Lynnie
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Für all die Schreibwütigen unter euch (mich einbezogen), hier mal einen Thread, wo ihr all eure Kurzgeschichten oder was auch immer loswerden könnt, wo ihr Kritik zu anderen Texten abgeben könnt (für die Kritiker unter euch ). Hier könnt ihr auch eure Wut, eurer Trauer oder euer Glück über irgendetwas in einer Rede o. ä. Ausdruck verleihen.
Wenn es einen solchen Thread schon gibt, dann entschuldige ich mich und bitte darum, diesen (meinen) Thread dann einfach zu löschen.
Fast alles ist erlaubt, von Fantasie bis bittere Realität. Natürlich muss ein Maß an Respekt bewiesen werden, deshalb sind alle Gewaltverherrlichende Texte (ohne Sarkasmus), sowie Frauenfeindliche, Männerfeindliche, Lesben bzw. Schwulenfeindliche, Ausländerfeindliche o.ä. Texte strengstens verboten! Außerdem ist es natürlich verboten Texte anderer Leute zu kopieren und es in seinem eigenen Namen irgendwo zu präsentieren! Kein Text darf ohne Erlaubnis des Verfassers irgendwo veröffentlicht werden. Ich hoffe, das ist verstanden und wird auch respektiert.
Ich fang dann mal einfach an mit einer Kurzgeschichte:
So muss das Leben sein
Ohne lange nachzudenken sprang ich die Mauer hinunter und rannte, ohne einen Gedanken an die Schmerzen an meinem linken Fuß zu denken, weiter die Straß hinab. Keuchend, trieb ich mich weiter an. Ich konnte schon von weitem die rote Jacke meines großen Bruders Felix sehen. Ich hatte ihn fast eingeholt. Ich sprang über die Mülltonne, die mir im Weg stand, gab noch einmal alles und überholte ihn. Mit einem kurzen Blick über die Schulter wollte ich mich vergewissern, dass er mich nicht sofort überholen würde und musste mir ein Lachen verkneifen. Er war vor Verblüffung stehen geblieben. Der Sieg gehörte schon fast mir. Peng! Au!, stöhnend hielt ich mir den Kopf. Ich war geradewegs gegen eine Straßenlaterne gerannt. Felix lief lachend an mir vorbei und rief: Das passiert wenn man nicht aufpasst. Tja, so besorgt wie er war musste ich ihm wohl beweisen dass ich trotz Gehirnerschütterung keine Laufschwierigkeiten hatte. Ich grinste hinterhältig und lief durch einen Nachbarschaftsgarten, sprang über zwei Zäune und riss unsere Verandatür auf, die Gott sei Dank niemals verschlossen war und setzte mich blitzschnell an den Küchentisch.
Ich hörte wie unsere Haustür aufgerissen wurde und Felix schrie: Ja! Gewonnen! Ich antwortete grinsend: Naja, fast. Verblüfft kam er in die Küche und sah mich ungläubig an. Du hast geschummelt!, sagte er. Bei einem Spiel ohne Regeln kann man nicht schummeln., erwiderte ich. Einen Moment starrten wir uns wütend an. Die Mundwinkel meines Bruders fingen an zu zucken, bis er schließlich zu Lachen anfing, in das ich einfiel. Du hättest dein Gesicht sehen sollen, als ich dich überholt habe!, rief ich lachend. Das war gar nichts gegen den Anblick, als du in die Straßenlaterne geknallt bist!, antwortete er, Tränen liefen ihm vor Lachen über die Wangen. Apropos, wie geht es überhaupt deinem Kopf?, fragte er. Den Umständen entsprechend gut., antwortete ich.
Obwohl es auf der Straße gar nicht den Anschein hatte, sah er mich nun voller Sorge an. Vielleicht sollten wir doch lieber zum Arzt gehen., meinte er und betrachtete meine Stirn. Ärgerlich sah ich ihn an. Etwas Eis würde genügen., sagte ich. Schnell machte er sich an der altersschwachen Tiefkühltruhe zu schaffen, nahm das Eis heraus und wickelte es in ein Tuch, das ich mir auf meine Stirn legte. Möchtest du wirklich nicht zum Arzt?, fragte Felix und sah mich wieder besorgt aus seinen braunen Augen an. Ich antwortete verärgert: Mutter konnten auch kein Ärzte helfen. Wie immer wenn die Sprache auf Mutter und ihr Gehirntumor kam, wich Felix meinem Blick aus.
Es war sechs Jahre her, seit sie gestorben ist und niemand von uns hatte sich je daran gewöhnen könne, doch für Felix war es am schwersten. Ich war damals acht, Felix zehn Jahre alt. Nun lebten wir bei unserer großen Schwester, die jetzt 26 Jahre alt war. Sie war die Vernünftige von uns, Felix der Besorgte und ich die Leichtsinnige. Somit brachte ich meine Schwester immer öfter zur Weißglut, während Felix ihr im Haushalt und auch wenn es etwas zu Reparieren gab zur Hand ging und so auch ihr ganzes Vertrauen besaß.
Ihr konnte man aber auch nicht mehr helfen., sagte Felix mit gepresster Stimme. Was ist, wenn du eine Gehirnerschütterung hast? Und was ist wenn nicht? Dann sind wir umsonst zum Arzt gegangen., antwortete ich. In dem Moment ging die Haustür auf. Hallo? Felix, Jasmin, seid ihr da?, rief eine Stimme. Hier sind wir., antwortete Felix. Unsere Schwester Katalin kam in die Küche, stellte die volle Einkaufstüte ab und hing ihren Autoschlüssel auf. Ihr Blick blieb an meiner Stirn hängen, ihre gerunzelte Stirn ließ nicht gerade Begeisterung entnehmen. Was hast du denn nun schon wieder angestellt?, fragte sie gereizt. Seit sie vor zwei Wochen ihre alte Stelle verloren hatte, war sie nun jeden Tag auf Arbeitssuche und kam abends immer todmüde nach Hause. Felix und ich blieben zum Mittagessen immer in der Schule.
Bin gegen eine Laterne gerannt., murmelte ich und senkte den Blick. Zeig mal her., sagte sie und bückte sich zu mir hinunter. Ich nahm das Tuch von meiner Stirn und sah zu Boden. Sie strich mir kurz über die geschwollene Stelle und sagte dann: Halb so schlimm, da hast du nochmal Glück gehabt. Ist nur eine Prellung. Behalte das Eis aber lieber drauf und sag mir sofort Bescheid, wenn du dich übergeben hast. Verstanden? Ich nickte. Katalin strich mir kurz übers Haar und wandte sich dann dem Abendessen zu. Helft ihr mir bitte? Wir bekommen heute Abend Besuch von Alex. Benehmt euch. Sonst wird er noch denken ihr würdet an mangelnder Erziehung leiden. Alex war Katalin`s langjähriger Freund, der jedoch nur ab und zu bei uns vorbeischaute, da er auch momentan auf Arbeitssuche war. Nur wohnte er drei Stunden von uns entfernt, und er wollte nicht jeden Tag hin und her fahren. Er und Katalin hatten sich bei Katalin`s Praktikum kennen gelernt. Sie arbeitete als Kinderkrankenschwester.
Felix sprang sofort auf und half Katalin beim Kochen, während ich unschlüssig herum stand und nicht wusste, was ich tun sollte. Nach einer Weile entschloss ich mich den Tisch zu decken. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Katalin Dekoration aus der Einkaufstüte holte. Sie sah teuer aus, und ich wusste, dass Katalin die wohl extra für Alex Besuch gekauft hatte. Also fragte ich Katalin wie beiläufig: Du hast doch hoffentlich nicht zu viel Geld für alles ausgegeben? Gestern hast du erst eine neue Mikrowelle gekauft. Darauf folgte Totenstille. Ich wusste, dass ich das nicht hätte sagen sollen, doch ich hatte vor einer Woche gehört, wie Katalin am Telefon mit Alex von Geldschwierigkeiten gesprochen und ich machte mir seither Sorgen, ob wir es noch länger ohne Hilfen schaffen würden. Katalin hatte schon, bevor sie ihren Job verloren hatte, Mühe gehabt nicht zu viel Geld auszugeben. Doch es sprach gegen ihren Stolz um Arbeitslosengeld zu fragen. Warum, wusste ich nicht.
Was sagtest du eben, Jasmin?, fragte Katalin mit eisiger Stimme. Ich schluckte und drehte mich langsam um. Ich begegnete Felix` besorgtem Blick, bevor mich Katalin`s stahlblaue Augen trafen.
Sie war die einzige, die Mutter`s Augenfarbe besaß. Felix und ich hatten braune Augen, wie unser Vater der vor langer Zeit abgehauen war.
Du hast Dekoration gekauft. Wir brauchen keine Dekoration., antwortete ich. Und ob wir Dekoration brauchen! Wie lange hatten wir schon keine mehr?, fragte Katalin zurück. Dekoration ist zu teuer für uns! Ich wette du hast auch mehr Essen gekauft als nötig gewesen wäre! Ich wusste, dass ich unfair war, doch ich machte mir Sorgen, dass das Geld nicht reichen würde. Nur weil ich es einmal schön haben wollte, musst du jetzt nicht auf mir rumhacken, Jasmin. Für wen hältst du dich? Für unsere Mutter?, fragte Katalin. Felix sah rasch von mir zu Katalin und wieder zurück. Nein. Aber du gibst zu viel aus, und das betrifft nicht alleine dich! Das betrifft uns alle., rief ich. Katalin nahm einen Teller und schmiss ihn mit voller Wucht auf den Boden. Seit wann kümmert dich das? Du hast es gut, du musst nur jeden Tag nach Hause kommen, hast Essen auf dem Tisch und erzählst, wie schön dein Tag gewesen ist! Wie oft hast du mal gefragt, wie mein Tag gewesen ist?, schrie sie. Ich tue alles für euch! Ich putze, ich koche, ich tue so als wäre alles heile Welt, nur damit es euch verdammt noch mal gut geht! Weißt du, warum ich keine Arbeit bekomme? Wegen euch! Weil es dich und Felix gibt.
Erschrocken starrten Felix und ich sie an. Sie schien über sich selbst entsetzt zu sein. Wie Wie meinst du das?, fragte Felix verwirrt. Ich muss flexibel für diesen Job sein. Ich muss jederzeit ins Krankenhaus kommen oder Hausbesuche machen. Doch das kann ich nicht, weil ich euch beide hab., sagte Katalin und sah zum Fenster hinaus. Felix und ich wechselten rasch einen kurzen Blick. Aber du hättest es uns doch sagen können. Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr., sagte ich. Ach ja?, fragte Katalin und sah mir kalt in die Augen. Jede Woche kommst du mit einer neuen Verletzung nach Hause. Und mindestens einmal im Monat musst du etwas genäht bekommen, weil du einfach über nichts nachdenkst. Entweder fällst du von einem Baum oder du läufst gegen eine Straßenlaterne. Wenn ich einmal nicht da bin und du musst schon wieder etwas genäht bekommen, wer fährt dich dann zum Arzt? Felix macht erst in zwei Jahren seinen Führerschein. Und auch halte ich nicht viel davon wenn unsere Nachbarn auf euch aufpassen müssen. Man würde euch ins Heim stecken, wenn sie merken würden, dass ich mich nicht richtig um euch kümmern könnte. Ich könnte mich zusammen reißen., antwortete ich. Bist du dir da sicher?, fragte Katalin zweifelnd. Ja, ich wäre mir da sicher. Katalin nickte. Nun gut, ich werde mich morgen noch einmal bei einem Krankenhaus bewerben, falls sie mich aufnehmen, darf dir in meiner Probezeit nichts passieren. Falls doch, kann ich nichts versprechen. Ich sah Felix kurz an. Felix nickte mir zu. Katalin lächelte. Danke., sagte sie.
In dem Moment klopfte es an der Haustür. Entsetzt sah Katalin zu dem erst halb fertigem Essen. Verdammt, Alex ist schon da!, fluchte sie. Ich mach schon auf. Er wird schon nicht wütend sein., sagte ich.
Und ich behielt Recht. Alex half uns beim Kochen und brachte uns dabei auch noch zum Lachen. Selbst beim Essen schien die Stimmung mit ihm um das Hundertfache anzusteigen. Er erzählte von Leuten mit Sprachfehlern oder merkwürdigen Angewohnheiten, machte ihre Stimmen nach (ich kannte keinen der so gut Stimmen nachahmen konnte, wie Alex) und brachte uns durch seine bloße Anwesenheit zum Lachen. Es wurde ein herrlicher Abend. So schön wie lange nicht mehr, denn endlich fühlten wir uns mal wieder wie eine richtige Familie. Selbst Katalin sah so glücklich und befreit aus, wie lange nicht mehr. Felix und ich lächelten uns verstohlen an. Wir dachten beide dasselbe. So, genau so müsste das Leben immer sein.
Wenn es einen solchen Thread schon gibt, dann entschuldige ich mich und bitte darum, diesen (meinen) Thread dann einfach zu löschen.
Fast alles ist erlaubt, von Fantasie bis bittere Realität. Natürlich muss ein Maß an Respekt bewiesen werden, deshalb sind alle Gewaltverherrlichende Texte (ohne Sarkasmus), sowie Frauenfeindliche, Männerfeindliche, Lesben bzw. Schwulenfeindliche, Ausländerfeindliche o.ä. Texte strengstens verboten! Außerdem ist es natürlich verboten Texte anderer Leute zu kopieren und es in seinem eigenen Namen irgendwo zu präsentieren! Kein Text darf ohne Erlaubnis des Verfassers irgendwo veröffentlicht werden. Ich hoffe, das ist verstanden und wird auch respektiert.
Ich fang dann mal einfach an mit einer Kurzgeschichte:
So muss das Leben sein
Ohne lange nachzudenken sprang ich die Mauer hinunter und rannte, ohne einen Gedanken an die Schmerzen an meinem linken Fuß zu denken, weiter die Straß hinab. Keuchend, trieb ich mich weiter an. Ich konnte schon von weitem die rote Jacke meines großen Bruders Felix sehen. Ich hatte ihn fast eingeholt. Ich sprang über die Mülltonne, die mir im Weg stand, gab noch einmal alles und überholte ihn. Mit einem kurzen Blick über die Schulter wollte ich mich vergewissern, dass er mich nicht sofort überholen würde und musste mir ein Lachen verkneifen. Er war vor Verblüffung stehen geblieben. Der Sieg gehörte schon fast mir. Peng! Au!, stöhnend hielt ich mir den Kopf. Ich war geradewegs gegen eine Straßenlaterne gerannt. Felix lief lachend an mir vorbei und rief: Das passiert wenn man nicht aufpasst. Tja, so besorgt wie er war musste ich ihm wohl beweisen dass ich trotz Gehirnerschütterung keine Laufschwierigkeiten hatte. Ich grinste hinterhältig und lief durch einen Nachbarschaftsgarten, sprang über zwei Zäune und riss unsere Verandatür auf, die Gott sei Dank niemals verschlossen war und setzte mich blitzschnell an den Küchentisch.
Ich hörte wie unsere Haustür aufgerissen wurde und Felix schrie: Ja! Gewonnen! Ich antwortete grinsend: Naja, fast. Verblüfft kam er in die Küche und sah mich ungläubig an. Du hast geschummelt!, sagte er. Bei einem Spiel ohne Regeln kann man nicht schummeln., erwiderte ich. Einen Moment starrten wir uns wütend an. Die Mundwinkel meines Bruders fingen an zu zucken, bis er schließlich zu Lachen anfing, in das ich einfiel. Du hättest dein Gesicht sehen sollen, als ich dich überholt habe!, rief ich lachend. Das war gar nichts gegen den Anblick, als du in die Straßenlaterne geknallt bist!, antwortete er, Tränen liefen ihm vor Lachen über die Wangen. Apropos, wie geht es überhaupt deinem Kopf?, fragte er. Den Umständen entsprechend gut., antwortete ich.
Obwohl es auf der Straße gar nicht den Anschein hatte, sah er mich nun voller Sorge an. Vielleicht sollten wir doch lieber zum Arzt gehen., meinte er und betrachtete meine Stirn. Ärgerlich sah ich ihn an. Etwas Eis würde genügen., sagte ich. Schnell machte er sich an der altersschwachen Tiefkühltruhe zu schaffen, nahm das Eis heraus und wickelte es in ein Tuch, das ich mir auf meine Stirn legte. Möchtest du wirklich nicht zum Arzt?, fragte Felix und sah mich wieder besorgt aus seinen braunen Augen an. Ich antwortete verärgert: Mutter konnten auch kein Ärzte helfen. Wie immer wenn die Sprache auf Mutter und ihr Gehirntumor kam, wich Felix meinem Blick aus.
Es war sechs Jahre her, seit sie gestorben ist und niemand von uns hatte sich je daran gewöhnen könne, doch für Felix war es am schwersten. Ich war damals acht, Felix zehn Jahre alt. Nun lebten wir bei unserer großen Schwester, die jetzt 26 Jahre alt war. Sie war die Vernünftige von uns, Felix der Besorgte und ich die Leichtsinnige. Somit brachte ich meine Schwester immer öfter zur Weißglut, während Felix ihr im Haushalt und auch wenn es etwas zu Reparieren gab zur Hand ging und so auch ihr ganzes Vertrauen besaß.
Ihr konnte man aber auch nicht mehr helfen., sagte Felix mit gepresster Stimme. Was ist, wenn du eine Gehirnerschütterung hast? Und was ist wenn nicht? Dann sind wir umsonst zum Arzt gegangen., antwortete ich. In dem Moment ging die Haustür auf. Hallo? Felix, Jasmin, seid ihr da?, rief eine Stimme. Hier sind wir., antwortete Felix. Unsere Schwester Katalin kam in die Küche, stellte die volle Einkaufstüte ab und hing ihren Autoschlüssel auf. Ihr Blick blieb an meiner Stirn hängen, ihre gerunzelte Stirn ließ nicht gerade Begeisterung entnehmen. Was hast du denn nun schon wieder angestellt?, fragte sie gereizt. Seit sie vor zwei Wochen ihre alte Stelle verloren hatte, war sie nun jeden Tag auf Arbeitssuche und kam abends immer todmüde nach Hause. Felix und ich blieben zum Mittagessen immer in der Schule.
Bin gegen eine Laterne gerannt., murmelte ich und senkte den Blick. Zeig mal her., sagte sie und bückte sich zu mir hinunter. Ich nahm das Tuch von meiner Stirn und sah zu Boden. Sie strich mir kurz über die geschwollene Stelle und sagte dann: Halb so schlimm, da hast du nochmal Glück gehabt. Ist nur eine Prellung. Behalte das Eis aber lieber drauf und sag mir sofort Bescheid, wenn du dich übergeben hast. Verstanden? Ich nickte. Katalin strich mir kurz übers Haar und wandte sich dann dem Abendessen zu. Helft ihr mir bitte? Wir bekommen heute Abend Besuch von Alex. Benehmt euch. Sonst wird er noch denken ihr würdet an mangelnder Erziehung leiden. Alex war Katalin`s langjähriger Freund, der jedoch nur ab und zu bei uns vorbeischaute, da er auch momentan auf Arbeitssuche war. Nur wohnte er drei Stunden von uns entfernt, und er wollte nicht jeden Tag hin und her fahren. Er und Katalin hatten sich bei Katalin`s Praktikum kennen gelernt. Sie arbeitete als Kinderkrankenschwester.
Felix sprang sofort auf und half Katalin beim Kochen, während ich unschlüssig herum stand und nicht wusste, was ich tun sollte. Nach einer Weile entschloss ich mich den Tisch zu decken. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Katalin Dekoration aus der Einkaufstüte holte. Sie sah teuer aus, und ich wusste, dass Katalin die wohl extra für Alex Besuch gekauft hatte. Also fragte ich Katalin wie beiläufig: Du hast doch hoffentlich nicht zu viel Geld für alles ausgegeben? Gestern hast du erst eine neue Mikrowelle gekauft. Darauf folgte Totenstille. Ich wusste, dass ich das nicht hätte sagen sollen, doch ich hatte vor einer Woche gehört, wie Katalin am Telefon mit Alex von Geldschwierigkeiten gesprochen und ich machte mir seither Sorgen, ob wir es noch länger ohne Hilfen schaffen würden. Katalin hatte schon, bevor sie ihren Job verloren hatte, Mühe gehabt nicht zu viel Geld auszugeben. Doch es sprach gegen ihren Stolz um Arbeitslosengeld zu fragen. Warum, wusste ich nicht.
Was sagtest du eben, Jasmin?, fragte Katalin mit eisiger Stimme. Ich schluckte und drehte mich langsam um. Ich begegnete Felix` besorgtem Blick, bevor mich Katalin`s stahlblaue Augen trafen.
Sie war die einzige, die Mutter`s Augenfarbe besaß. Felix und ich hatten braune Augen, wie unser Vater der vor langer Zeit abgehauen war.
Du hast Dekoration gekauft. Wir brauchen keine Dekoration., antwortete ich. Und ob wir Dekoration brauchen! Wie lange hatten wir schon keine mehr?, fragte Katalin zurück. Dekoration ist zu teuer für uns! Ich wette du hast auch mehr Essen gekauft als nötig gewesen wäre! Ich wusste, dass ich unfair war, doch ich machte mir Sorgen, dass das Geld nicht reichen würde. Nur weil ich es einmal schön haben wollte, musst du jetzt nicht auf mir rumhacken, Jasmin. Für wen hältst du dich? Für unsere Mutter?, fragte Katalin. Felix sah rasch von mir zu Katalin und wieder zurück. Nein. Aber du gibst zu viel aus, und das betrifft nicht alleine dich! Das betrifft uns alle., rief ich. Katalin nahm einen Teller und schmiss ihn mit voller Wucht auf den Boden. Seit wann kümmert dich das? Du hast es gut, du musst nur jeden Tag nach Hause kommen, hast Essen auf dem Tisch und erzählst, wie schön dein Tag gewesen ist! Wie oft hast du mal gefragt, wie mein Tag gewesen ist?, schrie sie. Ich tue alles für euch! Ich putze, ich koche, ich tue so als wäre alles heile Welt, nur damit es euch verdammt noch mal gut geht! Weißt du, warum ich keine Arbeit bekomme? Wegen euch! Weil es dich und Felix gibt.
Erschrocken starrten Felix und ich sie an. Sie schien über sich selbst entsetzt zu sein. Wie Wie meinst du das?, fragte Felix verwirrt. Ich muss flexibel für diesen Job sein. Ich muss jederzeit ins Krankenhaus kommen oder Hausbesuche machen. Doch das kann ich nicht, weil ich euch beide hab., sagte Katalin und sah zum Fenster hinaus. Felix und ich wechselten rasch einen kurzen Blick. Aber du hättest es uns doch sagen können. Wir sind doch keine kleinen Kinder mehr., sagte ich. Ach ja?, fragte Katalin und sah mir kalt in die Augen. Jede Woche kommst du mit einer neuen Verletzung nach Hause. Und mindestens einmal im Monat musst du etwas genäht bekommen, weil du einfach über nichts nachdenkst. Entweder fällst du von einem Baum oder du läufst gegen eine Straßenlaterne. Wenn ich einmal nicht da bin und du musst schon wieder etwas genäht bekommen, wer fährt dich dann zum Arzt? Felix macht erst in zwei Jahren seinen Führerschein. Und auch halte ich nicht viel davon wenn unsere Nachbarn auf euch aufpassen müssen. Man würde euch ins Heim stecken, wenn sie merken würden, dass ich mich nicht richtig um euch kümmern könnte. Ich könnte mich zusammen reißen., antwortete ich. Bist du dir da sicher?, fragte Katalin zweifelnd. Ja, ich wäre mir da sicher. Katalin nickte. Nun gut, ich werde mich morgen noch einmal bei einem Krankenhaus bewerben, falls sie mich aufnehmen, darf dir in meiner Probezeit nichts passieren. Falls doch, kann ich nichts versprechen. Ich sah Felix kurz an. Felix nickte mir zu. Katalin lächelte. Danke., sagte sie.
In dem Moment klopfte es an der Haustür. Entsetzt sah Katalin zu dem erst halb fertigem Essen. Verdammt, Alex ist schon da!, fluchte sie. Ich mach schon auf. Er wird schon nicht wütend sein., sagte ich.
Und ich behielt Recht. Alex half uns beim Kochen und brachte uns dabei auch noch zum Lachen. Selbst beim Essen schien die Stimmung mit ihm um das Hundertfache anzusteigen. Er erzählte von Leuten mit Sprachfehlern oder merkwürdigen Angewohnheiten, machte ihre Stimmen nach (ich kannte keinen der so gut Stimmen nachahmen konnte, wie Alex) und brachte uns durch seine bloße Anwesenheit zum Lachen. Es wurde ein herrlicher Abend. So schön wie lange nicht mehr, denn endlich fühlten wir uns mal wieder wie eine richtige Familie. Selbst Katalin sah so glücklich und befreit aus, wie lange nicht mehr. Felix und ich lächelten uns verstohlen an. Wir dachten beide dasselbe. So, genau so müsste das Leben immer sein.
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