Musiktheorie: Grundlagen der Improvisation

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MTH
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Ich hatte vor einigen Wochen für ein anderes Forum den nachfolgenden Beitrag verfasst und dachte nun, dass dieser auch für den einen oder anderen aus den Reihen hier interessant sein kann...

Für eine Vielzahl von angehenden Gitarristen - insbesondere solche, die User oder Leser in diesem Forum sind - dürfte es zu den angestrebten Zielen gehören, irgendwann einmal ein Solo so wie die auch hier zahlreich diskutierten "Helden" spielen, d.h. improvisieren zu können. In diesem Lichte will ich nachfolgend versuchen, die dafür nötigen Grundlagen darzulegen.

Zunächst einmal erscheint hierfür ein Blick auf das Gitarrengriffbrett sinnvoll, um zu sehen, wo welche Töne liegen:

Toene.gif


Nach dem zwölften Bund folgen auf jeder Saite wieder die Töne, die vom 1. Bund an zu finden sind - die sogenannte Oktave ist also nach zwölf Halbtönen erreicht. Da dies jedoch bspw. für einen Blues in E ein wenig viele Töne wären und ein Tribut an Arnold Schönbergs Zwölftonmusik eher eine Strafe für die Ohren wäre, bedient man sich als Grundlage fürs Solospiel der Bluespentatonik, die - wie der Name bereits verrät - aus fünf verschiedenen Tönen besteht.
Um aber nicht immer wissen zu müssen, welche fünf Töne einer bestimmten Bluespentatonik angehören und wo diese genau auf dem Griffbrett zu finden sind, gibt es verschiedene Fingersätze, die sich mit der jeweiligen Tonart über das Griffbrett verschieben lassen. Solcher Fingersätze sind es fünf Stück an der Zahl:

Fingersaetze.gif


Die in den Bünden jeweils letzten Töne eines Fingersatzes sind dabei die ersten des nachfolgenden Fingersatzes. An "Fingersatz V" wiederum schließt sich nahtlos "Fingersatz I" an, es folgt dann wieder "Fingersatz II" usw. - bis das Griffbrett irgendwann zu Ende ist.
Zusätzlich ist in dem obigen Bild kenntlich gemacht, wo jeweils der Grundton, die Subdominante und die Dominante zu finden sind. Dies hat den Hintergrund, dass das standardmäßig aus zwölf Takten bestehende Blues-Schema auf drei Akkorden in der Begleitung beruht. Ein Blues in E sieht folgendermaßen aus

ll E l E* l E l E l A l A l E l E l H l A l E** l E** ll

* Im 2. Takt kommt häufig der sogenannte Quick-Change vor, d.h. hier wird ein A-Akkord anstatt des E-Akkordes gespielt.
** Auch im 11. und 12. Takt sind häufig Abweichungen dieses Standard-Schemas anzutreffen.

Das Vorausgegangene sollte zeigen, dass die drei Akkorde eines Blues auf Tonika, Subdominante und Dominante beruhen (im Beispiel E als Tonika, A als Subdominante und H als Dominante). Nützlich kann dieses Wissen in der Praxis sein, um beim Improvisieren z.B. passender auf die Begleitung eingehen zu können. Vor allem sollte man wissen, dass, wenn man auf der tiefen E-Saite in einem bestimmten Bund die Tonika hat (Beginn von "Fingersatz I"), die Subdominante sich auf der A-Saite darunter in demselben Bund befindet und die Dominante zwei Bünde weiter (Stichwort Barrégriffe / Rhythmusbegleitung!).
Allerdings soll dieses Thema hier nicht weiter vertieft, sondern nur in der zusammengefassten Form zur Kenntnis genommen werden. Weiteres Wissenswertes findet sich ansonsten im Wikipedia-Artikel zum Quintenzirkel: http://de.wikipedia.org/wiki/Quintenzirkel.

Nachdem wir nun wissen, wie ein einfacher Blues in seinen zwölf Takten aufgebaut ist und welche Töne zu einem etwaigen Solo passen würden, kann nun gleich ein Blick aufs Griffbrett geworfen werden. Auf den nachfolgenden Bildern sind die fünf verschiedenen Fingersätze in jeweils den gleichen Farben wie in der Grafik zuvor markiert; auch habe ich versucht, die Aneinanderkettung dieser farblich kenntlich zu machen:

E.gif


G.gif


A.gif


C.gif


D.gif


Die Darstellung der Bluesskala in fünf verschiedenen Tonarten soll deutlich machen, wie einfach eigentlich - zumindest nach einigem Üben - das Verschieben der Fingersätze ist, um im Ergebnis schließlich in jeder Tonart improvisieren zu können. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass es in der Regel egal ist, ob ein Blues in Dur oder Moll ist; für ein Stück in C-Dur (Freddie King o. Eric Clapton - Have You Ever Loved A Woman) wird die Blues-Skala in C ebenso verwendet wie für eines in C-Moll (Otis Rush o. Eric Clapton - Double Trouble)!
Zwar lässt sich hiermit noch kein Solo bspw. à la Clapton hinlegen, doch ist dies das Grundgerüst eines jeden Bluesers. Selbst wenn natürlich an einigen Stellen mal ein Halbton eingeworfen wird, so bleibt man doch größtenteils in eben jener hier aufgezeigten Pentatonik. Insbesondere auf dem "From The Cradle"-Album von Eric Clapton kann man dies sehr schön beobachten respektive hören. In diesem Zusammenhang sei ferner angemerkt, dass es sich für den Anfang empfiehlt, nur mit dem "Fingersatz I" zu üben, d.h. Gefühl für diesen in dem Sinne zu entwickeln, dass man weiß, wie sich die unterschiedlichen Töne aufeinanderfolgend anhören. Übrigens bleibt selbst Clapton bei Stücken wie "Third Degree" oder "Reconsider Baby" (zumindest in den Versionen vom "From The Cradle"-Album) fast ausschließlich im "Fingersatz I"!
Um nach Verinnerlichung der Bluesskala seinem Spiel mehr Leben einzuhauchen, sind dann - quasi als Salz in der Suppe - Techniken wie u.a. das Ziehen der Saiten (Stichwort Halbtöne, Blue-Notes etc.), Hammer-ons, Pull-offs oder Slides zu nennen, was jedoch nicht das Thema sein soll. Hierzu ist das "Studium" von Tabulaturen zu empfehlen; nicht um ein Solo Ton für Ton auswendig zu lernen, sondern einfach um mal zu sehen, wie sich die Größen des Genres so auf dem Griffbrett bewegen und was sie dabei an Ausschmückungen bringen.
Abschließend sei zum Bereich der Bluesimprovisation gesagt, dass diese auch auf die meisten Songs aus der etwas rockigeren Ecke anwendbar ist.


Improvisation mit Dur- und Moll-Tonleitern

Um aber auch zu anderen Stücke in Dur oder Moll ein Solo spielen zu können, muss man natürlich wissen, wie die entsprechenden Skalen aussehen. Mit dem Wissen der Bluespentatonik ist dies jedoch nur noch ein sehr kleiner Schritt.
So entsprechen die Töne der Bluesskala in A denen der A-Moll-Tonleiter bzw. der C-Dur-Tonleiter (Stichwort parallele Tonleitern!), lediglich fehlen noch die zwei zusätzlichen Halbtöne. In den Dur-Tonleitern finden sich die Halbtöne zwischen dem 3. und 4. bzw. dem 7. und 8. Ton, in den Moll-Tonleitern zwischen dem 2. und 3. bzw. dem 5. und 6. Ton:

C-Dur: C -- D -- E - F -- G -- A -- H - C
A-Moll: A -- H - C -- D -- E - F -- G -- A

-- = Ganztonschritt
- = Halbtonschritt

Wie das vorhergegangene Beispiel zeigt, handelt es sich bei C-Dur und A-Moll um parallele Tonleitern, die identisch sind und sich lediglich darin unterschieden, mit welchem Ton begonnen wird. Ebenso verhält es sich bei G-Dur und E-Moll, E-Dur und Cis-Moll etc. Varianten der Moll-Tonleiter (harmonisch, melodisch usw.) sollen hier ausgeklammert werden, mehr dazu abermals bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Moll_%28Musik%29.
Als Faustregel kann man sagen, dass sich auf der tiefen E-Saite im 1. Bund vom "Fingersatz I" jeweils der Grundton der entsprechenden Moll-Tonleiter findet, während der der Dur-Tonleiter drei Bünde weiter sitzt.
Wie soeben aufgezeigt, können die Fingersätze der Blues-Skala als Grundgerüst benutzt werden; mit Einbindung der Halbtöne sieht es dann wie folgt aus:

Halbtoene.gif


Als Tipp für das Improvisieren über Dur- und Moll-Tonleitern sei noch erwähnt, dass es insbesondere anfangs zu empfehlen ist, mit der Einbindung von Halbtönen eher sparsam umzugehen. Songs wie "River of Tears" und vor allem "Old Love" von Clapton (Ja, ich bin Clapton-Fan!) eignen sich hervorragend, um dies zu üben.

Dies sollten alles in allem die wichtigsten Grundlagen sein, um sich nach und nach ein flexibles Solospiel auf Grundlage von Improvisation aneignen zu können. Insofern abschließend: viel Spaß beim Solieren!
 
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Super Beitrag. Danke für die Mühe, die du dir gegeben hast! Das ist genau das Thema, mit dem ich mich beschäftige :)

Jetzt kommt vielleicht ne dumme Frage: Ich kann also eine Bluesbegelitung und einen Blues-Fingersatz. Theoretisch kann ich also improvisieren. Sagen wir, ein Kumpel von mir spielt die Begelitung, und ich spiele Noten darüber. Aber - Hand aufs Herz - das hört sich bei mir total platt und langweilig an. Die Noten dümpeln halt so dahin.

Ein Fortschritt war schon mal, dass ich bei jedem Akkordwechsel in der Begleitung auch auf dem Grundton des neuen Akkords gelandet bin. Aber was kann ich noch tun, damit es sich "cool" anhört? Ich wäre für Ratschläge sehr dankbar. Darüber finde ich irgendwie nichts...

Besten Gruß,
Bass-T
 
du musst dir gewisse figuren aneignen.
übst du die blues pentatonik jeden tag hoch und runter,
runter und hoch und kannst sie nachher in allen möglichen
lagen und bei einem unglaublichen tempo, als 16tel bei
250 bpm spielen, klingt das immer noch nicht cool.
weil du einfach nur eine tonleiter spielst.
vom bloßen tonleiter spielen musst du wegkommen.
das geht indem du zum Beispiel Sequenzen aller art übst.
als Beispiel eine 4er Sequenz in C dur:
C D E F - D E F G - E F G A - F G A H - G A H C
Arpegien, Triolen, Verzierungen, Hammer On, Pull Off...
diese ganzen Spiränzchen halt.
Du solltest auch viele Soli nachspielen. Da tauchen immer wieder
mal Figuren auf, die oft benutzt werden.

Luke
 
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@Bass-T

Mit meinem Beitrag wollte ich auch lediglich die Grundlagen der Improvisation darstellen. Dass da noch das Salz in der Suppe fehlt und sich damit kein authentisch klingendes Solo hinlegen lässt, ist vollkommen richtig. Allerdings darfst Du auch nicht gleich zuviel von Dir erwarten. Wie ich bereits schrieb, empfiehlt es sich, zunächst nur mit einem Fingersatz zu üben und innerhalb von diesem ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sich die unterschiedlichen Töne aufeinanderfolgend anhören. Später können dann Techniken wie Hammer-on, Pull-off oder das Ziehen von Saiten hinzugenommen werden. Auf diese Weise kommt schon wesentlich mehr Leben in die Geschichte.
Ferner war es für mich immer sehr hilfreich, sich Tabulaturen von einzelnen Blues-Soli vorzunehmen, um sehen und nachvollziehen zu können, wie sich ein wahrer Könner auf dem Grifftbrett mit der Greifhand bewegt. Zwar macht es wenig Sinn, ein komplettes Solo Ton für Ton auswendig zu lernen, doch kann man sich schon mal einzelne Läufe herausnehmen und diese einstudieren. Hierbei werden mit Sicherheit einige Ideen in Dein eigenes Spiel übergehen, die Du mit der Zeit auch adaptieren wirst.
Ansonsten ist es schwer, in diesem Zusammenhang hilfreiche Ratschläge zu geben, da es keine allgemeingültige Formel gibt, die ein gut phrasiertes Solospiel erklärt. Es ist viel Gefühl erforderlich, um in diesem Bereich weiterzukommen.
Übrigens: auch später wird man noch häufig nicht mit seinen Soli zufrieden sein. Das kann meines Erachtens aber auch recht heilsam sein; denn nur so kann man sich als Gitarrist sinnvoll motivieren, weiter an seinem Spiel zu pfeilen. Ausgelernt hat man als selbstkritischer Musiker nämlich nie!
 
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Super für den gelungenen Beitrag echt Klasse:great:

So eine Frage hab ich noch im Text steht das man sein Spiel mit Blues Noten noch den Schliff geben kann aber wo befinden sich die dinger:confused:
 
Zwischen sub dominante und dominante bei A wärs Dis, beim E wärs B bzw Bb (je nach dem welche schreibweise man nimmt) und soweiter
 
OK danke wieder was dazu gelernt=)
 
Ein super Beitrag, danke! Hast du vielleicht auch noch gute Quellen für Tabs von etwa Clapton-Solos? (Wollte mir diese Woche "From the Cradle" kaufen, jetzt habe ich noch mehr Lust ;) )
 
für from the cradle gibs ein ganzes songbook, könnte diich vllt interessieren
 
klasse beitrag,danke
das werde ich durcharbeiten,mein solospiel ist auch noch zum schreien schlecht.
 
Ich kann mich meinen Vorrednern (-schreibern) nur anschließen, super Beitrag und eine große Hilfe für blues rookies.

Nochmals danke!
 
Vielen Dank für deine Mühe. :great: Endlich habe ich etwas von der Theorie verstanden. Durch die unterschiedlichen Farben für die einzelnen Fingersätze und die verschiedenen Symbole für Tonika, Subdominante und Dominante ist einiges klar geworden. Jetzt kann ich mich auch an die Umsetzung begeben. Als Theoriemuffel ist mir das bisher schwer gefallen.
 
Verzeiht mir bitte, aber das was jetzt kommt ist meine aller erste theoretische Frage! ich weiß sie klingt blöd, aber ich weiß ned wie ichs anders formulieren soll. mir ist es ja selbst auch peinlich, aber naja... also:

1. was bedeuten die runden Punkte auf der Skala?

so und jetzt kommts:
2. heißt das also dass ich auf jene punkte greifen muss die auf der grafik farbig markiert sind? :redface:
 
1.Die runden Punkte haben nich alle die selbe Bedeutung. der direkt nach dem Rechteck (also dem Grundton) zum Beispiel symbolisiert den Moll-Terz. Der vor dem Reckteckt die verminderte (kleine?) Septime.
Grundsätzlich sind das erst mal 2 Töne die sich in der Bluesskala gut ziehn (benden) lassen, weil 2 Halbtöne danach gleich der nächste Ton kommt. Das gleiche gilt für das nach oben gerichtete Dreieck (die Subdominate).

2. Jap stimmt genau, die einzelnen Punkte, Recht- und Dreiecke sind deine "Landkarte" für die Bluesskala. Die unterschiedlichen Farben zeigen dir die unterschiedlichsten Fingersätze. Am anfang is es sinnvoll sich erst mal den Ersten anzuschauen. Der läst sich, wie ich finde, grade zum anfange wenn man noch nich sone Flitzfinger hat am leichtesten spielen und merken.
 
danke schon mal für die antwort!

mit "auf den ersten konzentrieren" meinst du dann die roten punkte auf der e-dur skala?
sprich ich konzentriere mich derweil auf den 1., 2. und 3. Bund?
 
Wenn du die Grifbrettgrafiken meinst: Das sind keine Dur-Skalen. Sondern Pentatonische(5 Töne pro Oktave) Moll-Skalen. Aber keine Angst diese kannst du Problem los in normalen Bluessongs spielen die zu 90% in Dur sind. Das macht grade dieses Bluesfeeling aus, diese Reiberein zwischen Moll und Dur. Daher kommt dieser "weinerliche", "gequälte" Sound den wir alle so lieben. Das aber nur noch mal zum allg. Verständnis.
Zu deiner eigentlichen Fragen:

Eindeutig Jein... :)
Wie du hier sehen kannst:
E.gif

Kannste du das ganze auch noch mal eine Oktave höher spielen. Also im 12. 13. 14. und 15. Bund

Stell dir das ganze wie einen E-Moll Griff vor den du dank Baree überall auf dem Griffbrett verschieben kannst.
Bist du mit dem Zeigefinger im 3. Bund hast du die Bluesskala in G. Bist du mit dem Zeigefinger im 5. Bund hast du die Bluesskala in A
Das sieht man schön in den Grafiken, über all wo die roten Sybole sind, erkennt man den ersten Fingersatz. Er läst sich also überall hinverschieben.
Ich hoffe das war jetzt einigermaßen verständlich und nich zu ungeordnet :redface:
 
jetzt habs sogar ich gecheckt!!!! gut gemacht!!! DANKE!!

werd mich gleich ans werk machen!!!!! ;)

DANK!!
 
Ahh, so ein ehrlich gemeinter Dank tut der wunden Blueserseele doch gut.
Immer wieder gerne, dafür sind wir doch da :)
 
Klasse Beitrag, hat mir sehr geholfen. Bin, gerade was das Improvisieren angeht, ein absoluter Neuling und habe vor zwei Tagen das erste Mal nen Backingtrack (Am) missbraucht, schönes Gefühl.
Klingt zwar noch alles etwas monoton und holprig, aber Hauptsache, ich hab nen Fuß in der Tür.
Werde mich in den nächsten Tagen erstmal der Am-Pentatonik widmen und dann die anderen erforschen, bis ich sie rauf und runter spielen kann.
In diesem Sinne!
 

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