Hallo Claus,
Du hast ja ein paar gangbare Lösungsmöglichkeiten gefunden, aber die Sache an sich hat mich schon noch interessiert und ich hatte eigentlich gehofft, für dieses grundlegende Problem eine Lösung finden zu können.
Es muss doch möglich sein, ohne allerlei manuelle Hilfskonstruktionen eine brauchbare letzte Seite zuwege zu bringen.
Versuch mit MuseScore-Bordmitteln
MuseScore 3 bietet unter
Formatierung -> Stil -> Seite einige Einstellmöglichkeiten, wenn man die "
vertical jstification of staffs" (auch in der deutschen Übersetzung noch englisch).
Leider gibt es keine Werte, die allein die letzte Seite betreffen, aber...:
Der Wert "
Max. page fill distance" ist ein
zusätzlicher Abstand, der generell zwischen Systeme eigeschoben werden kann, um die Seite "voll" zu bekommen, d. h. die Notensysteme vertikal über die gesamte Seite zu verteilen.
Wenn man den vom Standardwert 6,0sp entsprechend heruntersetzt, dann dürfen die Abstände nicht mehr so weit gedehnt werden und die Systeme bleiben enger zusammen - auch und gerade auf der letzten Seite, die oft "untervoll" ist.
Im TeX- oder LilyPond-Sprachgebrauch hieße das sehr treffend "Strechability", weil mit diesem Parameter festgelegt werden kann, wie sehr über das optimale Maß hinaus Abstände notfalls noch weiter "dehnbar" sind.
Hier Dein Beispiel mit Standard-Einstellungen: (
Anmerkung: ich hatte Claus gebeten, mir seine MuseScore-Testdatei zu schicken, um einen realistischen Vergleich zu haben).
Ich habe lediglich den manuell eingefügten Seitenumbruch entfernt, um ein Bild über das vollautomatische Verhalten zu bekommen:
Mit der Standard-Einstellung sind die Zeilen der letzten Seite sehr unschön gedehnt.
Wenn man nun die "Strechability" (bei MuseScore: "Max. page fill distance") herabsetzt, können die Zeilen nicht mehr so weit auseinandergezogen werden:
Das Ergebnis mit einer Max. page fill distance von 0,5sp sieht mir schon viel brauchbarer aus.
Achtung: ein bisschen problematisch ist das schon, wenn man es übertreibt, denn diese Einstellung betriff generell
alle Seiten, nicht nur die letzte. Wenn man den Wert auf 0 bzw. zu klein setzt, führt das dazu, dass keine Seite mehr vertikal voll ausgefüllt werden kann.
Ein Grundproblem von MuseScore (genau wie bei Finale und Sibelius) ist, dass eine Datei nur genau eine Partitur enthalten kann. Dies ist vor allem in Fällen wie dem vorliegenden Beispiel extrem lästig, weil es sich inhaltlich ja eigentlich um viele kleine unabhängige Mini-Partituren handelt.
Das kann aber MuseScore nicht und man muss mit manuellen Zeilenumbrüchen und evtl. eingeschobenen Hilfskonstruktionen wie künstlichen Abstandhaltern und vielen kleinen Eingriffen den Eindruck erwecken, es handele sich um eigenständige "Schnipsel":
- Zeilenabstände bzw. allgemeine vertikale Ausrichtungen werden leicht unschön bzw. suboptimal, weil aus ästhetischen Gründen bei mehrzeiligen Schnipseln (hier nicht der Fall) die zusammengehörigen Zeilen einer Übung enger zusammengehalten werden sollten, aber zwischen den Übungen mehr Abstand erlaubt oder gar wünschenswert ist.
In MuseScore ist aber alles "eine" Partitur und es kann nicht zwischen Einzelübungen unterscheiden.
- Die Taktzahlen laufen durch und müssen jeweils zu Beginn einer neuen Übung manuell zurückgedreht werden. Alles verschiebt sich aber, wenn an in einer vorhergehenden Übung Takte einfügt oder entfernt.
- Taktarten (wie im vorliegenden Fall mit durchgängig 4/4) werden nur in der ersten Zeile der "Partitur" angezeigt und müssen für die einzelnen Übungen manuell eingefügt werden.
Wenn man die Bebop-Skalen als einzelne Übungen pro Tonart betrachtet (wozu ich geneigt bin), müsste man auch hier manuell eingreifen, denn momentan habe sie alle keine Taktart-Angabe, stehen aber anhand der Taktstriche alle im 4/4-Takt.
- Tonartwechsel-Ankündigungen am Zeilenende lassen sich zwar bequem generell ausschalten, aber falls in einer zusammenhängenden mehrzeiligen Übung doch mal ein Tonartwechsel vorkommen sollte, möchte man ihn am Zeilenende schon angezeigt bekommen.
- End-Taktstriche muss man auch am Ende jeder Übung manuell setzen.
Im Beispiel hat nur die letzte Übung einen End-Taktstrich, weil das ja tatsächlich das Ende der Partitur ist.
Fingerübung mit LilyPond
Das ist jetzt zwar Off-Topic (weil wir uns im MuseScore-Unterforum befinden), aber manchmal ist ein Vergleich mit anderen Notensatzprogrammen ganz angebracht.
Im Gegensatz zu MuseScore, Finale, Sibelius,... bieten meines Wissens vor allem LilyPond und Dorico (!) die Möglichkeit, innerhalb einer Datei mehrere Partituren unterzubringen (wie auch immer das dann speziell genannt wird - Dorico spricht, glaube ich, von "Flows").
Eigentlich hatte ich ursprünglich nur das Bebop-Beispiel per MusicXML in LilyPond importiert, um zu sehen, was LilyPond daraus macht.
Dann habe ich mich dazu entschlossen, dieses Beispiel komplett neu aufzuziehen: im Hinblick auf die praktische Anwendung "Skalen in allen Tonarten", mit denen bekanntlich ganze Bücher gefüllt werden, schienen mir ein lohnendes Ziel für Systematisierung/Automatisierung.
Daher folgende grundsätzliche Idee
- Skala einmal in Grundtonart definieren (als einzelne "Etüde").
- Diese Etüde kann dann in alle gewünschten Tonarten transponiert werden.
(das ist ja auch in MuseScore so gemacht worden.
- Problem hierbei ist, dass die Skala zwar automatisch transponiert werden kann, aber die Fingersätze sich prinzipiell jedes mal ändern.
Lösung: eine kleine Funktion schreiben, bei der in einer zusätzlichen Liste die Fingersätze individuell mitgegeben werden können.
Um eine solche Funktion zu erstellen, braucht man zugegebenermaßen etwas Übung, aber interessant war es.
Die Aufrufe der Funktion, die ich "make-scale-fingering" genannt habe, sieht dann folgendermaßen aus:
Code:
\make-scale-fingering c' \bebopscale #'(5 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1)
\make-scale-fingering f \bebopscale #'(5 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1)
\make-scale-fingering bes \bebopscale #'(4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 2)
\make-scale-fingering es' \bebopscale #'(4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 2)
\make-scale-fingering as \bebopscale #'(3 1 3 1 3 2 1 4 3 1 3 1 3 2 1 4 3)
\make-scale-fingering des' \bebopscale #'(3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3)
\make-scale-fingering fis \bebopscale #'(2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2)
\make-scale-fingering b \bebopscale #'(1 2 1 3 2 1 3 2 1 2 1 3 2 1 3 2 1)
\make-scale-fingering e' \bebopscale #'(1 2 1 3 2 1 3 2 1 2 1 3 2 1 3 2 1)
\make-scale-fingering a \bebopscale #'(1 2 1 3 2 1 3 2 1 2 1 3 2 1 3 2 1)
\make-scale-fingering d \bebopscale #'(1 2 1 3 2 1 3 2 1 2 1 3 2 1 3 2 1)
\make-scale-fingering g \bebopscale #'(5 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1 4 3 2 1)
Hier hat die gefürchtete textbasierte Eingabe wirklich enorme Voreile, weil man die Fingersätze blind eintippen kann, während man sich bei grafisch orientierten WYSIWYG-Programmen zu Tode klickt oder auch bei Benutzung von Tastenkürzeln immer auf den Bildschirm sehen muss.
Ich möchte das aber nicht vertiefen (wir sind schließlich im MuseScore-Thread, möchte aber dennoch das LilyPond-Ergebnis vorstellen. Inhaltlich habe ich mich an Clausens Vorlage gehalten:
Viele Grüße
Torsten