Nord Piano Anschlagsdynamik

_wini_
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Hi Leute,

ich hoffe das hier doch schon einige Leute anzutreffen sind, die ein Nord Piano [1 oder 2] oder ein vergleichbares Instrument von Clavia besitzen und die mehr oder weniger eine "klassische Klavierschule" durchlaufen haben. Letzteres habe ich nämlich nicht.
Da ich in jüngster Zeit relativ viele Stücke mit Vortragszeichen spiele frage ich mich, ob ich einfach zu schlecht spiele (das kann gut sein) oder ob durch den Sound und die Klaviatur im Nord Piano man einfach nicht gut genug dynamische Vortragszeichen umsetzen kann.

Im aktuellen Stück kommt PP, P und MP drin vor. Das spiele ich problemlos ohne Einsatz irgendwelcher Pedale. Ich hätte dann noch genügend "Headroom" um MF und vielleicht F unterzubringen. Dann ist bei mir aber schon Schluss. Könnte ich besser in die Tasten hauen, dann könnte ich vermutlich auch noch FF spielen.

Aber gehen die normalen Vortragszeichen nicht von PPP bis FFF? Ich hätte extreme Probleme, jewiels unten und oben noch eine Dynamikstufe unterzubringen.
 
Eigenschaft
 
Rachmaninoff setzt in seinem Cis-Moll Prelude sogar 4-faches fortissimo: ffff.


(Wikipedia)
300px-Prelude_3_2_Rach.png


Man muß sich immer klar machen: Dynamische Bezeichnungen sind keine absoluten Werte, sondern relative. D.h.: das lauteste, was Du auf Deinem Instrument spielen kannst, ist ffff, das leiseste ist pppp. Was Rachmaninoff aber mit ffff bezeichnet, kann bei Beethoven ein einfaches ff oder fff sein. Dann ist eben das das lauteste, was man aus seinem Instrument herausholen kann.

Ein weiterer Aspekt: Wenn Du an Deinem Instrument die Gesamtlautstärke am Volume-Poti eher auf geringe Lautstärke einstellst, ist der gesamte dynamische Bereich, den Du abdecken kannst, viel kleiner als wenn Du das Instrument sehr laut einstellst. Die dynamischen Differnzierungsmöglichkeiten sind bei gering eingestellter Lautstärke dadurch viel geringer als bei hoch eingestellter Gesamtlautstärke.

Beispiel: Der MIDI-Standard kennt 128 verschiedene Velocity-Werte (von 0 bis 127). Wenn Du 127 erreicht hast, kannst Du so doll draufhauen, wie Du willst, es wird nicht lauter. Das wäre also Rachmaninoffs ffff. Wenn Du jetzt den Lautstärkeregler auf 1 von 10 stehen hast, kommt bei diesem ffff nicht so viel Klang heraus, wie wenn Du den Volume-Regler komplett bis 10 aufreißt. Die 128 Lautstärkestufen verteilen sich also bei Reglerstellung 1 auf die Lautstärkewerte von 0-1. Wenn Du den Regler auf 10 stellst, verteilen sie sich auf die Werte 0-10.

Das hat dann den Effekt, daß bei Lautstärke 1 die Stücke meist sehr homogen und gleichmäßig klingen, während bei Lautstärke 10 schon die kleinste unwillkürliche Fingerbewegung einen starken Dynamikausreißer verursachen kann.

Ein akustisches Klavier reagiert da anders: Man kann immer versuchen, eine Taste so langsam zu spielen, daß die Saite nur duch einen Windhauch des Hammers zum schwingen gebracht wird. Auf der anderen Seite hat man das Gefühl, daß nach oben hin immer noch ein bißchen Platz ist, solange die Saite nicht reißt.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Vermutlich ist die Tastatur des Kawai Mp 11 dafür besser geeignet.

Aber hast du schon velocity auf härtesten Wert gestellt?
 
Hallo! Ich spiele ein Nord-Instrument (Electro 3HP) von einem VPC1 aus und bin SEHR zufrieden. Auch klassische Musik.

Auf deine Frage nach der Dynamik gibt es zwei Antworten. Die eine, wichtigste hat McCoy bereits gegeben. Stelle die Maximallautstärke passend hoch ein, nutze die richtige (ausreichend kräftige, aber klare) Klangverstärkung - die Nord Sounds sind recht anspruchsvoll - und arbeite an deiner Spieltechnik. Für die allermeisten Zwecke reicht das völlig aus, und vermutlich lässt sich dein Problem dadurch beheben.

Es gibt aber noch eine zweite, etwas subtilere Antwort. Das Verhältnis zwischen dem Dynamikumfang eines Digitalpianos und dem eines akustischen Klaviers ist immer eine schwierige Sache. Dewster auf Pianoforum hat einen Faden gestartet, in welchem er (u.a.) die Dynamikumfänge von Digitalpianos misst. Sie schwanken sehr stark - von etwa 30dB bei Clavias Lady D bis zu über 60dB bei manchen Yamaha-Klängen. Notabene: Der Dynamikumfang hängt am einzelnen Klang, nicht einfach am Instrument. Andere der Klänge von Nord (Bösendorfer Grand Imperial, Fazioli Italian Grand) haben einen anderen, vermutlich größeren Dynamikumfang (bislang von dewster nicht vermessen). Was ist aber der *richtige*? Akustische Klaviere haben üblicherweise einen nutzbaren Dynamikumfang von 40-50dB, auch das hängt zweifellos vom Instrument ab und wird bei einem großen Konzertflügel anders sein als bei einem kleinen Salonflügel. In meiner eigenen Erfahrung ist ein übertriebener Dynamikumfang wie bei etlichen Yamahas ebenso schwierig, wenn nicht gar schwieriger zu spielen für klassisches Piano als ein etwas zu niedriger.

PS. Obiges lässt übrigens noch ganz einen weiteren Aspekt der Dynamik außen vor: Die Veränderung der Klangfarbe von leise zu laut. Auch hier sind manche DPs unrealistisch übertrieben (finde ich so bei vielen Roland-Klängen), manche zu schwach. In DIESER Hinsicht hat Nord m.E. bei vielen Klängen (bes. Studio Grand 2, Bösendorfer, Fazioli) ein sehr realistisches Verhalten getroffen.
 
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Schonmal vielen Dank für die fundierten Antworten hier im Thread!

Man muß sich immer klar machen: Dynamische Bezeichnungen sind keine absoluten Werte, sondern relative. [...]
Ahsoooo. %-) Ich hatte zwar mal ganz ganz früher klassischen Klavierunterricht, aber das hatte ich irgendwie falsch in Erinnerung - danke für die Aufklärung! Damit ist mein "Problem" eigentlich schon gelöst. ;)

Ein weiterer Aspekt: Wenn Du an Deinem Instrument die Gesamtlautstärke am Volume-Poti eher auf geringe Lautstärke einstellst, ist der gesamte dynamische Bereich, den Du abdecken kannst, viel kleiner als wenn Du das Instrument sehr laut einstellst.
Ist klar und bei Extremwerten sicherlich auch ausschlaggebend. Aber da kommt meine Spielsituation zum Tragen: Eigentlich spiele ich nämlich immer mit Kopfhörer und zur Schonung meines Gehörs steht das Volumen-Poti des Nords natürlich nicht auf Anschlag ....

Der MIDI-Standard kennt 128 verschiedene Velocity-Werte (von 0 bis 127). [...]
An dieser Stelle sollte ich aber erwähnen, dass ich auf dem Nord Piano (1 - weiß nicht wie es in der Version 2 so aussieht, aber denke das es noch genauso ist) schon eine etwas eingeschränkteren Velocity-Bereich habe:

Bei "normalem" Anschalg kommen bei mir Velocity-Werte zwischen 50 und 60 im Sequencer an. Wenn ich immer leiser spiele kommen irgendwann keine Töne mehr raus - im Sequencer kommt dann aber immer noch ein Velocity-Wert von <30(!) an. Achtung: Wer das ganze ausprobieren will sollte beachten, dass von extern angetriggerte Noten selbst bei einem Velocity-Wert von 1 noch einen Ton erzeugen (Bug?!?).
Also bleibt der Bereich 30-127 übrig. Effektiv bin ich wohl zu phlegmatisch oder kann nicht genügend Schnellkraft entwickeln so das Werte großartig über 100 eher die Seltenheit sind. Bleiben mir also noch 70 Velocity-Werte. Da die meisten Stücke die ich so spiele sowieso nur max. 3-4 verschiedene "Vortragsstufen" umfassen, komme ich dann wiederrum mit dem Nord so oder so noch dicke hin wie ich eingangs gelernt habe ....

Aber hast du schon velocity auf härtesten Wert gestellt?
S.o. - das bringt bei mir eher weniger was, da ich weniger Probleme mit der Ausdifferenzierung der leisen Töne habe als mit dem Erzielen von sehr harten Anschlägen.

[...] die Dynamikumfänge von Digitalpianos misst. Sie schwanken sehr stark - von etwa 30dB bei Clavias Lady D bis zu über 60dB bei manchen Yamaha-Klängen. [...]
Das ist mir auch spätestens mit dem Erwerb des Roland RD-64 aufgefallen. Ich spiele zwar auf dem Nord vermehrt das Italian Grand, aber im Vergleich zum Roland ist der Dynamikumfang bei letzterem deutlich größer. Zwar hat die Klaviatur im Roland auch so ihre Vorzüge, jedoch empfinde ich es ebenfalls als schwieriger, auf der Klaviatur den extrem dynamisch Sound einigermaßen gleichmäßig spielen zu können. Insbesondere wenn man an die ganz leisen Stellen kommt.

[...] In DIESER Hinsicht hat Nord m.E. bei vielen Klängen (bes. Studio Grand 2, Bösendorfer, Fazioli) ein sehr realistisches Verhalten getroffen.
Möchte mich hier gar nicht über Clavia beschweren und finde das Nord bis dato so ziemlich das beste Digitalpiano was man in dem Preissegment (und vielleicht auch noch darüber hinaus) erwerben kann. Nur mal so BTW....

Greetz,
Wini
 
Wenn ich immer leiser spiele kommen irgendwann keine Töne mehr raus - im Sequencer kommt dann aber immer noch ein Velocity-Wert von <30(!) an.
Ein kurzes Update da ich hier in dem Post einen Fehler gemacht habe:
Das Italian Grand wie auch der Boesendorfen Flügel nutzen natürlich den vollen Umfang der 127 "Lautstärkestufen". Ich glaube das beobachtete Verhalten, betraf ein Upright Piano (wahrscheinlich das Romantic oder Black Upright), aber das habe ich jetzt nicht nachgeprüft da ich dazu wieder andere Sounds aufspielen müsste ....
 
So, jetzt recycle ich mal diesen alten Thread... ;)

Die Fragestellung oben hat sich ja geklärt, ich habe jetzt aber interessehalber den Dynamikumfang meines Nord Pianos nachgemessen. Dazu habe ich jeweils im Sequencer bei 50 BPM eine Viertelnote mit Anschlagsstärke 127 gesetzt und im nächsten Takt eine mit Anschlagsstärke 1. Danach das ganze aufgenommen und die Notenpaare jedes für sich normalisiert. Der erste Ton ist dann logischerweise immer voll ausgesteuert (0db) und die Aussteuerung des zweites Tons ergibt den gesuchten Dynamikumfang. Dafür habe ich als Reason-Nutzer ganz einfach Selig's Leveller verwendet, um den maximalen Pegel des zweiten Tons zu bestimmen.

Heraus kam folgendes:

Italian Grand
A0 127 -> A0 1 = -33db
C4 127 -> C4 1 = -33db
C8 127 -> C8 1 = -33db
A0 127 -> C8 1 = -34db

Bösendorfer
A0 127 -> A0 1 = -34db
C4 127 -> C4 1 = -33db
C8 127 -> C8 1 = -33db
A0 127 -> C8 1 = -38db

Steinway Concert Grand2
A0 127 -> A0 1 = -33db
C4 127 -> C4 1 = -33db
C8 127 -> C8 1 = -33db
A0 127 -> C8 1 = -36db

Das Lady D Piano habe ich nicht auf meinem Nord Piano, ansonsten hätte ich da mal messen können, ob bei mir die gleichen Ergebnisse rauskommen ...

Interessanterweise hätte ich bei der Messung erwartet, dass das Fazioli (Italian Grand) einen wesentlich höheren Dynamikumfang besitzt, da es doch beim Spielen ein eher filigraneres Gefühl der Klanggestaltung erzeugt. Aber rein von der puren Aussteuerung her gesehen nehmen sich da alles Nord Sounds nicht viel. Ich könnte wetten, mit dem Lady D oder Yamaha Grand aus der Nord Piano Library komme ich auch auf durchschnittlich -33db .... :gruebel:
 
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Interessant wäre, wenn Du die Messungen auch noch mit verschiedenen Zwischenwerten ausführen würdest.

Z.B. Velocity 2, 20, 40, 60, 80, 100.

Dann bekäme man heraus, ob die Velocitykurven bei allen Sounds gleich sind. 127 spielt man ja wahrscheinlich eher selten, aber wenn der eine Pianosound bei 80 wesentlich lauter ist als ein anderer, dann macht sich das im Spielgefühl schon deutlich merkbar.

Velocity 2 (oder 1?), um die Lautstärke des leisest spielbaren Tons herauszufinden.

Viele Grüße,
McCoy
 

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