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Nanci Griffith: Other Voices, Other Rooms, 1993, Elektra (Warner)
Wenn jemand wie Nanci Griffith ein neues Album vorlegt, hält die Country/Folk Szene US-Amerikas zunächst mal kurz den Atem an; schließlich handelt es sich bei Mrs. Griffith nicht um irgend jemanden, sondern um eine der Ikonen des US-Folks schlechthin - sowohl als Songwriterin als auch als Interpretin.
Im Laufe ihrer Karriere hat sie sich nicht nur als brilliante Texterin und wunderbare Musikerin einen Namen gemacht, sie hat sich auch ihre Lorbeeren als Sängerin und Interpretin von Fremdmaterial verdient. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie sich nach vielen Jahren Bühnen- und Studioarbeit die Zeit nimmt, ein ganz persönliches Potpourri von Songs zusammenzustellen - Songs von Weggefährten, von Wegweisern und Freunden. Mit einer erstaunlichen Auswahl an Songs und einer noch erstaunlicheren Auswahl an Gastmusikern beglücken Griffith und ihr Produzent Jim Rooney uns auf dem Album "Other Voices | Other Rooms" (nicht umsonst nach Truman Capotes erstem Roman benannt).
Als MusikerInnen hören wir: Nanci Griffith (Gitarren, Vocals, String Arrangements), Lee Satterfield (Gitarren, Vocals), Emmylou Harris (Vocals), Pete Kennedy (div. Gitarren), Fran Breen (Percussion, Drums), Pat McInerney (Percussion, Dinner Bell), James Hooker (Piano, Keyboards, B-3, Barrel House Piano, Vocals), Stuart Duncan (Mandolin, Violin), Frank Christian (Gitarre), Edgar Meyer (Bass Strings), Alison Krauss (Violin), John Catchings (Cello), Andrea Zonn( Viola), Arlo Guthrie (Vocals), Bob Dylan (Harmonica), John Prine (Vocals), Philip Donnelly (Gitarren), Pete Cummins (Vocals), Carolyn Hester (Vocals), Guy Clark (Gitarre, Vocals), Pat Flynn (Gitarre), Roy Huskey Jr (Upright Bass), Bela Fleck (Banjo), Iris DeMent (Vocals), Don Edwards (Jodler), Chet Atkins (Gitarren), Leo Kottke (12-Seiten Gitarre), Mary Ann Kennedy (Percussion), John Hartford (Banjo, Tap Dance), Chor auf "Wimoweh": Roy Huskey Jr, John Hartford, Odetta, Nanci Griffith, The Indigo Girls, Kennedy-Rose, John Prine, James Hooker, Holly und Barry Tashian, John Gorka, Dave Mallett, Marlin Griffith, Jim Rooney.
Als nächstes möchte ich aus den weisen Worten zitieren, die Nanci für das Booklet zu diesem wunderbaren Album geschrieben hat:
This recording project has been the dream of a lifetime come true for me both as an artist and songwriter. No other producer could have lent the knowledge and the compassion to this music with the patience and dedication Jim Rooney has put into this body of work. Nor do I feel we could have found two engineers, Mark Miller in Nashville and Brian Masterson in Dublin, who had better ears for acoustic instruments and instinctively knew that the secret of capturing Folk Music, if indeed it can be captured, is to let it roll and keep your hands off the wheel.
Nanci schreibt in diesem wunderbaren Vorwort zum Album, wie sie zu dieser Auswahl an Songs gekommen ist, und welche KünsterInnen sie noch gerne für dieses Projekt gewonnen hätte, deren enge Zeitpläne es aber nicht zuließen. Und eingedenk der Tatsache, dass das erste Stück des Albums eine wundervolle Aufnahme von Kate Wolfs "Across the Great Divide" ist, verwundern diese Zeilen Griffiths nicht: In Memory of Kate Wolf, Malvina Reynolds and Bob Claypool ... please save me and Emmy a seat at the bar.
Song 1: Kate Wolf - Across the Great Divide
Eine Verbeugung vor einer anderen großen und völlig zu Unrecht vergessenen Dame des US-Folks, Kate Wolf. Nanci hat schon früher verschiedene Versionen dieses Songs aufgenommen, doch auf diesem Album legt sie ihre beste vor. Einfühlsam, schlicht und atemberaubend ruhig erzählt sie die Geschichte, die Wolf verfasste. Stuart Duncan steuert wunderbare Mandolinen-Einlagen zu den ohnehin über jeden Zweifel erhabenen Gitarren von Nanci und Lee Satterfield bei, dazu Pete Kennedys Lead Guitar. Kate Wolfs Song ist ein Paradebeispiel klassischen Folk-Songwritings, und Griffiths Interpretation mehr und etwas anderes als das "Ausschlachten" einer Cash-Cow, sondern eine zutiefst ehrfürchtige Verbeugung vor dem Vorbild, ehrlich und solide. (5/5)
Song 2: Vince Bell - Woman of the Phoenix
Zu diesem Stück steuert Nanci ein geschmackvolles aber nicht übertriebenes Streicher-Arrangement bei, gespielt von Edgar Meyer, Alison Krauss, John Catchings und Andrea Zonn. Und es scheint mir schon sehr interessant zu sein, wenn Alison Krauss sich für ein einziges Stück auf einem Album ins Studio begibt, um eine "Nebenrolle" zu spielen, was wieder zeigt, welchen Einfluss und Bedeutung Nanci Griffith hatte, und zweifellos auch heute noch hat. Ansonsten gibt es an diesem Song weder etwas besonders auszusetzen, noch zu bemerken. Wie das gesamte Album ruhig, schlicht und unaufgeregt produziert, eher zurückhaltend instrumentiert - was auch nicht verwundert, liegt doch Nanci Griffiths Interesse bei allen Songs auf diesem Album nicht in der Musik in erster Linie, sondern vor allem in den Geschichten, die die Songs erzählen. (4/5)
Song 3: Townes Van Zandt - Tecumseh Valley
Bei einer Erinnerungen-Kollektion darf natürlich eine Verbeugung vor Townes van Zandt nicht fehlen. Und wie immer schafft Griffith es, einem Song, den schon jeder kennt (oder zumindest kennen sollte), ihren ureigensten Stempel aufzudrücken, ohne ihn zu vergewaltigen - ein Balanceakt, der in unserer Zeit angesichts Casting-Bands und Cover-Bands en Masse schon fast unmöglich geworden ist. Nanci und Arlo Guthrie erzählen die Geschichte von Caroline, der Tochter des Minenarbeiters derart eindringlich und fast schon gespenstisch gut, dass man meinen möchte, das Lied hätte sich immer schon so angehört wie hier. Weniger ihr Verdienst als der von van Zandt ist der geniale Einfall, die erste Strophe zum Schluss zu wiederholen, was der Geschichte eine emotionale Dimension verleiht, die man sonst kaum wo findet. (5/5)
Song 4: Frank Christian - Three Flights Up
Christian ließ es sich nicht nehmen, für dieses Album auf mehreren Songs in seine Saiten zu picken, und auch hier übernimmt er in seinem eigenen Song die Lead Gitarre - was herrlich klappt. James Hooker greift diesmal nicht in die Tasten des Pianos sondern in die des Keyboards, und verpasst dem Song einen zusätzlichen Akkordeon-Sound. Erstaunlich gelungen ist die Verbindung von Percussion und Gitarren in diesem Stück. Wer allerdings hier Bass spielt, ist fraglich, denn in den Credits steht nichts davon (vielleicht hat James Hooker diesen auf seinen Tasten nachgereicht). Erfrischend, herzig und wie immer einfach gelungen. (5/5)
Song 5: Bob Dylan - Boots of Spanish Leather
Ausnahmsweise überlässt Nanci die Gitarre Frank Christian und Pete Kennedy alleine und beschränkt sich hier aufs Singen. Ob Bob sich gedacht hätte, dass sein Song auch so klingen kann? Was er sich natürlich auch von Sophie B. Hawkins Interpretation von "I Want You" hätte denken können. Immerhin hat er Zeit gefunden, schnell mal ins Studio zu kommen, um den Mundharmonika-Part beizusteuern. Es ist schon faszinierend, wenn man Hawkins "I want you" mit dem Original vergleicht: es klingt zwar völlig anders, aber selbst bei Hawkins hört man einfach, dass es ein Bob Dylan Song ist. Nanci Griffith bringt es aber fertig, ihn so klingen zu lassen, als hätte sie oder Patrick Alger ihn geschrieben. Nur ihre gesangliche Interpretation verrät noch, dass hier ein Bob Dylan dahintersteckt. Und auch das ist eine Kunst. (4/5)
Song 6: John Prine - Speed of the Sound of Loneliness
Na hier hat James Hooker es aber etwas mit seinen Keys übertrieben. Etwas weniger Synth-Sound wäre besser gewesen. Vermutlich ist dies der schlechteste Song des Albums, falls man bei diesem Album überhaupt von gut oder schlecht sprechen kann. Schließlich versteht sich dieses Album durchaus auch als Konzeptalbum, bei dem Jim Rooney seine Produktionsmethoden eisern durchzieht. Was grundsätzlich nichts schlechtes ist, verleiht es dem Album als ganzem doch genau den Charme und die Ehrlichkeit, die Nanci Griffith hören wollte. (3/5)
Song 7: Ralph McTell - From Clare to Here
Es war eine weise Entscheidung, nicht McTells Standard-Hit "Streets of London" einzuspielen, sondern diese besonders traurige Ballade, deren Aufnahme hier eine echte Meisterleistung ist, sowohl gesanglich als auch musikalisch. James Hooker unterlegt auf den Keys das Ganze diesmal sehr gelungen mit Bläsern, Pete Kennedy steuert ein paar "Diamonds" bei und das ganze ergibt dann ein Gesamtbild, wie es besser hätte nicht sein können. Langsam sich aufbauend als Ballade mit einem Höhepunkt zur Bridge, melancholisch, traurig-schaurig-schön, ein Song für einsame Abende am Kamin. (5/5)
Song 8: Tom Paxton - Can't Help But Wonder Where I'm Bound
Nach dem "Tränendrüsendrücker" (aber im Besten Wortsinn) brauchen wir etwas Aufheiterung, und auch Griffith weiß das, und bringt uns nun ein Ständchen von Tom Paxton, Country im ursprünglichsten Sinne vielleicht, nicht ganz stilecht interpretiert natürlich, etwas modernisiert, aber nicht moder-isiert. (4/5)
Song 9: Woody Guthrie - Do Re Mi
Seltsamerweise singt Arlo Guthrie bei diesem Stück nicht mit, warum auch immer. Dafür singt Guy Clark mit ihr. Nanci präsentiert sich und ihre Gitarre aber in gut gelaunter fast-Bestform, und bringt den augenzwinkernden Text perfekt und beschwingt "rüber". Besonders erwähnenswert sind natürlich die Ragtime-Gitarrensolos zwischen den Strophen. (4/5)
Song 10: Janis Ian & Jon Vezner - This Old Town
Wieder ein Beispiel für die faszinierende Auswahl an Songs, die Nanci getroffen hat. Im stilistischen Gewand eines Country-Standards ein Text, der so politisch ist, dass er heute genauso wichtig erscheint, wie er 1929 gewesen wäre. Man fühlt sich gleich an Griffiths "It's a hard life wherever you go" erinnert. Da ist die Tatsache, dass Bela Fleck sich für den Banjo-Part eingefunden hat, schon fast eine Nebensächlichkeit. (5/5)
Song 11: Buddy Mondlock - Comin' down in the Rain
An diesem Song erkennt man vielleicht, wie Griffith die Songs für das Album ausgewählt hat, liest man sich den Text erst durch. Das Faible für schwermütige Texte ist aber nur ein scheinbares, denn dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, dass die bisherigen Songs - trotz der oft überbordenden Melancholie - einer gewissen "Closure" nicht entbehren, einem "Aufmunterungs-Faktor", der sich subtil ins Album eingeschlichen hat. Stuart Duncan tut wieder das, was er kann: die Mandoline zupfen, und James Hooker hält sich diesmal auch mit der B-3 zurück. (4/5)
Song 12: Gordon Lightfoot - Ten degrees and getting colder
Dass Griffith nicht nur ihren us-amerikanischen KollegInnen Respekt zollt, versteht sich von selbst, und so ist es nicht verwunderlich, einen Lightfoot Song anzutreffen - glücklicherweise nicht "If you could read my mind". Vocaliter begleitet von Iris DeMent schwingt sich Nanci durch den dankbaren Text. (4/5)
Song 13: Jerry Jeff Walker - Morning Song for Sally
Wunderschön gesungen und gespielt gelingt es Griffith und Rooney, die Stimmung des Textes perfekt musikalisch umzusetzen. Wie überall auf diesem Album ist das Zauberwort "Zurückhaltung" und nicht "da noch eine Gitarre, und dort mehr Percussion, und da noch ein paar Bläser ...". Die Beschränkung auf das Wesentliche macht einen großen Teil des Charmes des Albums aus, und in diesem Stück gelingen den Musikern (vor allem wieder Stuart Duncan und Frank Christian) die "Kleinigkeiten am Wegesrand" besonders gut. (5/5)
Song 14: Michael Burton - Night Rider's Lament
Schon recht konventionell kommt dieses Stück daher, gemächlich und traditionell, sogar mit Gejodel. Ob das aber eine gute Entscheidung war, mag ich bezweifeln. So recht mag das ganze Stück nicht auf das Album passen. Aber ich bin sicher, Nanci wird sich schon etwas dabei gedacht haben. (3/5)
Song 15: G. P. Cook, Ralph Roland - Are You Tired Of Me Darling
Es ist schon verdächtig, wie ich mit jedem Song auf diesem Album weniger darüber zu sagen habe. Woran liegt das? Dass sich alles wiederholt, weil es schon im vorigen Song zu hören war. Ja, eindeutig. Erstaunlicherweise aber ist das bei einem Album wie diesen geradezu ein Geschenk, dass sich die Songs stilistisch so ähneln - es ist, als hätte man 17 Sonnenblumen nebeneinander hängen, allesamt beeindruckend - und doch so ähnlich. (5/5)
Song 16: Malvina Reynolds, Harry Belafonte, Allen Green - Turn Around
Malvina Reynolds kam erst kürzlich wieder - ohne dass es die meisten überhaupt wissen - in die Ohren vieler junger Fernsehzuseher, und zwar durch das Titellied "Little Boxes" der Serie "Weeds". Griffith jedoch interpretiert hier eine Art amerikanisches Nationalheiligtum, Turn Around.
Song 17: Wimoweh
Als augenzwinkernden Abschluss präsentiert sich Wimoweh, jenes South African Tradidional, das schon in "The Lion Sleeps Tonight" verge ... äh benutzt wurde. Doch so beschwingt wie hier und so geradezu amüsant wurde das Stück in der bekannten Bearbeitung von Paul Campbell wohl selten interpretiert. Neben Griffith und Rooney haben sich unter anderem die Indigo Girls, Kennedy-Rose, John Prine und John Gorka eingefunden, um im Chor zu singen. Als Abschluss für ein rundherum gelungenes Album perfekt. (5/5)
Fazit:
Es fiel mir ziemlich schwer, diese Rezension zu schreiben. Selten habe ich über die einzelnen Stücke eines Album so wenig zu sagen, wie hier. Das liegt an der Konzeption des Albums. Natürlich könnte ich über die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Songs nachforschen, oder deren Texte analysieren, um Licht auf die Beweggründe zu werfen, nach denen Nanci Griffith hier ausgewählt hat, aber dann würde diese Rezension eher in eine Dissertation ausarten. Vielmehr als "rundherum gelungen" kann man aber über das Album nicht sagen. Es klingt technisch hervorragend, es ist herzergreifend, es ist bewegend, bei Zeiten komisch, und in jedem Falle jedem ans Herz gelegt, der ein solches hat. Ideal für alle Kaminfeuerabende, für Unterwegs im Kopfhörer, fürs Ausspannen, fürs Zuhören. Nancis Stimme zeigt sich von ihrer lieblichsten Seite, und die Musiker sind allesamt hervorragend. Die einfache, ehrliche aber wunderschöne Produktion von Jim Rooney, gespickt mit "Diamonds" der Musiker, die Kleinigkeiten, die man zwischen den Strophen hört, machen das Album zu einem echten Genuss. Nanci hat das ganz richtig gemacht, in jeder Hinsicht.
5 von 5 Sternen für das Gesamtkunstwerk.
Wenn jemand wie Nanci Griffith ein neues Album vorlegt, hält die Country/Folk Szene US-Amerikas zunächst mal kurz den Atem an; schließlich handelt es sich bei Mrs. Griffith nicht um irgend jemanden, sondern um eine der Ikonen des US-Folks schlechthin - sowohl als Songwriterin als auch als Interpretin.
Im Laufe ihrer Karriere hat sie sich nicht nur als brilliante Texterin und wunderbare Musikerin einen Namen gemacht, sie hat sich auch ihre Lorbeeren als Sängerin und Interpretin von Fremdmaterial verdient. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie sich nach vielen Jahren Bühnen- und Studioarbeit die Zeit nimmt, ein ganz persönliches Potpourri von Songs zusammenzustellen - Songs von Weggefährten, von Wegweisern und Freunden. Mit einer erstaunlichen Auswahl an Songs und einer noch erstaunlicheren Auswahl an Gastmusikern beglücken Griffith und ihr Produzent Jim Rooney uns auf dem Album "Other Voices | Other Rooms" (nicht umsonst nach Truman Capotes erstem Roman benannt).
Als MusikerInnen hören wir: Nanci Griffith (Gitarren, Vocals, String Arrangements), Lee Satterfield (Gitarren, Vocals), Emmylou Harris (Vocals), Pete Kennedy (div. Gitarren), Fran Breen (Percussion, Drums), Pat McInerney (Percussion, Dinner Bell), James Hooker (Piano, Keyboards, B-3, Barrel House Piano, Vocals), Stuart Duncan (Mandolin, Violin), Frank Christian (Gitarre), Edgar Meyer (Bass Strings), Alison Krauss (Violin), John Catchings (Cello), Andrea Zonn( Viola), Arlo Guthrie (Vocals), Bob Dylan (Harmonica), John Prine (Vocals), Philip Donnelly (Gitarren), Pete Cummins (Vocals), Carolyn Hester (Vocals), Guy Clark (Gitarre, Vocals), Pat Flynn (Gitarre), Roy Huskey Jr (Upright Bass), Bela Fleck (Banjo), Iris DeMent (Vocals), Don Edwards (Jodler), Chet Atkins (Gitarren), Leo Kottke (12-Seiten Gitarre), Mary Ann Kennedy (Percussion), John Hartford (Banjo, Tap Dance), Chor auf "Wimoweh": Roy Huskey Jr, John Hartford, Odetta, Nanci Griffith, The Indigo Girls, Kennedy-Rose, John Prine, James Hooker, Holly und Barry Tashian, John Gorka, Dave Mallett, Marlin Griffith, Jim Rooney.
Als nächstes möchte ich aus den weisen Worten zitieren, die Nanci für das Booklet zu diesem wunderbaren Album geschrieben hat:
This recording project has been the dream of a lifetime come true for me both as an artist and songwriter. No other producer could have lent the knowledge and the compassion to this music with the patience and dedication Jim Rooney has put into this body of work. Nor do I feel we could have found two engineers, Mark Miller in Nashville and Brian Masterson in Dublin, who had better ears for acoustic instruments and instinctively knew that the secret of capturing Folk Music, if indeed it can be captured, is to let it roll and keep your hands off the wheel.
Nanci schreibt in diesem wunderbaren Vorwort zum Album, wie sie zu dieser Auswahl an Songs gekommen ist, und welche KünsterInnen sie noch gerne für dieses Projekt gewonnen hätte, deren enge Zeitpläne es aber nicht zuließen. Und eingedenk der Tatsache, dass das erste Stück des Albums eine wundervolle Aufnahme von Kate Wolfs "Across the Great Divide" ist, verwundern diese Zeilen Griffiths nicht: In Memory of Kate Wolf, Malvina Reynolds and Bob Claypool ... please save me and Emmy a seat at the bar.
Song 1: Kate Wolf - Across the Great Divide
Eine Verbeugung vor einer anderen großen und völlig zu Unrecht vergessenen Dame des US-Folks, Kate Wolf. Nanci hat schon früher verschiedene Versionen dieses Songs aufgenommen, doch auf diesem Album legt sie ihre beste vor. Einfühlsam, schlicht und atemberaubend ruhig erzählt sie die Geschichte, die Wolf verfasste. Stuart Duncan steuert wunderbare Mandolinen-Einlagen zu den ohnehin über jeden Zweifel erhabenen Gitarren von Nanci und Lee Satterfield bei, dazu Pete Kennedys Lead Guitar. Kate Wolfs Song ist ein Paradebeispiel klassischen Folk-Songwritings, und Griffiths Interpretation mehr und etwas anderes als das "Ausschlachten" einer Cash-Cow, sondern eine zutiefst ehrfürchtige Verbeugung vor dem Vorbild, ehrlich und solide. (5/5)
Song 2: Vince Bell - Woman of the Phoenix
Zu diesem Stück steuert Nanci ein geschmackvolles aber nicht übertriebenes Streicher-Arrangement bei, gespielt von Edgar Meyer, Alison Krauss, John Catchings und Andrea Zonn. Und es scheint mir schon sehr interessant zu sein, wenn Alison Krauss sich für ein einziges Stück auf einem Album ins Studio begibt, um eine "Nebenrolle" zu spielen, was wieder zeigt, welchen Einfluss und Bedeutung Nanci Griffith hatte, und zweifellos auch heute noch hat. Ansonsten gibt es an diesem Song weder etwas besonders auszusetzen, noch zu bemerken. Wie das gesamte Album ruhig, schlicht und unaufgeregt produziert, eher zurückhaltend instrumentiert - was auch nicht verwundert, liegt doch Nanci Griffiths Interesse bei allen Songs auf diesem Album nicht in der Musik in erster Linie, sondern vor allem in den Geschichten, die die Songs erzählen. (4/5)
Song 3: Townes Van Zandt - Tecumseh Valley
Bei einer Erinnerungen-Kollektion darf natürlich eine Verbeugung vor Townes van Zandt nicht fehlen. Und wie immer schafft Griffith es, einem Song, den schon jeder kennt (oder zumindest kennen sollte), ihren ureigensten Stempel aufzudrücken, ohne ihn zu vergewaltigen - ein Balanceakt, der in unserer Zeit angesichts Casting-Bands und Cover-Bands en Masse schon fast unmöglich geworden ist. Nanci und Arlo Guthrie erzählen die Geschichte von Caroline, der Tochter des Minenarbeiters derart eindringlich und fast schon gespenstisch gut, dass man meinen möchte, das Lied hätte sich immer schon so angehört wie hier. Weniger ihr Verdienst als der von van Zandt ist der geniale Einfall, die erste Strophe zum Schluss zu wiederholen, was der Geschichte eine emotionale Dimension verleiht, die man sonst kaum wo findet. (5/5)
Song 4: Frank Christian - Three Flights Up
Christian ließ es sich nicht nehmen, für dieses Album auf mehreren Songs in seine Saiten zu picken, und auch hier übernimmt er in seinem eigenen Song die Lead Gitarre - was herrlich klappt. James Hooker greift diesmal nicht in die Tasten des Pianos sondern in die des Keyboards, und verpasst dem Song einen zusätzlichen Akkordeon-Sound. Erstaunlich gelungen ist die Verbindung von Percussion und Gitarren in diesem Stück. Wer allerdings hier Bass spielt, ist fraglich, denn in den Credits steht nichts davon (vielleicht hat James Hooker diesen auf seinen Tasten nachgereicht). Erfrischend, herzig und wie immer einfach gelungen. (5/5)
Song 5: Bob Dylan - Boots of Spanish Leather
Ausnahmsweise überlässt Nanci die Gitarre Frank Christian und Pete Kennedy alleine und beschränkt sich hier aufs Singen. Ob Bob sich gedacht hätte, dass sein Song auch so klingen kann? Was er sich natürlich auch von Sophie B. Hawkins Interpretation von "I Want You" hätte denken können. Immerhin hat er Zeit gefunden, schnell mal ins Studio zu kommen, um den Mundharmonika-Part beizusteuern. Es ist schon faszinierend, wenn man Hawkins "I want you" mit dem Original vergleicht: es klingt zwar völlig anders, aber selbst bei Hawkins hört man einfach, dass es ein Bob Dylan Song ist. Nanci Griffith bringt es aber fertig, ihn so klingen zu lassen, als hätte sie oder Patrick Alger ihn geschrieben. Nur ihre gesangliche Interpretation verrät noch, dass hier ein Bob Dylan dahintersteckt. Und auch das ist eine Kunst. (4/5)
Song 6: John Prine - Speed of the Sound of Loneliness
Na hier hat James Hooker es aber etwas mit seinen Keys übertrieben. Etwas weniger Synth-Sound wäre besser gewesen. Vermutlich ist dies der schlechteste Song des Albums, falls man bei diesem Album überhaupt von gut oder schlecht sprechen kann. Schließlich versteht sich dieses Album durchaus auch als Konzeptalbum, bei dem Jim Rooney seine Produktionsmethoden eisern durchzieht. Was grundsätzlich nichts schlechtes ist, verleiht es dem Album als ganzem doch genau den Charme und die Ehrlichkeit, die Nanci Griffith hören wollte. (3/5)
Song 7: Ralph McTell - From Clare to Here
Es war eine weise Entscheidung, nicht McTells Standard-Hit "Streets of London" einzuspielen, sondern diese besonders traurige Ballade, deren Aufnahme hier eine echte Meisterleistung ist, sowohl gesanglich als auch musikalisch. James Hooker unterlegt auf den Keys das Ganze diesmal sehr gelungen mit Bläsern, Pete Kennedy steuert ein paar "Diamonds" bei und das ganze ergibt dann ein Gesamtbild, wie es besser hätte nicht sein können. Langsam sich aufbauend als Ballade mit einem Höhepunkt zur Bridge, melancholisch, traurig-schaurig-schön, ein Song für einsame Abende am Kamin. (5/5)
Song 8: Tom Paxton - Can't Help But Wonder Where I'm Bound
Nach dem "Tränendrüsendrücker" (aber im Besten Wortsinn) brauchen wir etwas Aufheiterung, und auch Griffith weiß das, und bringt uns nun ein Ständchen von Tom Paxton, Country im ursprünglichsten Sinne vielleicht, nicht ganz stilecht interpretiert natürlich, etwas modernisiert, aber nicht moder-isiert. (4/5)
Song 9: Woody Guthrie - Do Re Mi
Seltsamerweise singt Arlo Guthrie bei diesem Stück nicht mit, warum auch immer. Dafür singt Guy Clark mit ihr. Nanci präsentiert sich und ihre Gitarre aber in gut gelaunter fast-Bestform, und bringt den augenzwinkernden Text perfekt und beschwingt "rüber". Besonders erwähnenswert sind natürlich die Ragtime-Gitarrensolos zwischen den Strophen. (4/5)
Song 10: Janis Ian & Jon Vezner - This Old Town
Wieder ein Beispiel für die faszinierende Auswahl an Songs, die Nanci getroffen hat. Im stilistischen Gewand eines Country-Standards ein Text, der so politisch ist, dass er heute genauso wichtig erscheint, wie er 1929 gewesen wäre. Man fühlt sich gleich an Griffiths "It's a hard life wherever you go" erinnert. Da ist die Tatsache, dass Bela Fleck sich für den Banjo-Part eingefunden hat, schon fast eine Nebensächlichkeit. (5/5)
Song 11: Buddy Mondlock - Comin' down in the Rain
An diesem Song erkennt man vielleicht, wie Griffith die Songs für das Album ausgewählt hat, liest man sich den Text erst durch. Das Faible für schwermütige Texte ist aber nur ein scheinbares, denn dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, dass die bisherigen Songs - trotz der oft überbordenden Melancholie - einer gewissen "Closure" nicht entbehren, einem "Aufmunterungs-Faktor", der sich subtil ins Album eingeschlichen hat. Stuart Duncan tut wieder das, was er kann: die Mandoline zupfen, und James Hooker hält sich diesmal auch mit der B-3 zurück. (4/5)
Song 12: Gordon Lightfoot - Ten degrees and getting colder
Dass Griffith nicht nur ihren us-amerikanischen KollegInnen Respekt zollt, versteht sich von selbst, und so ist es nicht verwunderlich, einen Lightfoot Song anzutreffen - glücklicherweise nicht "If you could read my mind". Vocaliter begleitet von Iris DeMent schwingt sich Nanci durch den dankbaren Text. (4/5)
Song 13: Jerry Jeff Walker - Morning Song for Sally
Wunderschön gesungen und gespielt gelingt es Griffith und Rooney, die Stimmung des Textes perfekt musikalisch umzusetzen. Wie überall auf diesem Album ist das Zauberwort "Zurückhaltung" und nicht "da noch eine Gitarre, und dort mehr Percussion, und da noch ein paar Bläser ...". Die Beschränkung auf das Wesentliche macht einen großen Teil des Charmes des Albums aus, und in diesem Stück gelingen den Musikern (vor allem wieder Stuart Duncan und Frank Christian) die "Kleinigkeiten am Wegesrand" besonders gut. (5/5)
Song 14: Michael Burton - Night Rider's Lament
Schon recht konventionell kommt dieses Stück daher, gemächlich und traditionell, sogar mit Gejodel. Ob das aber eine gute Entscheidung war, mag ich bezweifeln. So recht mag das ganze Stück nicht auf das Album passen. Aber ich bin sicher, Nanci wird sich schon etwas dabei gedacht haben. (3/5)
Song 15: G. P. Cook, Ralph Roland - Are You Tired Of Me Darling
Es ist schon verdächtig, wie ich mit jedem Song auf diesem Album weniger darüber zu sagen habe. Woran liegt das? Dass sich alles wiederholt, weil es schon im vorigen Song zu hören war. Ja, eindeutig. Erstaunlicherweise aber ist das bei einem Album wie diesen geradezu ein Geschenk, dass sich die Songs stilistisch so ähneln - es ist, als hätte man 17 Sonnenblumen nebeneinander hängen, allesamt beeindruckend - und doch so ähnlich. (5/5)
Song 16: Malvina Reynolds, Harry Belafonte, Allen Green - Turn Around
Malvina Reynolds kam erst kürzlich wieder - ohne dass es die meisten überhaupt wissen - in die Ohren vieler junger Fernsehzuseher, und zwar durch das Titellied "Little Boxes" der Serie "Weeds". Griffith jedoch interpretiert hier eine Art amerikanisches Nationalheiligtum, Turn Around.
Song 17: Wimoweh
Als augenzwinkernden Abschluss präsentiert sich Wimoweh, jenes South African Tradidional, das schon in "The Lion Sleeps Tonight" verge ... äh benutzt wurde. Doch so beschwingt wie hier und so geradezu amüsant wurde das Stück in der bekannten Bearbeitung von Paul Campbell wohl selten interpretiert. Neben Griffith und Rooney haben sich unter anderem die Indigo Girls, Kennedy-Rose, John Prine und John Gorka eingefunden, um im Chor zu singen. Als Abschluss für ein rundherum gelungenes Album perfekt. (5/5)
Fazit:
Es fiel mir ziemlich schwer, diese Rezension zu schreiben. Selten habe ich über die einzelnen Stücke eines Album so wenig zu sagen, wie hier. Das liegt an der Konzeption des Albums. Natürlich könnte ich über die Entstehungsgeschichte der jeweiligen Songs nachforschen, oder deren Texte analysieren, um Licht auf die Beweggründe zu werfen, nach denen Nanci Griffith hier ausgewählt hat, aber dann würde diese Rezension eher in eine Dissertation ausarten. Vielmehr als "rundherum gelungen" kann man aber über das Album nicht sagen. Es klingt technisch hervorragend, es ist herzergreifend, es ist bewegend, bei Zeiten komisch, und in jedem Falle jedem ans Herz gelegt, der ein solches hat. Ideal für alle Kaminfeuerabende, für Unterwegs im Kopfhörer, fürs Ausspannen, fürs Zuhören. Nancis Stimme zeigt sich von ihrer lieblichsten Seite, und die Musiker sind allesamt hervorragend. Die einfache, ehrliche aber wunderschöne Produktion von Jim Rooney, gespickt mit "Diamonds" der Musiker, die Kleinigkeiten, die man zwischen den Strophen hört, machen das Album zu einem echten Genuss. Nanci hat das ganz richtig gemacht, in jeder Hinsicht.
5 von 5 Sternen für das Gesamtkunstwerk.
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