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An dieser Stelle nochmal vielen Dank für die Eintrittskarte, ich hatte einen schönen aber auch anstrengenden Tag auf der Messe und werde nächstes Jahr sicher wieder hinfahren. Um nicht einen Tag Urlaub nehmen zu müssen, habe ich meinen Besuch der Musikmesse auf den Publikumstag am Samstag gelegt. Rückwirkend betrachtet war das taktisch nicht sehr clever. Aussagekräftiges Probespielen zwecks Soundbeurteilung konnte man vergessen, weil es einfach viel zu laut war. Wobei mich interessieren würde, ob das an den anderen Tagen so viel besser ist.
Daher kann ich bereits eine Erkenntnis all denjenigen mitgeben, die im nächsten Jahr erstmalig die Musikmesse besuchen wollen: Es ist fantastisch, dass man fast alle Instrumente einfach ausprobieren darf ohne zu fragen. Man kann wunderbar fühlen, wie sich ein Instrument spielen lässt. Aber ein sinnvolles Probespielen, bei dem man den Klang beurteilen möchte, ist einfach nicht möglich. (Ich will nicht ausschließen, dass da jetzt so mancher E-Gitarrist denkt: "Was schreibt der da? Ich hab mich hervorragend gehört!", nun ja, Ausnahmen bestätigen die Regel ;-)
Bei meinem Messebesuch wollte ich es locker angehen lassen und mich ein wenig treiben lassen. Ich hatte eigentlich nur einen festen Programmpunkt:
Nachdem ich letztes Jahr durch Zufall auf die E-Violine der Firma sbip, vom Hersteller selbst sbip-violin genannt, aufmerksam geworden bin und von der Idee einer echten Solid-Body-Violine und dem Design begeistert war, stehe ich seit einigen Monaten in lockerem Mail-Kontakt mit Herrn Beyer, dem die Firma sbip gehört. Für meinen Messebesuch 2014 hatte ich mir also fest vorgenommen, den sbip-Stand zu besuchen und die Violine mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Natürlich habe ich mir dann im späteren Verlauf meines Messebesuchs auch noch E-Geigen anderer Hersteller angesehen um die unterschiedlichen Konzepte vergleichen zu können. Glücklicherweise bin ich pünktlich um kurz vor 9:00 Uhr am Haupteingang gewesen und bin direkt nach dem Einlass zügig und zielstrebig zum sbip-Stand gegangen, so dass es zumindest in der ersten halben Stunde noch relativ leer war und man sich noch unterhalten konnte, ohne zu schreien.
Hier also meine Eindrücke von der sbip-violin:
sbip (www.sbip-instruments.de):
Die Firma sbip um Stefan Beyer ist ein Familienbetrieb. Auf seiner Webseite bezeichnet sich Stefan Beyer zwar nüchtern und trocken als Entwicklungsingenieur. Was er aber verschweigt: die ganze Familie liebt offensichtlich Streichinstrumente. Den Eindruck bekam man zumindest auf der Musikmesse. Der Stand wurde von ihm persönlich und von seinen Söhnen betreut. Auch wenn gerade kein Messebesucher beraten wurde oder die Instrumente näher betrachtet hat, war immer mindestens ein Mitglied der Familie Beyer mit einem der Instrumente beschäftigt und hat leise musiziert.
Optik:
Die sbip-Violin sieht nicht unbedingt wie eine Geige aus und ist ein echter "Hingucker". Die Optik ist zwar definitiv Geschmackssache, aber es war auffällig, dass man von vorbeischlendernden Messebesuchern immer wieder Kommentare wie "Guck mal da, ej!" oder "Geil!" am sbip-Stand hören konnte. Mit der Optik assoziiert man Rock oder Metal aber nicht Klassik und Kammermusik, so wie man mit einer Stratocaster nicht unbedingt Flamenco assoziiert. Das Instrument besteht aus einem leicht gewinkelten sehr robusten kunststoffbeschichteten Aluminiumträger, auf dem Sattel und Griffbrett auf der einen Seite, in der Mitte Pickup und Elektronik sowie Stimmmechaniken und die Holzplatte für den Schulterhalter auf der anderen Seite sehr stabil montiert sind.
Aufbau:
Das Griffbrett ist aus Ebenholz und die Mensur beträgt 325 mm. Die Stimmmechaniken sind handelsübliche gekapselte E-Gitarren-Mechaniken der koreanischen Firma WSC, die hohe Stimmstabilität versprechen und darüber hinaus den parallelen Einsatz von Grob- und Feinstimmern überflüssig machen. Der Saitenwechsel funktioniert daher ganz analog zum Saitenwechsel bei einer E-Gitarre: Man fädelt die Saite durch eine Öse nahe am Sattel, führt sie über den Steg und befestigt sie an der Mechanik (gute Tipps dazu gibt es hier im Forum schon mehrfach). Aufgrund der extremen Robustheit und Steifigkeit des Instruments kann man problemlos breite Variationen in den Saitenstärken und damit auch in der Stimmung realisieren, ohne z.B. den Hals nachjustieren zu müssen, wie man das von E-Gitarren kennt. Sowohl höhere als auch tiefere Stimmungen sind prinzipiell möglich. Am Messestand konnte ich die sbip-Violin mit drei verschiedenen Stimmungen begutachten: Standard-Violinstimmung (g- d'-a'-e''), Standard-Bratschenstimmung (c-g-d'-a') und oktavierte Violinstimmung (G-d-a-e'). Die Instrumente und deren Einstellungen waren gleich, lediglich die Saiten waren unterschiedlich, logischerweise müssen Stimmung und verwendeten Saiten harmonisieren, was beim Experimentieren mit völlig neuen Stimmungen zwar einige Tests bezüglich geeigneter Saiten, sonst aber keine weiteren Neueinstellungen erfordern würde. Da die sbip-violin einen magnetischen Tonabnehmer hat, müssen die Saiten ferromagnetisch sein, also Eisen-, Stahl- oder Nickelanteile haben.
Werksseitig wird die sbip-Violin mit Saiten der Manufaktur Lenzner ausgeliefert (www.lenzner-strings.de), die auch maßgefertigte Saiten für seltenere Instrumente wie Zither, Bouzouki, Balalaika, Laute etc. fertigt und sicher ein guter Ansprechpartner bei Sonderwünschen experimentierfreudiger Musiker wären. Die Geige besitzt wie die meisten E-Violinen eine Zargenandeutung, die den Lagenwechsel erleichtern kann. Diese ist jedoch bei Bedarf einfach abnehmbar.
Statt eines Stegs herkömmlicher Bauart besitzt die sbip-Violin vier Einzelstege, so dass man die Steghöhe für jede einzelne Saite einstellen kann. Dies ermöglicht Musikern mit entsprechender Erfahrung relativ unkompliziert die Einstellung verschiedener Stegprofile.
Der magnetische Tonabnehmer ist ein Single-Coil-Abnehmer mit NdFeB-Magneten. Er besitzt senkrecht zu den Saiten 3 kleine justierbare Magnetstifte, mit deren Hilfe man innerhalb gewisser Grenzen Lautstärkeunterschiede zwischen den einzelnen Saiten korrigieren kann. Solche Korrekturen könnten nötig werden wenn man die Voreinstellung der vier Einzelstege stark verändert um mit anderen Stegprofilen zu experimentieren.
Die passive Elektronik ist unterhalb des Tonabnehmers am Aluminiumrahmen befestigt und nimmt nicht viel Platz in Anspruch. Geschützt wird sie durch einen abschraubbaren Metalldeckel, der gleichzeit die abgewinkelte 6,3mm-Klinkenbuchse enthält. Auch hier steht die sbip-violin in punkto Stabilität einer E-Gitarre in nichts nach.
Am körperzugewandten Ende der Violine ist eine Holzplatte angebracht, die in ihrer Form den unteren Teil eines klassischen Geigenkorpus abbildet. Dadurch ist die sbip-violin kompatibel mit handelsüblichen Schulterstützen und Kinnhaltern. Das auf der letztjährigen Messe vorgestellte Vorgängermodell hatte noch eine spezielle Stütz- und Haltekonstruktion, die der jetzigen standardisierten Lösung gewichen ist. Solche Spezialkonstruktionen haben meiner Meinung nach den großen Nachteil, dass Spieler, die mit so einem System nicht gut zurechtkommen, keine Alternative haben.
Spielgefühl:
Nimmt man die Geige in die Hand, fällt auf, dass sie kein Leichtgewicht ist. Mit ca. 800 g ist sie etwa doppelt so schwer wie eine klassische Geige. Erstaunlicherweise merkt man davon beim Spielen nicht viel. Durch die geschickte Gewichtsverteilung der Einzelkomponenten, ist der Schwerpunkt der Geige sehr nahe an der Schulter, so dass die linke Hand erstaunlich wenig belastet wird. Das Ebenholzgriffbrett sorgt für ein gewohntes Spielgefühl in der linken Hand. Meine anfängliche Sorge, dass sich der Hals, der ja Teil des Aluminiumträgers ist, kalt anfühlen würde, hat sich nicht bewahrheitet. Durch die Kunststofflackierung wird ein metallisches Kältegefühl verhindert.
Insgesamt fühlt sich die E-Geige beim Spielen erstaunlich "normal" an, wenn man eine klassische Geige gewohnt ist.
Klang:
Wie vorher schon näher erläutert, war es nicht möglich, einen umfassenden und fundierten Eindruck zur Klangqualität zu bekommen. Aber soviel sei gesagt: die sbip-violin klingt anders als die E-Violinen, die ich kenne oder auf der Messe kennengelernt habe. Das liegt in erster Linie am Konzept: kein Hohlkörper zum einen, magnetischer Pickup statt Piezotonabnehmer zu anderen. Das ergibt beim Spielen ohne Effektgeräte einen weichen singenden Klang, der sehr arm ist an Streich- und Nebengeräuschen. Das heißt aber auch KEINE FEEDBACKS bei großen Lautstärken. Und dann ist es natürlich noch möglich, die ganze Palette handelsüblicher Effektgeräte einzusetzen, wie z.B. Hall, Echo, Flanger, Phaser, Chorus, Overdrive, Fuzz, Modelling usw..
Vertrieb:
Neben dem Direktvertrieb wird die sbip-violin voraussichtlich ab Mai über das Musikhaus Thomann für 1280.- Euro erhältlich sein. D.h., wer den weiten Weg nicht scheut, kann und sollte die sbip-violin neben vielen weiteren E-Geigen probespielen. Eine fretted sbip-violin ist zu Zeit nicht geplant, wohl aber eine fünfsaitige Variante, die bereits in der Entwicklung ist.
Fazit:
Die sbip-violin erschließt meiner Meinung nach mit ihrem futuristischen Design, ihrem magnetischen Tonabnehmer und ihrem überaus robusten Solid-Body-Konzept neue Anwendungsbereiche für E-Violinen. Während herkömmliche E-Violinen ähnlich wie eine gute Westerngitarre mit Piezo-Tonabnehmer immer noch möglichst viel vom Klang eines akkustischen Instruments bei größeren Lautstärken abbilden sollen, geht die sbip-violin analog zur Les Paul oder zur Stratocaster einen evolutionären Schritt weiter. Das Konzept hat meine Phantasie sofort beflügelt. Ich sehe in Gedanken die sbip-violin zusammen mit einem Marshall-Turm oder einem Axe-FX oder einem Kemper. Ich sehe Musiker, die mit alternativen Stimmungen experimentieren oder die live eine lebendige Bühnenshow damit abziehen. Ich sehe Musiker, die experimentelle und extrem verfremdete Sounds aus dem Instrument rausholen. Natürlich ist das mit gewissen Einschränkungen auch mit herkömmlichen E-Violinen möglich, aber welcher Metal-Gitarrist spielt auf einer Westerngitarre mit Piezo? Das sbip-Konzept ist einfach konsequent zu Ende gedacht und die Konstruktion auf hochwertigem Verarbeitungsniveau in die Tat umgesetzt worden. Ich freue mich schon drauf, die sbip-violin irgendwann mal gründlich und richtig ausführlich zu testen.
Mein Tipp an alle Leser: unbedingt ansehen und wenn möglich unbedingt probespielen! Mein Tipp an die Firma sbip: nächstes Jahr entweder einen Stand in einer ruhigeren Halle beziehen oder einen richtig fetten Amp hinstellen und akustisch zurückschlagen, das hätte den Vorteil, dass jeder auf anschauliche Wiese erfahren könnte, was es bedeutet, eine rückkopplungsfreie E-Violine zu spielen
PS: Ich bitte die schlechte Qualität der Fotos zu entschuldigen und bedanke mich bei Herrn Beyer für das qualitativ hochwertige Foto. Ich hoffe, ich konnte einige Leser neugierig machen!
Daher kann ich bereits eine Erkenntnis all denjenigen mitgeben, die im nächsten Jahr erstmalig die Musikmesse besuchen wollen: Es ist fantastisch, dass man fast alle Instrumente einfach ausprobieren darf ohne zu fragen. Man kann wunderbar fühlen, wie sich ein Instrument spielen lässt. Aber ein sinnvolles Probespielen, bei dem man den Klang beurteilen möchte, ist einfach nicht möglich. (Ich will nicht ausschließen, dass da jetzt so mancher E-Gitarrist denkt: "Was schreibt der da? Ich hab mich hervorragend gehört!", nun ja, Ausnahmen bestätigen die Regel ;-)
Bei meinem Messebesuch wollte ich es locker angehen lassen und mich ein wenig treiben lassen. Ich hatte eigentlich nur einen festen Programmpunkt:
Nachdem ich letztes Jahr durch Zufall auf die E-Violine der Firma sbip, vom Hersteller selbst sbip-violin genannt, aufmerksam geworden bin und von der Idee einer echten Solid-Body-Violine und dem Design begeistert war, stehe ich seit einigen Monaten in lockerem Mail-Kontakt mit Herrn Beyer, dem die Firma sbip gehört. Für meinen Messebesuch 2014 hatte ich mir also fest vorgenommen, den sbip-Stand zu besuchen und die Violine mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Natürlich habe ich mir dann im späteren Verlauf meines Messebesuchs auch noch E-Geigen anderer Hersteller angesehen um die unterschiedlichen Konzepte vergleichen zu können. Glücklicherweise bin ich pünktlich um kurz vor 9:00 Uhr am Haupteingang gewesen und bin direkt nach dem Einlass zügig und zielstrebig zum sbip-Stand gegangen, so dass es zumindest in der ersten halben Stunde noch relativ leer war und man sich noch unterhalten konnte, ohne zu schreien.
Hier also meine Eindrücke von der sbip-violin:
sbip (www.sbip-instruments.de):
Die Firma sbip um Stefan Beyer ist ein Familienbetrieb. Auf seiner Webseite bezeichnet sich Stefan Beyer zwar nüchtern und trocken als Entwicklungsingenieur. Was er aber verschweigt: die ganze Familie liebt offensichtlich Streichinstrumente. Den Eindruck bekam man zumindest auf der Musikmesse. Der Stand wurde von ihm persönlich und von seinen Söhnen betreut. Auch wenn gerade kein Messebesucher beraten wurde oder die Instrumente näher betrachtet hat, war immer mindestens ein Mitglied der Familie Beyer mit einem der Instrumente beschäftigt und hat leise musiziert.
Optik:
Die sbip-Violin sieht nicht unbedingt wie eine Geige aus und ist ein echter "Hingucker". Die Optik ist zwar definitiv Geschmackssache, aber es war auffällig, dass man von vorbeischlendernden Messebesuchern immer wieder Kommentare wie "Guck mal da, ej!" oder "Geil!" am sbip-Stand hören konnte. Mit der Optik assoziiert man Rock oder Metal aber nicht Klassik und Kammermusik, so wie man mit einer Stratocaster nicht unbedingt Flamenco assoziiert. Das Instrument besteht aus einem leicht gewinkelten sehr robusten kunststoffbeschichteten Aluminiumträger, auf dem Sattel und Griffbrett auf der einen Seite, in der Mitte Pickup und Elektronik sowie Stimmmechaniken und die Holzplatte für den Schulterhalter auf der anderen Seite sehr stabil montiert sind.
Aufbau:
Das Griffbrett ist aus Ebenholz und die Mensur beträgt 325 mm. Die Stimmmechaniken sind handelsübliche gekapselte E-Gitarren-Mechaniken der koreanischen Firma WSC, die hohe Stimmstabilität versprechen und darüber hinaus den parallelen Einsatz von Grob- und Feinstimmern überflüssig machen. Der Saitenwechsel funktioniert daher ganz analog zum Saitenwechsel bei einer E-Gitarre: Man fädelt die Saite durch eine Öse nahe am Sattel, führt sie über den Steg und befestigt sie an der Mechanik (gute Tipps dazu gibt es hier im Forum schon mehrfach). Aufgrund der extremen Robustheit und Steifigkeit des Instruments kann man problemlos breite Variationen in den Saitenstärken und damit auch in der Stimmung realisieren, ohne z.B. den Hals nachjustieren zu müssen, wie man das von E-Gitarren kennt. Sowohl höhere als auch tiefere Stimmungen sind prinzipiell möglich. Am Messestand konnte ich die sbip-Violin mit drei verschiedenen Stimmungen begutachten: Standard-Violinstimmung (g- d'-a'-e''), Standard-Bratschenstimmung (c-g-d'-a') und oktavierte Violinstimmung (G-d-a-e'). Die Instrumente und deren Einstellungen waren gleich, lediglich die Saiten waren unterschiedlich, logischerweise müssen Stimmung und verwendeten Saiten harmonisieren, was beim Experimentieren mit völlig neuen Stimmungen zwar einige Tests bezüglich geeigneter Saiten, sonst aber keine weiteren Neueinstellungen erfordern würde. Da die sbip-violin einen magnetischen Tonabnehmer hat, müssen die Saiten ferromagnetisch sein, also Eisen-, Stahl- oder Nickelanteile haben.
Werksseitig wird die sbip-Violin mit Saiten der Manufaktur Lenzner ausgeliefert (www.lenzner-strings.de), die auch maßgefertigte Saiten für seltenere Instrumente wie Zither, Bouzouki, Balalaika, Laute etc. fertigt und sicher ein guter Ansprechpartner bei Sonderwünschen experimentierfreudiger Musiker wären. Die Geige besitzt wie die meisten E-Violinen eine Zargenandeutung, die den Lagenwechsel erleichtern kann. Diese ist jedoch bei Bedarf einfach abnehmbar.
Statt eines Stegs herkömmlicher Bauart besitzt die sbip-Violin vier Einzelstege, so dass man die Steghöhe für jede einzelne Saite einstellen kann. Dies ermöglicht Musikern mit entsprechender Erfahrung relativ unkompliziert die Einstellung verschiedener Stegprofile.
Der magnetische Tonabnehmer ist ein Single-Coil-Abnehmer mit NdFeB-Magneten. Er besitzt senkrecht zu den Saiten 3 kleine justierbare Magnetstifte, mit deren Hilfe man innerhalb gewisser Grenzen Lautstärkeunterschiede zwischen den einzelnen Saiten korrigieren kann. Solche Korrekturen könnten nötig werden wenn man die Voreinstellung der vier Einzelstege stark verändert um mit anderen Stegprofilen zu experimentieren.
Die passive Elektronik ist unterhalb des Tonabnehmers am Aluminiumrahmen befestigt und nimmt nicht viel Platz in Anspruch. Geschützt wird sie durch einen abschraubbaren Metalldeckel, der gleichzeit die abgewinkelte 6,3mm-Klinkenbuchse enthält. Auch hier steht die sbip-violin in punkto Stabilität einer E-Gitarre in nichts nach.
Am körperzugewandten Ende der Violine ist eine Holzplatte angebracht, die in ihrer Form den unteren Teil eines klassischen Geigenkorpus abbildet. Dadurch ist die sbip-violin kompatibel mit handelsüblichen Schulterstützen und Kinnhaltern. Das auf der letztjährigen Messe vorgestellte Vorgängermodell hatte noch eine spezielle Stütz- und Haltekonstruktion, die der jetzigen standardisierten Lösung gewichen ist. Solche Spezialkonstruktionen haben meiner Meinung nach den großen Nachteil, dass Spieler, die mit so einem System nicht gut zurechtkommen, keine Alternative haben.
Spielgefühl:
Nimmt man die Geige in die Hand, fällt auf, dass sie kein Leichtgewicht ist. Mit ca. 800 g ist sie etwa doppelt so schwer wie eine klassische Geige. Erstaunlicherweise merkt man davon beim Spielen nicht viel. Durch die geschickte Gewichtsverteilung der Einzelkomponenten, ist der Schwerpunkt der Geige sehr nahe an der Schulter, so dass die linke Hand erstaunlich wenig belastet wird. Das Ebenholzgriffbrett sorgt für ein gewohntes Spielgefühl in der linken Hand. Meine anfängliche Sorge, dass sich der Hals, der ja Teil des Aluminiumträgers ist, kalt anfühlen würde, hat sich nicht bewahrheitet. Durch die Kunststofflackierung wird ein metallisches Kältegefühl verhindert.
Insgesamt fühlt sich die E-Geige beim Spielen erstaunlich "normal" an, wenn man eine klassische Geige gewohnt ist.
Klang:
Wie vorher schon näher erläutert, war es nicht möglich, einen umfassenden und fundierten Eindruck zur Klangqualität zu bekommen. Aber soviel sei gesagt: die sbip-violin klingt anders als die E-Violinen, die ich kenne oder auf der Messe kennengelernt habe. Das liegt in erster Linie am Konzept: kein Hohlkörper zum einen, magnetischer Pickup statt Piezotonabnehmer zu anderen. Das ergibt beim Spielen ohne Effektgeräte einen weichen singenden Klang, der sehr arm ist an Streich- und Nebengeräuschen. Das heißt aber auch KEINE FEEDBACKS bei großen Lautstärken. Und dann ist es natürlich noch möglich, die ganze Palette handelsüblicher Effektgeräte einzusetzen, wie z.B. Hall, Echo, Flanger, Phaser, Chorus, Overdrive, Fuzz, Modelling usw..
Vertrieb:
Neben dem Direktvertrieb wird die sbip-violin voraussichtlich ab Mai über das Musikhaus Thomann für 1280.- Euro erhältlich sein. D.h., wer den weiten Weg nicht scheut, kann und sollte die sbip-violin neben vielen weiteren E-Geigen probespielen. Eine fretted sbip-violin ist zu Zeit nicht geplant, wohl aber eine fünfsaitige Variante, die bereits in der Entwicklung ist.
Fazit:
Die sbip-violin erschließt meiner Meinung nach mit ihrem futuristischen Design, ihrem magnetischen Tonabnehmer und ihrem überaus robusten Solid-Body-Konzept neue Anwendungsbereiche für E-Violinen. Während herkömmliche E-Violinen ähnlich wie eine gute Westerngitarre mit Piezo-Tonabnehmer immer noch möglichst viel vom Klang eines akkustischen Instruments bei größeren Lautstärken abbilden sollen, geht die sbip-violin analog zur Les Paul oder zur Stratocaster einen evolutionären Schritt weiter. Das Konzept hat meine Phantasie sofort beflügelt. Ich sehe in Gedanken die sbip-violin zusammen mit einem Marshall-Turm oder einem Axe-FX oder einem Kemper. Ich sehe Musiker, die mit alternativen Stimmungen experimentieren oder die live eine lebendige Bühnenshow damit abziehen. Ich sehe Musiker, die experimentelle und extrem verfremdete Sounds aus dem Instrument rausholen. Natürlich ist das mit gewissen Einschränkungen auch mit herkömmlichen E-Violinen möglich, aber welcher Metal-Gitarrist spielt auf einer Westerngitarre mit Piezo? Das sbip-Konzept ist einfach konsequent zu Ende gedacht und die Konstruktion auf hochwertigem Verarbeitungsniveau in die Tat umgesetzt worden. Ich freue mich schon drauf, die sbip-violin irgendwann mal gründlich und richtig ausführlich zu testen.
Mein Tipp an alle Leser: unbedingt ansehen und wenn möglich unbedingt probespielen! Mein Tipp an die Firma sbip: nächstes Jahr entweder einen Stand in einer ruhigeren Halle beziehen oder einen richtig fetten Amp hinstellen und akustisch zurückschlagen, das hätte den Vorteil, dass jeder auf anschauliche Wiese erfahren könnte, was es bedeutet, eine rückkopplungsfreie E-Violine zu spielen
PS: Ich bitte die schlechte Qualität der Fotos zu entschuldigen und bedanke mich bei Herrn Beyer für das qualitativ hochwertige Foto. Ich hoffe, ich konnte einige Leser neugierig machen!
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