
ist tatsächlich zweitrangig.

Und bleib mit dem Kopf bei der Musik. Hinterher kannst du wieder an dein Mädel denken.
Musik braucht genausoviel Aufmerksamkeit, wie das Überqueren einer starkbefahrenen Schnellstraße.


cheers, fiddle
 
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Hallo Lucath,

ich hatte das Problem damals auch. Ganz extrem sogar. Vor allem wenn mehrere solieren mussten und der Vorgänger super spielte, waren die feuchten Arschbacken garantiert. Und wenn derjenige noch nicht mal aufgeregt war - oje... (das war an der Musikschule bez. bei Auftritten durch die Einrichtung)

In der Gruppe war das logischerweise nicht so schlimm und anscheinend wurde es durch Gewöhnung besser.
Die Hinweise von fiddle sind ja schon perfekt, aber nun hast du noch eine Meinung mehr...

Ich habe -wenn möglich- nur 90% Stücke verwendet bzw. gegeben. Der Zeitpunkt der "Überlebensfreude" verlagerte sich zum Glück immer mehr nach vorne, so dass spätere Auftritte tatsächlich mehr und mehr Spaß machten - das Lampenfieber trat dann etwas in den Hintergrund.

Leider gehöre ich zu den Leuten, die von ihrem spielerischen Können selber nicht besonders überzeugt waren. Das steigert natürlich auch das Lampenfieber. Aber Lob und Anerkennung habe ich dann zunehmend geglaubt und konnte damit mein Selbstvertrauen steigern. (wenn einer sagte "du warst gut" dachte ich immer, der spinnt, hi hi )

Zu dem Zeitpunkt war ich aber sehr jung, so 13-15. Später war es wesentlich besser und jetzt ist es längst nicht mehr so schlimm.

Nur Mut
und
viele Grüße
 
da steht viel Gutes in den Beiträgen über diesem, da kann ich nur noch 2 Tipps geben:

1) auftreten, auftreten, auftreten, man gewöhnt sich dran. "Billigmucken" in Kirchen (da sitzt man meist hinten auf der Orgelbühne), Straßenmusik, Auftritte in Altenheimen,... alles mitnehmen, was sich anbietet - auch wenn es kein Geld abwirft. Da bringt die Auftrittserfahrung dann das Plus.

2) stell dir ganz genau die Auftrittssituation vor - den Raum, die Leute die du kennst (auch die Person - entzückender als je zuvor), -> mach dich mental völlig zitterig und übe dann. Es gibt dafür auch Trainigs oder Bücher (Mentales Training für Musiker von Renate Klöppel oder so, hat mal bei einer Bekannten geholfen)

Grüße und viel Erfolg (nicht nur beim Konzert) wünscht

Cello und Bass
 
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Danke für die Antworten, Leute, hat echt super geholfen - ich war für meine Verhältnisse fast gar nicht nervös^^ hat dicken Applaus und ne Menge positive Rückmeldungen gegeben. In Zukunft werde ich solche Situationen wohl wesentlich entspannter angehen können.

Gruß, Lucath
 
:cool: :great: freut michfür dich - bleib dran am mentalen Training :)

Grüße C&B

PS: Und danke für die Rückmeldug!
 
:D "Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert!"

(Hanibal vom A-Team)
 
Übung macht den Meister ! :) Das sagt sich leicht als E-Gitarrist, der meistens hinstümpern kann, was er will xD Aber ich hatte vor gar nicht soo langer Zeit auch noch sehr zittrige Finger und dann wurde das Griffbrett vom Angstschweiß auch noch rutschig und so weiter.. Im Endeffekt hilft da wohl echt nur ein bisschen Erfahrung aus der man dann eine Portion selbstvertrauen schöpfen kann. Und immer dran denken, dass du nicht auf der Bühne stehst, um geprüft zu werden, sondern, weil du Spaß an der Sache hast und die Zuhörer auch. Mach ich jedenfalls, um lockerer zu werden ;)
 
Hey,

Ich weiß nicht, ob dein Problem immer noch aktuell ist, ich will nur sagen, dass du nicht der einzige bist :great:

Ich habe selbst über 10 Jahre Klassischen Geigenunterricht gehabt, und war in Prüfungssituationen stets sehr nervös und verkrampft.
Wegen diesem Stress habe ich meiner Meinung nach sehr viele Examen vergeigt (wie passend :rolleyes:).
Zitternder Bogen, extrem krampfartiges Vibrato... ich glaube du weißt, was ich meine.
Komischerweise war's nur, wenn eine Jury mir auf die Finger geschaut hat.
Das Lampenfieber vor Aufführungen hielt sich in Maßen, ich glaub' jeder ist etwas nervös.
Allerdings hat mich dies nie wirklich sonderlich behindert. Prüfungsangst in der Schule oä war auch nicht vorhanden.

Hast du schon einmal von Sophrologie gehört?
Eine Art Therapie, bzw Yoga, wo man lernt, den Körper und Geist durch Atemübungen zu beruhigen.
Einem guten Freund von mir, dem es ebenso ergeht bzw. erging, hat's sehr geholfen.
Vor Examenssituationen macht er halt diese Übungen, und später gelingt's ihm dann viel besser!
Zwar ist die Nervosität immer noch da, allerdings sehr viel kontrollierbarer.
Und sie steht einem halt nicht mehr so im Weg, dass man immer mehr und mehr krampft bis es aus ist.

Vielleicht gibt's ja eine Einrichtung in der Nähe, welche solche Sitzungen anbietet.
Eventuell mit 'ner Schnupperstunde, ich glaub' schaden tut's nicht.


In diesem Sinne ein frohes Neues,

Road


PS: Meine Lösung auf die Examensangst, war einfach: Nie wieder vor 'ner Jury vorspielen.
Hab das klassische Gedöns liegen lassen, und angefangen Musik zu machen!
Auf der Bühne, nicht in irgendwelchen Hinterzimmern vor depressiven Orchestermusikern :rock:
 
Hi Road,
danke für den Tipp, vielleicht mache ich mich demnächst mal schlau darüber, aber im Moment steht erstmal lange kein Auftritt an :redface:
Das "klassische Gedöns liegen lassen" will ich nicht, für mich ist auch das Musik und in meinem Orchester sind alle voll cool drauf :D
Frohes Neues noch,
Lucath
 
Die Tips sind wirklich Gold wert! Wichtig finde ich aber, daß die Nervosität nicht ganz verloren gehen sollte. Diese hilft nämlich dann, die zusätzliche Konzentration zu erhalten, mit der man dann sehr gute Auftritte erzielen kann.
 
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Wichtig finde ich aber, daß die Nervosität nicht ganz verloren gehen sollte. Diese hilft nämlich dann, die zusätzliche Konzentration zu erhalten, mit der man dann sehr gute Auftritte erzielen kann.

Oh wie wahr! - Dafür ein paar Kekse!
Das entspricht auch meiner Erfahrung, Auftritte ganz ohne Nervosität warn bei mir nie so gut - mangelnder Eustress halt.
 
Auftritte hatte ich noch nie, aber oft bekomme ich Panik vor schwierigen Passagen - die Konsequenz ist dann, dass ich diese Passagen dann versaue und auch nicht lerne - und auch überhaupt nicht mitkomm.
Ich umgeh das mit dem Trick, dass ich an eine spätere Passage denke und wie ein Wunder funktioniert es dann ganz automatisch :)

Vielleicht erleichtert es dich auch, wenn du vor Beginn einmal spielst? :) Ich meine, dann weisst du, dass du es kannst - du kannst auch bestimmte
Passagen mit einem Anker verbinden - also mit irgendeiner Bewegung kombinieren. Du denkst dann an die Musik, machst die Bewegung und der Rest läuft als
Reflex - so kommt man auch ein bisschen vom "Denken" weg.


so als Tipp vom Anfänger..
 

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