cantulia
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Museo della Fisarmonica „Mariano Dallapè“ in Stradella
Nach einer erfolgreichen Überquerung der Alpen per Kleinem Berhard auf rund 2200m Höhe und dortiger Nächtigung mit eisgekühltem Bier ging’s am nächsten Morgen mit der 16 PS-Fuhre wieder bergab durch’s Aosta Tal gen Milano. Bergab geht’s nicht schneller als bergauf denn sonst würden die Bremsen überlastet mit dem ungebremsten Schlafwägelchen.
Erster Zwischenstop war dann in Vercelli, corso fiume N°31! Die Auflösung dieser Adresse demnächst in der Fortsetzung eines anderen ThreadsJ.
Nächstes Ziel war bei Bergamo wo das Italienische Nationaltreffen der Due Cavalli Freunde stattfand. Auf dem Treffen wurde wieder fleißig zusammen mit meinem französischen Freund Jaques auf der Flöte Balkan- , Klezmer, und arabo-andalusische Musik, ein wenig Musette etc. gespielt. Als wir dann von irgendwo auf dem Gelände „Bella Cio“ hörten gaben wir unsere Interpretation aus dem Stehgreif zum Besten und wurden für den Rest des Abends von musik-verständigen und -liebenden Italienern eingeladen. Einer von Denen konnte sogar den 7/8 mit `ner Art Schneebesen perfekt ausgeklügelt rhythmisch begleiten. Mit 9/8, 11/8 und 15/8 war er allerdings überfordert, bei Brassens und „le Déserteur“ war’s dann wieder in Ordnung. Ein super musikalischer Abend.
Als Tagesausflug vom Ententreffen aus hatte ich eine Fahrt zum ca 110Km entferntem Stradella geplant. Erfreulicherweise hatten noch zwei Freunde auch Interesse an einem Besuch des Museo della Fisarmonica „ Mariano Dallapè“ so daß wir zusammen fuhren.
In Italien gibt/gab es drei Zentren des Akkordeonbaues, natürlich Castelfidardo, daneben aber auch Vercelli und Stradella. Wie schon im Maugein Thread angesprochen kam z.B. Cavagnolo 1923 aus Vercelli nach Lyon um dort den Akkordeonbau zu etablieren aber auch andere bekannte Akkordeonhersteller waren oder sind in Vercelli beheimatet. 1876 begründete Dallapè die Akkordeon-Tradition in Stradella, 2010 wurde die Fabrikation bei Dallapè in Stradella beendet. Auch der Begriff „Stradella Bass“ zeugt von der Wichtigkeit für die Entwicklung des Akkordeons dieser Stadt.
Das Museo della Fisarmonica ist im Gebäude der Stadtbücherei untergebracht und besteht nur aus 2 kleinen Räumen, ist aber trotzdem sehr interessant weil neben Instrumenten auch viele Handwerkzeuge der Akkordeonfertigung ausgestellt werden. Die Öffnungszeiten sind für ein Museum außergewöhnlich/unerwartet so. z.B. Sonntags nur von 9h30-12h. Das ergibt sich daher da der Bibliothekar der Stadtbücherei einem das Licht anknipst, die Türe aufschließt und den Beleg über den Eintritt (Eintrittskarten gibt es nicht) per handgeschrieber Quittung aushändigt, also richten sich die Zeiten nach den Öffnungszeiten der Bücherei.
Dieses Instrument soll eines der ersten von Dallapè gefertigten (In)strumenti sein.
Ein Diplom welches Dallapè anlässlich einer Internationalen französisch italienischen Handwerksausstellung verliehen bekam von 1899.
Dokumente und Instrumente anderer Akkordeonhersteller aus Stradella
Ein Blick in den ersten Raum, linksseitig
Blick gegenüber der Eingangstüre
„automatisierte“ Schneidemaschine für die Lederventile mit Rastung damit immer schön gleich breite Ventile geschnitten werden
Ein Stempel des Akkordeonbauers Maga Ercole, gespiegelt damit er besser zu lesen ist
Ein Petroleum betriebener Löthammer der 30iger, französischer Herstellung. Entweder zum Gewichte auf die Bassstimmzungen auflöten oder für die Bassmechanik.
Ein Wachsschmelzkessel, doppelwandig, zum Einwachsen der Stimmplatten oder als Leimtopf. Da doppelwandig wird ein Wasserbad drin gewesen sein und das wäre dann m.E. für Wachs nicht heiß genug.
Dekorschablonen
Stimmplatten und Registermeschanik
Hier sieht man daß die Stimmplatten gegossen wurden, ich vermute daß es sich hier um Zinkstimmplatten handelt.
Weitere Werkzeuge, zum Einwachsen und zum Stimmen, man erkennt eindeutig einen elektrischen Wachsschmelzer, Einwachs-löffel und -kolben, Stangenkratzer etc.
Ich bin mir unsicher wofür die Werkzeuge auf der rechten Hälfte der Tafel dienen, es müßten irgendwelche Lehren sein für die Stimmplattenproduktion?
Es folgen diverse Akkordeons des zweiten, zur Rechten liegenden Raumes
Dallapè ORGANFISA 33, wohl ein ziemliches Spitzenprodukt der ditta. Es soll von 1941 sein. Aufgrund der Registeranordnung und der Vielfalt der Registrierungen hätte ich es eher ca. 10 Jahre später eingeordnet. Die Registerdrücker sind wie bei meiner Bertone-Locatelli in einer über der Tastatur gelegenen Lade angebracht. Wenn das Baujahr 1941 stimmt würde dies vielleicht auch die Einschätzung des Baujahres meiner Bertone Locatelli ändern. Man beachte auch die auf dem zweiten Photo erkennbaren vielfältigen Kinnregister. Diese sind vielleicht nachträglich angebracht?
Das Akkordeon heiß also nicht zu Unrecht Handorgel, hier gibt es eines mit wie bei Orgeln zwei Manualen, ca. 1905
Das ist aber noch zu toppen, drei Manuale
Die komplette Vitrine
Weitere Instrumente
Werbung von Crosio
Ein Versuchsakkordeon Croisio 1955
Ein Harmonium mit Stradella-Bass, Luft wahlweise über Pedale oder elektrisch
Zwei weitere Akkordeons aus Stradella von EOS sowie Lucchini
Ein Akkordeon Bonfoco barozzi, Stradella. Es sieht den Cantulia Sonatinas sehr ähnlich, sowohl von dem Diskantverdeck her aber auch die gerundete Gehäuseform ist nahezu gleich. Bei Cantulia ist diese aber schon Ende der 30 vom Designer Hadank entworfen worden. Wer hat da von wem kopiert?
Instrument „Super Gala“ , der andere Name dürfte der des Besitzers gewesen sein. Eigentlich ist das Modell „Super Gala“ eines von Piermaria – die sind aber in Castelfidardo beheimatet und dieses hier ist aber aus Stradella.
Damit war der Besuch des kleinen interessanten Museum beendet, der Bibliothekar drängt auch schon schließen zu können. Meine Frage nach einem Schriftchen oder Katalog der Sammlung bzw. der Geschichte des Akkordeonbaues in Stradella verneinte er verständnislos und drückte mir ein kleines Faltblatt zusammen für die Stadtbücherei, die naturhistorische Sammlung und das Museo Fisarmonica in die Hand (in dem ich mich ja gerade befand).
Bei einem kleinen Spaziergang durch die Stadt entdeckten dann wir noch eine Skulptur. Ich kann mir nicht verkneifen das Photo mit meinen Begleitern zu nehmen, wäre sonst zu langweilig.
Leider war dies nun das Ende meiner Tour durch Frankreich und Italien mit verschiedenen Akkordeon Einlagen. Zurück ging’s dann erst entlang des Comer Sees, Übernachtung in den Alpen auf 1800m Höhe und dann über den Julierpass, Schweiz, Liechtenstein, Österreich, Bodensee, Schwarzwald zurück nach Bonn.
Ausblick morgends nach dem Aufwachen im Piccolo couchette
Und letztes Photo auf dem Julierpass einem der ältesten Alpenpässe mit Resten eines römischen Tempels. Mit seinen 2284 Metern der höchste der 4 auf der Tour gemeisterten Pässe.
Grund: Foto nach Rücksprache ersetzt
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