Notenschlüssel im Werk von Johannes Sebastian Bach

Bernnt
Bernnt
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
02.11.24
Registriert
03.02.17
Beiträge
3.297
Kekse
14.277
Liebe Barockexperten,

in der Kittelhandschrift von Bachs Präludium Nr. 2 (BWV 934) findet sich anfangs folgender Notentext:

KittelBachBWV934.png


Kann mir jemand sagen, was das für ein Notenschlüssel für die rechte Hand ist? Ein Altschlüssel ist das ja nicht, oder? Warum wurde das damals nicht wie bei jeder Ausgabe heute in einem gewöhnlichen Violinschlüssel notiert?

Bin einfach nur neugierig.

Grüße, Bernnt
 
Eigenschaft
 
Nun, auch wenn ich kein Experte für alte Notierungen bin, ein Vergleich mit der aktuelle Notierung inkl. Umrechnen lässt einen alten C-Schlüssel vermuten.
Und dass sich die Schlüssel über so einen langen Zeitraum auch weiterentwickelt haben, ist doch nicht verwunderlich, oder?
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Im 18. Jahrhundert wurden noch viele Schlüssel verwendet. Die waren den Musikern damals auch geläufig.
Es war auch nicht unüblich, daß sich in einem Instrument der Schlüssel im Verlaufe eines Stücks verändert. Das war dann ein Zeichen, daß sich die Rolle des Instruments ändert.
Bekam z.B. eine Viola eine Solostelle, wurde diese oft im Violinschlüssel geschrieben. Der Rest dann z.B. im Tenorschlüssel.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Es ist eindeutig ein C-Schlüssel, nach dem von @Primut eingefügten Wikipaedia-Link ist der Sopran- bzw. Diskantschlüssel der der untersten Linie das c zuweist. Der erste Ton in der rechten Hand ist das c eine Oktave darüber.
Da die Tonumfänge vieler Instrumente zu Bachs Zeiten nicht so groß waren und sich auch die Melodiebildung nicht nur bei Gesangsstimmen, sondern auch bei Instrumenten häufig an Gestus einer Gesangsstimme orientierten und damit auch an ihrem Tonumfang, ist der C-Schlüssel insofern ideal, als dass man damit Hilfslinen beim Notieren weitgehend vermeiden konnte. Auch das Transponieren ist damit ´einfach´, denn dazu musste man nur den Schlüssel verschieben und die Vorzeichen anpassen.

Da im Laufe der Zeit der Tonumfang aller Instrumente immer größer wurde und dieser auch in den Stücken immer mehr in vollem Umfang benutzt wurde, wurde der Gebrauch von C-Schlüsseln jedoch unhandlicher, denn um Hilfslinien zu vermeiden, hätte man alle paar Takte den Schlüssel verschieben müssen. Das wäre aber im Vergleich mit mehr Hilfslinien wiederum viel umständlicher gewesen, so dass man schließlich (fast) nur noch den Violin- und den Bassschlüssel verwendete. Hohe Lagen im Fagott und in der Posaune werden aber nach wie vor gerne im Tenorschlüssel notiert und die Bratsche (als Alt-Instrument!) sowieso im Alt-Schlüssel - wobei aber sehr hohe Passagen bei der Viola im Violinschlüssel stehen. Auch hier geht es immer noch um das alte Prinzip der Vermeidung von zu vielen Hilfslinien.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Wobei ich ja immer noch bedaure, dass man in der "Modernisierungsphase" den Bratschenschlüssel nicht gleich so angelegt hat, dass das tiefe C unterhalb der 2 unteren Hilfslinie notiert wird - Dann könnte man sie heute ohne Umdenken spielen wie eine Geige. Klar, ist historisch so gewachsen ("Das war schon immer so!") und hat sicher eine tiefere esoterische Bedeutung, aber das Beharren auf einer eigentlich superunpraktischen Sonderlösung (z.B. gegenüber den transponierenden Blasinstrumenten) wirkt schon ein bisschen überheblich ("Wir richtigen Musiker können das halt!").

Denn ehrlich gesagt, dass man gegenüber den Geigen genau eine Hilfslinie einspart, macht im modernen Notensatz den Kohl nicht fett, auch wenn Bratschen sicher eher auf den unteren Saiten unterwegs sind als Geigen und weniger "Platz nach oben" brauchen. Wenn man sie wenigstens im oktavierten Sopranschlüssel notieren würde, genau einen Ton höher als der Altschlüssel...

Klar, das umlernen ist kein immenser Aufwand und ein guter Geiger schafft sich das wohl in 2 Wochen drauf, aber jeder mittelmäßige Klarinettist nimmt einfach nur das andere Instrument, wenn die Notierung wechselt (aber klar, in den Augen sehr vieler Streicher sind faktisch alle Bläser keine echten Musiker und durchweg dumm und faul - denen muss man das halt einfach machen).

Die historische Entwicklung der Notenschlüssel ist trotzdem ein spannendes Thema, doch selbst, wenn man weiß, wie man alte Noten eigentlich lesen muss, sind die wenigsten Hobbymusiker heute in der Lage, wirklich daraus zu musizieren. Bei jedem Stück konzentriert umdenken zu müssen, ist anstrengend und hat zumindest für den Zuhörer nicht wirklich einen Mehrwert, zumal es ja genug moderne Editionen und für Notfälle Notationsprogramme mit Transponierfunktion gibt. Aber cool wäre es schon, mal aus "Originalen" zu spielen!
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Aber cool wäre es schon, mal aus "Originalen" zu spielen!
Genau darum hab ich mir die alten Cembalo-Autographe von Bach mal angeguckt. Seine Noten sind wie wunderschöne kleine Zeichnungen, aus denen klar wird, wie er sein Stück eigentlich verstanden haben möchte. Mir ist echt ein Licht aufgegangen, als ich diese Skizzen zum ersten Mal gesehen habe. Kam drauf, weil ich gerade das Buch von Gardiner über Bach lese - da gibt es viele Infos drin, auch Sachen, die sich in der Bachforschung erst in den letzten Jahren so ergeben haben. Es ist wie überall: Fortschritte gibt es nicht nur in den Natur- und Ingenieurwissenschaften, sondern auch in den Musikwissenschaften.

Vielen Dank übrigens für die Hilfe. Bei euch geht es mir besser als in jeder kommerziellen Hotline.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
... (aber klar, in den Augen sehr vieler Streicher sind faktisch alle Bläser keine echten Musiker und durchweg dumm und faul - denen muss man das halt einfach machen) ...
Als (Profi-)Klarinettist muss ich diesem Satz natürlich vehement widersprechen ;).
Im Ernst, tatsächlich waren die Gründe für die Verwendung von A-/Bb- und C-Klarinetten in der Zeit Mozarts und Beethovens (und in einigen Ländern auch noch später, z.B. Italien / Verdi) ganz praktischer Art: auf den Klarinetten um 1800 mit 5/6/7 Klappen konnte man einfach nicht sauber chromatisch spielen und so nahm man für #-Tonarten die A-, für Bb-Tonarten die Bb und für die Tonarten direkt um C-Dur herum im Quintenzirkel die C-Klarinette.
Erst um ca. 1820 herum präsentierte der Klarinettist Ivan Müller eine Klarinette mit 12 Klappen, auf der man mehr als passabel alle Halbtöne spielen konnte. Da die Klarinetten umso spitzer und derber klingen, je kürzer sie sind, verlor mit der Einführung besserer Instrumente die "derbe" C-Klarinette immer mehr an Bedeutung und es blieben die Bb- und die A-Klarinette übrig. Letztere schon nicht mehr aus tonartlichen Gründen, sondern weil sei noch etwas dunkler und weicher klingt als die Bb-Klarinette und sie daher von vielen Komponisten als Instrument für Solo-Werke bevorzugt wurde (u.a. Brahms für das Quintett mit Klarinette und Streichquartett ("Klarinettenquintett") h-moll op. 115).

Da aber die Klarinettenstimmen für die C-Klarinette in allen möglichen Orchesterwerken und Opern nach wie vor unverändert in C gedruckt werden, kann jeder Klarinettist diese selbstverständlich transponieren, denn sie werden heute stets auf der Bb-Klarinette gespielt.

Noch eine weitere Lanze möchte ich für die Bläser brechen: Die Hörner aus eben dieser Zeit hatten noch keine Ventile und da man damit nur die zur jeweiligen Rohrlänge gehörende Obertonreihe spielen konnte, gab es früher praktisch für jede (damals verwendete) Tonart ein Horn. Heutige Hornisten haben normalerweise ein sog. "Doppelhorn" mit Quartventil in den damit umschaltbaren Stimmungen F und Bb. Die heutigen Hornisten sind es gewohnt, alle alten Stimmen auf ihren modernen Doppelhörnern zu spielen und transponieren deshalb aus jeder vorgelegten Ausgangstonart. (Wobei gesagt werden muss, dass die Hornstimmen aus der fraglichen Zeit naturgemäß nicht so kompliziert sind.)

Noch etwas zu den alten Schlüsseln: In der Renaissance-Zeit wurden die Instrument als Familie gebaut die in Quint-Quart-Abstand zueinander standen, wie z.B. die Blockflöten C-F-C-F. Der Tonumfang entsprach in etwa den normalen Gesangsstimmen und so wurden sie ebenso benannt: Sopran-Alt-Tenor-Bass. Daher war auch der Gebrauch der entsprechenden Schlüssel naheliegend und er hat sich dann auch solange gehalten, wie diese Instrumente in Gebrauch waren. Krummhorn, Blockflöten und co waren aber spätestens seit dem Ende der Barockzeit nicht mehr ´in Mode´ und insofern sind mit ihnen die alten Schlüssel ebenfalls (weitgehend) verschwunden.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Als (Profi-)Klarinettist muss ich diesem Satz natürlich vehement widersprechen ;).

Meinst du wirklich, dass die Mehrzahl der (sinfonischen) Streicher nicht dieser Meinung ist? Flöten/Klarinetten/Oboen mögen noch ansatzweise angehen, Blechbläser sind schon recht obskur, und Saxophone, um Gottes Willen, das sind doch keine richtigen Instrumente...
Nicht meine Einstellung, aber oft genug erlebt!

Da aber die Klarinettenstimmen für die C-Klarinette in allen möglichen Orchesterwerken und Opern nach wie vor unverändert in C gedruckt werden, kann jeder Klarinettist diese selbstverständlich transponieren, denn sie werden heute stets auf der Bb-Klarinette gespielt.

Profis sicher - Profigeiger haben mit dem Bratschen- oder Bassschlüssel auch kein Problem und transponieren dank Lagenspiel ohne Nachzudenken in jede erdenkliche Tonart. Die 5-10% Amateure im Bereich Sinfonieorchester können vielleicht auch transponieren, aber der große Rest? Ich kenne die nicht, mein Umfeld (und das sind teils schon die Registerführer besserer sinfonischer Blasorchester) mag "passende" Noten haben, alles andere (ab Niveau Weihnachtslied) erfordert akribische Vorbereitung ;-)
 
Meinst du wirklich, dass die Mehrzahl der (sinfonischen) Streicher nicht dieser Meinung ist? Flöten/Klarinetten/Oboen mögen noch ansatzweise angehen, Blechbläser sind schon recht obskur, und Saxophone, um Gottes Willen, das sind doch keine richtigen Instrumente...
Nicht meine Einstellung, aber oft genug erlebt!
Ob es die Mehrzahl ist, würde ich nicht sagen, aber natürlich ist mir diese Einstellung, um nicht zu sagen diese Dummschwätzerei auch schon begegnet. Manche recken ihre Nase sehr, sehr hoch und fühlen sich tatsächlich als etwas besseres, stimmt schon. In Musikerkreisen gibt es auch Neider, Eifersüchteleien und Konkurrenzkämpfe. Begegnet ist mir solcherart Arroganz tatsächlich schon bei (Profi-)Orchestermusikern, für die ich als Musikschullehrer auch kein "richtiger" Musiker bin, obwohl ich sogar regelmäßig konzertiere. Aber ich würde es doch eher als Ausnahme sehen.

... mein Umfeld (und das sind teils schon die Registerführer besserer sinfonischer Blasorchester) mag "passende" Noten haben, alles andere (ab Niveau Weihnachtslied) erfordert akribische Vorbereitung ;-)
Für Amateurkreise gilt meine Aussage tatsächlich nur sehr eingeschränkt, das "einfache" Blasorchestermitglied kann und mag nicht transponieren. Die Klarinettisten eines Amateur-Sinfonieorchesters, dessen Qualität man durchaus als gehoben nennen darf, können wiederum gut transponieren. Die spielen aber auch entsprechende Literatur mit C-Stimmen.

Noch etwas zum eigentlichen Thema alter Notationsformen.
Einen Lautenisten, den ich kannte (und der leider viel zu jung verstorben ist) sah ich einmal aus Tabulatur-Notationen üben. Da er ein echter Spezialist für Laute war und auch ein eigener, sehr charaktervoller Typ, wunderte mich das bei ihm nicht, aber ich fragte ihn, ob man nicht heutzutage doch eher aus modernen Übertragungen in der heute üblichen Notationsform spielen würde und ob das Spielen aus der alten Tabulatur nicht eher so etwas wie ein Spleen von ihm sei.
Er klärte mich dann auf, dass es tatsächlich eines intensiven Studiums bedürfe, aus den historischen Tabulaturen zu spielen, es sich aber lohne, da der Informationsgehalt der Tabulaturen viel größer sei als der moderner Übertragungen.
Denn die Tabulatur ist eine Griffnotation, in der auch die Position der Finger auf der Saite enthalten sei. Und es mache eben einen klanglichen Unterschied, ob man einen Ton auf einer tiefen Saite in einer hohen Lage oder der nächst höheren Saite in einer tiefen Lage spiele. Auf diese Weise würde die Tabulatur nicht nur die Melodie/Komposition selber, sondern auch deren Klanggestalt vermitteln! Das sei mit der modernen Notation nicht möglich.

Nebenbei standen die frühen Lautentabulaturen in der Entwicklung der Notanschrift Pate. Denn die Notenlinien wurden aus den Linien der Tabulaturen abgeleitet, die dort die Saiten der Laute darstellten.
 
Meinst du wirklich, dass die Mehrzahl der (sinfonischen) Streicher nicht dieser Meinung ist?
Meine Erfahrung als Kontrabassist im Studentenorchester ist Jahrzehnte her, aber ich habe nur gute Erinnerungen daran und 10 Jahre später als Trompeter in einer Big Band befand ich mich dann zwangsläufig in der streicherfreien Zone. :nix:

Aber anscheinend ist Stephan Handels Analyse immer noch aktuell https://fredericiana.com/media/wp/2006/08/grabenkaempfe.pdf

Gruß Claus
 
Und es mache eben einen klanglichen Unterschied, ob man einen Ton auf einer tiefen Saite in einer hohen Lage oder der nächst höheren Saite in einer tiefen Lage spiele. ...Das sei mit der modernen Notation nicht möglich.
Vielleicht war die alte Tabulatur aber doch ein persönliches Mittel für das authentische Feeling beim Spielen, was recht verständlich wäre.
Eine Überlegenheit in der Information habe ich in Tabulaturen jedenfalls noch nie entdecken können, gewöhnlich ist zumindest in modernen Tabulaturen eher das Gegenteil der Fall.

Der Klangunterschied kann zumindest auf Gitarren ganz erheblich ausfallen aufgrund von Saitenstärken, [gemischt aufgezogenem] Saitenmaterial wie Nylon, Metalldraht und umsponnenem Metall auf Kunstfaser oder auf Metallkern und auf der Laute schon wegen zwei- oder einsaitiger Bespannung der hohen Saiten (Chöre).

Oft ergeben sich die zu spielende Saite und der Fingersatz für den ausgebildeten Gitarristen bereits ohne Hinweise allein aus der Notation, aber denkbar sind auch in moderner Standard-Notation Bezeichnungen der Lage, der Saite und der greifenden sowie der zupfenden Finger.
Das ist natürlich alles eine Frage der sorgfältigen Edition.

Bezeichnet werden im Beispiel aus einem alten englischen Werk neben den Angaben der Noten, Artikulation und Dynamik außerdem der Fingersatz der Greifhand (arab. Ziffern), die Lage/ der Bund (röm. Ziffern) und die Saite (arab. Ziffern im Kreis).
Hier nicht bezeichnet aber möglich ist außerdem die Bezeichung der zupfenden Hand mit p (pollex, Daumen) i (index, Zeigefinger), m (medius, Mittelfinger), a (digitus angularis, Ringfinger).
gitarre notation.jpg
 
bei den Streichern gibt es ja auch den Hinweil "sul D" oder "sul sonstwas", wenn auf einer bestimmten Saite gespielt werden soll.
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben