Last night a Spooky saved my life ...

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Last night a Spooky saved my life ...

Hä? Was soll das denn heißen? Also von vorne. Ihr wisst, was Speakonstecker sind, klar. Ihr wisst auch, dass Speakonkabel auf beiden Seiten identische Anschlüsse haben, also ist nix mit Verlängern wie bei Mikrofonkabeln. Um trotzdem zwei Speakonkabel zum Behufe der Längenaddition aneinander anschließen zu können, gibt es Adapter mit Speakon-Eingängen auf beiden Seiten. Da schließt man nun seine beiden Kabel an, betätigt den gewieften Lock-Mechanismus, und schon ist diese Verbindung gegen versehentliches Lösen bestens gesichert. Und diese Dinger nennt der Veranstaltungstechniker "Spooky", wie ich selbst erst vor ein paar Monaten gelernt habe. Klingt auch wesentlich cooler, kürzer und prägnanter als "verriegelbare Speakon-Verlängerungs-Kupplung".

Okay, das ist jetzt klar. Aber wieso hat das Ding mir den A... gerettet? Ich war mal wieder gebucht als Tontechniker für "meinen" orientalischen Sänger. Der Typ ist wirklich gut und im Moment auch sehr gut gebucht - drei Jobs habe ich mit ihm im Oktobert. Er hatte zwei Keyboarder und drei (!) Percussionisten für den Auftritt bei einer arabisch-türkischen Hochzeit engagiert. Zwei Tage vor dem Geschehen machen wir eine Raumbesichtigung und entscheiden, welches Material wir nutzen - vier EV-Boxen von mir plus einen kleinen Aktivmonitor, das ganze über den Powermischer des Sängers angetrieben. Dazu meine Mikros, eine Sennheiser-Handfunke ew1935 aus der G2-Serie, zwei Beta 58A für den Backgroundgesang sowie ein Sennheiser e905 und zwei e906 für die drei Percussionisten.

Der Saal stellt sich als ziemlich groß heraus locker 20*20 Meter oder auch etwas mehr, also stelle ich am Abend vor der Show (Verzeihung, vor der Hochzeitsfeier) zwei Boxen rechts und links der Bühne für die (laute) Beschallung der Tanzfläche direkt vor der Bühne - eingedreht um fast 45 Grad, damit wirklich der meiste Krach auf der Tanzfläche herrscht. Dieses Boxenpaar wird von einer Endstufe des Powermischers angetrieben.

Das andere Boxenpaar stelle ich an die Seitenwände, etwa 8 Meter von der Wand entfernt, vor der die Bühne steht (also knapp vor der Mitte der Wand). Auch diese Boxen sind rund 45 Grad eingedreht, damit sie die hintere Hälfte des Saales überstreichen. Diese beiden Boxen will ich deutlich pegelreduziert mit der anderen Endstufe des Powermischers fahren. Und hier nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Das eine Boxenpaar an der Bühne wird zuerst angeschlossen, vom Powermischer gehe ich mit einem Speakonkabel zur ersten Box und von dort schleife ich das Signal mit einem weiteren Kabel zur zweiten Box weiter. Für das Boxenpaar weiter hinten wollte ich die Verteilung eigentlich schon am Powermischer vornehmen, bis mir aufgeht, dass ich dazu ja einen Verteiler "eins auf zwei" oder sowas brauche. Habe ich aber nicht. Und es ist bereits Freitagabend, 21:00 Uhr, alle Läden zu, und der nächste Tag ist Tag der Deutschen Einheit, ein verd... Feiertag mit geschlossenen Läden.

Der Schock ist erstmal groß, denn ich muss mit den Kabeln ja entlang der Wände gehen, wenn ich keine Stolperfallen erzeugen will, und ich will ungern die ganzen 20 Meter zurück zum Powermischer und von dort weiter zur nächsten Box. Aber alles Jammern hilft nichts, mit dem ersten 20-Meter-Kabel gehe ich vom Powermischer zur ersten Box im Saal, von dort mit dem zweiten langen Kabel (auch 20 Meter) zurück bis zum Powermischer, dann per Spooky an ein 10-Meter-Kabel und über einen zweiten Spooky an ein 5-Meter-Kabel, bis ich endlich bei der zweiten Box bin. 20 Meter Speakonkabel zur ersten Box und 35 Meter von dort zur nächsten. Wenn das mal nicht schwingt! Naja, jetzt kann ich eh nichts mehr ändern, es muss also laufen.

Ich stelle noch die Mikrofonstative parat und lege die zugehörigen Kabel bereit, damit ich am nächsten Tag alles schnell verkabeln kann.


Soundcheck

Eigentlich wollten wir - der Sänger, die fünf Musiker und ich - uns zwei Stunden vor Einlass treffen, um in Ruhe aufzubauen und den Soundcheck zu machen. Ich verspäte mich schon ziemlich - und bin mit großem Abstand der erste. Verdammte orientalische Pünktlichkeit. Ich denke dabei immer an einen Spruch aus einer uralten Folge von "Magnum" zur Zeitrechnung auf den Bahamas: "Wenn Dir jemand sagt, er kommt um sieben, dann kommt er um sieben. Oder um acht. Oder nie." Stammen die Orientalen von den Bahamas? Keine Zeit, das jetzt zu recherchieren, der Sänger kommt, mit ihm der Powermischer, ich baue auf und verkabele alles flugs, die Musiker stellen ihr Zeug auf die Bühne und verschwinden erst mal wieder. Hey, und was ist mit Soundcheck? Die Musiker kommen also wieder auf die Bühne, erst checke ich die Keyboards, bis alles passt, dann die Percussionisten, einen nach dem anderen, bis alles einzeln klingt und sich vor allem zusammen gut anhört. Dann die Stimmern, dann Gesamtcheck, zuletzt pegelmäßiges Abstimmen der "Delayline" (die ja eigentlich unverzögert ist) und danach verkrümeln sich alle wieder, um irgendwelchen Dingen nachzugehen, die in ihrer Wichtigkeit das geplante Happening bei weitem in den Schatten stellen müssen. Zumindest habe ich diesen Eindruck, denn die Lässigkeit aller im Zusammenhang mit dem Auftritt und dem Terminplan erstaunt mich immer wieder.


Die Show

Dann ist alles vorbereitet, auch die Kellner und Bedienungen im Saal werden nun milde nervös, das anwesende Kamerateam schaltet die Kameras scharf, und alles wartet auf das Brautpaar. Die ersten Gäste treffen ein und gehen zu ihren fantastisch dekorierten Tischen. Beim Einmarsch von Braut und Bräutigam dann spielt die Band den ersten Song. Ob es bei muslimischen Hocchzeiten so etwas wie Brautjungfern gibt, weiss ich nicht, jedenfalls tanzen zwei oder drei Dutzend einfach unglaublich schöner Frauen mit dem Brautpaar auf der Tanzfläche zu den ersten Stücken der Band, dann setzt sich alles. Anscheinend wollen sich die orientalischen Musiker vor diesen Schönheiten aus Tausend und einer Nacht so richtig produzieren, denn alle Pegelabstimmungen sind vergessen, die Keyboarder geben richtig Stoff, und besonders zwei der drei Percussionisten trommeln los, als ob es kein übermorgen gäbe. Nicht nur viel, sondern vor allem auch laut! Diverse Gainregler am Pult treten eine weite Reise nach links an ... Nach einem halben Song etwa habe ich es geschafft, dass das Pult nicht mehr rot wie eine Verkehrsampel leuchtet, sondern dass grün und gelb die vorherrschenden Farben meiner Pult-LEDs sind, mit ab und zu aufflackernden roten Klecksen zwischendrin ...

Nach dem ersten Song drehen sich fast alle Musiker erbost in Richtung meines Platzes neben der Bühne - angeblich hört sich keiner, und jeder ist davon überzeugt, dass er jetzt zu leise ist, während alle anderen natürlich viel zu laut seien! Ich drehe an den Psychoreglern an einem unbenutzten Kanal auf dem Pult, bis jeder Musiker wieder davon überzeugt ist, dass er (und nur er!) wieder der lauteste ist. Dann geht es recht entspannt weiter. Trotzdem nimmt der Pegel im Lauf des Abends immer wieder ein wenig zu, so dass einige Gainregler ihre Reise nach links noch ein Stückchen fortsetzen müssen.

Nach dem zweiten Song gehe ich mal durch den Saal, um zu prüfen, wie die Verteilung des Sounds nun bei fast Vollbesetzung des Raumes kommt. Danach gratuliere ich mir selbst, denn es ist einfach zuckermäßig gelungen: Mordskrach auf der Tanzfläche, sofort danach fällt der Pegel deutlich ab und bleibt dann fast im ganzen Saal konstant, nur ganz hinten an der allerletzten Tischreihe ist es wieder etwas leiser. Das ist aber auch gut so, denn auf der einen Seite des Saales sitzen hier Paare mit ganz kleinen Kindern, die demnächst alle schlafen wollen, und auf der anderen Seite hat das dreiköpfige Kamerateam seine Regie, und da wollen die sich auch unterhalten können, ohne ständig brüllen zu müssen. Außerdem ist der Haas-Effekt mit mir - man hat fast im ganzen Saal den Eindruck, dass aller Sound von vorne kommt. Dem ist aber nicht so.

Später fahre ich nur für Ansagen die Lautstärke der unverzögerten Delayline wieder hoch, ansonsten bleiben diese Speaker im Vergleich zur Front um ca. 6 bis 8 dB gedämpft.


Material und weitere Eindrücke

Im Lauf des Abends gewinne ich bei etwas basslastigerem Material den Eindruck, dass dem Phonic-Powermischer beinahe die Puste ausgeht. Irgendwie, so mein höchst subjektiver Eindruck, sind 500 Watt lauter, wenn da Yamaha draufsteht. Ich wünschte, ich hätte meinen Finalizer und ein paar simple Kompressoren dabei, um der Dynamik der Akteure ein wenig besser Einhalt gebieten zu können. Beim nächsten Gig jedenfalls bringe ich den Yammi-Powermischer meiner anderen Band an den Start. Der hat neben acht von Yamahas Ein-Knopf-Kompressoren eine sehr simple Version eines Finalizers eingebaut (nennt sich bei Yamaha "Maximizer") und besteht aus einem nicht editierbaren dreibändigen Kompressor, der aber sehr ordentlich arbeitet, wenn man ihn mit einem Signalmix von passendem Pegel (immer so um 0 dB rum) füttert.

Zum Kauf der diversen Sennheiser-Mikros aus der 900er-Serie gratuliere ich mir bei jedem Einsatz aufs Neue - die Dinger sind einfach nur gut, stabil, feedbackunempfindlich, und sie klingen! EQ-Bearbeitung erfolgt nur, um im Spektrum Platz für die anderen Signale zu schaffen. Von sich aus klingt alles schon ohne Hilfe ziemlich gut.

Der Abend verläuft weiter mit den üblichen Einlagen - das heißt, eine Bauchtänzerin tritt auf. Keine schlechte Show, aber die Orientalen liefern einem oft Playbacks, dass es einem nur so graust. Die CD, die ich abspielen soll, klingt so: Teils verzerrt, Pegelsprünge von mehr als 10 dB zwischen den einzelnen Tracks, und überhaupt ganz grauslig. Aber laut wollen sie es haben, also bekommen sie das auch!

Dann noch ein wirklich gutes Sangesduo irgendwo zwischen HipHop und Söhne Mannheims, die Jungs bringen eine Einlage, welche natürlich ebenfalls den vereinbarten Zeitrahmen sprengt, dann kommen noch verschiedene Ansprachen und Dankesreden. Gegen halb zwölf muss mein Sänger los, weil er an dem Abend noch ein weiteres Engagement hat, der DJ, der ab 23:00 Uhr übernehmen sollte, kommt erst gegen 23:30 und baut erstmal in aller Seelenruhe auf. Als es dann bei ihm läuft, packe ich meine Mikros ein, räume die Bühne ein wenig auf und mache mich von dannen. Tags darauf dann Abbau der restlichen Sachen.


Abschluss

Ich sehe gerade, besonders technisch-informativ ist es dieses Mal nicht geworden. Naja, vielleicht ein kleiner Einblick in die Psychologie einer anderen Kultur und was einen als Tech dort erwarten kann.

Weisheiten, die ich gewonnen habe: Das nächste Mal werde ich definitiv mit kräftigerem Amping und mehr Monitoring losziehen! Fürs Publikum am besten gleich mit einem Paar RCF ART 722A meines Kollegen - da hat man dann limitergeschützte 2*950 Watt, die einen Heidenterz veranstalten können! Falls ich bei passiven Boxen bleibe, werde ich mir für das Verteilen der Signale in einem so breiten Raum wohl mal einen Y-Verteiler für Speakons bauen oder eigentlich lieber kaufen.

Viele Grüße
Jo
 
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es macht immer wieder aus Neue Spaß Deine Anekdoten zu lesen :)

jetzt kann ich auch gut gelaunt ins Bett gehen, nach dem mein heutiger Tag mit meinem "geliebten" Shanty Chor nicht so tolle war... Die kennen weder realistische Zeitrahmen, Soundcheck, korrekte Mikrohaltung oder Feedbackangst.
Komme nichtsahnend schon eine Stunde eher als verabredet zum Veranstaltungsort und stelle mit Erschrecken fest, dass die Feier schon in vollen Zügen ist, der Saal und die Bühne kaum einen Quadratmeter Platz bieten für Technik - also Pustekuchen mit FOH-Platz in Front of House ;) hier heisst es: NTS-Platz ---> next to stage :(
Also schnell die PA aufgebaut und Mikros hingestellt und schon stürmt der Chor auf die Bühne und legt voll los.... Ich schnell die Fader hochgeschnipst und versucht aus dem Pegelbrei einen verständlichen Sound zu kochen.
Das klappte aber auch nur maximal 1 Lied lang, denn da wurden dann zwischen den Leadsängern die Funken getauscht und ausgedehnte Reisen durch den Saal veranstaltet, vornehmlich direkt vor den Lautsprechern, Amp-Mikros umgekickt oder die Overhead Kondis zur Chorabnahme wegen der "eingeschränkten" Sicht durch die Mikroständer, einfach mal zur Seite gestellt...


Naja, aber wie gesagt, jetzt gehe ich mit einem Lächeln ins Bettchen :)

Gruß
Jens
 
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Hallo, Jo,

wieder mal ein köstlicher Praxisbericht - das Leben schreibt die besten Stories :D

Viele Grüße
Klaus
 
Ein Fest was hier zu lesen ist!

jetzt mal zu meinen Erfahrungen in Sachen orientalischer Tanzmusik aus einem Praktikum in einem Betrieb, in dem viele solcher Leute Kunden sind:
Im wesentlichen wollen diese Leute immer eins: Pegel, Pegel, Pegel! Bei uns in der Gegend arbeiten die fast ausschließlich mit schweineteurem Dynacord-Material. Der Einstieg ist der kleine Powermate mit Zwölfzöllern, die Steigerung ist der große Powermate mit den 15/3 von Dynacord und die Vollpros spielen ausschließlich mit Dynacord Madras. Und selbst bei den aktiven Madras-Subs kriegen diese Leute die Lautsprecher hin. Ich verstehe nicht wie, aber sie schaffens...

Nun zum Shanty-Chor:
Bei dem einzigen mir bekannten Shanty-Chor gibts ein Mischpültchen für die Gesänge (2 OH, ein Solo-Mikor, ein kabelloses Solo-Mikro), ein Powermixerchen mit eigener Box, in das die Akkordeons per eingebauten Mikros gehen, einen 150-Watt-Bassamp und der Akustik-Gitarrist spielt auch über ne eigene Aktivbox. Da brauchst du eigentlich keinen FOH-Platz, man kann eh nix ändern. Dass es auch anders geht, wird ignoriert. "Dann sind die Akkordeons immer viel zu leise und der Bass zu laut" Der gleiche Chor hat übrigens ein Mackie 16 Kanal Pult, schöne Sx300 mit passendem Amping und kleine Yamaha-Aktivmonitore... da ließe sich einiges zaubern...
 

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