Hallo
@Hoertmanix
Wenn ich zB einen E-Dur Akkord spiele --> nütze ich dann ausschließlich E-Dur Pentatonik oder kann man dann auch andere rein mischen?
Prinzipiell kann jeder Ton im Umfeld jedes Akkordes vorkommen.
Es kommt da aber ziemlich drauf an, ob der Ton zu einer betonten Zählzeit kommt, wie lange er klingt, speziell bei nicht-akkordeigenen die Tonlage an sich, z.B. das F# - teil der E-Dur-Penta - klingt eher weiter oben sehr gut als Tension, nennt man dann Eadd9. Every Breath You Take von The Police, erster Akkord des Intros (da ist es halt ein Aadd9). Klingt doch ziemlich gut oder? Spielt man aber das ganz mit dem tiefen F# am 2. Bund der tiefsten Saite dazu und klingt das ziemlich schnell nach Soundbrei. Auch, welche Funktion dieser Akkord gerade hat ist nicht so unwichtig.
"welche Funktion gerade hat" bedeutet:
Ein Song steht ja in einer Tonart und der Akkord E kann in verschiedensten Tonarten in eben verschiedensten Funktionen auftreten.
Ist der Song in der Tonart E-Dur ist der Akkord E-Dur sozusagen das Zuhause des Stücks (die sog. Tonika), in dem alles ruht und da mag unser Ohr Dissonanzen natürlich nicht so sehr.
Ist der Song hingegen in A-Dur ist der Akkord E-Dur das genaue Gegenteil davon (die sog. Dominante), in A-Dur baut der Akkord E-Dur (viel) Spannung auf, die zurück zum A-Dur zieht. Diese Spannung (bzw. genauer, das Bestreben des Akkords, sich irgendwohin aufzulösen) kann man da durch noch mehr Dissonanz steigern, dass macht Songs in erster Linie eben spannungsreicher und interessanter, solange diese Dissonanz irgendwie schlüssig aufgelöst wird.
Da ist aber wohl oft ein Problem für anfangende Autodidakten auf dem Gebiet: Passiert diese Auflösung nicht, bleibt die Dissonanz "unerklärt" stehen oder beendet gar das Stück und bei dem Ausführenden bleibt genau dieser Eindruck hängen und der merkt sich "Aha, dieser Akkord + dieser Ton = nicht gut", konsequent angewandt verbaut man sich damit wohl schnell jede Weiterentwicklungsmöglichkeit und erfüllt sich weiter diese (falsche!) Annahme, dass es zu jedem Akkord eine simple Merkformel aus "richtigen" Tönen gibt und fertig. In Dave Brubecks Klassiker "Take Five" erklingt beim Einsetzen der Melodie auf den Em-Akkord (der hier auch die Tonika ist) auf den ersten (und damit schwersten) Schlag gleich mal ein A#, der Tritonus.
Ist aber eh nur ein schneller Durchgang, die Dissonanz kommt nicht zur Geltung und das Stück würden die meisten wohl als gelungen und einprägsam bezeichnen.
Anderes schönes Beispiel:
(Und ich meine, dass Kollege
@guitar-slinger mit "Auch die Moll Pentatonik klingt gut über den E Dur Akkord" uA. genau diesen Sachverhalt meint)
Der "Hendrix-Akkord" (X7#9). Das ist ein Durakkord mit einer kl. Septime UND einer #9, die aber deckungsgleich mit der Mollterz ist, also du spielst zu einem Durakkord zusätzlich den Ton, der eigentlich den Unterschied zum Mollakkord macht. Tritt bezeichnenderweise meist als Dominante auf und ist im Grunde auch ein Dominantseptakkord (deswegen ja auch die Bezeichnung E7 - das ist ein Dominantseptakkord - plus #9, womit die vermeintliche Mollterz als Tension, also ein Zusatzton, gekennzeichnet wird).
CAGED-System finde ich eigentlich ziemlich entbehrlich, aber ich konnte vor der Gitarre schon Noten lesen und von daher war es viel logischer, einfach gleich diese schon "hinterlegten" Notenwerte dem Griffbrett zuzuordnen, wenn man dann noch weiß, wie sich Akkorde aufbauen ist dieses ganze System damit nicht nur obsolet, sondern ich weiß auch ausgehend vom Grundton jedes anderen Akkords, wo welche Töne dazu liegen. Um für den Anfang Struktur reinzubringen scheint es aber für Autodidakten durchaus seine Berechtigung zu haben.
So, was kannst du aus derlei Exkursen für dich mitnehmen:
-) Klar, am Anfang braucht man Struktur, aber mach nicht den Fehler, daraus "Darf man/ Soll man/ darf man nicht..."-Regeln abzuleiten. Ausprobieren und das Ohr entscheiden lassen! Siehe Sachen wie "Probier mal das über das aus" eben als
Übungen und nicht als
Regeln.
-) Sei dir darüber im Klaren, dass ein nachfolgender Ton oder Akkord ziemlich viel "erklären" kann - nur weil etwas irgendwie dissonant und vermeintlich "schlecht" klingt bedeutet das bei weitem nicht, dass exakt diese Kombinationen an Tönen mit einer anderen Fortführung oder generell in einem anderen Kontext nicht prächtig funktionieren kann.
-) Du hast ja sicher musikalische Vorbilder. Die a) nachspielen (tust du vermutlich eh) und b) die analysieren. So ganz allgemeine Aussagen wie "Penta soundso zu Akkord soundso passt" sind viel zu pauschal, wenn man einfach nur 3 konkrete Takte von irgendwas, was so klingt, wie man es auch können möchte analysiert lernt man (mMn) wesentlich mehr als aus derlei Verallgemeinerungsversuchen.
LG