Zusätzlich zum schon Gesagten vielleicht ein paar Grundsatz-Überlegungen:
"Perfekte" Stimmung?
Eine Melodica hat relativ weiche Stimmzungen. Das hat den unschönen Effekt, dass die produzierte Tonhöhe recht deutlich vom Blasdruck abhängt.
Das kannst Du leicht ausprobieren: je lauter Du spielst, desto mehr fallen die Töne ab.
Und das dummerweise auch noch frequenzabhängig, so dass selbst eine bei mittlerem Blasdruck "perfekt" nach Stimmgerät gestimmte Melodica nicht nur insgesamt die Tonhöhe ändert, sondern sogar
in sich nicht mehr stimmt, wenn man zu leise oder zu laut spielt.
Hinzu kommen die allgemeinen Probleme, die die gleichschwebende Stimmung mit sich bringt. Prinzipbedingt sind da im Vergleich mit der "reinen Stimmung" z. B. alle Quinten 2 ct zu klein. Die Terzen sind zwar noch "schlimmer", aber Quinten sind leichter zu hören.
Mit diesem Kompromiss erkauft man sich die Möglichkeit, alle Tonarten gleichberechtigt spielen zu können.
Und "man" hat sich mittlerweile an die Fehler der gleichschwebenden Stimmung gewöhnt. Dennoch es gibt Orchestermusiker (Geübte Bläser und Streicher, die im Gegensatz zu Tasteninstrumenten sehr genau intonieren können), die Klaviermusik oft nur mit Mühe ertragen
).
Frequenzauflösung des menschlichen Gehörs
Das menschliche Gehör vermag unterhalb von 500 Hz Frequenzdifferenzen von 2 Hz zu unterscheiden (Frequenzauflösung).
Eine Differenz von 2 Hz entspricht - abhängig von der Tonhöhe jedoch unterschiedlichen Cent-Werten!
Beispiel: beim a' in der Mitte der Melodica-Tastatur entsprechen 2 Hz Abweichung 8 Ct, aber eine Oktave tiefer entsprechen 2 Hz Differenz schon einer Abweichung von 16 ct.
Da aber bei allen Tönen neben der Grundfrequenz auch noch Obertöne mitschwingen, darf man es trotzdem nicht auf die Spitze treiben!
Das bedeutet dennoch konkret: je tiefer die Töne, desto weniger fallen Cent-Abweichungen ins Gewicht. Oder anders ausgedrückt: höhere Töne verzeihen Stimmungs-Ungenauigkeiten weniger als tiefere Töne.
Oberhalb von 500 Hz kann man Frequenzunterschiede von ca. 0,35 % wahrnehmen: das entspricht einer konstanten Cent-Abweichung von ca. 6 Cent (frequenz-unabhängig).
Deshalb klingen Glockenspiele in den hohen Lagen besonders unangenehm (durch die Überlagerung von Obertönen, siehe unten).
Einzeltöne im Gegensatz zu Akkorden
Außerdem muss man, wie schon geschrieben wurde, zwischen Einzeltönen und Akkorden (oder mehreren gemeinsam spielende Melodicas) unterscheiden.
Denn sobald Töne gleichzeitig erklingen, ergeben sich schon bei relativ kleinen Abweichungen deutlich hörbare Schwebungen. Für die Schwebungen gilt: Die Schwebungsfrequenz bei sehr nahe beieinanderliegenden Tönen entspricht der Frequenzdifferenz in Hertz.
Stimmungsproblemchen, die man beim reinen Einzelton-Melodiespiel noch gut wegstecken kann, offenbaren sich beim mehrstimmigen Spiel deshalb viel deutlicher.
Dies ist vor allem deshalb so, weil ein Ton nicht nur aus seiner Grundfrequenz besteht, sondern auch Obertöne hat, die sich bei mehrstimmigem Spiel überlagern und es somit leicht zu deutlich wahrnehmbaren Schwebungen kommt.
Beispiel: Wenn man eine Quinte wie c-g spielt, überlagert sich der 2. Oberton (Oktave + Quinte = Duodezime) des c mit dem 1. Oberton (Oktave) des g und kleine Abweichungen sind durch die entstehende Schwebung ("Schlagen") ziemlich penetrant hörbar.
Dazu reichen im Grunde selbst bei "perfekter" Stimmung nach Stimmgerät schon die prinzipiellen "Fehler" der gleichschwebenden Stimmung.
Wenn man also mit nicht ganz perfekten Einzeltönen noch relativ gut leben kann, offenbaren sich die Stimmungsprobleme im Zusammenklang mehrerer Töne viel deutlicher.
Insgesamt würde ich schätzen, dass man mit ±5 Cent Abweichung noch gut leben kann und es würde ein Intervall-ungeübtes "Laienohr" auch mit ±10 Cent Abweichung vielleicht noch zurechtkommen. Natürlich gibt es auch musikalische Laien mit feinem Gehör und es wird dann eben relativ schnell kritisch.
Aber wie gesagt: tiefere Töne werden fehlertoleranter wahrgenommen als höhere Töne. Immerhin.
Man muss aber akzeptieren, dass es eine perfekt gestimmte Melodica eigentlich nicht geben kann, denn ein bisschen zu kräftig gepustet macht alle Feinarbeit sowieso zunichte.
Viele Grüße
Torsten