The Dude
HCA Bassbau
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Review Paradise Lost - One Second
Erschienen: 1997
Lable: Music For Nations
Spielzeit: ca. 55 min.
Tracklist:
1. One Second
2. Say Just Words
3. Lydia
4. Mercy
5. Soul Courageous
6. Another Day
7. The Sufferer
8. This Cold Life
9. Blood Of Another
10. Disappear
11. Sane
12. Take Me Down
13. I Despair
Einst stand der Name Paradise Lost für die Crème de la Crème des Gothic Metals, waren sie doch immerhin auch die Erfinder dieses Genres.
Damals, lange ist es her, kam mit Gothic" ein Album auf den Markt, das eine neue, aufregende Mischung aus Death Metal mit melancholischer Atmosphäre und teilweise ausufernden Melodien verband. Dazu gesellten sich noch die ein oder anderen weiblichen Vocals und schwupdiwup war ein neues Gerne geboren.
Es folgten sehr erfolgreiche Alben wie Icon oder Draconian Times, die den Stil weiter perfektionierten und Paradise Lost neben Type O Negative und Moonspell Anfang/ Mitte der Neunziger zu der wohl angesagtesten Band in diesem Genre werden ließen.
Keine andere Band verstand es eine solche Trost- und Hoffnungslosigkeit, eine solche bittersüße Melancholie, eine solche Verzweiflung auf einen Tonträger zu bannen wie Paradise Lost. Wir reden hier nicht von Gothic-Metal" der Sorte HIM oder Konsorten, hier geht es um richtig düsteres Zeug, um pechschwarze bis in alle Ewigkeit verdammte Seelen, um Schmerz und Verzweiflung, verpackt in grandiose, harte Gitarrenriffs, oft schleppende Beats und raue Vocals. Wenn richtige Kerle leiden, dann hört es sich so an.
Kurz: Paradise Lost waren, um es mit einem ihrer eigenen Songtitel mit einem Wort zu beschreiben, die Shadowkings" der Szene.
Dann wurde es plötzlich ruhig um die Band und keiner wusste so recht was da eigentlich los war. Wir erinnern uns, dass das genau zu dieser Zeit passierte, als auch Metallica auf dem höchsten Gipfel des Metal-Gebirges standen und es auch dort plötzlich ganz still wurde.
Große Namen verschwanden plötzlich spurlos und keiner wusste, was mit den alten Helden passiert war. Immer wieder tauchten neue Gerüchte von Splits, Karriereende oder gar toten Bandmitgliedern auf, doch was genaueres vermochte niemand zu wissen.
Neue, junge Bands drängten sich in den Vordergrund, Melodic Death lautete die Zauberformel der Stunde und Bands wie In Flames, Dark Tranquillity oder Children of Bodom traten ihren Siegszug aus Nordeuropa an und ließen die alten Helden schnell in Vergessenheit geraten.
Plötzlich tauchten sie aber wieder auf. Wie aus dem nichts hörte man plötzlich Lebenszeichen einer scheinbar längst vergessenen Band namens Paradise Lost. Alte Augen fingen wieder an zu funkeln, die Vorfreude auf das neue Album war immens, doch machten Gerüchte die Runde, die Band hätte ihren Stil gewechselt und klänge mehr nach Depeche Mode als nach sich selbst.
Es war etwas dran an den Gerüchten, denn der neue Longplayer namens "One Second" war tatsächlich anders als die Götteralben vergangener Tage und versetzte so manch alteingesessenen Fan in einen Zustand von Angst und Schrecken. Enttäuschung wo man nur hinsah und -hörte.
Wir ziehen wieder unsere Parallele zu Metallica und erinnern uns an die Stimmen zu Load". Auch hier hatte man die Judase schlechthin gefunden. Verrat und Ausverkauf waren die Schlagworte dieser Fraktion, die einfach nicht wahrhaben wollte und konnte, dass One Second" eben nicht wie ein zweites Icon" oder Shades Of God" klang, bzw. Load kein zweites Master Of Puppets wurde.
Neben diesen Fans gab es jedoch nicht wenige, die den neuen Klängen mit großem Interesse lauschten und ganz neue Qualitäten im neuen Sound der Band entdeckten.
Sicher wurde der allgemeine Härtelevel einige Stufen nach unten verlagert, die dunkle Atmospäre, die Paradise Lost stehts versprühten war jedoch geblieben und kam durch die neuen Arragements mitunter besser zur Geltung als das noch zu Zeiten ihrer größten Erfolge der Fall war.
Wir reden hier von einer Band, die noch nie dafür bekannt war Party-Mucke zu machen, die man nie lächeln sah und auch sonst jeden Fetzen bunten Stoffes verabscheute, aber dermaßen down" hatte man sie bis dato noch nicht erlebt.
So jedenfalls empfanden es die einen. Für die anderen hingegen klang das nicht nach Düsternis, sondern viel mehr nach völlig belanglosem Synthi-Pop.
Einig waren sich eigentlich alle beim Opener und Titelstück der Platte. "One Second" startet mit einer unheilsschwangeren Keyboard-Melodie und entwickelt sich zu einem echten Ohrwurm, mit einer für Paradise Lost typischen Mischung aus traurigen Melodien und trockenen Gitarren-Riffs, getragen von Nick Holmes markanter Stimme, die speziell im Refrain Gänsehaut-Potential entwickelt. Ein einfacher, aber trotzdem treibender Rhythmus bildet das perfekte Grundgerüst um die Stimmung des Songs auf den Hörer wirken zu lassen, dem spätestens zum Ende des Songs jegliches Lächeln aus dem Gesicht verschwunden sein dürfte und somit reif ist für den restlichen ca. 50-minütigen Trip durch die dunkle Welt der Herren Yorkshire, UK ist.
"Say Just Words" ist ein straighter Rocker mit gewohnt melancholischer Note, der ebenfalls Ohrwurmcharakter besitzt. Fette Riffs und wieder einmal Nicks Gesang drücken dem Song ihren Stempel auf und lassen ihn zu einem Highlight des Albums werden, auch vielleicht deshalb, weil der Härtgrad im Gegensatz zum Großteil der anderen Songs hier etwas höher angesiedelt ist und sich damit nicht so weit von den alten Qualitäten der Band entfernt.
Etwas belangloser klingt "Lydia". Der Song will einfach nicht zünden und plätschert vor sich hin. Stilistisch bewegt man sich im typischen One-Second-Gerüst, allerdings gehört dieses Stück eindeutig zu den schwächeren des Albums.
Nun scheiden sich die Geister endgültig. "Mercy" wäre mit einer traditionelleren Instrumentalisierung sicherlich ein kleines Highlight auf Draconian Times oder Icon geworden, doch durch den fast gänzlichen Verzicht auf harte Gitarren und den dafür vorgezogenen Einsatz von Synthies und Drumcomputern wirkt der Song sehr befremdlich auf den gemeinen Alt-Fan. Dennoch hat "Mercy" seine Stärken zu bieten. Eine gewisse Eingängigkeit kann man dem Stück nicht absprechen und ich persönlich finde einigermaßen Gefallen an dem Stück, auch wenn ihm eine etwas komplexere Struktur sicher ganz gut gestanden hätte.
Mit "Soul Courageous" hat sich sogar eine echte Single auf die Platte verirrt, die alte Qualitäten und neue Elemente schlüssig in sich vereint. Der Song zählt zu den härteren der Platte, wenngleich man auch hier nicht auf den Einsatz von Keyboards verzichtet. Es geht flott voran und man ist sogar geneigt, das ein oder andere Körperteil zu bewegen, ein Bedürfnis, das man bis hier hin eigentlich noch nicht wirklich verspürte. Cool!
Ein weiteres Highlight bahnt sich mit "Another Day" an. Der Hörer wird von einer zuckersüßen, entspannt-sanften Melodie empfangen, die gar fröhlich anmutet und den Charme eines schwülen Sommertages in einer Wiese liegend umschwärmt von summenden Bienchen, verspüht. Summer Breeze von Type O Negative ist ein guter Vergleich hierzu. Doch bei aller Gelassenheit liegt ein Gewitter in der heißen, schwülen Sommerluft, welches in Form des mächtigen und kraftvollen Einsatzes des Refrains plötzlich und voller negativer Energie über den Hörer hereinbricht.
Doch wie das bei einem anständigen Sommergewitter so ist, dauert es nicht lange, bis sich die Wolken wieder lichten und die vorangegangene Leichtigkeit wieder einsetzt, bis...jawohl...der Refrain wiederholt wird und nun endgültig für die Unwetterkatastrophe sorgt.
Ein grandioser Song mit äußerst wirkungsvoller Laut-Leise-Dynamik.
The Sufferer greift die angesprochene Dynamik nochmals auf, geht dabei allerdings extremer zu Werke als Another Day. Der Refrain kann überzeugen und geht sofort ins Ohr. Unterstützt von rauen Riffs und Nicks kraftvoller Stimme setzt er die Energie frei, die man vor allem im Anfangspart eingespart hat. Lediglich minimalistische Keyboards und ein simpler Beat leiten den Hörer hin zum explosiven Chorus und von dort zum gelungenen Mittelteil. Ein sehr anständiger Song.
"This Cold Life" ist ein weiterer Lichtblick auf One Second, obwohl hier die Depeche Mode-Parallelen wohl mit am deutlichsten sind. Synthies und Drumcomputer bilden den Anfang. Dann setzt Nicks Gesang ein, der hier unweigerlich an Dave Gahan erinnert. Eine tolle Gesangslinie, die in kraftvoll einsetzende Wand aus Zerr-Gitarren mündet. Ab da entwickelt der Song eine tolle Eigendynamik und steigert sich beständig bis zum Ende hin. Depeche Mode selbst hätten mit einem solchen Song vermutlich einen Hit gelandet, Paradise Lost muss sich anhören, dass sie so was lieber hätten bleiben lassen....
Für mich ist und bleibt der Song einfach grandios!
Härtetechnisch wird mit "Blood of Another" noch einer draufgesetzt, wenngleich dadurch die Songstruktur etwas leiden muss. Es klingt alles ein bisschen vorhersehbar und trotz dem, für One Second eigentlich sehr hohen, Härtelevel sagt mir die Nummer nicht so sehr zu.
Als Single würde sich der Song wahrscheinlich ähnlich gut eignen wie seinerzeit The Last Time von Draconian Times, aber insgesamt ist mir persönlich das alles einen Tick zu wenig.
Depeche Mode Fans dürfen sich auf den nächsten Song "Disappear" freuen. Synthies, Drumcomputer und eine durch Effekte verfremdete Stimme liefern die Basis für die Strophe, während verzerrte Gitarren und eine kraftvoller, dunkler Gesang die Zutaten für den großartigen Refrain bilden. Dieser Song lässt keine positiven Gedanken zu, jedes Gefühl von Freude oder Unbeschwertheit wird im Keim erstickt, eine äußerst gedrückte Stimmung, nahe der absoluten Verzweiflung wurde hier in Töne verpackt und zieht einen so richtig runter.
Wiederum ein verdammt gelungenes Stück Musik, das auch nach exzessivem Hören desselben nichts an Qualität einbüßt.
Weiter geht es mit "Sane", welches vor allem durch seinen eingängigen Refrain Gefallen findet. Der Rest des Songs läuft etwas nebenher vorbei, doch wird man beim Chorus wieder wach gerüttelt und mitunter auch zum Mitsingen verleitet.
Trockene, rockige Gitarrenriffs teilen sich die Aufmerksamkeit mit elektronischen Passagen und übernehmen gegen Ende vollends das Kommando. Kein Übersong, aber eigentlich ganz nett und hörenswert.
"Take me down" ist das vorletzte und zugleich überflüssigste Stück des Albums. Der Song an sich ist zu vernachlässigen. Langweiliges, schleppendes Gedudel ohne wirklich auf den Punkt zu kommen, um dann irgendwo im nichts zu versanden. Sucht vorsichtshalber schon mal die Skip-Taste an eurem CD-Spieler....
I Despair - Ich verzweifle, so die wörtlich Übersetzung des Titels, könnte auch als Sinnbild für die gesamte Scheibe gelten. Der Song selbst ist ein würdiger Rausschmeißer und setzt zum Ende der Platte nochmal ein dickes Ausrufezeichen. Man könnte ihn als Zusammenfassung der vorangegangenen Stücke bezeichnen, denn die Passagen, die dort funktioniert haben, findet man hier erneut im insgesamt rockigen Gewand wieder. Ein wirklich guter Song zum Abschied.
Aber noch mal zurück zum Stichwort Verzweiflung und zum Fazit:
Die einen verzweifeln angesichts des krassen Stilwechsels der Band und wünschen ihr die Pest an den Hals, denn jede Keyboard-Note bringt sie näher an den Rand der Verzweiflung, die Hoffnung dass auch dieser Song nur ein Ausrutscher war stirbt langsam aber sicher mit jedem weitern Stück der Platte und streut Salz in die bleckenden Wunden der alten Fanschar.
Verzweiflung ist aber auch das Leitmotiv des Albums. Man hört es den Stücken an. Die Stimmung ist alles andere als fröhlich, Paradise Lost packen diese Verzweiflung in Musik. Traurige Musik, der Hoffnung fremd ist und die dennoch befreiend wirkt.
Paradise Lost haben mit diesem Album genau das gemacht, auf was sie Lust hatten und man kann es hören. Sicherlich muss man sich erst daran gewöhnen, aber wer akzeptieren kann, dass sie nicht mehr dieselbe Band wie noch zu Gothic-Zeiten ist, der wird Gefallen an diesem Album finden.
One Second gehört zu meinen meistgehörten Alben, denn es hat das geschafft das was nur wenige schaffen. Es ist zum Klassiker geworden, zu einem Album, das zeitlos ist und das man immer wieder gerne hört. Dabei muss man das Album allerdings in seiner Gesamtheit betrachten, denn erst dann kann man es verstehen und letztendlich auch mögen
Ich kann nur jedem empfehlen vorurteilsfrei an das Album heranzugehen und es bewusst zu hören, denn es lohnt sich wirklich.
Da sich aber trotzdem der ein oder andere Füller darauf verirrt hat, reicht es nicht ganz zur Höchstnote, aber knapp drunter ist doch auch ganz ok...
9 von 10 Punkten!
Erschienen: 1997
Lable: Music For Nations
Spielzeit: ca. 55 min.
Tracklist:
1. One Second
2. Say Just Words
3. Lydia
4. Mercy
5. Soul Courageous
6. Another Day
7. The Sufferer
8. This Cold Life
9. Blood Of Another
10. Disappear
11. Sane
12. Take Me Down
13. I Despair
Einst stand der Name Paradise Lost für die Crème de la Crème des Gothic Metals, waren sie doch immerhin auch die Erfinder dieses Genres.
Damals, lange ist es her, kam mit Gothic" ein Album auf den Markt, das eine neue, aufregende Mischung aus Death Metal mit melancholischer Atmosphäre und teilweise ausufernden Melodien verband. Dazu gesellten sich noch die ein oder anderen weiblichen Vocals und schwupdiwup war ein neues Gerne geboren.
Es folgten sehr erfolgreiche Alben wie Icon oder Draconian Times, die den Stil weiter perfektionierten und Paradise Lost neben Type O Negative und Moonspell Anfang/ Mitte der Neunziger zu der wohl angesagtesten Band in diesem Genre werden ließen.
Keine andere Band verstand es eine solche Trost- und Hoffnungslosigkeit, eine solche bittersüße Melancholie, eine solche Verzweiflung auf einen Tonträger zu bannen wie Paradise Lost. Wir reden hier nicht von Gothic-Metal" der Sorte HIM oder Konsorten, hier geht es um richtig düsteres Zeug, um pechschwarze bis in alle Ewigkeit verdammte Seelen, um Schmerz und Verzweiflung, verpackt in grandiose, harte Gitarrenriffs, oft schleppende Beats und raue Vocals. Wenn richtige Kerle leiden, dann hört es sich so an.
Kurz: Paradise Lost waren, um es mit einem ihrer eigenen Songtitel mit einem Wort zu beschreiben, die Shadowkings" der Szene.
Dann wurde es plötzlich ruhig um die Band und keiner wusste so recht was da eigentlich los war. Wir erinnern uns, dass das genau zu dieser Zeit passierte, als auch Metallica auf dem höchsten Gipfel des Metal-Gebirges standen und es auch dort plötzlich ganz still wurde.
Große Namen verschwanden plötzlich spurlos und keiner wusste, was mit den alten Helden passiert war. Immer wieder tauchten neue Gerüchte von Splits, Karriereende oder gar toten Bandmitgliedern auf, doch was genaueres vermochte niemand zu wissen.
Neue, junge Bands drängten sich in den Vordergrund, Melodic Death lautete die Zauberformel der Stunde und Bands wie In Flames, Dark Tranquillity oder Children of Bodom traten ihren Siegszug aus Nordeuropa an und ließen die alten Helden schnell in Vergessenheit geraten.
Plötzlich tauchten sie aber wieder auf. Wie aus dem nichts hörte man plötzlich Lebenszeichen einer scheinbar längst vergessenen Band namens Paradise Lost. Alte Augen fingen wieder an zu funkeln, die Vorfreude auf das neue Album war immens, doch machten Gerüchte die Runde, die Band hätte ihren Stil gewechselt und klänge mehr nach Depeche Mode als nach sich selbst.
Es war etwas dran an den Gerüchten, denn der neue Longplayer namens "One Second" war tatsächlich anders als die Götteralben vergangener Tage und versetzte so manch alteingesessenen Fan in einen Zustand von Angst und Schrecken. Enttäuschung wo man nur hinsah und -hörte.
Wir ziehen wieder unsere Parallele zu Metallica und erinnern uns an die Stimmen zu Load". Auch hier hatte man die Judase schlechthin gefunden. Verrat und Ausverkauf waren die Schlagworte dieser Fraktion, die einfach nicht wahrhaben wollte und konnte, dass One Second" eben nicht wie ein zweites Icon" oder Shades Of God" klang, bzw. Load kein zweites Master Of Puppets wurde.
Neben diesen Fans gab es jedoch nicht wenige, die den neuen Klängen mit großem Interesse lauschten und ganz neue Qualitäten im neuen Sound der Band entdeckten.
Sicher wurde der allgemeine Härtelevel einige Stufen nach unten verlagert, die dunkle Atmospäre, die Paradise Lost stehts versprühten war jedoch geblieben und kam durch die neuen Arragements mitunter besser zur Geltung als das noch zu Zeiten ihrer größten Erfolge der Fall war.
Wir reden hier von einer Band, die noch nie dafür bekannt war Party-Mucke zu machen, die man nie lächeln sah und auch sonst jeden Fetzen bunten Stoffes verabscheute, aber dermaßen down" hatte man sie bis dato noch nicht erlebt.
So jedenfalls empfanden es die einen. Für die anderen hingegen klang das nicht nach Düsternis, sondern viel mehr nach völlig belanglosem Synthi-Pop.
Einig waren sich eigentlich alle beim Opener und Titelstück der Platte. "One Second" startet mit einer unheilsschwangeren Keyboard-Melodie und entwickelt sich zu einem echten Ohrwurm, mit einer für Paradise Lost typischen Mischung aus traurigen Melodien und trockenen Gitarren-Riffs, getragen von Nick Holmes markanter Stimme, die speziell im Refrain Gänsehaut-Potential entwickelt. Ein einfacher, aber trotzdem treibender Rhythmus bildet das perfekte Grundgerüst um die Stimmung des Songs auf den Hörer wirken zu lassen, dem spätestens zum Ende des Songs jegliches Lächeln aus dem Gesicht verschwunden sein dürfte und somit reif ist für den restlichen ca. 50-minütigen Trip durch die dunkle Welt der Herren Yorkshire, UK ist.
"Say Just Words" ist ein straighter Rocker mit gewohnt melancholischer Note, der ebenfalls Ohrwurmcharakter besitzt. Fette Riffs und wieder einmal Nicks Gesang drücken dem Song ihren Stempel auf und lassen ihn zu einem Highlight des Albums werden, auch vielleicht deshalb, weil der Härtgrad im Gegensatz zum Großteil der anderen Songs hier etwas höher angesiedelt ist und sich damit nicht so weit von den alten Qualitäten der Band entfernt.
Etwas belangloser klingt "Lydia". Der Song will einfach nicht zünden und plätschert vor sich hin. Stilistisch bewegt man sich im typischen One-Second-Gerüst, allerdings gehört dieses Stück eindeutig zu den schwächeren des Albums.
Nun scheiden sich die Geister endgültig. "Mercy" wäre mit einer traditionelleren Instrumentalisierung sicherlich ein kleines Highlight auf Draconian Times oder Icon geworden, doch durch den fast gänzlichen Verzicht auf harte Gitarren und den dafür vorgezogenen Einsatz von Synthies und Drumcomputern wirkt der Song sehr befremdlich auf den gemeinen Alt-Fan. Dennoch hat "Mercy" seine Stärken zu bieten. Eine gewisse Eingängigkeit kann man dem Stück nicht absprechen und ich persönlich finde einigermaßen Gefallen an dem Stück, auch wenn ihm eine etwas komplexere Struktur sicher ganz gut gestanden hätte.
Mit "Soul Courageous" hat sich sogar eine echte Single auf die Platte verirrt, die alte Qualitäten und neue Elemente schlüssig in sich vereint. Der Song zählt zu den härteren der Platte, wenngleich man auch hier nicht auf den Einsatz von Keyboards verzichtet. Es geht flott voran und man ist sogar geneigt, das ein oder andere Körperteil zu bewegen, ein Bedürfnis, das man bis hier hin eigentlich noch nicht wirklich verspürte. Cool!
Ein weiteres Highlight bahnt sich mit "Another Day" an. Der Hörer wird von einer zuckersüßen, entspannt-sanften Melodie empfangen, die gar fröhlich anmutet und den Charme eines schwülen Sommertages in einer Wiese liegend umschwärmt von summenden Bienchen, verspüht. Summer Breeze von Type O Negative ist ein guter Vergleich hierzu. Doch bei aller Gelassenheit liegt ein Gewitter in der heißen, schwülen Sommerluft, welches in Form des mächtigen und kraftvollen Einsatzes des Refrains plötzlich und voller negativer Energie über den Hörer hereinbricht.
Doch wie das bei einem anständigen Sommergewitter so ist, dauert es nicht lange, bis sich die Wolken wieder lichten und die vorangegangene Leichtigkeit wieder einsetzt, bis...jawohl...der Refrain wiederholt wird und nun endgültig für die Unwetterkatastrophe sorgt.
Ein grandioser Song mit äußerst wirkungsvoller Laut-Leise-Dynamik.
The Sufferer greift die angesprochene Dynamik nochmals auf, geht dabei allerdings extremer zu Werke als Another Day. Der Refrain kann überzeugen und geht sofort ins Ohr. Unterstützt von rauen Riffs und Nicks kraftvoller Stimme setzt er die Energie frei, die man vor allem im Anfangspart eingespart hat. Lediglich minimalistische Keyboards und ein simpler Beat leiten den Hörer hin zum explosiven Chorus und von dort zum gelungenen Mittelteil. Ein sehr anständiger Song.
"This Cold Life" ist ein weiterer Lichtblick auf One Second, obwohl hier die Depeche Mode-Parallelen wohl mit am deutlichsten sind. Synthies und Drumcomputer bilden den Anfang. Dann setzt Nicks Gesang ein, der hier unweigerlich an Dave Gahan erinnert. Eine tolle Gesangslinie, die in kraftvoll einsetzende Wand aus Zerr-Gitarren mündet. Ab da entwickelt der Song eine tolle Eigendynamik und steigert sich beständig bis zum Ende hin. Depeche Mode selbst hätten mit einem solchen Song vermutlich einen Hit gelandet, Paradise Lost muss sich anhören, dass sie so was lieber hätten bleiben lassen....
Für mich ist und bleibt der Song einfach grandios!
Härtetechnisch wird mit "Blood of Another" noch einer draufgesetzt, wenngleich dadurch die Songstruktur etwas leiden muss. Es klingt alles ein bisschen vorhersehbar und trotz dem, für One Second eigentlich sehr hohen, Härtelevel sagt mir die Nummer nicht so sehr zu.
Als Single würde sich der Song wahrscheinlich ähnlich gut eignen wie seinerzeit The Last Time von Draconian Times, aber insgesamt ist mir persönlich das alles einen Tick zu wenig.
Depeche Mode Fans dürfen sich auf den nächsten Song "Disappear" freuen. Synthies, Drumcomputer und eine durch Effekte verfremdete Stimme liefern die Basis für die Strophe, während verzerrte Gitarren und eine kraftvoller, dunkler Gesang die Zutaten für den großartigen Refrain bilden. Dieser Song lässt keine positiven Gedanken zu, jedes Gefühl von Freude oder Unbeschwertheit wird im Keim erstickt, eine äußerst gedrückte Stimmung, nahe der absoluten Verzweiflung wurde hier in Töne verpackt und zieht einen so richtig runter.
Wiederum ein verdammt gelungenes Stück Musik, das auch nach exzessivem Hören desselben nichts an Qualität einbüßt.
Weiter geht es mit "Sane", welches vor allem durch seinen eingängigen Refrain Gefallen findet. Der Rest des Songs läuft etwas nebenher vorbei, doch wird man beim Chorus wieder wach gerüttelt und mitunter auch zum Mitsingen verleitet.
Trockene, rockige Gitarrenriffs teilen sich die Aufmerksamkeit mit elektronischen Passagen und übernehmen gegen Ende vollends das Kommando. Kein Übersong, aber eigentlich ganz nett und hörenswert.
"Take me down" ist das vorletzte und zugleich überflüssigste Stück des Albums. Der Song an sich ist zu vernachlässigen. Langweiliges, schleppendes Gedudel ohne wirklich auf den Punkt zu kommen, um dann irgendwo im nichts zu versanden. Sucht vorsichtshalber schon mal die Skip-Taste an eurem CD-Spieler....
I Despair - Ich verzweifle, so die wörtlich Übersetzung des Titels, könnte auch als Sinnbild für die gesamte Scheibe gelten. Der Song selbst ist ein würdiger Rausschmeißer und setzt zum Ende der Platte nochmal ein dickes Ausrufezeichen. Man könnte ihn als Zusammenfassung der vorangegangenen Stücke bezeichnen, denn die Passagen, die dort funktioniert haben, findet man hier erneut im insgesamt rockigen Gewand wieder. Ein wirklich guter Song zum Abschied.
Aber noch mal zurück zum Stichwort Verzweiflung und zum Fazit:
Die einen verzweifeln angesichts des krassen Stilwechsels der Band und wünschen ihr die Pest an den Hals, denn jede Keyboard-Note bringt sie näher an den Rand der Verzweiflung, die Hoffnung dass auch dieser Song nur ein Ausrutscher war stirbt langsam aber sicher mit jedem weitern Stück der Platte und streut Salz in die bleckenden Wunden der alten Fanschar.
Verzweiflung ist aber auch das Leitmotiv des Albums. Man hört es den Stücken an. Die Stimmung ist alles andere als fröhlich, Paradise Lost packen diese Verzweiflung in Musik. Traurige Musik, der Hoffnung fremd ist und die dennoch befreiend wirkt.
Paradise Lost haben mit diesem Album genau das gemacht, auf was sie Lust hatten und man kann es hören. Sicherlich muss man sich erst daran gewöhnen, aber wer akzeptieren kann, dass sie nicht mehr dieselbe Band wie noch zu Gothic-Zeiten ist, der wird Gefallen an diesem Album finden.
One Second gehört zu meinen meistgehörten Alben, denn es hat das geschafft das was nur wenige schaffen. Es ist zum Klassiker geworden, zu einem Album, das zeitlos ist und das man immer wieder gerne hört. Dabei muss man das Album allerdings in seiner Gesamtheit betrachten, denn erst dann kann man es verstehen und letztendlich auch mögen
Ich kann nur jedem empfehlen vorurteilsfrei an das Album heranzugehen und es bewusst zu hören, denn es lohnt sich wirklich.
Da sich aber trotzdem der ein oder andere Füller darauf verirrt hat, reicht es nicht ganz zur Höchstnote, aber knapp drunter ist doch auch ganz ok...
9 von 10 Punkten!
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