Tolle Optik, ganz gute Anschlüsse für die Peripherie - wobei es mich schon etwas irritiert, warum man 4 (!) Einschleifwege eingebaut hat, aber nur eine Ausgangssektion. Zwar gibt es da XLR- und Klinkenausgänge, aber zumindest optisch weist nichts darauf hin, dass dort unterschiedliche Signale anliegen. Ich hoffe mal, dass man aus dem Fiasko beim POD HD 500 gelernt hat und jetzt eine einfache Möglichkeit da ist, das Signal gleichzeitig an den XLRs mit Speaker- (und evtl. Endstufen-)Simulation sowie über Klinke ohne das alles auszugeben. Nach wie vor wollen doch viele User für den Bühnensound eine (Röhren-)Endstufe und normale Gitarrenboxen anschließen statt ein FR-Monitorsystem. Für mich wären die naheliegendste Lösung zwei Schalter neben den Buchsen, mit denen man die Endstufen- bzw. Boxensimulationen ohne Menu global abschalten kann. Die zweitbeste Lösung ist ein leicht zugängliches "Global-Menu".
Was die Ampsims betrifft, teile ich die teils heftige Ablehnung der HD-Sounds eher nicht. Obwohl vielleicht nicht alles klingt wie das Original, sind da mMn doch eine Menge einfach richtig gut klingender Amps drin, die sich auch besser anfühlen als frühere Modellings. Man muss den Kram halt auch bedienen lernen, und wenn man nicht wild in der Hoffnung auf Verbesserung an Werks-Presets rumschraubt, sondern ganz "basic" mit einem passenden Amp ohne Effekte beginnt, wirds meistens schon viel besser. Die Hersteller täten mMn gut daran, die ersten paar Bänke einfach mal mit solchen Brot-und-Butter-Sounds zu belegen, vielleicht ein bisschen Room und sonst nix. Wie gesagt, im Grunde halte ich die HD(X)-Generation in sachen Grundsound schon für ziemlich weit fortgeschritten. Und was den Markt betrifft: Nicht zuletzt hat sich der Maßstab für Soundästhetik auch insgesamt etwas verschoben, weil viele heute aktive Gitarristen von Anfang an mit Modelling-Amps groß geworden sind.
Wo ich wirklich auf Besserung hoffen würde, wäre eine einfache Bedienung mit entsprechenden Einstellungshilfen, um Amps und Preamps einzubinden, Stichwort 4KM. Da gibts doch noch oft Probleme mit Pegeln, Soundeinbußen und Nebengeräuschen. In vielen Geräten werden eine Menge Einstellungsmöglichkeiten angeboten, ohne dass Otto Normalverbraucher beurteilen kann, was für ihn das beste wäre. Statt 4 FX-Wegen würde ich den Fokus da lieber auf bestmögliche Wandler und flexible Einsatzmöglichkeiten der vorhandenen Wege legen, wenn nötig mit Impedanzanpassung.
Was Kemper und Axe-Fx betrifft, so liegt es mMn auf der Hand, dass das die Konkurrenz ist. Die Zielgruppe des Kemper wird man nur schwer erreichen. Mein Eindruck aus Diskussionen und Interviews ist, dass Kemper da auch marketingtechnisch sehr genau eine Nische gefunden hat. Man konnte hier (durchaus glaubhaft) etablieren, dass Modelling und Profiling zwei ganz unterschiedliche Dinge sind, und viele, die Kemper benutzen, würden sich nie einen Modeller zulegen, selbst nachdem Axe-Fx mit dem "Tone Matching" seinerseits versucht, sich der Kemper-Idee anzunähern. Nicht zuletzt ist da die Bedienung: aus einem Kemper kann jeder, der einen analogen Amp hat, ziemlich zügig sehr gute Sounds rausholen. Man kann da tiefer einsteigen, muss es aber nicht, was selbst Leute anzieht, die am liebsten einen Fender Twin, einen Marshall Plexi, einen AC30 und einen Soldano auf der Bühne hätten, aber weder das Geld noch die Roadies oder den LKW dafür.
Ich denke mal, der Helix wird in erster Linie Aufsteiger anziehen, die Line6 bisher schon gut fanden, damit vielleicht auch groß geworden sind und jetzt das gleiche wollen, nur eben besser.
Die akribischen Tüftler und virtuellen Amptuner werden wahrscheinlich bei Fractal Audio bleiben, die "Originalsounds-über-alles"-Fraktion bei Kemper. Was man gerade für Deutschland natürlich auch sagen darf: es hat schon seine Vorteile, dass das Ding hier gebaut wird und man mit den Leuten deutsch sprechen kann. Die Update-Politik ist ebenso überzeugend wie der Service und die reine Hardware-Qualität liegt mMn schon spürbar vor dem Axe-Fx. Vom inländischen Service und den Händlern vor Ort als Ansprechpartner mal ganz zu schweigen.
Meine Prognose: bei den tatsächlichen VK-Preisen wird sich Line 6 doch noch ein bisschen nach unten bewegen müssen. Angesichts des Imagevorsprungs werden sich bei einem quasi gleichen Preis selbst die besagten Line 6-Aufsteiger überlegen, ob sie nicht doch sozusagen von VW zu Mercedes wechseln. Ein Respektsabstand von 300 - 400 € zum Kemper wird sich da kaum vermeiden lassen.
Gruß, bagotrix