Gefällt mir sehr gut!
Du hast ja im Eingangspost speziell nach der Dramaturgie gefragt und die finde ich hier sehr deutlich. Du kommst mehrfach auf ein Grundthema zurück und setzt es jeweils in einen anderen Kontext, führst es anders weiter und/oder löst es anders auf (ich kann es nur so unfachlich beschreiben, hoffe aber, es wird verstanden).
Gleichzeitig öffnest Du emotionale Welten bzw. stößt Fenster und Türen dazu auf: Ruhe, Besinnung, Trauer, Sturm, Aufbruch ... bildlich gesprochen ungefähr drei von vier Jahreszeiten ... führst hinein und wieder hinaus.
Das trägt erheblich zu einer aufrecht erhaltenen Spannung bei, die ja immerhin über 11 Minuten trägt (und das tut sie für mich) - Du läßt mehr Elemente (rhytmisch, melodisch etc.) einfließen und gleichzeitig bleibt für das Improvisierte erhalten als etwas, das beim Zuhörer die Assoziationen fließen läßt und dazu einlädt, Dir zu folgen, der Du Deinen Assoziationen bewußt-unbewußt folgst.
Ich weiß jetzt gar nicht, ob das musikalisch gesehen, den Begriff Improvisation faßt, zumindest aber doch so weit, dass es eben nicht komplett "auskompomiert" bzw. vorher festgehalten/vorgeschrieben ist und sich von den Eingebungen des Momentes speist ... Dabei ist der Rahmen, der den Bezug schafft, genauso wichtig wie die Freiheit, sich in ihm zu bewegen (oder ihn kurz zu verlassen) und diese Freiheit wiederum steigt in dem Maße, wie man Material und musikalische Fähigkeiten, Stilmuster, Rhytmen etc. hat, aus denen man schöpfen kann ...
Da finde ich nun in dieser Improvisation mehr, aus dem geschöpft wird und vielfältigere Spuren und Mittel, die in die Improvisation eingehen, was wiederum dazu beiträgt, dass es dramaturgisch interessanter wird, ohne dass es ins Beliebige hineingeht oder ein reines Zeigen von Effekten und Mustern ist (schaut mal, was ich alles kann).
Sehr angenehm. Öffnet Fenster, setzt Bilder frei, ich folge dem gerne. Ich finde auch angenehm, dass ich das Gefühl habe, Dir geht es genau um das: um die Musik bzw. die musikalische Schöpfung - und nicht um Dich selbst. Hört sich vielleicht komisch an in Bezug auf Improvisationen, die ja wesentlich vom jeweiligen Schöpfer abhängen - aber ich hoffe einfach mal, dass es bei Dir so ankommt wie es gemeint ist.
Was den Puls angeht: Ja - es ist mehr davon da, er ist deutlicher zu spüren.
Für mich ist Puls etwas, das dem Ganzen unterliegt, was aber als Stilmittel auch mal "pur" angespielt werden und aufblitzen kann. Da man mit Worten Musik nur unzuänglich beschreiben kann (zumindest geht es mir so), ein Beispiel von dem, was ich meine - es ist beim Köln Konzert von Keith Jarret im Teil 1 die Stelle von 2:20 bis etwa 2:30.
Das ist nun auch mein ganz persönlicher Geschmack und ich kann von "Ach - nicht der schon wieder" über "die ollen Kamellen" bis zu "das ist nicht meins" oder "zu jazzig / poppig" alles verstehen und vielleicht willst Du darauf gar nicht hinaus. Alles in Ordnung - es ist Deine musikalische Welt, um die es geht und nicht um das, was mein Geschmack ist.
Ich kann es aber in eine Frage packen: Ist das ein Stilmittel, das Dich interessiert? Ein Stilmittel, von dem Du denkst, dass es Deine Improvisationen bereichern könnte?
Herzliche Grüße
x-Riff