Literatur zur Improvisation

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Christian_Hofmann
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Hallo zusammen,

ich brauche einmal euren Rat da ich mich schon einige Zeit bemühe passende Bücher zum Thema Improvisation zu finden. Ich spiele seit einem Jahr Orgel (Sakral) und Harmonium. Ich habe mit beidem ohne Vorkenntnisse begonnen. Inzwischen spiele ich bereits recht passabel auf beiden Instrumenten leichte bis Mittelschwere Stücke, auch das Harmonisieren aus dem Gesangsbuch (mit angegebenen Akkorden) klappt Vierstimmig mit Pedal und ohne Pedal recht gut, zumindest wenn keine außergewöhnlichen Akkorde dabei gebraucht werden. Selber ohne vorgegebene Akkorde Harmonisieren wird schon sehr holprig und verbotene Parallelen lassen öfter grüßen.

Ich möchte aber primär von Noten wegkommen und sicher frei spielen können, also mich einfach an ein Instrument setzen und los spielen können. Ich suche daher entsprechende Bücher die einen da etwas unterstützen, zum einen die Umsetzung aber auch die Theorie noch mit vermitteln. Ich habe da leider noch nichts passendes gefunden. Entweder die Bücher setzen ein Musikstudium voraus um damit arbeiten zu können, oder sie vermitteln nur Theorie ohne praktischen Ansatz. Ich suche ein Buch das beides verbindet. Also wo das benötigte Wissen auch vermittelt wird, mit dem ich auch Arbeiten kann wenn ich noch nicht so fest bin in der Theorie.

Ein weiteres Problem ist das Harmonium und Orgel jetzt eben kein Klavier ist und sich viele Dinge dort nicht so umgesetzt werden können. Daher würde ich schon fast behaupten das ein Buch in Richtung Keyboard vermutlich am ehesten in Frage kommt. Ich besitze hier das Buch "Grundlagen der Orgelimprovisation" was sehr spannend ist, jedoch mein Wissen bei weitem nicht ausreicht um damit schon sinnvoll arbeiten zu können, zum anderen wird grundsätzlich die Nutzung eines Pedals vorrausgesetzt was die Übertragbarkeit Zuhause beim Üben und am Harmonium eher unmöglich macht. "So spielen Sie Barpiano" habe ich mir mal geliehen, eigentlich ein nettes Buch, aber auch nicht wirklich auf meine Instrumente übertragbar, mal davon abgesehen das es selbst für wohl erfahrene Spieler schwer nachvollziehbar ist nach dem leider recht kurzen eigentlich guten Einstieg. Da wird ab einem gewissen Punkt einfach gefordert das man weiß wovon der Autor redet.

Daher meine Frage, habt ihr eine Idee was ich als Literatur mir mal anschauen sollte?
 
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Hallo Christian,

willkommen im Musiker-Board!


Ich spiele seit einem Jahr Orgel (Sakral) und Harmonium. Ich habe mit beidem ohne Vorkenntnisse begonnen.
Inzwischen spiele ich bereits recht passabel auf beiden Instrumenten leichte bis Mittelschwere Stücke, auch das Harmonisieren aus dem Gesangsbuch (mit angegebenen Akkorden) klappt Vierstimmig mit Pedal und ohne Pedal recht gut, zumindest wenn keine außergewöhnlichen Akkorde dabei gebraucht werden. Selber ohne vorgegebene Akkorde Harmonisieren wird schon sehr holprig und verbotene Parallelen lassen öfter grüßen.
Erste Frage: Hast Du einen Lehrer oder lernst Du autodidaktisch?

Ich möchte aber primär von Noten wegkommen und sicher frei spielen können, also mich einfach an ein Instrument setzen und los spielen können.
Vielleicht wäre es angebracht, vor dem völlig freien Spielen einen Zwischenschritt einzulegen?

Bei der Kombination Pfeifenorgel/Harmonium und Interesse am freien Spiel wäre es meiner Meinung nach geradezu ideal, sich mit dem Thema Generalbass auseinanderzusetzen.
Mit vorgegebenen Harmonien (also Melodie + Akkordsymbole) aus dem Gesangbuch klappt es ja schon ganz gut, wie Du schreibst.
Ein für mich logischer Schritt wäre dann der Einstieg in den Generalbass: Da hast Du (neben der Melodie) nur eine Bass-Stimme vorgegeben und musst anhand der Bass-Stimme aus dem Stegreif harmonisieren. Also statt vorgegebener Akkordsymbole nur auf Basis der Bass-Stimme (unbeziffert für einfache Fälle und den Einstieg) und später dann mit Bezifferung, die nur Hinweise auf die erwartete Harmonisierung gibt (also Umkehrung, verkleinerte Terz, Vorhalt usw.)

Das kannst Du auch sehr schön an "echten" Beispielen üben - IMSLP ist voll davon.
Und zwar gibt es da auch so alte Original-Noten, dass da wirklich noch nur der Generalbass ohne ausgefertigte Harmonisierung steht.
Neuere Ausgaben enthalten dann meist ausgesetzte Versionen, so dass man seine eigenen Ergebnisse überprüfen und damit vergleichen kann.

Vorteile: Du lernst die typischen Klischees und Floskeln (Klauseln) und legst Dir so ein harmonisches Handwerkszeug zu, auf das Du bei Bedarf immer spontaner zurückgreifen kannst.


Ich suche daher entsprechende Bücher die einen da etwas unterstützen, zum einen die Umsetzung aber auch die Theorie noch mit vermitteln. Ich habe da leider noch nichts passendes gefunden. Entweder die Bücher setzen ein Musikstudium voraus um damit arbeiten zu können, oder sie vermitteln nur Theorie ohne praktischen Ansatz. Ich suche ein Buch das beides verbindet.

Der Generalbass bietet genügend Praxis und ausgesetzte "Lösungen" zur Überprüfung gibt es zuhauf.
Natürlich brauchst Du die Grundlagen, aber das bringt Dir wirklich was für's Leben. Auch, wenn heute nicht mehr soviel Wert auf das freie Spiel gesetzt wird wie früher (im Kirchenmusik-Studium ist das natürlich immer noch ein Thema!), passt das doch auf Dein Interessengebiet (auch ohne Studium).

Es empfiehlt sich auch am Anfang, bevor sich Routine einstellt, seine Lösungen genau zu durchdenken und am besten auch aufzuschreiben. Das ist vor allem Eigenarbeit, aber man lernt unendlich viel dabei. Mehr, als beim Abspielen vorgegebener Musterlösungen.

Mir ging es immer so: Beim Anblick der vorgegebenen Ausarbeitung sagt man: "jaja, ist doch klar!". Aber ob man selber draufgekommen wäre, weiß man erst, wenn man es zuerst ohne Vorlage probiert hat. :)


Ein weiteres Problem ist das Harmonium und Orgel jetzt eben kein Klavier ist und sich viele Dinge dort nicht so umgesetzt werden können. Daher würde ich schon fast behaupten das ein Buch in Richtung Keyboard vermutlich am ehesten in Frage kommt.

Nein, "Keyboard" ist sicher keine Option, denn da geht es (man möge mir verzeihen) in der Regel um Alleinunterhalter-Tischhupen (auch wenn die Profi-Tischhupen einige Tausend Euro kosten) und die Bedienung der Begleitautomatik. Das ist dann viel mehr Knöpfchen- und Tastendrücken statt spielen.

Eher "Keyboard" im Bachschen Sinne, also das, was er "Clavier" genannt hat. Und ein "Clavier" zu Bachs Zeiten war einfach irgendein Tasteninstrument (Clavichord, Cembalo, Harmonium, Orgel,...) mit einem Tonumfang von nicht mehr als 5 Oktaven und ohne Pedal.
Da kommt Du mit Deinen "Hausmitteln" schon recht weit.

Generalbass und somit Barock ist da ein idealer Einstiegspunkt, wo Du auch keine riesige Vollorgel brauchst.

Viele Grüße
Torsten
 
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Zuerst einmal herzlichen Dank für deine Ausführungen.

Erste Frage: Hast Du einen Lehrer oder lernst Du autodidaktisch?
Ja ich bin Schüler bei unserem Kantor der ein sehr erfahrener Kirchenmusiker ist. Da habe ich jede Woche eine Stunde Training. Es ist zweigeteilt, zum einen mache ich natürlich sehr viel alleine, bei den wöchentlichen Stunden wird dann geschaut was ich gelernt habe und wie ich es dann umsetze und darauf wird dann eingegangen, optimiert und neue Inhalte vermittelt die ich dann selbstständig weiter vertiefe und trainiere bis zum nächsten Treffen. Zumal es ja auch wenig Sinn macht einen Musiker neben sich stehen zu haben wenn man 4 Stunden Tonleitern, Übergänge und Fingersätze übt. Gleichzeitig ist aber eine zeitnahe Kontrolle da, damit sich nichts falschen einprägt. Ich persönlich lerne auch sehr viel besser wenn ich selber mit dem gelernten Spiele. Also Try & Error bringt mit mehr und es festigt sich dann bei mir wenn ich jeden möglichen Fehler mal gemacht habe anstatt diesen nur mal gehört zu haben.

Das mit dem Generalbass schaue ich mir mal an, scheint ganz nützlich zu sein. Vielleicht wäre es sogar einfacher mich auf nur ein Instrument zu konzentrieren um schneller Fortschritte zu machen, da das streng gebundene Spiel an der Orgel mit Pedal ja etwas anderes ist als das weniger gebundene Spiel am Harmonium wenn die linke Hand nur den Grundton spielt. Mit Pedal kann man doch leichter Vorhalte machen als ohne wo es sinnvoller ist jeden Ton zu harmonisieren anstatt mehrere. Am Harmonium ist es ja eher mit der einen Hand die gesamten Töne der Akkorde und Melodie zu greifen und die andere macht nur den Grundton. Mit der Basskoppel ist das zwar auch in vielen Fällen möglich, aber doch sehr verzwickt manchmal.

Auf der anderen Seite hat es trotz langsamen Fortschritt den Vorteil dass ich eben eine gewisse Flexibilität gleich trainiere. Zumal ja beide Varianten jederzeit auf beiden Instrumenten auftreten können... Zugegeben weiche ich auch an der Orgel gerne mal vom typischen gebundenen Spiel ab, nur weil es so als Norm gesehen wird heißt es ja nicht das man nicht auch mal etwas verändern kann wenn es passt. In einer unserer Kirchen mit Gewölbedecke und kräftiger Orgel ist es nämlich manchmal auch zu viel des guten und der Hall erzeugt schon unfreiwillige Disharmonie oder Töne gehen unter die ungebunden noch ankommen...
 
Vielleicht ist das hier passend für Kirchenorgler: Peter Ewers, Einfach spielen!

Ich kenne das Buch nicht, bessere Beschreibungen zum Inhalt lassen sich aber bei den üblichen Web-Buchhändlern finden. Der Autor ist anscheinend selbst Kirchenorganist.
 
Ja ich bin Schüler bei unserem Kantor der ein sehr erfahrener Kirchenmusiker ist.

Das ist doch super, das sind doch die besten Voraussetzungen!
Was sagt er dazu? Weiß er überhaupt von Deinen Improvisations-Gehversuchen?
Bezugnehmend auf murmichels Literaturvorschlag:

Vielleicht ist das hier passend für Kirchenorgler: Peter Ewers, Einfach spielen!

Ich kenne das Buch auch nicht. Die Beschreibung "Anstiftung zur Improvisation" klingt doch vielversprechend.
Aber für mich hat Improvisation mehr mit Hören, Verstehen und (Nach-)Machen zu tun, die sich von Mensch zu Mensch besser vermitteln lässt als durch ein Buch. Und wenn Du einen erfahrenen Kantor an Deiner Seite hast, würde ich eine Individuelle Lösung jedem Buch vorziehen.

Ich nenne es einfach mal salopp "Laienausbildung" - da wird naturgemäß vor allem Wert darauf gelegt, dass man Spielstücke nach Notenvorgaben möglichst gut vortragen kann und die dafür notwendigen technischen Fertigkeiten erarbeiten.
Die zugrundeliegende Musiktheorie (also nicht nur das abspielen, was da steht, sondern auch ein Verständnis dafür zu erwerben) oder gar Improvisation kommt oft dabei zu kurz oder wird ganz vernachlässigt (eine Frage der Priorisierung).
Aber Du kannst ja Deinen Wunsch äußern, da wirst Du sicher offene Türen einrennen!


Ich persönlich lerne auch sehr viel besser wenn ich selber mit dem gelernten Spiele. Also Try & Error bringt mit mehr und es festigt sich dann bei mir wenn ich jeden möglichen Fehler mal gemacht habe anstatt diesen nur mal gehört zu haben.

Du hast es genau erkannt!
Man muss natürlich unterscheiden zwischen "Fehler einüben" und "aus Fehlern lernen".
Ich würde eher sagen, es geht um den Unterschied zwischen passivem Nachvollziehen und aktivem Selbermachen.

Beim Improvisieren ist es wichtig, viel zu hören und sich viele Anregungen zu holen, um die type Stilistik kennenzulernen, der man nacheifern möchte.
Am Ende geht es darum, die eigenen Klangvorstellung (irgendwoher muss die ja kommen) spontan auf das Instrument übertragen zu können.

Daher auch mein Vorschlag mit dem Generalbass, denn da kannst Du durch aktives Zutun Fähigkeiten und Geläufigkeit entwickeln. Die harmonischen Vorgaben/Leitlinien sind vorhanden, aber anstatt passiv nachzuvollziehen musst Du tatsächlich aktiv und frei arbeiten.

Choralvorspiele

Ein weiterer naheliegender Baustein auf dem Weg zum freien Spiel wäre das klassische Choralvorspiel, das in der Praxis auch ständig gebraucht wird.
Zum Einstieg beginnt man typischerweise mit einem "Bicinium", indem man zweistimmig aus dem Choralbuch einfach nur Bass und Melodie spielt. Da steckt noch Null Improvisation drin.
Am Ende spielt man dann völlig freie Introduktionen, die teilweise so ausarten, dass man weder Tempo noch Harmonie noch Melodie erkennt und somit die Gemeinde ganz schön im Regen steht.
Aber genau da kann Dich Dein Kantor sicherlich auf dem Weg begleiten.


Vielleicht wäre es sogar einfacher mich auf nur ein Instrument zu konzentrieren um schneller Fortschritte zu machen,

Das finde ich nicht unbedingt.
Merke: Es geht bei der Fähigkeit zur Improvisation oder zum Freien Spiel vor allem um die Klangvorstellung im Kopf und die musikalischen Ideen und erst in zweiter Linie um die Umsetzung auf dem Instrument!
Wenn Du keine interessanten Einfälle hast, artet "Improvisation" in sinnloses Skalengedudel usw. aus.

Wenn Du eine harmonische Klangvorstellung und eine Melodie im Kopf hast und diese auch theoretisch verstanden hast, ist es - übertrieben gesagt - egal, auf welchem Instrument Du das umsetzt.
Die technischen Fähigkeiten solltest Du haben, die werden aber in erster Linie beim Literaturspiel erworben.

Sonderfall: Natürlich beispielsweise ist das Improvisieren einer Fuge eine ganz andere Hausnummer.
Das Einhalten der von Dir genannten Regeln (Parallelen usw.), Stimmführung allgemein usw. ist Übungssache und betrifft im Grunde sogar auch den popmusikalischen Bereich, wenn auch nicht so streng und manchmal mit bewusstem Regelbrechen.
Wenn es aber nicht gut klingt, wird man das auch in der "Unterhaltungsmusik" merken und vermeiden.

Am Ende sind es doch viele eingeübte Muster, die man abrufen und beliebig kombinieren kann. Das braucht aber seine Zeit.


Auf der anderen Seite hat es trotz langsamen Fortschritt den Vorteil dass ich eben eine gewisse Flexibilität gleich trainiere.

Beim Choralspiel auf der Orgel wechselt ja die Altstimme ständig zwischen linker und rechter Hand.
Wenn man manualiter spielt, muss eben die linke Hand auch noch den Bass übernehmen und alles kann sich verschieben.
Meines Wissens sind bei den Evangelen (ich vermute mal, Du bist evangelisch, sonst hättest Du wahrscheinlich "Gotteslob" statt "Gesangbuch" gesagt) die Choräle so gesetzt, dass man die Melodie auch solo auf einem anderen Manual spielen kann.
Also sogar im "Normalbetrieb" lernt man eine gewisse Flexibilität.

Und wie gesagt: es geht primär um die musikalischen Inhalte, nicht um das konkrete Instrument.


In einer unserer Kirchen mit Gewölbedecke und kräftiger Orgel ist es nämlich manchmal auch zu viel des guten und der Hall erzeugt schon unfreiwillige Disharmonie oder Töne gehen unter die ungebunden noch ankommen...

Das sowieso - in wirklich großen Kirchen kannst Du quasi das mühsam erlernte Legato-Spiel vergessen - sonst verschwimmt dort alles zu einem Brei. Da darf man auch nicht zu schnell spielen.
In kleinen Kirchen ohne große Raumakustik hat man genau das entgegengesetzte Problem.

Sozusagen klingt eine "Toccata" in einer Kleinkirche, in der womöglich noch Teppichboden liegt (alles schon dagewesen!) immer recht ... ähm ... trocken.
Die Raumakustik ist genauso Teil des Orgelklangs wie das Pfeifenwerk.
Und gerade als Organist, wo man sein Instrument ja nicht mitnehmen kann (und in einem anderen Raum klänge es auch völlig anders), kommt man ohnehin um eine enorme Anpassungsfähigkeit nicht herum.

Viele Grüße und viel Erfolg
Torsten
 
Ich habe mir mal das Buch "Anstiftung zur Improvisation" bestellt, schaden kann es ja nicht. Ich werde dann mal berichten.

Merke: Es geht bei der Fähigkeit zur Improvisation oder zum Freien Spiel vor allem um die Klangvorstellung im Kopf und die musikalischen Ideen und erst in zweiter Linie um die Umsetzung auf dem Instrument!
Wenn Du keine interessanten Einfälle hast, artet "Improvisation" in sinnloses Skalengedudel usw. aus.

Wenn Du eine harmonische Klangvorstellung und eine Melodie im Kopf hast und diese auch theoretisch verstanden hast, ist es - übertrieben gesagt - egal, auf welchem Instrument Du das umsetzt.
Die technischen Fähigkeiten solltest Du haben, die werden aber in erster Linie beim Literaturspiel erworben.
Das kann ich bestätigen, am Anfang wenn die einzelnen Finger noch unkoordiniert sind die Füße nicht wissen was sie tun, dann macht es keinen Sinn zu viel zu wollen. Am Anfang wird man um einfache Literaturstücke nicht herum kommen bis der Körper erst einmal in der Lage ist mit dem Instrument umzugehen. Ich habe dann aber sehr früh gemerkt das ich mich mit dem Literaturspiel nicht wirklich anfreunden kann. Es ist da ja so das man nach dem Motto spiel es so oder lass es ein Stück vorgesetzt bekommt. Oft gefallen mir dir Stücke oder Teile davon nicht und ich habe von Anfang an immer versucht Dinge zu verändern damit sie mir besser gefallen. Am Anfang mit mäßigen Erfolg, aber nach mehr Praxis konnte ich mich diverser Bausteine bedienen. Inzwischen habe ich sogar eine eigener kleine Interpretation zum EG 419 Hilf Herr meines Lebens geschrieben.

Ich bin eher so der Typ der gerne eigene Ideen umsetzt und da ist das Notenspiel ja eher nicht der richtige Weg. Wenn ich eigene harmonisierte Lieder mal in Hauptwerk als Midi speichern lasse und in einem Notenprogramm betrachte, dann spiele ich dort Dinge 4-8 Stimmig die ich in Notenschrift überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann obwohl ich es selbst gespielt habe. Hochachtung für die, die solche Notenblätter spielen können. Mir wäre es aber zu viel Mühe, wobei ehrlich gesagt ist es nicht weniger Mühsam ein 3 Minuten Lied über viele Monate zu entwickeln und zu verfeinern. Es ist vergleichbar mit dem Author der Bücher schreibt und dem Vorleser der diese Vorliest. Beides hat seine Schwerpunkte. Der Vorleser kann viele verschiedene Geschichten gut betont und spannend vortragen, der Author kann dies vermutlich nicht aber dafür seine eigenen Ideen perfekt in Worte fassen.

Mein Spiel hat sich auch sehr verändert, inzwischen reicht es mir wenn ich den Startpunkt eines Liedes habe und wenn ich diesen spiele habe ich den nächsten Abschnitt schon im Kopf wie er klingt und die Hände machen den Rest von alleine. Auch Melodien die ich so im Kopf habe kann ich doch recht gut auf das Manual bringen. Oder solche spiele wie eine beliebige Taste drücken und dann von dieser aus mit einem kleinen Rythmus eine kleine Melodie oder einen Baustein entwickeln. Solche Dinge kann ich Stundenlang machen. Wohingegen Notenblätter einfach nur Mühsam sind für mich. In einigen Fällen lohnt es sich trotzdem weil man dort viele perfekt ausgearbeitete Stücke findet die man selbst abwandeln und nutzen kann. Oder was ich oft mache im Orgelbuch zum Gesangsbuch einfach mal schauen wie dort die Harmonisierung gelöst wurde und mit der eigenen Lösung vergleichen und vielleicht mal schauen was man übernehmen oder mit einarbeiten kann.
 
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Hey Christian,

zunächst freue ich mich ja sehr, daß hier jemand mein Büchlein "Einfach spielen! Anstiftung zur Improvisation" empfiehlt.
Wenn Du das Buch bereits hast, dann wirst Du feststellen, daß versucht wird fünf Parameter Melodik, Harmonik, Rhythmik, Dynamik und Klangfarbe (sehr spannend gerade auf der Orgel) zu variieren.
Meine Erfahrungen mit Schülern ist, daß das sehr gut gelingen kann. Klar könnte man auch 23 Parameter aufdröseln, aber da schaue ich nicht mehr durch.

Du stellst genau die richtigen Fragen! Die Kadenzen (Generalbaßtechnik etc.) sind Handwerk, aber es gibt noch so viel mehr zu entdecken.
Unbedingt über Deine Erfahrungen berichten!

By the way: Immer wieder mal schlagen bei mir in Bielefeld Leute auf, die direkt vor ihrer LO-Prüfung keinen einzigen Takt mehr "frei" spielen können. Alles nur noch angedrillt und dreitausend mal durchgenudelte Modelle. Das schockt mich wirklich! Da können die fünf Parameter schon dabei helfen das Schiff wieder flott zu machen und raus damit - auf's Meer!!
Wenn dann die ersten "eigenen" Takte um die Ecke schauen und Entwicklungen, Spannungen gestaltet werden (Stichwort Plot!) - dann zaubert das sehr häufig ein breites Lächeln aufs Gesicht zurück. Erst beim Improvisator und ganz sicher auch beim Zuhörer.

Bin fest davon überzeugt, daß genau so der Funke überspringt.
Bleib neugierig!
Pit
 
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Hallo Pit,

ja ich habe das Buch bereits und arbeite damit. Es ist schon ein besonderes Buch finde ich, da es eben keine komplexen Modelle zeigt sondern an einfachen Beispielen die man auch ohne weitere Ausbildung lesen und verstehen kann, einfach zeigt was gemeint ist. Dann kann man damit experimentieren. Natürlich wird jemand der fertige Lösungen sucht vermutlich nicht glücklich mit dem Buch. Aber ich persönlich sehe keinen Sinn irgendwas mit Quinten in z.B Fis-Dur zu demonstrieren. Der Einsteiger wird vermutlich mit der Tonart nichts anfangen können und ein übertragen ist dann umso schwerer. Daher finde ich es eigentlich perfekt dass C Dur bei fast allem genutzt wird und dann kann man schauen wie es in anderen Tonarten geht.

Die wichtigste Erkenntnis aus dem Buch ist eigentlich das es bei der Improvisation kein Richtig oder falsch gibt. Ich alleine bestimme was richtig ist und was nicht. Und wenn man erst einmal den Mut hat sich musikalisch mitzuteilen, dann macht das musizieren gleich noch mehr Spaß. Ich habe zusätzlich eine nette Übung für mich erstellt. Täglich ein zufälliges Bild nehmen und dieses musikalisch beschreiben. Das Buch wird auch weiterhin ein Begleiter für mich sein, aber das wichtigste Werkzeug ist das Instrument und ich glaube bei aller Literatur eine Sache begiffen zu haben:

Improvisation lernt man nicht durch Bücher sondern durch das Spielen. Einfach wie im Buch beschrieben das Instrument entdecken, selber probieren welche Töne zusammen was bewirken und wie diese kombiniert werden können. Und wenn sich das Ergebnis dann gut anhört, dann wird ein Musiker auch irgendwie technisch erklären können was man dort getan hat, aber für mich ist das dann unwichtig. Ich erschaffe in diesem Moment die Musik und wenn ich meine es ist so okay, dann wird es zumindest Technologisch nicht ganz falsch sein.
 
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