Nimmt unser Gehör mehr auf als wir spielen ?

ginod
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Ich habe mir mal eine Frage gestellt. Im Prinzip ist es ja so, dass man dne Tonvorrat von den benutzten Akkorden nimmt und daraus eine Melodie formt. So das halt das eine aufs andere natürlich auch passt. In meiner Band ist mir aber aufgefallen, dass wenn ich soliere und mein Bassist nur die GRundtöne spielt, ich ebenfalls meine herrausgearbeiteten Tonleitern spielen kann z.B. Em ( bzw. D-Mixolydisch) .
Aber wenn meine Bassist aber nur z.B: jetzt 3 Töne im Prinzip spielt und mich Belgietet. Wie kan nes dann zu Stande kommen, dass ich trotzdem diese Töne spielen kann. Nimmt unser Gehört nicht gespielte Akkorde wahr ? bzw. stellt unser Gehirn die fehlenden Töne nach ? Oder ist es einfach eher unrelevant und nur der Grundton zählt. Aber das halte ich ja eigentlich für murks. Im Prinzip dürfte ich ja nur mit Hilfe der Grundtöne solieren bzw. eine melodie schreiben wenn ein Bassist nur Grundtöne spielt. Spielt er wiederrum eine Bassline ist das ganze ja schon wieder etwas anderes. Ic hverstehe einfach dne Zusammenhang nicht so, wie unser Gehör die SAchen verbindet
 
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Hi,

finde ich auch eine interessante Frage. Zunächst ist es sicher so, dass unser Gehör aufgrund unserer Hörgewohnheiten viele Dinge assoziiert und auffüllt, die eigentlich gar nicht gespielt sind. Insbesondere in gewohnten Tonarten und -leitern. Zum einen kann das an einem Naturgesetz liegen, dass überall auf der Welt gilt: Der natürlichen Obertonreihe, die wir immer und überall, bewußt und unbewußt, zu hören bekommen, wenn etwas im hörbaren Bereich schwingt. Vielleicht ist diese "Feinsinnigkeit" für Intervallverhältnisse, gerade wenn sich schon ein Grundton in der entsprechenden Musikpassage etabliert hat, aber auch eher ein Nebenprodukt einer ganz anderen, sehr viel ausgefeilteren und sehr viel länger praktizierten Fähigkeit des Menschen: Dem Sprechen. Beim Sprechen kommt es auf das Erkennen von "Intervallverhältnissen zum Grundton" auch ganz massiv an. Denn jeder Mensch hat eine gewisse Normaltonlage. Weicht er beim Sprechen hiervon ab, und sei es nur ganz geringfügig, transportiert das meist schon sehr viele Informationen (zB die Intonation einer Frage, einer ironischen Bemerkung, einer Aussage, eines Befehls). Außerdem läßt die Abweichung von der Normaltonlage auf die Gemütsregungen schließen, z. B. auf Wut, Angst, Zuneigung usw. Nachdem jeder Mensch spricht, ist das Ohr für solche "Intervallverhältnisse" natürlich bestens geschult. Es muss also nicht wundern, wenn unser Gehör - quasi als Nebenwirkung - auch in der Musik erstaunlich präzise auf Intervallverhältnisse reagieren k a n n.
 
Ich weiß nicht, ob ich die Frage richtig verstanden habe.
Du hast eine Akkordfolge und darauf baust Du Dein Solo auf.
Das passt ja dann sowohl zu den Akkorden als auch zu den Grundtönen der Akkorde.

Also da verstehe ich den Unterschied nicht ganz bzw. die Frage, wie denn dein Solo sowohl zum einen wie zum anderen passen kann.

Zum sonstigen ist mein sehr starker Eindruck, dass:
1. Akkorde, Melodien, Beats im Gedächtnis bleiben.
An einem einfachen Beispiel: wenn alle aussetzen und der drummer nur auf 1 und 3 die bassdrum spielt, hat man doch immer noch die Akkorde, den eigentlichen Beat und die Grundmelodie als Zuhörer im Kopf.

Darüber kann man variieren, improvisieren, solieren - was auch immer.
Also wird die Wahrnehmung sowohl aus dem gespeist, was man gerade aktuell hört als auch von dem, was man im Gedächtnis hat.

2. Wahrnehmung ist eine ziemlich komplexe Geschichte
Es reicht ja eine Zeile oder ein Melodiefetzen, dass Du Dich nicht nur an einen ganzen song erinnern kannst, sondern auch an Situationen, Gefühle, Erinnerungen etc., die Du damit verbindest.

Es verdichtet sich alles zu einem Erlebnis.

Also akustisch hören/wahrnehmen tut man natürlich nur die gespielten Töne.
Aber das, was daraus im Hirn entsteht, ist wesentlich komplexer.

Also: nicht unser Gehör nimmt mehr wahr.
Aber unser Hirn macht aus dem Gehörten wesentlich mehr.

x-Riff
 
auch wenn du sagst, du hättest meine Frage nicht verstanden, hast du sie doch wunderbar beantwortet ^^. Ne mir ist hal tnur aufgefallen, dass es rein theoretisch ja gar nicht möglich ist. Wenn ich z.B. in einem Lied eine Melodie spiele, aber meine Begleitung nur einzelne Töne spielt z.B. der Bass.

Sprich ich spiele im Lied die ganze Zeit eine Akkord folge. Der Bass spielt nur die GRundtöne ,wenn ich als Gitarre aussetze aber dann eine Leadspur von mir aus auch mit der Gitarre spiele, dabei aber mehr als die GRundtöne benutze nämlich ganze Tonleitern, so wäre dies ja rein theoretisch unharmonisch, aber dennoch hört es sich gut an. Also bin ich zur Frage gekommen ob unser Gehör die fehlenden Intervalle sich dazuaddiert, vielleicht weil es im Gedächtnis ist wie du gesagt hast oder aus irgendwelchen anderen GRünden, die ich noch nciht kenne
 
Gut - also die Sache mit dem Gedächtnis und dem Erlebnis (als Ergebnis von Gehörtem, Gehirn und Erlebtem) ist soweit geklärt.

Aber zum anderen (vielleicht stehe ich da auch auf dem Schlauch):
Die Grundtöne passen zu den Akkorden.
Das Solo passt zu den Akkorden.
Also passt das Solo doch auch zu den Grundtönen.

Oder nicht?
 
Wenn der Bass die Grundtöne spielt, etabliert er lediglich ein tonales Zentrum, das in dieser Form noch Spielraum für verschiedenste Harmonien bietet. Unharmonisch würde es erst, wenn etwa vom Bass noch eine kleine Terz dazukommt und Du eine Durtonleiter dazu spielst.
 
Wenn der Bass die Grundtöne spielt, etabliert er lediglich ein tonales Zentrum, das in dieser Form noch Spielraum für verschiedenste Harmonien bietet. Unharmonisch würde es erst, wenn etwa vom Bass noch eine kleine Terz dazukommt und Du eine Durtonleiter dazu spielst.
Da hast Du besser ausgedrückt, was ich meinte.
 
Wenn der Bass die Grundtöne spielt, etabliert er lediglich ein tonales Zentrum, das in dieser Form noch Spielraum für verschiedenste Harmonien bietet. Unharmonisch würde es erst, wenn etwa vom Bass noch eine kleine Terz dazukommt und Du eine Durtonleiter dazu spielst.

ja im prinzip war das meine direkte Frage !

Mir ist auch klar alles in allem greift es ja ineinander ein und ist in sich harmonisch. Die Grundtöne kommen ja auhc in der Tonleiter fort. Aber irgendwie lässt das ganze für mich trotzdem interpretation Spielraum weil ein GRundton zwar ein Teil davon ist, aber es mich wundert, dass er so viel Spielraum trotzdem bietet. Man kann somit über Grundtöne dur oder moll spielen, es wäre im Prinzip scheiss egal. Es bestimmt im Prinzip bei Grundtönen ja keine feste Tonart oder sehe ich das falsch ? Aber eins müsste eigentlich ja sein, es müsste zumindest weniger harmonisch klingen wenn meine Begleitung nur aus Grundtönen besteht, als wenn jemand klar definierte Tonart mit Akkorden spielt. Oder sehe ich das wieder falsch ?
 
Der Grundton bietet so viele Möglichkeiten, weil er nur ein kleiner Teil des Akkords ist.

Noch genauer gesagt, legt der Grundton sehr wenig fest. Wenn Du beispielsweise ein E spielst, kommt dieser Ton ja im E-dur/moll aber auch in A-Dur/Moll, in C und einem Haufen anderer Akkorde vor. Das ist ja quasi noch reduzierter als ein powerchord.

Richtig: ein Ton alleine bestimmt noch keine Tonart. Dass Du ihn als Grundton definierst oder ansiehst, liegt nur daran, dass Du eigentlich eine Akkordfolge hast, zu der er den Grundton bildet.

Und daraus folgt, dass die Zuhörer das auch so zuordnen: wenn Du vorher die Akkordfolge gespielt hast, wozu die Grundtöne passen und dann nur die Grundtöne gespielt werden, hat er die Akkordfolge und die Melodie noch im Kopf, ohne dass die gespielt werden. Und darüber spielst Du dann Dein Solo.

Es gibt übrigens einen Hammereffekt, wenn Du dann im Solo Töne spielst, die noch zu dem Grundton passen, aber eigentlich nicht zu den vorher gespielten Akkorden. Also beispielsweise auf Moll wechselst, obwohl Du vorher nur Dur-Akkorde geschrubbt hast.
Ob dieser Effekt dann als unharmonisch empfunden oder als positiver Ausbruch empfunden wird - tja: da spielen Feeling und Erfahrung ne Rolle.

Wenn Du nur von Grundtönen begleitet wirst, hast Du ja weniger harmonisches Material worauf sich das Solo beziehen kann. Ob Du das jetzt als Festlegung begreifst oder als geringeren harmonischen Bezug - das liegt eher im Ohr des Betrachters, sage ich jetzt mal. Da greift dann auch das Spiel zwischen Bass und Gitarre ein: Bei einem Solo spielt ja der Bass öfter eine Zeitlang nur die Grundtöne und die Git ist sehr frei, dann gibt´s nen Part, wo die Git z.B. eher bei den Grundtönen bleibt und der Bassist freier rumgnaddelt.

Da fängt dann für mich die hohe Kunst an.
Hör Dir mal Cream in den besten Zeiten live an - da fällst Du von den Socken, was diese drei Herren da abliefern. Cream ist natürlich jetzt nur ein Beispiel.

x-Riff
 
Aber eins müsste eigentlich ja sein, es müsste zumindest weniger harmonisch klingen wenn meine Begleitung nur aus Grundtönen besteht, als wenn jemand klar definierte Tonart mit Akkorden spielt.

Weniger harmonisch nicht im Sinne von dissonant, aber weniger harmonisch festgelegt. Eine einfachere Begleitung sorgt eher für einen härteren Sound. Wenn eine Basslinie sich über ganze Takte auf einen Ton beschränkt, sollte das auch der Grundton des aktuellen Akkords sein, um dem Zuhörer eine (minimale) harmonische Orientierung zu bieten. Einiges findet dann tatsächlich im Kopf statt, wenn sich bekannte Akkordfolgen aufdrängen.

Eine zunehmende harmonische Festlegung erhält man dann durch Powerchords, Drei- oder Vierklänge. Bei Jazzstandards bleibt dann nur noch wenig Spielraum, aber das schränkt die Improvisationsmöglichkeiten innerhalb der festgelegten Skalen nicht ein.
 
ja vielen dank für die tollen beiträge, im Prinzip ist damit meine Frage beantwortet. Vielen Dank
 
Ja - gerne.

Diese Frage finde ich selbst ausgesprochen spannend.
Will nicht behaupten, dass ich da abschließende Ergebnisse habe, aber ich habe mich doch ein bißchen mit dem Phänomen der Wahrnehmung und der Verarbeitung von Wahrnehmungen beschäftigt.

Ob man das dann alles so in seiner Musik umsetzen kann, ist noch mal ne zweite Frage.

x-Riff
 

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