Finale soll hier eigentlich Forte heißen?
Radio Eriwan meint: "Im Prinzip - ja! Aber..."
... Finale ist ja noch viel umständlicher, weil man dort meines Wissens alles von Hand machen muss und es keinerlei automatisierte Griffschrift-Unterstützung gibt.
Aber ernsthaft: Du hast natürlich recht, ich meinte
Forte, das war ein Freudscher Verschreiber, weil man eben doch die Platzhirsche Finale und Sibelius im Kopf hat (und natürlich das Nesthäkchen Dorico, das hoffentlich auch mal groß und erfolgreich wird).
Erkenntnisse
Es geht in diesem Thread ja nicht einmal primär darum, wie man Griffschrift in den diversen Notensatzprogrammen setzen kann, sondern vor allem, wie das möglichst schnell, einfach und effizient geht.
Da dachte ich mir, es sei vielleicht keine schlechte Idee, herauszufinden, die das üblicherweise in "der Szene" gehandhabt wird.
Was machen die Laien?
"Laien" ist hier nicht abwertend gemeint, es soll lediglich die Tatsache widerspiegeln, dass Laien mit den Griffschrift-Noten nicht ihren Lebensunterhalt verdienen und somit völlig andere Rahmenbedingungen herrschen:
- das Programm sollte möglichst kostengünstig sein
- Es geht ums Prinzip, die Ausgabequalität ist nicht so wichtig
- Nebenbeschäftigung/Hobby, für das man sich gerne Zeit nimmt
In "der Szene" ist offensichtlich
Capella der Quasi-Standard.
Wenn man also nicht festgelegt ist, könnte es hilfreich sein, "mit den Wölfen zu heulen".
Es ist klar, dass sich nicht immer das Beste durchsetzt (kennt VHS-Video, Windows usw.), aber irgendetwas muss dran sein, wenn so viele sich dafür entscheiden.
Was machen Profis?
Für Profis ist das die Arbeit, mit denen sie ihre Brötchen verdienen müssen.
Deshalb werden sie sich eher teure Programme leisten, weil sich die Kosten schnell amortisieren, weil sie mit diesem Programm ja Geld verdienen.
Im Profibereich gibt es zwei wesentliche Kriterien
- Das Endergebnis muss professionellen Ansprüchen genügen, und da wird die große Notensatzprogramm-Welt sehr schnell zu einem Dorf
- Viel mehr als den meisten bewusst ist, spielt die Zeit eine überaus große Rolle. Das Ergebnis muss nicht nur möglichst perfekt sein, die benötigte Arbeitszeit ist auch entscheidend (!)
Griffschriftnoten sind eine Randerscheinung, deshalb haben sich nur wenige kommerziell darauf spezialisiert. Als erstes fällt mir da der Echo Musikverlag (Michlbauer) ein, der nach meiner Einschätzung professionelle Ergebnisse abliefert.
Grundidee: Wenn man gute Qualität bei gutem "Workflow" (Zeit ist Geld!) sucht, sollte man sich an den Profis orientieren.
Überraschung!
Wenn man erraten möchte, welches Notensatzprogramm ein Verlag nutzt, geht das am einfachsten über das PDF. Ich habe mir also eine Michlbauer-PDF-Leseprobe heruntergeladen und das PDF angeschaut.
Erkenntnis 1: Die Noten-Schriftart Petrucci weist schonmal in Richtung
Finale (aha - Finale und Griffschrift!?)
Erkenntnis 2: Ich kenne nur ein Programm, das noch nie wusste, wie man Postscript-Linien zieht und deshalb alle Liniendicken durch mehrere dünne Linien darstellt.
Sinnlos und Speicherplatzvergeudung -->
eindeutig wieder Finale!
Wenn man die "richtige" Vergrößerung erwischt, kann man die Einzellinien erkennen (je nachdem, wie das Anzeigeprogramm rundet) - zum Vergrößern bitte anklicken!
Wichtig: das tut der Ausgabequalität von Finale keinen Abbruch (man sieht es im Druck nicht), aber ich finde es trotzdem lustig.
Erkenntnis 3: Ich hätte auch auf den Titel in der PDF-Datei schauen können, da steht unter anderem:
Finale.
Warum ist das eine Überraschung?
Ich sprach von "Zeit ist Geld" und dann landet man im professionellen Bereich ausgerechnet bei Finale, das doch (meines Wissens) keinerlei automatisierte Griffschrift-Unterstützung bietet?
Mögliche Gründe für Finale
- Finale bietet volle Kontrolle über alles, somit ist praktisch alles möglich und - vor allem: Es lassen sich absolut professionelle Ergebnisse erzielen
- Der Verlag bietet ja auch "normale" Noten an und es ist naheliegend, hausintern ein einheitliches Satzprogramm zu nutzen.
- Wenn man weiß, was man setzen muss (ohne das Satzprogramm als Griffschrift-Experimentierkasten zu missbrauchen), dann tut man das einfach:
Griffschrift-"Noten" sind auch nur Noten, nur nach anderer Logik positioniert.
Eine Automatik-Unterstützung (Klingende Notation -> Griffschrift) hat nur dann wirklich Vorteile, wenn man ein Stück in mehreren Griffschrift-Systemen veröffentlichen will (Steirisch, Club, Wiener, eine der tausend französischen Systeme).
Aber die Franzosen nutzen sowieso keine Griffschrift, sondern eher "Malen nach Zahlen", Club ist tot und für professionelle Verlage lohnen sich die dreieinhalb Wiener-Spieler nicht.
Nur die Steirische boomt.
Außerdem geht nicht alles überall und es sollte ein guter Spieler/Arrangeur die Griffschrift erstellen und
keine Automatik.
Wichtig: Im Profibereich gilt (bzw. sollte gelten):
Setzer ist in der Regel nicht gleich Komponist/Arrangeur/Autor!!!
Oder: Der Setzer setzt das, was er vorgegeben bekommt, nicht, was eine Automatik generiert (betrifft jetzt die Noten-in-Griffschrift-Umwandlung).
Schriftsetzer und Notenstecher waren Ausbildungsberufe, aber heute glaubt man oft, das sei alles nicht mehr wichtig, weil doch jeder einen PC hat.
Trotz aller Programme: Professionelle Ergebnisse erfordern professionelles Wissen und Erfahrung. Das ist mit Aufwand verbunden.
Ich liebe auch kleine Experimente und Spielereien für den Privatgebrauch, aber man muss Abstriche machen oder entsprechenden Aufwand betreiben.
Viele Grüße
Torsten