Das ist wohl mit den Autoliebhabern, dem einen ist es wichtig, sein Fahrzeug sicher in der Garage jeden Samstag flimmern zu können, der andere wiederum hebt erst ab, wenn er mit dem Teil über den Asphalt düst, bis sich der Rückspiegel löst. So kommen wir beide wohl auch aus recht verschiedenen Ecken. Das heißt natürlich nicht, dass man dem jeweil anderen seine Vorlieben vorwerfen sollte. Für mich ist das absolut ok (und auch höchst erstaunlich), wenn einer sich auf all die technischen Details eines Konzertes fokussieren kann, selbst wenn der Meister gerade an der Harp zugange ist. Hab deinen seeehr ausführlichen Bericht fasziniert gelesen. Mir persönlich wäre eine Menge der geschilderten Vorgänge sicher komplett entgangen, das kannst du mir glauben
Ich gehöre mehr zur Generation Kopfhörer. Für mich ist Jarre das, was passiert, wenn ich mich entspannt zurücklehnen kann, die ersten Töne von Equinoxe erklingen, das Wandern der sich immer weiter vervollständigen Arp-Mello faltet den Raum vor dem inneren Auge auf - das ist dann mein "Konzert". Erstaunlicherweise klappt das immer wieder, selbst nach dem wohl 500ten Mal hören. Ich weiß nicht, ob man den Begriff harter Kern an diesem oder jenem festmachen kann, aber wenn es um das intensive musikalische Empfinden geht, was sich (für mich) mit vor allem den Anfangsalben bis inklusive Zoolook manifestiert, dann bin ich mit Sicherheit auch hardcore. Lediglich mit welchen Gears welcher Track genau erstellt wurde oder welcher Gossip über JMJ aktuell die Runde macht, das erreicht mich seltsamerweise nicht wirklich. Die Faszination an der Hardware, ja, die ist eigentlich auch viel zu stark ausgeprägt. Zumindest war sie das damals in meiner Jugend. Hat sich bis dato etwas relativiert, obwohl ich meine ersten Kisten immernoch habe und auch nie veräußern werde. Damals gab es nicht die Möglichkeit, Synthies virtuell nachzubilden, da musste man entweder gute Beziehungen UND eine dicke Brieftasche haben oder man griff selbst zum Lötkolben und versuchte sich im Bau eigener Kreationen. Ich hatte keine dicke Brieftasche...
Mit Sicherheit kann ich auch sagen, über die Jahrzehnte hat sich die Faszination gegenüber JMJs Musik nicht einen Milimeter geändert, nur was den Gearporn anbelangt, naja, irgendwann erkennt man, solche Technikburgen wird man nie um sich horten. Macht für einen "Normalo" einfach keinen Sinn. Es ist ein Teil vom Kult und nicht jeder will public und/oder Kult sein wie JMJ. Die Klänge, die Kompositionen an sich, das ist für mich das wahre Eldorado, was JMJ dieser Welt geschenkt hat. Auch wenn andere Musikerriegen das gerne abwerten, aber das muss ja eh jeder für sich entscheiden.
Dass ich tatsächlich mehr an den alten Scheiben hänge liegt wohl daran, dass es in der Entwicklung des Menschen gewisse Prägungsphasen gibt. Musik, die da (zufällig) reinfällt, die zementiert sich (unterbewusst?) in ihrer Art einfach als Maßstab. Bei mir ist das jedenfalls so. Die neueren Sachen hab ich natürlich auch verfolgt, aber in der Beziehung leiste ich mir den Luxus, etwas verstaubt, etwas dogmatisch zu sein, was das klangliche und musikalische Konzept betrifft. Aber sporadisch gehört wird natürlich alles. Lediglich die Alben bis Mitte 80 tropfen bei mir einfach häufiger aus den Boxen.
Was die Gegenüberstellung von JMJ und Elektronalin angeht, es ist eigentlich keine. Jedenfalls würde ich das nicht unter dem Aspekt machen, sie als Persönlichkeiten vergleichen zu wollen. E. versucht sicher nicht Jarre zu sein. Dazu müsste man schon einen an der Tonne haben. Der Mann hat schließlich einige hunderttausend Tourkilometer und Jahre im Musikbiz auf dem Puckel. Der ist einfach mal over the top. Soweit ich weiß, ging es E. nur darum sich der Herausforderung zu stellen, klanglich den (alten) Stil, den Jarre vorgelebt und der uns geprägt hat, mit Technologien annähernd nachzustellen, die einfach Kind UNSERER Zeit sind. Ich selbst habe das aus tiefster Sympathie für das irre EMS-Geblubber & Co auch versucht; und ja, es IST eine Herausforderung. Ob E. das Ergebnis gelungen ist oder nicht, sollte man vernünftigerweise nicht nur am Klang festmachen, eher in der gemeinsamen Korrelation von Klang & Musikalität. Keinesfalls aber daran, ob jemand damit "Persönlichkeit" zu transportieren versucht. Stellt sich ja auch keiner hin und meint ein "Star" wie Bohlen zu sein, nur weil er @home ein SH101 rumliegen hat, was er im besten Fall ebenso schlecht spielt wie der Herr B.
Ich als Kopfhörermensch hätte kein Problem damit, mir einen "Mix" von JMJs älteren Tracks im Verbund mit denen von E. anzuhören. Und dabei bin ich, was diesen Vintage-Stil betrifft, extrem wählerisch. Hab viele Stunden in den Weiten des Netzes nach anderen Musikern gesucht, die nicht nur wie JMJ klingen
wollen, sondern es auch tatsächlich drauf haben. Aber fündig geworden, im Sinne von verdammt nahe dran, war eigentlich nur E. Wie gesagt, der Rummel, der um die Großen auf den Bühnen gemacht wird oder der einfach passiert, auch, welche Technik dahintersteckt, all das fällt nicht in meine persönliche Wertung, wenn ich nach Musik "giere", die jarresque daherkommt. Nur die Musik als solche zählt. Deshalb haben wir beide da wohl auch einen jeweils anderen Zugang, was Jarre oder Jarre-look-a-like angeht. Aber letztendlich sind wir beide, -inklusive E.- Jarre-Puristen.
Was hältst du eigentlich von sogenannten Jarre-Coverbands? Da gibts/gabs ja auch einiges... (Ich glaube, die Antwort kenne ich eigentlich schon
)
FLUX
PS: An Länge hab ich deinen Konzert-Bericht mit diesem Sonntags-Posting wohl fast ein.