Musikproduktion der 90er?

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Moin,

nur aus Interesse - ich hoffe, das Subforum ist richtig - wollte ich mal wissen, mit welchen Techniken u.ä. man in den 90ern Pop-/Rock-Musik produziert hat. Während man zu den 60ern, 70ern, 80ern viel findet, dazu eben sehr wenig.

Freue mich über alles Wissenswerte :)
LG
 
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Anfang der 90er: Beginn der Etablierung des HD-Recording im Pro-Bereich.

Ende der 90er: HD-Recording hat sich weitestgehend im Pro-Bereich durchgesetzt, Beginn der Etablierung im SemiPro- und ambitionierten Amateur-Bereich.

Mehr kann ich mit deiner nicht sonderlich detaillierten Frage leider nicht anfangen.
 
Ich denke, die wesentlichen Elemente hat Kollege Signalschwarz eben benannt. Mir würde es persönlich schwerfallen, instrumentelle oder genrespezifische Faktoren zu benennen - im Gegensatz zu den spezifizierten Jahrzehnten davor. Also m.Mng. nach ist die "digitale Schiene" das wirklich Entscheidende in den 90er Jahren. Ich kann mich noch erinnern, wie ich mit staunenden Ohren wahrgenommen habe, dass im Jahre 1983 z.B. das Album 'The politics of dancing' (Re-Flex) erschienen ist, das komplett am Computer entstanden ist/sein sollte. Ich habe mir das damals sofort gekauft, um beurteilen zu können, wie sowas klingen mag. Derlei ist heute absolut gängig - ich mache das ggf. selber. :D Aber damals erschien das für mich eine Art "Weltwunder" zu sein. 1991 - sofern ich mich recht erinnere - begann ich mit dem Notator SL am Atari zu arbeiten, damals noch ohne Audio-Spuren, also ausschließlich MIDI über angeschlossene externe Hardware/Synth. Mehrkanalmaschinen/Tonbandgeräte habe ich per SMTP synchronisiert und eingebunden. Okay, ich war (und bin) kein Profi, aber symptomatisch ist, dass ich diese Techniken als Amateur bereits Anfang der 90er einsetzte, also genau das tat, was Meister Signalschwarz als "typisch" charakterisierte.
 
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Finde ich gut, dass Du die Integration von Computern in Studios zur Steuerung von MIDI-Geräten ansprichst, das hatte ich gar nicht im Blickfeld, hatte mich ja nur auf Audio-Produktion bezogen.
 
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Die '90er sind für mich eng mit einem Wort verbunden: ADAT. Damit ist am Anfang des Jahrzehnts die Digitalen Aufnahmemaschinen bezahlbar geworden und man konnte durch Synergien mit anderen plötzlich Aufnahmen machen die vorher für viele undenkbar waren. Bis zu 128 Spuren gleichzeitig oder unterbrechungsfrei stundenlange Mitschnitte. "Bezahlbar" hat Anfang der 90er allerdings geheissen dass ein Adat so um die 5.000€ (umgerechnet) gekostet hat, also gut 5 Monatsgehälter.
Harddisc Recording, so wie man es heute meist macht, war in den 90ern auch so nicht möglich denn weder Windows noch die frühen MacOs-Versionen, gepaart mit schwacher Hardware, hat das ganze zu einem Lotteriespiel gemacht. Selbst CDs Brenner waren derart instabil dass man mit viel Glück nur 50% Ausschuss produzierte.
 
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Das ist komplett richtig. :) Ich erinnere mich noch, wie ich allein für den Notator SL um die 1000 DM hinblättern musste. Automatisierung an Mischpulten gab es meines Wissens zu der Zeit auch noch nicht, jedenfalls waren entsprechende Pulte Monstren und heidenteuer. Ach ja, die LP/CD Private Dancer (Tina Turner, 1984) wurde mit Hilfe eines Ataris aufgenommen. Solche Rechner hatten zu der Zeit in der höchsten Ausbaustufe 4 MB RAM (MB und nicht GB, wohlgemerkt!). Harddisks kamen typischerweise auf stolze 60 MB (ich selbst hatte eine so "große" Festplatte). Da grenzt es an ein Wunder, dass man mehr als Addition damit machen konnte. Audioaufzeichnungen waren bei solchen Rahmenbedingungen illusorisch. Das änderte sich Mitte der 90 mit Windows 95 und den ersten brauchbaren DAWs (Cubase und Notator) mit Audioeinbindung.
 
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Ach ja, die LP/CD Private Dancer (Tina Turner, 1984) wurde mit Hilfe eines Ataris aufgenommen. S
Sorry wenn ich korrigieren muss. Der Atari ST kam 1985 auf den Markt, also deutlich nach Veröffentlichung von 'Private Dancer'. Wenn Sequencer am Heimcomputer dann wars wohl noch der C64 oder der Macintosh, obwohls bei letzterem eher knapp gewesen sein könnte.
Die 'Automatisierung' des kleinen Mannes sah so aus: man machte sich am analogen Pult mit Fettstiften Markierungen an den Fadern um sich dann in diversen Durchläufen die Zeitpunkte antrainierte, an die die Regler in bestimmte, eben markierte, Positionen bewegte. Meist hockten wir dann zu zweit vor dem Pult und fuhren den Mix. Erst mit dem Yamaha 02R gabs dann ein leistbares Digitalpult das auch automatisiert werden konnte.
Zum kopieren von z.B Chorstellen verwendeten wir meist eine Schnürsenkel-Maschine, B77 in meinem Fall. Wieder war der Fettstift zum Markieren der Startposition des Bandes unerlässlich.
Unterm Strich hatte man, vor allem wenn es um Audiospuren ging, viel früher im Produktionsprozess richtungsweisende Entscheidungen treffen müssen. Denn Spuren und Mischkanäle waren nicht in beliebigem Umfang vorhanden. Da war dann halt mehr Konzept und Planung notwendig. Ich bin mir nach wie vor unsicher ob die quasi unbegrenzten Ressourcen für relativ wenig Geld von heute auch wirklich immer ein Segen sind.
 
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Sorry wenn ich korrigieren muss. Der Atari ST kam 1985 auf den Markt, also deutlich nach Veröffentlichung von 'Private Dancer'. Wenn Sequencer am Heimcomputer dann wars wohl noch der C64 oder der Macintosh, obwohls bei letzterem eher knapp gewesen sein könnte.
Na ja, das ist nun knapp 35 Jahre her, da können die Erinnerungen schon mal verblassen. Dann war`s sicher der C64, der bei Frau Turner eingesetzt wurde. :opa:
 
Wie war das damals effekttechnisch? Wie muss man sich das vorstellen? Etwa die Digitaleffekte der 80er etwas dezenter vermischt? Die Möglichkeiten am Computer scheinen ja lange recht begrenzt gewesen zu sein
 
Man arbeitete mit (großen) Racks voller Gerätschaft, eben alles extern und per MIDI kontrolliert.
MIDI wurde im Jahre 1983 standardisiert und setzte sich danach erst richtig durch. Davon hat man in den 90ern natürlich Nutzen gezogen. Ich habe hier noch 2 Synthesizer stehen, die unmidifiziert sind (Roland Jupiter 4 - einer der ersten "polyphonen" Synthies sowie einen Roland SH-2, ein monophoner Synth mit 2 Oszillatoren+Sub Osz., ein echt machtvoller Lead- und Bass Saurier). Der SH-2 konnte aber mit einem Zusatzteil, einem Control-Voltage to MIDI Konverter per MIDI in einigen Parametern - Tonhöhe, Tonlänge, Pitch - angesprochen werden.
Du sprichst so selbstverständlich von "Digitaleffekten" - ich denke, man hat genommen, was gut klang. Ich besaß lange noch ein Delay/Echo mit Eimerkettentechnik, ein Bandecho sowie einen analogen Hardware-EQ, also durchaus analoge Komponenten, habe alles aber durch digitale Geräte ersetzt, weil es sauberer klang. Das würde ich heute nicht mehr zwangsläufig machen, denn der Begriff eines "vintage sounds" hat sich wohl erst im Kontrast von analog zu digital herausgebildet. Beide Techniken haben etwas für sich. In zweien meiner Racks befinden sich noch analoge Vitalizer, die ich nicht mehr brauche, denn mit Tonbandmaschinen arbeite ich nicht mehr. Die stehen in einer Vitrine in meinem "Museum".
 
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Bevor im Studio die digitalen Pulte Einzug hielten, waren bis auf den Kanal-EQ alle Effekte sog. Outboard-Effekte, also meist 19" Kisten die in irgendeinem Rack eingebaut waren und entweder in den Kanal eingebunden wirden (Gates, Kompressoren usw.) oder via, wenige, Auxwege angesteuert wurden (Hall, Delay usw).
An sich gabs viel was heute noch an Plugins in den DAW herumgeistert damals in Hardware. Ich pers. hatte Yamaha SPX90, Rocktron Intelliverb, Ibanez SDR1000+, Ensoniq DP4, Yamaha Rev 7 bzw. leihweise einen Lexicon 300 an Hallgeräten. Dynamics waren Drawmer Gate und Kompressoren, DBX Kompressoren, Höf (ein österreichischer Hersteller) Kompressor, hin und wieder (auch leihweise) zwei UREI Kompressoren. Gates hatte ich wirklich nur ein DS201 aber da ich Gates sowieso nie gemocht habe waren die meist ausgeschaltet oder als Deesser im Einsatz;-)
Die üblichen Mischpulte in kleineren und mittleren Studios waren meist von Soundcraft, D&R, Cadac oder, in kleineren Studios, das Mackie 8 Bus. Ein Freund hatte noch eine AKG Hallplatte und ein anderer leistete sich einen 480er Hall. Die hatten dann halt auch die A80 von Studer (16 bzw. 24 Kanäle) im Studio stehen.

Wenn man wirklich gutes Zeug verwenden wollte dann musste man zum Robert Ponger ( die ersten Falco-Platten) oder Peter Müller (der quasi den Rest der österreichischen Szene abdeckte) nach Wien fahren.

Der Effekteinsatz wandelte sich damals sehr stark. In den 70ern waren die amtlichen Produktionen eher trocken (schönes Beispiel für mich Joan Armatrading, die "Show some emotions"-LP). Dann kam in den 80ern der WischieWaschie Sound mit NewWave Stock/Aitken/Waterman-Produktionen, dann, Anfang der 90er wurde es wieder trockener. Wir experimentierten damals viel mit Drumcomputer wie den Alesis HR16 herum. Die klangen schon fast nach Drums aber komplett ohne Raum-Hall. Da hatten wir dann so Sachen gemacht wie Drumkit in den Aufnahmeraum auf Boxen gespielt, die gegen Glasplatten gerichtet und hinter dem dem Glas Mikros platziert. Damit hatten wir dann wieder mehr Raum-Anteil. So werkelten wir da herum. ;-)
 
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Ich kann mich noch erinnern, dass EMU damals seinen ersten Harddisk-Recorder namens "Darwin" auf den Markt brachte. In den einschlägigen Fachzeitschriften (in meinem Fall "Keyboards") gab es dann ganzseitige Anzeigen, in denen ein prähistorisch anmutender Vogel mit Bandsalat im Maul abgebildet war. Daneben stand etwas von einem "Bänderfressenden Guglhupf" oder so, der inzwischen ausgestorben sei - eben dank Harddisk-Recording.

Aber das Synclavier, welches voll ausgebaut ebenfalls eine DAW ist, bot bereits Mitte bis Ende der 80er Harddisk-Recording (wobei ich jetzt nicht weiß, welche Ausbaustufe ab welchem Jahr zur Verfügung stand, da kam quasi immer mal wieder was Neues).
 
Aber das Synclavier, welches voll ausgebaut ebenfalls eine DAW ist
Das war ja ein Running Gag dass jeder der ein Synclavier besaß von sich behauptete dass er die vorletzte Ausbaustufe hat. Die letzte hatte kein Mensch, wahrscheinlich nicht mal New England Digital;-)
 
Kinder, wie die Zeit vergeht! :whistle:
Wo ich das hier lese, fällt mir wieder ein, wie mir der Unterkiefer runtergeklappt ist, als wir mit ein paar Jahren Abstand im selben Studio damals Aufnahmen gemacht haben. Erst wars ein 16Spur Tascam.
Beim nächsten Mal wars dann das Tascam, allerdings nur mit 14 Spuren, denn auf der 16 lief der timecode, weswegen man die 15 besser frei ließ. An dem timecode, den man ja zuerst mühsam aufgenommen hat, baumelte ein Atari mit 'nem prähistorischen Cubase für die Tasten, und ein soundscape HDR-System.:hail::hail::hail:
Man stelle sich vor 256Spuren im Rechner!
 
Bevor im Studio die digitalen Pulte Einzug hielten, waren bis auf den Kanal-EQ alle Effekte sog. Outboard-Effekte, also meist 19" Kisten die in irgendeinem Rack eingebaut waren und entweder in den Kanal eingebunden wirden (Gates, Kompressoren usw.)

Nein.
Das SL-4000 hatte bereits Ende der 70er, Anfang der 80er
Kanal- und 2-Bus-Kompressoren und, nebenbei bemerkt, Automation und TotalRecall.
 
Der Effekteinsatz wandelte sich damals sehr stark [...] dann, Anfang der 90er wurde es wieder trockener. Wir experimentierten damals viel mit Drumcomputer wie den Alesis HR16 herum. Die klangen schon fast nach Drums aber komplett ohne Raum-Hall. Da hatten wir dann so Sachen gemacht wie Drumkit in den Aufnahmeraum auf Boxen gespielt, die gegen Glasplatten gerichtet und hinter dem dem Glas Mikros platziert. Damit hatten wir dann wieder mehr Raum-Anteil. So werkelten wir da herum. ;-)

Vielleicht noch mehr zur Sound-Ästhetik?
Schon cool. Diese Schränke voll Equipment sind ja schon echt beeindruckend ^^


PS: Meinst du: den Drumcomputer-Sound auf Boxen durch das Glas ins Mikro? Kann mir das etwas schwer vorstellen
 
Mehr kann ich mit deiner nicht sonderlich detaillierten Frage leider nicht anfangen.

Also auch, wie man den Sound imitieren könnte.

Wie wurden denn Vocals (Auto-Tune war ja erst gegen Ende der 90er) und Bass hergerichtet?
 
Antares Auto-Tune gibt's seit 1996, also etwa Mitte der 90'er. Und man mag's kaum glauben, aber damals konnten viele Sänger tatsächlich noch singen :D und man hat sich auch manchmal einfach keine Gedanken um hundertprozentigen Perfektionismus gemacht.

Ansonsten wüsste ich nicht was den 90er-Sound speziell machen sollte, vielleicht das ein Groß auf SSL-Konsolen und unter Einsatz von Lexicon-Hall entstanden ist.
 
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Also besten Dank, Leute!
 

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