Hi Stollenfiddler,
richtig und gut beobachtet, daß die Winkelhalbierende der Saiten (vor und hinter dem Steg) das Ziel sein sollte, wie der Steg stehen sollte.
Etwas übertrieben ist aber, daß bei der Stellung der Winkelhalbierenden der Steg eine extreme Rücklage hätte.
Ganz Grob: die Stegvorderseite wird zur Rückseite hin abgerundet, damit man die Stegoberkante auf eine gleichmäßige und
schmale Breite bekommt. Bei senkrechter Stellung der Rückseite geht der Druck von der "zurückliegenden" Oberkante diagonal
durch den Steg in die Fußmitte. Alleine das kompensiert schon das meiste vom asymmetrischen Saitenwinkel.
Ich habe klanglich bislang keine Unterschiede wahrnehmen können, wenn Stege schief, oder gerade auf einer Decke stehen.
Sicherlich gibt es kleine Abweichungen. Ich halte sie aber für marginal.
Etwas ganz anderes ist es aber, wenn die Füße nur auf den Kanten stehen.
Viel entscheidender ist, wie die Füße angepaßt wurden.
Wurde ein Steg mit einer Vorlage angepaßt, dann sollte man ihn nicht gewaltsam auf die Hinterfüße zwingen.
(zumindest nicht zu viel..)
Jeder Steg gibt seiner Stellung nach. Steht er vorne auf den Füßen, dann verbeugt er sich zum Griffbrett,
steht er hinten auf den Kanten, bekommt er ein Hohlkreuz.
Einschub: Es ist gut, daß der Steg etwas mitgeht. Würde er nicht diese Flexibilität haben, hätten wir immer
eine Fußkante, die die Decke belastet. So kann sich der Druck aber auf eine deutlich größere Fläche verteilen.
Das nimmt übrigens auch die Spannung aus dem Holz.
Bei extremen Krümmungen, wie gerade beschrieben, kann man einen Steg nicht mehr komplett retten
und es wird ein neuer fällig. Gerade bei Celli und Bässen muß man sehr darauf achten - solche Stege bekommen
bei falscher Stellung gerne eine S-Kurve. (Das hängt mit "breite Beinen zu schmaler Brust" zusammen).
Sowas erholt sich nur schwer bis garnicht mehr.
Am gesündesten ist es, wenn die Füße sauber aufsitzen und sich der Druck gleichmäßig auf die Decke verteilt.
Leider wissen zu viele Streicher zu wenig über ihr Instrument und daß es ganz normal ist, daß man von Zeit
zu Zeit seinen Steg wieder sauber hinstellen muß. Das sind normale Wartungsarbeiten, wie Putzen, Saiten erneuern, oder Stimmen.
Eine Saite, die über Monate bis Jahre ständig unter Zug steht, dehnt sich nunmal.
Also stimmt man nach und der Steg wandert in Richtung Griffbrett - auch normal.
Da dieses Phenomen schon lange bekannt ist, macht man die Stegwölbung (Vorderseite, Griffbrett zugewand)
auch vorne und nicht hinten. Die Wölbung hält gut dagegen, wenn der Steg zu viel Vorlage bekommt.
Eine Variation zur Stabilität ist, wenn man der Rückseite auch eine schwache Wölbung verpasst. Ist kaum sichtbar - da braucht
man schon ein Lineal. Vorne wird er dann weniger bauchig. Ich selber habe so einen Steg noch nicht gemacht - dieses Thema
interessiert mich aber stark.
cheers, fiddle
Ergänzung zu E-Geigen/Celli/KBs:
Wenn die Füße nicht satt auf dem Piezo stehen, kommt auch nur ein dünnes Signal aus dem Instrument.
Ich überprüfe einiges an Instrumenten und oft wird schon vieles besser, wenn man erstmal den Steg wieder
gerade hinstellt. Was bei Westerngitarren schon lange bekannt ist, scheint in der Streichergemeinde noch
große, weiße Lücken auf der Landkarte zu bedeuten.
Aber seien wir froh, daß es ein Forum gibt