Und etwas schwieriger:
Gary Numan - Cars (der Song besteht gleich aus mehreren Synth-Riffs,
hier werden die alle einigermaßen sichtbar gezeigt.
Wenn wir uns schon auf Weniges reduzieren und Gary Numan nennen, dann darf der markante Lead von "Are 'Friends' Electric?" nicht fehlen, mit dem Gary dem Punk entstieg, als er im Studio zufällig einen Minimoog herumstehen sah.
@Martman Ich wäre bereit, gerade als Anfänger in Sachen Schrauberei bin ich ganz Ohr bzw. Auge ;-)
Ich sag mal so: Mit konkreten Reglerstellungen kann ich nicht dienen, sondern nur mit Hinweisen.
Die
Oxygène war ja Jarres erstes eigenes Album, seit er sich vernünftiges Equipment leisten konnte. Bis zur 1973er Auftragsarbeit, dem Soundtrack
Les Granges Brûlées, war er eher minimalistisch-experimentell eingerichtet. Nachdem er aber Werbe- und Hintergrundmusik gemacht und die französische Chanson-Szene als Texter (!), Komponist und Produzent aufgemischt hatte, stand schon mal genügend Geld zur Verfügung, um sich eine der ersten Homeproducing-Burgen in die Küche zu stellen, darunter eine schöne Schweizer Studer-Achtspurbandmaschine, aber eben nur eine.
Verteilen wir das Vorhandene mal auf "Oxygène 4".
Zunächst mal hat Jarre lustig seinen damals einzigen brauchbar tonal spielbaren Analogsynthesizer geoverdubbt, einen ARP 2600. Man kann davon ausgehen, daß er den neu gekauft hat (noch bevor er "Monsieur 2600" Michel Geiss im Gespann hatte), denn er hatte auch das Patchbook zu dem Teil (Beweis: "Oxygène 6", Jonathan Synthesized Seagull). Das müßte also schon einer von denen gewesen sein mit ARPs hauseigenem 24-dB-Vierpolfilter.
Die Melodie kommt schon mal vom ARP. Sie klingt nach "Moog-aber-dann-doch-nicht-so-wirklich", weil das eben kein Moog ist, aber fast alle Klischees eines typischen Moog-Sounds erfüllt. Fast alle, denn hier kommt nur ein Sägezahnoszillator zum Einsatz, nicht wie sonst fast immer zwei gegeneinander verstimmte. Das Filter ist an sich nicht weit geöffnet, das erledigt die exponentielle ADSR-Hüllkurve mit ziemlich deutlichem Hub, die auch gleich den Verstärker mitsteuert.
Für Puristen sei an dieser Stelle erwähnt, daß der ARP 2600 – genau wie der ARP Odyssey – zwei grundverschiedene Hüllkurven hat. Eine hat die volle ADSR-Bestückung und arbeitet exponentiell; beim ARP 2600 kann nur sie über interne Verkabelung das Filter steuern, für die andere bräuchte es ein Patchkabel. Die andere ist eine AR-Hüllkurve, also ohne Decay-Phase und mit Sustain immer voll auf. Diese Hüllkurve arbeitet linear. Der Unterschied ist durchaus hörbar: Die ADSR-Hüllkurve beginnt schnell und wird dann langsamer, während die AR-Hüllkurve mit konstanter Geschwindigkeit moduliert.
Der Baß ist auch vom ARP, aber kein typischer "fetter Moog-Baß" – wir sind immerhin im Jahr 1976. Hier gibt's also kein 90er-Jahre-Resonanzschmatzen, sondern gar keine Resonanz. Ich habe den Part gerade nicht konkret im Ohr, aber meines Erachtens war das eine sehr tiefe Dreieckswelle mit einer Rechteck- oder Pulswelle eine Oktave darüber, nicht zu stark gefiltert (mit ein bißchen ADSR auf Filter und/oder Verstärker, um den Anfang zu akzentuieren), aber doch in den Obertönen reduziert. Ähnlich scheint das Ostinato zu sein, nur daß da stärker gefiltert und stakkato mit recht schnellem AR-Release gespielt wird, während der Baß lange liegt. Ich müßte da noch mehr experimentieren, um das detaillierter schildern zu können.
Vielleicht sehe ich mich mal im Patchbook um, ob da zufällig die Sounds zu finden sind, dann komm ich eventuell noch näher dran.
Für die Drums brauchst du zum einen etwas, das einfache Drumsamples wiedergeben kann. Zum anderen brauchst du Samples einer Korg MiniPops-7; will sagen, ein bißchen Zeit und die Internetsuchmaschine deines Vertrauens. Vorsicht: Die Figur hat's in sich. Ich kann jetzt nicht unbedingt empfehlen, eine MiniPops synthetisch nachzubauen, an die Samples kommt man einfach viel leichter und ist dann auch näher dran.
Die Strings werden schon schwieriger. Hier versagt nämlich die typische Synthesizer-Vorgehensweise, weil die Strings von etwas kamen, das mit typischen Analogsynthesizern und subtraktiver Synthese praktisch gar nichts zu tun hat, schon gar nicht mit dem oft zititerten Eigenbau von Stringsounds durch Gegeneinanderverstimmen von zwei oder mehr Sägezahnoszillatoren mit PWM und so weiter, um auch ja keine Effekte zu verwenden, weil man die bei einem gut klingenden Synth ja angeblich nicht braucht.
Dieses Etwas ist eine niederländische Mittelklasse-Heimorgel, eine Eminent 310 Unique. Zunächst mal arbeitet ihre Klangerzeugung völlig anders als die nahezu aller polyphoner Synthesizer, nämlich auf Basis von Frequenzteilern, so daß sich nichts gegeneinander verstimmen kann und alles immer schön phasenstarr zueinander läuft. Man muß sich das vorstellen als ein rasant schnell (im Megahertz-Bereich) schwingender Rechteckoszillator. Mittels Frequenzteilern werden dann davon die zwölf Noten einer chromatischen Tonleiter abgeleitet, und zwar der höchsten Noten, die die Orgel spielen kann. Weitere Frequenzteiler erzeugen daraus dann wiederum die Oktavlagen, reduzieren also die Frequenzen auf die Hälfte, ein Viertel, ein Achtel usw. Mittels Waveshaping wird dann aus der Rechteck- eine angenäherte Sägezahnwelle.
Das ist aber nur die halbe Miete dessen, was in der Orgel selbst passiert. Ein sehr schönes, gerade bei japanischen Synths populäres Mittel, um z. B. Stringsounds zu erzeugen, ist, einen Chorus draufzulegen. Die klassischen Stringmachines wie das artverwandte Solina String Ensemble, die Logan String Melody oder die Strings-Abteilung im Roland RS-202 verwenden einen Dreifachchorus, also drei Chorus-Einheiten, deren LFOs um 120° zueinander versetzt sind. In der Eminent 310 steckt sogar ein Sechsfach-Chorus.
Mit echt- oder virtuell-analogen Synthesizern kann man diesen Sound nicht mal annähern. Sofern du Software verwendest, solltest du dich nach dedizierten Stringmachine-VSTis umsehen, z. B. Gforce Virtual String Machine, das auch dediziert die Eminent emulieren kann. Auch das hat natürlich nicht
ganz den Charme einer echten Eminent. Aber selbst wenn du zufällig noch auf, was weiß ich, marktplaats.nl eine finden solltest, die in ahnungslosen Händen ist und für einen Euro verkauft wird, wirst du immer noch zig Kilo Heimorgel in deine Bude wuchten müssen.
Solltest du keine Software verwenden, wird es sehr, sehr eng. Ich selbst verwende dafür eine Sample-Library von SONiVOX für Kurzweil, die mir auch nur Samples eines Solina String Ensemble zur Verfügung stellt. Generell sind Samples für so etwas keine optimale Lösung, aber besser geht's bei mir nicht, und besser geht's generell nur, indem das Originalgerät als Ganzes emuliert wird. Das Problem ist nur, daß ich mir die CD schon vor etlichen Jahren gekauft habe und so etwas schon lange nicht mehr hergestellt oder verkauft wird. Gebraucht gibt es solche Sampling-CDs nur seltenst, wenn überhaupt, denn häufig dürfen sie gar nicht weiterverkauft werden.
Falls jetzt Waldorf Streichfett erwähnt wird: Ich habe das Ding angespielt und gehört. Es klingt nach allem, aber nicht nach Eminent, nicht mal nach Solina. Das Teil ist einem Korg Lambda nachempfunden und geht charakteristisch eher teils Richtung Japan, teils Richtung Italien. Mit meinen Samples komme ich deutlich näher dran, als Streichfett es je könnte.
Konkret kann ich dir bei den Strings nichts empfehlen, das hängt von deiner Situation ab.
Zu guter Letzt scheint Jarre meines Erachtens die Akkordfläche mit einem anderen Register zu spielen als die Melodie.
Zu beachten ist aber auch die Signalkette hinter den Strings. Auf der Akkordfläche liegt ein Phaser, ein Electro-Harmonix Small Stone. Ich würde sagen, Intensitätsschalter auf voll, LFO-Regler auf halb elf, elf; letztlich muß man das nach Gehör einstellen. Sofern Hardware im Einsatz ist, ist tatsächlich die Verwendung eines echten Small Stone angeraten, das Ding kostet nicht die Welt. Netzteil nicht vergessen, Smallie frißt manchmal Batterien wie nix. (Andererseits kann man möglicherweise mit einem 8,4-Volt-NiMH-Akku den Undervolting-Mod nachahmen, den Jarres damaliger Small Stone hatte; den bräuchte man aber höchstens bei so tragenden Sachen wie "Equinoxe 2".)
Beide String-Parts stehen unterschiedlich im Panorama und laufen anschließend in ein Stereo-Bandecho, das sich Jarre aus zwei Revox B77 gebaut hat: Das Band lief von einer Spule der ersten Bandmaschine durch deren Köpfe (zwecks Aufnahme), dann ein Stück durch die Luft, dann durch die Köpfe der zweiten Bandmaschine (zwecks verzögerter Wiedergabe) und auf die angetriebene Spule dieser Maschine. Die Delay-Zeit wurde eingestellt über den Abstand, in dem die Bandmaschinen zueinander standen. Eine der beiden Bandmaschinen hat Jarre dann "über Kreuz" angeschlossen – je weiter links im Panorama das Originalsignal war, desto weiter rechts war das Delay-Signal.
Das kann man (zur Not) mit allen Stereo-Delays emulieren, die einigermaßen nach Bandecho klingen können (wenn's sein muß, tut's auch ein Stereo-Multieffekt, der das Delay-Signal leicht tiefpaßfiltern kann), indem man den linken Ausgang des Effektgeräts an den rechten Aux Return schließt und umgekehrt. Das Effektgerät muß dann natürlich das Originalsignal als Stereosignal mit entsprechender Panorama-Position bekommen. Will man nicht über Kreuz verkabeln, kann man ersatzweise die Aux Sends (in diesem Fall pre-fader!) für die Strings-Signale "umgekehrt" zur Panoramaposition der Signale selbst öffnen, dann kriegt das Delay das Originalsignal schon seitenverkehrt.
Mit in Synths eingebauten Effekten läßt sich diese Stereo-Trickschaltung meistens überhaupt nicht nachstellen. Ein Pingpong-Delay ist kein gutes Surrogat, weil es immer hart pannt und nicht flexibel genug ist. Da muß man also schon externe Effekte und Klinkenkabel in die Hand nehmen.
Die dritte Melodie mit dem metallisch anmutenden Sound ist extrem schwer zu emulieren. Die hat Jarre gespielt auf einem der ersten additiven Synthesizer, einem schon mit Digitaloszillatoren arbeitenden RMI Harmonic Synthesizer. Bis heute haben es selbst die besten Jarre-Replica-Covermusiker nicht geschafft, diesen Sound nachzubauen – und ich schätze, daß da auch schon zu so Mitteln wie Kawai K5000 gegriffen wurde. Hier heißt es abwarten, bis jemand ein Rezept hat – auch wenn das additiv sein sollte, was ich sogar erwarte.
Sogar die weitere Aufbereitung dieses Klangs ist schwierig zu bewerkstelligen. Der geht nämlich durch einen Flanger, eine Electro-Harmonix Electric Mistress. Und zwar die erste Generation der Electric Mistress. Die moderne Stereo Electric Mistress klingt
drastisch anders und ist dafür nicht mal ansatzweise zu gebrauchen, wenn man aus Gründen der klanglichen Authentizität schon zu EHX greifen muß, und das Original ist eine ziemliche Rarität. Je nach Eigenanspruch kann man natürlich verschiedene in- oder externe Flanger durchprobieren, aber die Electric Mistress ist meines Erachtens genauso ein Charakterkopf wie der Small Stone.
Die Effektklänge (Wind, fallendes Rauschen) stammen vom EMS VCS3 und/oder EMS Synthi AKS. Die Authentizität ließe sich mit einem Dreipol-Tiefpaßfilter (18 dB/Oktave; scheint in Hardware ein Fall für Novation zu sein, die aus demselben Ursprungsland kommen) noch steigern; ob man so weit ins Detail gehen will, muß man selbst wissen. Auf jeden Fall gehen die EMS-Effektsounds mit durchs panoramaverdrehte Delay.
Martman