Komposition und Arrangement am Beispiel "Ta Fête, Dirty Loops"

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Johannes Hofmann
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Ich habe kürzlich im WWW ein Arrangement gefunden, das mich schlicht vom Hocker gehauen hat:



Das ist ein Cover dieses Titels aus der Disco-Szene, der mir dagegen eher nichts sagt:



Hier noch ein Link, wohl zu der originalen Studio-Produktion: http://www.izlesene.com/video/stromae-ta-fte/7049538

Ich will hier einfach mal zur Diskussion stellen, wie stark ein Arrangement eine Komposition verändern kann, wobei es sicher nicht nur am Arrangement sondern auch an der exorbitanten Qualifikation der Musiker im ersten Video liegt.

Zur rechtlichen Situation: So ein Arrangement muss von den Urheberrechtsinhabern der ursprünglichen Version (Komponist, Texter) bzw deren Verlag legitimiert werden. Man darf das also nicht so einfach machen und veröffentlichen. Allerdings gibt es viele Fälle, wo ein Arrangement erfolgreicher war, als das Original (was ich aber hier wiederum nicht unbedingt glaube).
 
Eigenschaft
 
Hi,

da gebe ich Dir Recht. Ein gutes Arrangement oder auch eine außergewöhnliche Performance kann einen Song in ein ganz neues Licht stellen, was die Ursprungskomposition dann eventuell auffrischt und interessanter macht.

Ich denke auch die Gruppe Pomplamoose hat da einiges gemacht.

My Favorite Things
 
Hi,
schönes Thema, bei dem wohl etliche Beispiele gefunden werden können, bei denen die Kompositionen, Arrangements und Interpretationen einen vorliegenden Song völlig anders (und gleichwohl qualitativ mindestens gleichwertig) erklingen lassen, ihm neue Seiten abgewinnen, neue Fenster öffnen können.

Ein Klassiker ist wohl der Beatles song With a little Help of my Friends:


Ein Beatles-Song, dem man nicht nachsagen kann, dass er nicht schon Klasse hat. Was aber Joe Cocker daraus gemacht hat, hat wirklich eine eigene Qualität, nicht nur was die berühmte Verschiebung auf einen 3/4-Rhytmus angeht, sondern auch die Art, wie er den songtext/inhalt interpreetiert und wie seine Bandmitglieder die musikalischen Themen behandeln, herausheben, ins Furiose steigern und letztlich die Art, wie die Dynamik und Intensität des songs gesteigert wird (womit auch die handwerklich-instrumentellen Fähigkeiten einhergehen, die in diese Interpretation hineingelegt werden):


Ich möchte hier übrigens nicht von "besser" oder "schlechter" sprechen, das ist Geschmacksache und ist auch ganz gut so.
Eine Veränderung der Kompositon, des Arrenagements und der Interpretation ist für mich dann gelungen oder stimmig, wenn man denkt, dass er genau so sein müsse oder vielleicht besser so gesagt: dass er auch ohne das Original eine eigene Qualität hat.

x-Riff
 
...schönes Thema, bei dem wohl etliche Beispiele gefunden werden können...
Allerdings :)
Der flott vorgetragene Song "Just like Heaven" von The Cure wird bei Katie Melua zur wunderschönen Ballade, was die Melancholie des besungenen Verlustes umso deutlicher zur Geltung bringt.

The Cure


Katie Melua
 
... With a little Help of my Friends...

Das ist natürlich ein Überknaller, wenn's um Arrangement geht. Ich erinnere lebhaft, wie uns damals die Kinnlade runtergeklappt ist, als wir das zum ersten mal hörten. With a little Help of my Friends von den Beatles kannten wir natürlich und es gab das Gerücht, dass John & Paul und Paul das Stück nur geschrieben hatten, um Ringo Starr zu ärgern. Und dann so ein Hammer von Joe Cocker. Aber da waren auch echte Könner am Werk, uA afaik Jimmy Page.
 
Das ist natürlich ein Überknaller, wenn's um Arrangement geht. Ich erinnere lebhaft, wie uns damals die Kinnlade runtergeklappt ist, als wir das zum ersten mal hörten. .
Das live zu sehen war auch ein Erlebnis, das man zeitlebens erinnert. :D
Joe Cocker spielte im Sommer 1972 mit mehrstündiger Verspätung (angeblich Autobahnstau, tatsächlich bühnentauglich "nüchtern" werden) noch nach 23:00 Uhr als Top-Act auf einem Pop-Festival meiner Heimatstadt und es war für mich mit meinen damals 16 Jahren geradezu unglaublich.
Offenbar hatte es auch die Beamten des bayerischen Innenmisisteriums schwer beeindruckt:
http://www.zeit.de/1972/33/ist-rock-drogenmusik
 
Ein anderes Beispiel aus früheren Zeiten ist: Johnny Cash - Ring of Fire
Wir interessierten uns nicht sonderlich für Country und Cash war nicht unsere Generation.

Beachtung fand der Song allerdings in dieser Version von Eric Burdon: Eric Burdon & the Animals - Ring Of Fire (1969)

Es lassen sich sicher noch viele interessante Beispiele finden, über die man plaudern kann. Das soll auch keinesfalls unterbrochen werden, doch in diesem UF geht es um:
Die Umsetzung theoretischer Kenntnisse in die praktische musikalische Planung: Formablauf, Instrumentation, Stimmführung, Generalbass-Realisation, Voicings, Arrangement

Wenigstens eine musiktheoretische Frage wäre:

Wodurch unterscheiden sich die Arrangements in den beiden von Joahnnes angegebenen Beispielen, z.B. harmonisch. Oder auch:
Inwiefern genügen die eingesetzten Akkordfolgen in den Videos von "Dirty Loops" und "Pomplamoose" noch den Gesetzmäßigkeiten der Funktionsharmonik?

Die Zahl der Klicks könnten evtl. einen Trend vermuten lassen. Jedenfalls haben die Musiker aus beiden Gruppen eine gute Ausbildung und vielleicht auch die Fähigkeit, neue Trends zu setzen.

Viele Grüße
Klaus
 
Zur Harmonik des Dirty Loops Covers:

Zu Beginn dreht sich alles um C# und D, wobei über C# mixo(b9,b13) bzw HM5 gespielt wird. D klingt von der Chordscale ziemlich nach Dmaj7#11, also lydisch. D lässt sich in C#-Dur also als bIImaj7 deuten, was ein typischer Modal-Interchange-Akkord ist und einer Umkehrung des Neapolitaners entspricht.

Bei 0:25 schlägt die Tonalität nach Db-Moll um. Die Akkorde in Schleife sind: Dbm Gbm Abm Dbm ... Im IVm Vm Im ... wir befinden uns also in Db-Äolisch.

Das Bassriff bei 0:39 ist nun wieder ziemlich eindeutig Db-Phrygisch.

Ab 0:54 geht die Schieberei los:

| Fm7 Gbm7 | Abm7 Bbm7 | Dmaj7#9 Abm7 | Cmaj7#11 Dbm7 |
| Fm7 Gbm7 | Bm7 F#maj9/Bb | Dmaj7 E | F#m7/A G#m7 F#m7 |

Nun wieder die ersten beiden Teile ...


Das Ende bei 1:52 ist fast wie beim vorherigen Umlauf:
| Fm7 Gbm7 | Abm7 Bbm7 | Dmaj7#9 Abm7 | Cmaj7#11 Dbm7 |
| Bbm7 Bm7 | Em7 Ebm7 | Gmaj7 C#m7 | Bm7/D C#m7 Bm7 |
|Esus4 | Amaj7/C# | ... |

Weite Teile sind also schon Funkionsharmonisch. In den Teilen in denen m7 bzw maj7 Akkorde verschoben werden ändern sich für mich eher Farben, wobei am Ende jeweils eine Tonalität klargemacht wird. Zum Schluss gibt es sogar (fast) eine III VI II V I -Kadenz in A-Dur.

Ich hab Dirty Loops letztens in Berlin Live gesehen ... es geht halt 1h ohne Pause dieses Geballer ab. ;)
... allerdings kam einfach vieles vom Band. Immerhin saß ein vierter Mann mit tausend Keyboards auf der Bühne und hat warscheinlich alle Einspieler bedient.

Das andere Cover ist so schief gesungen dass ich mir nicht traue irgendwelche Akkord zu bestimmen. ;)
 
Aber da waren auch echte Könner am Werk, uA afaik Jimmy Page.

Da fällt mir doch glatt noch ein Beispiel zu ein und auch auf die Gefahr hin, hier in der Nostalgie-Ecke abzudriften und dort zu verharren bis der Nachbar kommt und mir den Saft abdreht - der alte Blues-Titel "When the leavy breaks" von Kansas Joe Mc Coy and Memphis Minnie aus dem Jahr 1927 und seine Interpretation durch Led Zepellin gehören für mich zu den songs, die eher eine umfassende Neuinterpretation denn ein Cover sind:

Kansas Joe Mc Coy and Memphis Minnie:


Led Zeppelin:


Im besten Sinne wohltuend und beruhigend finde, dass sich allerdings Beispiele für extrem gute Behandlungen von Komposition, Arrangement und Interpretation von Songs auf sehr hochstehendem Niveau mit eindeutiger Eigenständigkeit in allen Musikrichtungen und allen Zeiten finden lassen.

Wobei ich freimütig eingestehen muss, dass ich auf musiktheoreischen oder analytischen Gebiet wohl wenig bis gar nichts beisteuern kann. Mal grob eingeschätzt, haben Led Zeppelin an den Akkordfolgen und den Harmonien nichts geändert (was wohl auch auf Joe Cockers With a little help zutrifft), die gänzlich andere Stimmung, die bei Led Zeppelin erzeugt wird, geht meines Erachtens im Wesentlichen auf die grundsätzlich rockig-schleppende Umsetzung zurück, dem betonten beat des drums, dem geradezu hypnotischen Gitarrenspiel, dem expressiv-intensiven Gesang und dem freien Ausspielen der angelegten musikalischen Elemente, inklusive dem eigentlich genretypischen Einsatz der Bluesharp. Im Grunde wird ein klassischer bluessong in das Genre des heavy Rock transportiert, das aber freilich aus meiner Sicht radikal und gänzlich überzeugend - im Wesentlichen durch ein neues Arrangement.

x-Riff
 
Zuletzt bearbeitet:
Wobei ich freimütig eingestehen muss, dass ich auf musiktheoreischen oder analytischen Gebiet wohl wenig bis gar nichts beisteuern kann. Mal grob eingeschätzt, ...rockig-schleppende Umsetzung ...
Manchmal reicht es, wenn es einfach von geilen Musikern gespielt wird.

Die rockig-schleppende Umsetzung kannte Mr Page sicher auch von Vanilla Fudge, die das meisterhaft umgesetzt und damit etliche Cover-Hits gelandet haben.

Musterbeispiel: You keep me hanging on, dass dadurch gleich 2x zum Superhit wurde:

<span style="color: rgb(0, 0, 0); background-color: rgb(251, 252, 252);">

Und hier die Version, die Vanilla Fudge über Nacht weltbekannt machte:

 
Ein schönes Beispiel für eine Neuaufbereitung eines Songs: "Engel" von Rammstein im (teilweise ausschweifenden) Chorsatz.

Original:

Chor:


Oliver Gies von "Maybebop" hat dahingehend einige Stückerl gezaubert, unter anderem "Bohemian Rhapsody" oder "Smells Like Teen Spirit" für vier Stimmen. Sind alles Stücke, die für sich bereits Kultfaktor erreicht haben, denen aber in diesen Arrangements zumindest für mich neue Facetten herausgezaubert werden.

Für mich geht es beim Neuarrangieren von Stücken darum, dass man sich überlegt welche Elemente man hervorheben oder weglassen möchte. Bei "Engel" wird durch den sehr viel ruhigeren Bass im Chorsatz (bei Rammstein bewegt er sich viel mehr) eine ruhigere Stimmung geschaffen, welche die Spannung stark erhöht (für mich zumindest). Ich finde es aber auch spannend, wenn man komplexere Stücke reduziert. Etwa beim "Verrocken" die Terzen weglässt und den Fokus mehr auf harte Rhythmen legt, wo man aus Stücken wieder etwas komplett Neues machen kann.
 

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