Orla - who? (Review: Orla OM13 Cocobolo Engelmann)

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Die Wege des Schicksals sind oft verschlungen.

Mein Weg führte mich in den Herbstferien nach Holland, zu TFOA. Seit Jahren stand das auf meiner To-Do-Liste, aber trotz passabler Erreichbarkeit (aus dem Ruhrgebiet, rein technisch knapp 2,5h, dank der Baustellen und Wiegestationen aber tatsächlich eher 3h Fahrt) war das immer so ein "Ja, ich möchte das mal machen... aber bleib ich dann über Nacht? Hab ich wen, der mit mir fährt..? Warum überhaupt?" und ich hab es immer weiter rausgezögert.
Denn: Mal ehrlich: Ich hab wirklich genug Gitarren.

Aber ich liebe es auch in Gitarrenläden zu gehen und Gitarren in die Hand zu nehmen. Also auf zu TFOA, eine Liste im Gepäck mit interessanten oder seltsamen Gitarren, die man sonst nirgendwo anspielen kann. Klassische Gitarre mit African Blackwood Hals..? Gitarre von 1840? Kevin Ryan Nightingale? Teuffel Birdfish?
Gibt nicht so viele Orte in Europa wo man so eine Auswahl hat. (über 1200 Gitarren, ich hab gefragt)

Also bin ich früh morgens los, kurz nach Ladenöffnung da und hab mich dann durch alle Räume gespielt, mit Leuten gequatscht und einfach mal wieder Dutzende Gitarren in die Hand genommen.
Am Nachmittag leerte sich dann der Laden, so dass man Ruhe hatte und so hatte ich einen Raum für mich und die Mitarbeiter haben mir die ganzen Gitarren von meiner Liste besorgt, damit ich mich da mal in Ruhe durchtesten konnte.
Ich hatte nicht wirklich die Absicht eine Gitarre zu kaufen, denn: Mal ehrlich: Ich hab wirklich genug Gitarren. Aber man bildet sich ja immer fort und das war eine lustige Auswahl an kleinen Gitarrenbauern, die man sonst selten zu Gesicht bekommt.
Eine davon war mir vorher beim Stöbern auf der Internetseite aufgefallen, weil ich die Optik mochte und das Video auch einen schönen Klang erahnen ließ.


View: https://www.youtube.com/watch?v=IBM9s45TPGs

Natürlich sind Videos immer nur ein mageres Abbild der Realität, aber als ersten Eindruck..
Apropos erster Eindruck..


Orla OM13

Meine ersten Gedanken, als ich Orlas Gitarre zum ersten Mal in der Hand hatte waren in etwa so: "Oh no.. V-Shape... und wieso ist der Hals so schmal... iiirghs..."
Meine Lakewood hat 46mm, ich komme von der klassischen Gitarre, also bin ich eher breite Hälse gewohnt. V-Shape ist auch nicht so meins. Bin eher für flache Hälse. Gerne D-Shape..

Aber der Klang war toll. Also hab ich ein bisschen weiter gespielt und dann stellten sich mehrere Dinge heraus:
  1. Das V-Shape ist gar kein richtiges V-Shape.. Zwar ist der Hals in der Mitte klar V, aber zum Korpus und zum Kopf hin, flacht es ab und am 2. und 10 Bund ist der Hals tatsächlich flach
  2. Durch die superflache Saitenlage und den schmalen Hals, lässt sich da unglaublich leicht drauf spielen. (Hier auch mal ein großes Lob an TFOA: Ich hab noch keinen anderen Laden erlebt, wo wirklich alle Gitarren dermaßen großartig eingestellt sind und superfrische Saiten haben)
  3. HolladieWaldfee, ich kann mich nicht erinnern jemals eine Gitarre in der Hand gehabt zu haben, die so klang.

Klangbeschreibung

Das ist sicher immer super subjektiv, aber ich versuch es mal:

Ausgeglichen.
Schnell.
Explosiv.

Die Orla hat tatsächlich (ganz seltsam) gefühlt eher wenig Obertöne.
(ich hab es tatsächlich mal gemessen, und physikalisch stimmt das nicht, aber es fühlt sich so an).
Die Töne kommen einfach super definiert heraus, sehr knackig, klar. Jeder Ton ist extrem definiert.
Im Vergleich zu meiner Lakewood, die ich mittlerweile über 15 Jahre spiele und die bisher meine einzige normale 6-String-Steel-String war, hat die Orla mehr Bässe und klarere Höhen.
Das sind genau die zwei Punkte, die ich bei der Lakewood (die wirklich eine fantastische Gitarre ist) "vermisst" habe: Ein Basswunder war sie nie, keine Frage, totale Fingerstyle Gitarre. Mit vielen Obertönen, aber dadurch auch manchmal etwas "verwaschen".


Orla -who?

Ich denke nicht, dass jemand schon einmal von Orla Strijker gehört hat.
Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt schon vorher eine Gitarre verkauft hat.
Orla ist eine ganz junge holländische Gitarrenbauerin, die neben der Schule bei TFOA gejobbt hat, dann mit 18 Jahren nach Kanada zu Sergei de Jonge gegangen ist um Gitarrenbau zu lernen, dann in Holland ihren eigenen Workshop aufgemacht hat und aktuell (laut Aussage der Leute bei TFOA) irgendwas mit Hunden macht und nur nebenberuflich Gitarren baut.
Mehr Infos über ihre (spannende) Laufbahn finden sich auf ihrer Homepage: https://orlaguitars.com


Specs und Bilder

Disclaimer: Die Bilder hier sind alle von TFOA, nicht von mir.

Eigentlich eine recht "normale" Gitarre, mit einigen kleinen interessanten Features:
  • Cocobolo ist ein Holz was man nicht so häufig findet und wenn dann eher in höheren Preislagen, weil es nicht so super einfach zu verarbeiten ist. Ähnelt Palisanderholz, aber ist noch kraftvoller. Manchmal finden sich hier aufregende Maserungen (wer mal googled), bei meiner Gitarre aber überhaupt nicht.
  • Der Hals ist nicht lackiert. Ich bin mir nicht sicher, ob die Lackierung entfernt wurde oder überhaupt nicht mitlackiert wurde. Ich habe Orla angeschrieben, aber sie hat aktuell noch nicht geantwortet. Mag auch geölt oder gewachst sein, ich hab keine Ahnung.
  • Bearclaw-Decke: Hab ich schon einige gesehen. Wenige sind so gleichmäßig leicht gemustert wie diese
  • Übergang am 13. Bund. Das ist das woran ich mich erst noch gewöhnen muss. Bisher hatten alle meine Gitarren den Übergang entweder am 12. oder am 14. Bund. 13. Bund ist eher selten

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Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das die letzte Western-Gitarre ist, die ich in meinem Leben gekauft habe.
Auf meiner "Lebens-To-Do-Liste" steht noch: "Eine Gitarre selbst bauen", aber ich sehe wirklich wenig Gründe noch eine andere Western zu kaufen.
Ich hab Orlas Gitarre mit einer wirklich unglaublichen Auswahl an tollen Gitarren verglichen, von Martins, Lowdens, mehreren Dutzend Boutique Gitarren bis hin zu zwei Gitarren von Kevin Ryan (eine davon haben sie aus dem "Tresor" geholt) und ich ziehe sie allen anderen ohne geringste Zweifel vor.
Die OM13 passt wie Faust auf's Auge zu mir, ist qualitativ auch fantastisch gebaut, ohne den kleinsten Makel.
Man merkt, dass Orla da wirklich viel Zeit hineingesteckt hat und ich vermute, dass Sergei de Jonge auch mit ein Auge darauf hatte und mit Rat und Tat zur Seite stand.
Es ist keine sonderlich außergewöhnliche Gitarre vom Konstruktionsstandpunkt aus betrachtet: Kein Bevel, keine Flutes wie bei Ryan, kein elevated Griffbrett, keine Sandwichdecke... nichts..
Einfach eine gute Kombination an Hölzern mit minimalen Modifikationen wie dem Übergang am 13. Bund.
Die Optik ist genau meins: Eher dezent, die Hölzer im Vordergrund, aber ein paar kleine Highlights und Null Blingbling.
Wie für mich gemacht ;-)
 
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