Musizieren und politische Bildung

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Gonmag
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Hi,

ich schreibe gerade an meiner Diplomarbeit zum Thema "Musizieren in kleinen Gruppen als Form Politischer Bildung".
Klingt vielleicht erstmal komisch, aber meinen Beobachtungen zu Folge sind die Prozesse in einer Schülerband denen der Gesellschaft ziemlich ähnlich. (Policy, Politics, Polity)

Ich weiß nicht genau, ob ich hier richtig bin, aber vielleicht könntet ihr mir helfen: Es gibt zwar alle möglichen Untersuchungen von und über Musik (Musiksoziologie, -psychologie, -therapie sowie "Musik macht schlau, hält fit und erzeugt den besseren Menschen") aber nichts zur Frage, ob das gemeinsame Musizieren in einer Schülerband das demokratische Verständnis und das Begreifen von "Gesellschaft" fördert, erleichtert, oder illustriert.
Wenn das hier das im falschen Thread ist, bitte verschieben. :)

LG Stefan, der heute eine Erkältung und morgen einen Auftritt hat.
 
Eigenschaft
 
Hi Günther,

danke für den Hinweis.
Leider geht es bei der Arbeit aber nicht um "Musik und Politik", sondern um die Prozesse, die in einer Schülerband beim gemeinsamen Musizieren ablaufen.

LG Stefan
 
du redest von hierarchie und unterordnung bzw. demokratie innerhalb der band?
 
Band- und Gesellschaftsstrukturen ähnlich? Weiß ja nicht... dann müsste schon einem, sagen wir dem Gitarristen, das ganze Bandequipment gehören. Und alle, die mitmachen wollen, müssen das spielen, was dieser böse Gitarrist verlangt. Dann würde der Vergleich so in etwa hinhauen. :D
 
Hi Fastel,

nicht nur Herrschaftsstrukturen, sondern generell: Was passiert, wenn man 5 Schüler der neunten Klasse zusammen Musik machen läßt?
Meiner Sicht nach, laufen dann dort Prozesse ab, die sich zwischen Einzel- und Gemeinschaftsinteresse, Konsens und Dissens, Mehrheit und Minderheit, Macht und Ohnmacht bewegen.
Hier kommt dann El Bajo ins Spiel: Wenn nun die anderen Musiker sagen: Lieber Gitarrist, so nicht, wir streiken, dann steht er da, wie im Moment das EADS Management. :)
Dadurch, daß die Musier mehr oder minder aufeinander angewiesen sind (gemeinsam einstudierte Lieder etc.) ist der Einzelne nicht so leicht austauschbar wie etwa der "Linksaußen" im Fußball; sie müssen sich einigen.
In der Gesellschaft (besonders im Gebrauch von Adorno) ist eine Symbiose der Beteiligten notwendig: Kein Arzt ohne Handwerker ohne Müllmann.

Klar, der kommende Neoliberalismus setzt andere Prioritäten, Funktionieren statt Denken, aber darum geht es nicht. Es geht darum, Schülern die obigen Prozesse zu zeigen, d.h. nicht nur in PoWi theoretisch durchzukauen, sondern praktisch erlebbar zu machen. Was ist der Handlungsspielraum des Einzelnen? Was toleriere ich und was nicht und wie bringe ich mich in der Band / der Gesellschaft ein.

LG Stefan
 
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Und was genau willst du jetzt von uns hören? Das frage ich mich schon die ganze Zeit :)
Wenn es um Beobachtungen geht, warum suchst du dir nicht einfach 1-2 Bands und fragst sie, ob sie ihre Proben usw. auf Video festhalten? Ich denke kaum, dass da jmd was dagegen hat. Dann kannst du selber beobachten und daraus Erkenntnisse ziehen.
 
du redest von hierarchie und unterordnung bzw. demokratie innerhalb der band?

:D Ich vermute mal, Fastel hat da so seine Erfahrungen gemacht bezüglich Hierarchien in der Gruppe....:)
Wer hat das nicht der inner Band spielt?

Zum Thread: ich denke, die Thematik geht auch Richtung Sozialpsychologie, im Standardwerk: Sozialpsychologie. Eine Einführung (Stroebe, Jonas, Hewstone).
Dort findest du viele beteiligte Phänomene beschrieben (Gruppenbildung, Meinungsbildung, etc...)

es grüsst das tiefe d
 
:D Ich vermute mal, Fastel hat da so seine Erfahrungen gemacht bezüglich Hierarchien in der Gruppe....:)
Wer hat das nicht der inner Band spielt?
ach bis auf gelegentliche "just 4 fun" treffs um ein bisschen spaß zu haben bin ich nicht bandaktiv und kenne da die umgangsformen nicht wirklich. bis auf die typischen vorurteile zum thema bassisten (die ich mir aber noch nicht habe anhören müssen) ;)
 
Von welchem Ansatz aus schreibst du die Arbeit - in welchem Fach und was ist dein Resumee?
Gib uns mehr Input, dann bekommst auch du mehr ;):D.
 
Hi,

okay, hier sind die Sisters: "More": :)

Basics: Ich studiere Politikwissenschaft in Frankfurt/Main, der Schwerpunkt der Arbeit liegt entsprechend auf der Politischen Bildung, nicht auf "Musik macht schön, fit, schlau und sowieso den besseren Menschen". :)

Das Problem:
Gesellschaftskunde (oder wie auch immer sie genannt wird) in der Schule ist reine Kopfarbeit, verstehen muß rational funktionieren, es gibt keine Möglichkeit "Gesellschaft" exemplarisch zu erfahren. Für Bio gibt es Frösche, in Physik läßt man wasfallen, in Chemie explodiert was, in den Fremdsprachen wird gesprochen, aber in GK/PoWi?

Meiner Meinung nach bietet das Musizieren in einer Schülerband diese Möglichkeit: Gesellschaft erfahren, d.h. die Prozesse um "ich" und "wir", Konsens und Konflikt, Macht und Ohnmacht, etc.

Der Kern:
Das symbiotische Zusammenspiel der Musiker bei gleichzeitigem aufeinander angewiesen sein kommt den Umständen der „Gesellschaft“ sehr nahe. Jeder ist ein eigenständiges Individuum und gleichzeitig abhängiger Teil der Band beziehungsweise Gesellschaft.



Wie seht ihr das, auch imHinblick auf den eigenen Gesellschaftskundeunterricht an der Schule? Habe ich was übersehen?

Einfach mit der Cam reingehen funktioniert vermutlich nicht, da die Beobachtung den Gegenstand der Beobachtung verändert. ("Wenn Besuch da ist kommt immer das gute Geschiir auf den Tisch" :) )

Habt ihr dazu eigenen Gedanken, Anregungen, Meinungen, Verfahrenshinweise...?

LG Stefan
 
Kamera heimlich installieren;)
Langfristig werden sich die Leute, egal wie alt, wieder normal verhalten.
Wenn ich in meiner Band etwas äußern will, wovon ich glaube,
dass es auf Kritik stoßen könnte, dann achte ich sowieso darauf wie ich was sage.
Schließlich stehe ich dann auch unter einer Form der Beobachtung.
Wenn du es schaffst die Proben gut genug aufzunehmen,
dass Band sich das auch nochmal anhören kann, um die eigenen Songs zu bewerten,
dann wäre das natürlich ein Schmankerl' und ein guter Grund für die Band sich so ein Projekt anzutun

Die Idee finde ich klasse. Auch wenn mir nix besseres einfällt
(der Fußballer-Vergleich gefällt mir da sehr gut) weiß ich nicht,
wie gut sich das als Thema eignet. Jede Band entwickelt mit der Zeit
eine (im Idealfall) für sich funktionierende Exe-, Legislative und Judikative
Willst du genauer auf sowas eingehen?
 
Baoh - mal sortieren:

Band als Keimzelle der Gesellschaft?
Das solltest Du auf alle Fälle thematisieren. Es gibt Gemeinsamkeiten (Rekurrieren auf Werte, Akzeptanz, Respekt, Folgebereitschaft, Engagement, Kritik, Konsequenzen, Akzeptieren von Kompetenz etc.) und Unterschiede (in der Band kennen sich alle von Angesichts, es kann diskutiert werden, es gibt aber auch benennbare Phänomene, die nur oder vorwiegend in Kleingruppen vorherrschen - demgegenüber ist eine Gesellschaft komplexer, die Mechanismen sind teils wesentlich formaler, nicht zuletzt die Demokratie in Form der Wahl von Vertretern ist wesentlich abstrakter als das, was und wie es in Kleingruppen praktiziert wird).

Die müßtest Du skizzieren, um deutlich zu machen, wo Du Parallelen siehst und wozu sich das Beispiel Band eignet im Rahmen eines Politik-Begriffes.

Annahmen überprüfen
Du scheinst generell von der Annahme auszugehen, dass in Bands weitgehend ein demokratisches Klima herrscht. Laß Dir aus meiner Erfahrung sagen - und da werden hier viele zustimmen (wenn du willst, mach eine Umfrage auf dem Board dazu - wäre bestimmt beiderseits ein Gewinn) - dass das keineswegs so ist.

Ich kenne mindestens drei verschiedene "Führungs-Stile" in Bands, die mal funktionieren und mal nicht:
1) Autoritärer Führungsstil - sei dies nun durch Person, Kompetenz oder Engagement begründet
2) Kleinere Gruppen innerhalb der Band - wenn Du willst sowas wie Oligarchie
3) Demokratischer Führungsstil - je nach Ausrichtung auch bewußt als "Gegenwelt" konzipiert (Verwirklichung von Anarchie/Basisdemokratie/Gernder/Integration)

Von den komplexen Mischformen mal ganz abgesehen.

Solltest Du ausschließlich die letzte Form von Bands betrachten, musst Du dies begründen. Sei Dir auf jeden Fall sicher, dass Du nur einen Teilaspekt der Realität betrachtest.

Methode und Sinn
Vom Umfang Deiner Arbeit erfährt man wenig. Ich vermute mal, teilnehmende Beobachtung fällt rein aus Zeitgründen aus. Das wäre die Methode, bei der Du am meisten über "das Innere des Wals" erfährst. Dazu musst Du aber auch die Bands eine zeitlang erleben - mindestens bis ein wirklicher Konflikt oder eine Entscheidungssituation ansteht. Das wirst Du vermutlich nicht leisten können. Das weitere Problem besteht darin, dass Du vermutlich von zwei bis drei Beispielen abhängig sein wirst. Der Schwerpunkt wird dann eher auf einer qualitativen Forschung liegen.

Dann sind wir schon bei Interviews bzw. Umfragen. Diese lassen sich schon gut zuschneiden auf die Themen, die Du am Wickel hast. Es gibt dazu etliche interessante Fragen und sie lassen sich gut auswerten.

Letztlich wirst Du darüber aber nur herausfinden, was die Leute sagen, welche Vorstellungen sie haben (wie eine Band sein soll), wie sie ihre jetzige Band daraufhin einschätzen (wie ist die jetzige Band) und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Schwerpunkt ist hier eher quantitativ.
Du erfährst quasi vom Hören-Sagen und auch wenig über die Gründe und noch weniger über die Hintergründe oder die spezifischen Mechanismen - gerade wenn Du sowas wie Konflikt, Macht und Ohnmacht zum Thema hast.

Schule und PW
Mal so eine Lieblingsthese von mir: Die Schüler lernen deshalb vorwiegend theoretisch, weil die Lehrer praktisch keine Ahnung haben und die Schule ein System ist, das keine Fehler begehen darf. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Ich habe jetzt keine sonderliche Lust, beide Thesen lange zu begründen - kann ich bei Interesse aber noch nachliefern.

Um es auf den Punkt zu bringen:
Gesellschaftskunde (oder wie auch immer sie genannt wird) in der Schule ist reine Kopfarbeit, verstehen muß rational funktionieren, es gibt keine Möglichkeit "Gesellschaft" exemplarisch zu erfahren.
Dieser Satz enthält schon alle Lügen und alle Wahrheiten.

Lüge 1:
Natürlich gibt es Möglichkeiten, Gesellschaft exemplarisch zu erfahren.
Die Klasse ist schon eine Kleingruppe in Deinem Sinne. Wie die miteinander verfahren ist unmittelbar Gesellschaft. Schule ist auch unmittelbar Gesellschaft. Die Schülermitvertretung ist unmittelbar Gesellschaft. Jede (freiwillige) AG an der Schule ist eine Möglichkeit, Gesellschaft exemplarisch zu erfahren: Theater-AG, Kunst-AG, Schülerzeitung etc. Jeder Fußballverein, jeder Verein überhaupt ist unmittelbar Gesellschaft.

All das sind Möglichkeiten, Gesellschaft zu erfahren und können genau so gut als Erfahrungshorizont dienen wie jede x-beliebige Band. Wenn Du einfach definierst: freiwillige Zusammenkunft von Leuten, um einen (selbst-) gewählten Zweck zu verfolgen, dann paßt da eine Band genau so zu wie eine Schüler-AG oder ein Verein.

Warum machst Du also Dein Versuchsfeld unnötig kleiner als es ist?
Wenn dies daran liegen sollte, dass Du denkst, in Bands geht´s automatisch demokratisch zu, dann verabschiede Dich schnell von dieser Vorstellung.

Lüge 2:
Dass Schule sich überhaupt nicht selbst als gesellschaftliches (Experimentier-) Feld denkt, liegt an den LehrerInnen, denen das viel zu heiß ist, da sie dann ihre Rolle gemeinsam mit den Schülern diskutieren und reflektieren müßten und der Schule, da sie denkt, sie müßte Gesellschaft und Leben simulieren, damit dann Schüler dies dann theoretisch lernen könnten.

Die Schule wäre das erste, woran man etwas exemplarisch erfährt. Und gerade dies nicht zum Thema exemplarischen Lernens zu machen, bezeichnet die doppelte Blindheit von Schule und Lehrkörper.

Fragestellung und wie weiter
Ich fürchte, Du bist mit zwei Deiner (von mir vermuteten) Grundthesen schon mit einem Bein im Schlamassel:
> Bands sind eine demokratische Veranstaltung
> Im Kleinen kann man fürs Große lernen

Beide gelten nur modifiziert. Für beide muss noch Konkretionsarbeit geleistet werden.
(Womit ich Dir nicht unterstellen möchte, dass Du Dir dessen nicht bewußt bist.)

Dann kann es hilfreich sein, die Fragestellung noch mal zu überarbeiten:
Müssen es "nur" Bands sein? Welche anderen Formen von Gruppen gibt es noch, in denen "für die Demokratie" gelernt werden kann?

Dann könnte es nützlich sein, die Fragestellung hinsichtlich des Umfangs, den Du bewältigen kannst, zuzuschneiden. Etwa, unter welchen Bedingungen welche Haltungen, Einstellungen und Erfahrungen bezüglich welchen demokratischen Werten, Einstellungen und Erfahrungen in kleinen freiwilligen Gruppen erlebt und reflektiert werden können.

Streng genommen müßtest Du noch eine Vergleichsgruppe haben - aber damit bist Du schon jeseits vom Gut und Böse einer Arbeit.

x-Riff
 
Hi, prinzipiell ein interessante Thema. ich glaube aber nicht dass das so gut augeht.
die gesellschaft ist ja ein höchstabstraktes arrangement von rechtssubjekten. die menschen beziehen sich funktional differenziert aufeinander. das ist zwar auch in einer band so. da eine band jedoch eine informelle kleingruppe ist sind die umgangsformen eher mit einer freundschaftsclique zu vergleichen als mit der gesellschaft als ganze.
es besteht umfangreiche face to face kommunikation und ein Beziehungsgeflecht in dem funktionale effizient unmittelbar gespürt wird (oder eben auch nicht).
bands sind eben NICHT im politischen sinne demokratisch. In kleingruppen ist konsens wichtiger als bloßes abstimmungsverfahren. hier gelten keine rechtlichen grundlagen, sondern freunschaftliche gefühle und tonale stimmigkeit.

soziologisch sind bands sicherlich interessant, politisch halte ich das vorhaben sehr schwierig. politik ist ja eben eine abstrakte bezugnahme untereinander.

das verhältnis von Tonalität und Gesellschaft scheint mir da interessanter zu sein. wie entstehen tonalitätsvorstellung und stilvorstekllungen. da zeigt sich der gesamtgesellschaftliche zusammenhang imo besser als in den beziehungen unter den bandmitgliedern.
 
Ganz so schwarz wie meine Vorredner sehe ich deine Arbeit nicht.
Als Beschreibungsfeld deiner Arbeit kann eigentlich nur eine Band dienen, die sich auf den ersten Blick als Gesellschaft gleichgestellter Individuen darstellt.
Davon ausgehend würde ich mich auf eine Einzelfallstudie eines Schülers beschränken. Seine sozialen, "politischen" Umgänge in verschiedenen Lebenskontexten, Peers und Schule. Möglich wäre hier evtl. eine Forschung über komplexe Fragebögen, bei denen du auf eine ehrliche Beantwortung hoffen musst und deren eigentliches Forschungsziel verschleiert sein sollte. Ergebnis deiner Arbeit wird nicht sein, dass "Musik demokratisch macht". Eher, dass es einen allgemeingültigen primus inter pares nicht gibt, sonder sich Spezialistentum immer ergibt.
Ausgehend von "Familie als Keimzelle der Gesellschaft" wirst du eine These von "Bandleben als Trainigsfeld für Gesellschaft" oder "Bandmusizieren als anarchisch-demokratischer Mikrokosmos" sicherlich untermauern können. Aber wenn du schlüssig darlegen willst, dass das Bandmusizieren sich als Übungsfeld für Demokratie eignet, wirst du dir dringend Gedanken über eine einsprechende Didaktik und der daraus folgenden Methodik machen müssen.

SPANNEND...

Wir disputieren hier gerne mit!
 
Hi,

WOW! Danke für die ausführlichen Antworten.
Zunächst mal: Sorry, daß ich mich so bedeckt gehalten habe. Das war deswegen, weil ich die ersten Reaktionen wissen wollte.

@Banino:
Die praktische Umsetzung werde ich in einer Forschungsskizze "andenken". Im Moment schwebt mir da ein "musizierender gruppenleitergeschulter Pädagoge" vor. Das Ganze sollte im Unterricht in der Schule (etwa ab der 7 bis zur 10 Klasse) stattfinden. Nicht in der Offenen Jugendarbeit, da gibt es das schon, sondern Schule, als ein wichtiger Ort der Politischen Bildung.
Der "Lehrer" sollte nun den Kids die Instrumente erklären können, denn Musizieren ist das Vordergründige Ziel, aber eben auch die Gruppendynamik erkennen, reflektieren und mit den Musikern gemeinsam aufarbeiten können.
Hier ist auch die "Leitungsrolle" des "Lehrers" wichtig, wie leitet er, oder wie soll er leiten? In meinen Augen sollte sich dieLeitung auf das technische, sprich: wie halte ich einen Bass und wo ist das "C" auf den Instrumenten? beschränken.

Also:
Politische Bildung ist immer intentional, d.h. sie verfolgt ein Ziel, das wäre hier: Gesellschaftliche Prozesse erlebbar machen. Konkreter *hier* (policy, politics und polity)
Das Setting soll in der Schule sein, hier ab der 7. oder 8. Klasse. Durch die staatliche Vorsortierung in Haupt- Realschule und Gymnasium oder das Kurssystems in Pseudogesamtschulen könnte es weitere Aspekte zu Tage fördern.

Ziel der Arbeit soll es sein, ein Forschungsprojekt zu den Grundlagen zu entwerfen, auf dem später dann verfeinert und erweitert aufgebaut werden kann.


@x-riff:
Du hast recht, Gesellschaft ist natürlich komplexer.
Politische Bildung teilt sich deswegen auch in ppp (siehe oben) und "Institutionenkunde" auf. Letzteres geht in einer Band natürlich nicht. Die ppp Prozesse sind aber auch dort zu erleben - darum geht es mir. Ich habe das mal als Diagramm unten angehängt.

Demokratie und Führungsstile:
Ich gehe nicht davon aus, daß Musiker automatisch "Demokraten" sind. :)
Ich habe selbst auch alle Führungstile erlebt und genau *deswegen* weiß ich, welcher mir am besten gefällt, bei welchem es am meisten Spaß macht.
Der Ansatz ist dementsprechend auch hier zu suchen: Die Möglichkeit verschiedene Herrschaftsstrukturen zu *erleben*. Aus diesem Erleben dann die Politische Bildung zu machen ist Aufgabe des "Lehrers". Der Kerngedanke wäre etwa, daß man ein bestimmtes Wissen um die Dinge haben muß, um eine *Wahl* (im qualitativen Sinn) zu haben.

Methode:
Die politische Bildung ist intentional, d.h. sie hat eine Absicht. Würde ich nun nur die Band beobachten, wäre es nicht wirklich möglich, die Prozesse zu reflektieren. Es ist sozusagen zweigleisig: Einerseits geht es tatsächlich darum zu Musizieren und ggfs. am Abschlußabend (bspw. Abiball) musikalische Untermalung zu haben, gleichzeitig aber auch darum die Prozesse um das eigene Handeln (ppp) und Erleben der einzelnen Musiker erlebbar zu machen.
Deswegen soll die Arbeit Kriterien entwickeln, um die These der Arbeit: "Musiziern in kleinen Gruppen als Form Politischer Bildung" zunächst zu überprüfen und Möglichkeiten der Umsetzung ausloten. Sie bleibt also zunächst rein theoretisch.
Also: Ein Ansatz, um in "das innere des Wals" schauen zu können.

Schule und PW:
Ich gehe da weiter: Schule ist deswegen theoretisch und auf Wissen (nicht Denken) ausgelegt, da Untertanen leichter zu regieren sind als mündige Bürger. Wenn eine Facharbeit in der Oberstufe *keine* eigenen Gedanken, sondern nur Zitate enthalten darf spricht das mehr als 1000 Worte.

Gesellschaft erfahren:
Ich verwende mehrere Seite darauf umzu erklären, was die Schülerband so einzigartig macht. Die Essenz: "Gemeinsames Musizieren hat im Hinblick auf die Politische Bildung besondere Merkmale, welches es von anderen gemeinschaftlichen Aktivitäten abhebt: a) es wird ein Ergebnis geschaffen, dessen Ausprägungen durch gezieltes Üben bereits im Vorfeld genau definiert sind, b) es gibt keine Möglichkeit des spontanen Auswechselns und c) das Handeln und Können des Individuums besteht in einem ambivalenten System: Einerseits tritt der Einzelne in den Hintergrund, denn er ist „nur“ noch Teil eines Kollektivs, auf das er angewiesen ist, denn zu hören ist das Gesamtwerk, andererseits ist der Einzelne ein unentbehrlicher Teil des Kollektivs, welches wiederum auf ihn angewiesen ist."
Musiker wachsen in einer Band zusammen, so daß ich eine Band als "symbiotisch-organisches Puzzle" bezeichne.
Die Klasse ist bspw. eine Zwangsgemeinschaft, die AGs sind meist nicht auf einzelne angewiesen oder der Enizelne auf die AG. Es geht nicht nur um "gemeinschaftlich etwas machen". Die Abhängigkeit von anderen und gleichzeitg aber auch die Entfaltungsmöglichkeit bei fehlenden Herschaftsstrukturen sind imho in der Band einzigartig.

Fragestellung:
> Bands sind eine demokratische Veranstaltung
Stimmt, zumindest nicht per se. Aber sie bieten die Möglichkeit Herrschaftsstrukturen zu erleben, egal welcher Natur. Diese Erfahrung aufzuarbeiten ist Aufgabe eines "Lehrers" und durch die Aufarbeitung wird es zur Politischen Bildung.

> Im Kleinen kann man fürs Große lernen
Das denke ich sehr wohl. Es setzt natürlich ein gewisses Abstraktionsvermögen voraus, aber fast alles zeichnet sich durch Muster und Strukturen aus, die ihn sehr ähnlicher Form in anderen Dingen wiederzufinden sind.
Wenn sich in der Band ein Monarch herausbildet, dann erfahren die Mitmusiker am eigenen Leib, wie es ist beherrscht zu werden, das tun zu müssen, was ein anderer sagt. Diese Erfahrung ist leicht zu übertragen.

@Wiesengrund:
Grundsätzlich hast Du recht. Deswegen lege ich mein Augenmerk auch auf die Prozesse des Umgangs der Musiker untereinander. Die Rechtssubjekte und Institutionen sind in einer Band nicht vermittelbar.
Im angehängten Diagramm werden die Ziele etwas deutlicher, was meiner These zufolge die Schülerband leisten kann und was nicht.

"In kleingruppen ist konsens wichtiger als bloßes abstimmungsverfahren. hier gelten keine rechtlichen grundlagen, sondern freunschaftliche gefühle und tonale stimmigkeit."
"Rechtliche Grundlagen" sind nichts anderes als verschriftlichte, allgemein gülige und anerkannte und staatlich durchsetzbare "Vereinbarungen". Rousseaus Gesellschaftsvertrag gilt in den Grundsätzen für viele ebenso wie für wenige. Selbst in einer Beziehung werden Regeln und Umgangsformen explizit oder implizit gebildet und genau dieser Prozess ist ein Bestandteil meiner Überlegungen. Nicht: wer sanktioniert, sondern der Weg zu den Erkenntnissen, ob man Sanktionen braucht oder nicht.

@Cello und Bass:
Tiefere Gedanken zu Methodik und Didaktik hoffe ich vermeiden zu können, in dem ich eine Grundlagenarbeit abgebe. :)
Klar, müssen die Thematiken angedacht und etwas ausgebreitet werden, aber ein tatsächliches Forschungsprojekt sollte interdisziplinär sein, d.h. Musikpädagogen, Organisationssoziologen und -psychologen, Spieltheoretiker und Gesellschaftswissenschaftler.


Nochmals 1000 Dank für eure Anmerkungen!
Sie sind sehr hilfreich, um meine Thesen zu schärfen und den Bilck zu fokussieren.

LG Stefan
 

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Yo - auch vielen Danke für Deine Antworten.

Ich habe ja etwas ins Leere spekuliert - nun ist mir einiges klarer und vieles wohler.

Wenn ich Dich recht verstehe, willst Du mit Deiner Arbeit
- untersuchen, wie eine Schulband exemplarisch funktioniert insbesondere in Richtung gruppendynamischer Prozesse verbunden mit dem Erleben und Gestalten von Prozessen, die auch im Rahmen einer politischen Erziehung und Betätigung wirksam sind;
- untersuchen, wie im Rahmen des Systems Schule am Beispiel Schulband politische Prozesse erlebbar und reflektierbar gemacht werden können - also wie "Politik" in der Schule in einem nicht genuin politisch ausgelegten Fach Politik gelernt werden kann; und
- Kriterien aufzeigen, wie genau dies weiter genutzt werden könnte und welche Erfahrungen wie transportiert werden können.

Spannend.
Für wichtig halte ich die Frage Freiwilligkeit und Interesse. Nur wenn ich erfahre, aus welchen Interessen die unterschiedlichen Leute (inkl. Lehrer) an einer Schulband teilnehmen, kann ich im Prozesse gezeigtes Verhalten auch in Richtung Strategien zur Durchsetzung deuten und reflektieren.
Fragen könnten sein, was für Musik die unterschiedlichen Leute spielen wollen, ob sie auftreten wollen und wie oft, welches Instrument sie spielen wollen, ob sie improvisieren lernen wollen - und natürlich was sie generell davon gerne hätten und warum sie es eigentlich machen.

Weiterhin halte ich für zentral die hier durch das Beispiel gesetzte Kombination von Autorität durch Kompetenz (Musiklehrer hat mehr Wissen) und Autorität durch Macht (er bleibt im Verhältnis zu den Schülern Lehrer). Herrschaft qua Autorität durch Kompetenz vs. verliehener Macht (Abstimmung) vs. eingesetzter Macht (Lehrer) ist ja eine zentrale Frage politischen Denkens.
Wenn man nun die unterschiedlichen Interessen auf der einen Seite hat, die Prozeßbeobachtung auf der anderen und das Ergebnis auf der dritten; sollten ausreichend Thesen und Belege vorhanden sein, ob diese Prozesse (Auswahl der Instrumente, der Musik, Musikstile und songs, Entscheidungen wie Häufigkeit der Proben, generelle Ansprüche, Auftritte etc.) beispielsweise eher durch den Eindruck von Autorität, eher durch Überzeugung oder eher durch Konsens hergestellt worden sind.

Das wird spannend, denke ich mir.

Hoffentlich triffst Du auf einen Leherer/eine Lehrerin, die das ebenso interessiert und der/die gerne ihre eigene Rolle reflektieren.

Doch, doch - hört sich alles sehr gut an.

Viel Erfolg - und ich würde gern mehr davon hören oder mal einen Zwischenbericht oder so.

x-Riff
 
In kleingruppen ist konsens wichtiger als bloßes abstimmungsverfahren. hier gelten keine rechtlichen grundlagen, sondern freunschaftliche gefühle und tonale stimmigkeit."
"Rechtliche Grundlagen" sind nichts anderes als verschriftlichte, allgemein gülige und anerkannte und staatlich durchsetzbare "Vereinbarungen". Rousseaus Gesellschaftsvertrag gilt in den Grundsätzen für viele ebenso wie für wenige. Selbst in einer Beziehung werden Regeln und Umgangsformen explizit oder implizit gebildet und genau dieser Prozess ist ein Bestandteil meiner Überlegungen. Nicht: wer sanktioniert, sondern der Weg zu den Erkenntnissen, ob man Sanktionen braucht oder nicht.
Rousseau ist erstmal ne staatstheorie die keineswegs alleingültigkeit besitzt.
taatlich abstrakte gesetzgebungen als bloß verfestigte konsensuale gesetze zu definieren halte ich für sehr vereinfacht.
staatsbildung lief eben nicht so gradlinig ab wie rosseau sich das wünschen würde. In sofern sind diese gesetze immer auch ausdruck von spannungen, gesetzbildungsprozessen etc.pp.
Und dieses normbildungsverfahren läuft nun einmal in informellen kleingruppen anders ab als in staatlichen "Organisationen". nämlich sehr konkret und persönlich zudem mit permanenter kurzfristiger Absicherung, Überprüfung, Manipulierung usw. das hast du auf staatlichen ebenen in dieser form nicht...
 
Rousseau ist erstmal ne staatstheorie die keineswegs alleingültigkeit besitzt.
taatlich abstrakte gesetzgebungen als bloß verfestigte konsensuale gesetze zu definieren halte ich für sehr vereinfacht.
staatsbildung lief eben nicht so gradlinig ab wie rosseau sich das wünschen würde. In sofern sind diese gesetze immer auch ausdruck von spannungen, gesetzbildungsprozessen etc.pp.
Und dieses normbildungsverfahren läuft nun einmal in informellen kleingruppen anders ab als in staatlichen "Organisationen". nämlich sehr konkret und persönlich zudem mit permanenter kurzfristiger Absicherung, Überprüfung, Manipulierung usw. das hast du auf staatlichen ebenen in dieser form nicht...

Stimme Dir zu, Wiesengrund - denke aber, in der Arbeit geht es um eine andere Ebene der politischen Bildung, eher vergleichbar mit Prozessen wie:
- Basisgruppen
- Vereine
- kleine Interessensgruppen
- Initiativen (die Grünen waren ja erst mal auch nix anderes, Bürgerrechtler auch)

Wenn man das Verhältnis Schule - Schüler analog setzt zu Arbeitgeber - Arbeitnehmer hättest Du auch Ansätze für ein Verhalten auf dieser Ebene.

x-Riff
 

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