so, dankt Arzt neues Wissen: Ich hab wohl eine Fokale Dystonie:
Bisserl Google dazu:
Fortgesetzte Ausübung von repetierenden, stereotypen feinmotorischen Bewegungen, verbunden mit Stress, hoher Motivation und Perfektionismus kann zu Bewegungs und Kontrollproblemen des feinmotorischen Apparates führen, bis zur sog. repetetive stress injury-focal dystonia (RSI-FHD).
Die Häufigkeit des Auftretens fokaler Dystonien liegt für Instrumentalmusiker in Deutschland zwischen 1:200 und 1:500. (Im Vergleich dazu andere Berufsgruppen: 1:3.400) Diese Erkrankung ist im Bereich von allgemein berufsbedingten Muskelkrämpfen auch bekannt als occupational hand cramps.
Die Symptomatik dieser im Prinzip schmerzlosen Erkrankung umfasst Arythmik, unwillkürliche Ko-Kontraktionen, z.B. von Beugern und Streckern der Hand oder der Gesichtsmuskulatur, während der Durchführung einer spezifischen Aufgabe wie Schreiben oder ein Musikinstrument spielen.
Es entsteht ein Verlust von Reflexhemmung mit obengenannten Ko-kontraktionen, Ungenauigkeit, Tempoverlust und anormaler Sequenzierung der feinmotorischen (Finger, Lippen, Zunge) Muskelkoordination.
Entsprechend zu dem manifesten Verlust der Bewegungskontrolle kommt es auf dem primären motorischen Cortex zu einer somatosensorischen Degradierung und gewissermaßen Verunklarung, Überlappung der Darstellung auf den entsprechenden Hirnrindenfeldern. Es ist inzwischen nachgewiesen, dass bei einer Reorganisation der Bewegungskontrolle durch spezielles somatosensorisches Unterscheidungstraining auch die Darstellung auf der Hirnrinde sich entsprechend normalisieren kann.
Bei der Symptomatik der Musiker Dystonie treten die Verkrampfungen in einzelnen Muskeln oder Muskelgruppen auf. Diese Muskelgruppen sind maßgeblich bei lange geübten und hochkomplexen Bewegungsabfolgen der jeweiligen Instrumentaltechnik beteiligt. Eine typische Symptomatik kann wie folgt beschrieben werden:
Bei einem Pianisten kommt es während des Spiels zu einer unwillkürlichen Zusammenziehung des vierten und fünften Fingers. Dies ist eine existentielle Beeinträchtigung der Geläufigkeit, des Trillerspiels und der Gesamtkoordination. Der Betroffene kann durch willentliche Vorstellung die Verkrampfung nicht verhindern. Typisch ist, dass der Pianist, beispielsweise eine Tonleiter mit der betroffenen Hand störungsfrei beginnen kann (mit Daumen , 1.- und 2. Finger, und dann beim 3. Finger die Störung auftritt. Ähnliches ist auch bei Bläsern, Gitarristen und Streichern zu beobachten. Es kommt vor, dass beispielsweise ein Geiger plötzlich einen Finger seiner linken Hand nicht mehr vom Griffbrett heben kann, da sich die Flexoren (Fingerbeuger) unwillkürlich zusammenziehen. Seltener kann die Dystonie auch die Lippenmuskulatur eines Bläsers beeinträchtigen. Der Betroffene ist nicht mehr in der Lage, seine Lippenmuskulatur so zu kontrollieren, dass er die zu Tonerzeugung nötige Ansatzspannung regulieren kann. Eine andere Art der Fokalen Dystonie betrifft mehrere Muskelgruppen und korrumpiert beispielsweise die Vibratobewegung. Der Musiker kann dann die Amplitude und die Frequenz nicht mehr willentlich beeinflussen.
Allen Fällen ist gemeinsam, dass die gestörte Bewegung nur in der instrumentaltypischen Haltung auftritt. Die Motorik in anderen Haltungen oder Funktionen ist nicht beeinträchtigt.
Nach Untersuchungen von Prof. Dr. E. Altenmüller in Hannover fällt auf, dass Fokale Dystonie häufiger bei Musikern auftritt, die sehr lange und intensiv über mehrere Jahre (4-8 Stunden pro Tag) geübt haben. Dies trifft am ehesten auf Pianisten und Gitarristen zu, gefolgt von den Streichern. Auffällig ist auch, dass bei Pianisten meist die rechte Hand betroffen ist und bei Streichern sehr oft die linke. Die Störung trifft die Muskelgruppen, die am intensivsten belastet werden. Weiterhin kann gesagt werden, dass fast immer Musiker in exponierten Stellungen, also Solisten, Konzertmeister und Solobläser betroffen sind. Der innere und äußere Anspruch auf Perfektion ist bei ihnen besonders hoch. Auch weisen alle Persönlichkeitsprofile eine sehr starke emotional affektierte Bindung zur Musik und dem Musikerberuf auf, was natürlich auch mit einem perfektionistischen Selbstanspruch einher geht.
Nach Meinung von E. Altenmüller liegt die Häufigkeit der Musikerkrämpfe bei 1 auf 500 Musiker. Der bei der Normalbevölkerung vergleichbare Schreibkrampf tritt in einer Häufigkeit von 1: 3400 auf.
Es ist typisch für die Symptomatik der Fokalen Dystonie, dass eine Veränderung der Sensorik einen unmittelbaren Einfluss auf das Phänomen hat. Pianisten, die auf Kunststofftasten unter der Symptomatik leiden berichten über eine spontane Besserung, lässt man sie auf Elfenbeintasten spielen. Selbiges geschieht, wenn sie etwa mit Handschuhen spielen. Leider dauert diese scheinbare Wiederherstellung der Kontrolle nur sehr kurz. Nach wenigen Sekunden oder Minuten, kommt die Bewegungsstörung zurück. Änderungen in der Haltung, etwa der Sitzhöhe, des Spielwinkels haben ebenso einen kurzfristigen Einfluss.
Es gelingt nicht eine Besserung gedanklich zu erzwingen. Versucht man es mit Gewalt ist genau das Gegenteil die Folge. Es geht überhaupt nichts mehr.
Diagnostik der Humanmedizin
Die Diagnostik der Medizin stützt sich in erster Linie auf eine Ausschluss Diagnose. Motorische Störungen können verschiedenste pathologische Ursachen haben. Der Arzt ist verpflichtet, dieses weit möglichst abzuklären. Differentialdiagnostisch werden Nervenkompressionen, Thoracic-outlet Syndrom, Halswirbelsäulenbandscheibenvorfälle mit Nervenwurzelkompression, Gehirntumor und Läsionen des Hirnstammes oder der Stammganglien ausgeschlossen. Bei der Untersuchung von Patienten die von Fokaler Dystonie betroffen sind wird typischer Weise bei allen diesen Untersuchungen nichts Auffälliges gefunden werden können. Die Störung liegt zwar zweifellos im Gehirn, kann aber bis jetzt noch nicht dezidiert sichtbar gemacht werden. Bei typischer Symptomatik kann die Diagnose nur von erfahrenen und darauf spezialisierten Ärzten aus der Krankheitsgeschichte und dem klinischem Befund sicher gestellt werden.
Es wird angenommen, dass Fokale Dystonien bei Musikern durch eine Störung eines hochkomplexen in der Großhirnrinde abgelegten Bewegungsprogramms bedingt sind. Die Ursache dieser Störung ist jedoch noch nicht eindeutig geklärt. Es gibt mehrere Ansätze und Theorien. Erwiesen ist, dass es sich bei der Fokalen Dystonie um eine pathologische Veränderung im Gehirn handelt und sie in keiner Weise rein psychosomatisch bedingt ist. Übrigens ist die Krankheit seit 1880 beschrieben und dokumentiert. Zum besseren Verständnis hat mir ein Arzt folgende Vorstellung gegeben:
Man hat mit einem Computer eine komplizierte Datei erstellt, speichert sie ab und das ganze System bricht daraufhin zusammen. Der Grund ist, dass nicht mehr genügend Speicherplatz für die Datei zur Verfügung stand. Der Speicherplatz im Gehirn, der für die Steuerung dieser hochkomplexen und komplizierten Bewegungsablaufes auf der Großhirnrinde zur Verfügung steht reicht also plötzlich nicht mehr aus, und das spezielle Bewegungs-Programm ist nun nicht mehr abrufbar. Diese speziellen instrumentaltypischen Bewegungen können somit nicht mehr kontrolliert und ausgeführt werden.
Prof. E. Altenmüller, der sich seit Jahren in Hannover ausgiebig mit dem Phänomen beschäftigt, stellt folgende Hypothese zur Erklärung auf:
Ursache der Störung ist ein Fehler eines der im supplementär-motorischen Kortex abgespeicherten hochspezialisierten motorischen Programme. Möglicherweise kommt es durch falsch aussprossende synaptische Verschaltungen zu einer Vermengung von Feinmotorik- und Kraftprogrammen. Begünstigende Faktoren sind häufiges Durchlaufen neuronaler Erregungskreise oder Veränderungen der somatosensiblen Informationen von den betroffenen Gliedmaßen beispielsweise durch einmalige Überbelastung oder andauernde chronische Schmerzen. In jedem Fall ist der Einfluss von emotionaler, psychischer oder sensorischer Aktivität nachgewiesen.
Behandlungsmethoden
Als unwirksam erwiesen sich Physiotherapie, psychotherapeutische Verfahren, alternative Heilmethoden, wie Akupunktur, aber auch Handchirurgische Eingriffe beispielsweise zur Besserung der Unabhängigkeit von Fingersehnen. Durch den Einsatz von Medikamenten, die auf den Neurotransmitterstoffwechsel in den Stammganglien einwirken, (auch bei Parkinsonscher Krankheit eingesetzt) sind in einzelnen Fällen Verbesserungen der Symptomatik beobachtet worden. Fraglich ist die Belastung und die andauernde Verträglichkeit der sehr heftigen Nebenwirkungen. Man muss unter Beobachtung mit einer sehr kleinen Dosis beginnen und diese über Wochen langsam erhöhen, bis eine ausreichende Wirkung auftritt. Oft wird das Medikament (Artane R) jedoch so schlecht vertragen, dass eine dauerhafte Einnahme nicht zur Debatte steht.
Der weitaus erfolgreichere Ansatz ist der Erwerb eines neuen Bewegungsprogramms. Dies soll durch Umlernen geschehen. Durch Schienung eines betroffenen Fingers an den Nachbarfinger kann eine unwillkürliche Verkrampfung gewaltsam unterbunden werden und ein geänderter Bewegungsablauf erzwungen werden. Alternativ wird die betroffene Muskulatur durch Injektion von Botulinus-Toxin geschwächt. Die Nervengift lähmt sozusagen die betroffenen Muskeln. Nach 8-16 Wochen baut sich das Gift langsam ab und die Muskulatur regeneriert sich. Während der Schwächungsphase soll der Patient entspannt am Instrument arbeiten und versuchen, angeregt durch die veränderte muskuläre Situation, neue Bewegungsprogramme zu entwickeln. Dies gelingt nach Altenmüller oft erst nach mehrfacher Wiederholung der Injektionen.