Klavier für komplexere Komposition unbedingt notwendig?

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luiblchristoph
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Hallo
Ich habe mich in letzter Zeit mit Harmonielehre, speziell dem vierstimmigen Satz beschäftigt. Einen solchen kann ich auch (zwar etwas umständlich, indem ich eine Oktave höher spiele) mithilfe einer Gitarre schreiben. Nun würde ich mich aber auch gerne mit der Komposition von komplexeren klassischen Stücken beschäftigen, bin mir aber nicht sicher, ob das ohne Kenntnisse im Klavierspielen sinnvoll möglich ist. Ich habe zum Erlernen von Kompositionsprinzipien das Buch "Kontrapunkt: Polyphone Musik in Selbststudium und Unterricht" von Thomas Krämer in Betracht gezogen, da ich das Buch des selben Autors zur Harmonielehre sehr verständlich fand. Und wie gesagt, es würde mich jetzt interessieren, ob man sich mit solchen komplexeren musikalischen Themen auch beschäftigen kann, wenn man nicht Klavier spielt :)
Grüße
Christoph
 
Eigenschaft
 
Obwohl ich "nur ein Klavierspieler" bin, meine ich: Ja!

Erstens: Was mir am meisten geholfen hat, "außerhalb meines Instruments" zu schreiben, sind Chorsätze - also nicht Klavier.
Zweitens: Als "harmonisch interessierter Gitarrist" denkst Du schon in Akkorden und vielleicht manchmal sogar in "Stimmen".
Drittens: Heute ist der Computer das Unviersalinstrument - ich übe und arrangiere und komponiere "direkt in die Noten", die ich mir dann anhören kann (mit DAWs werde ich beim Komponieren nicht wirklich "warm" - da sind wohl die Noten als "die richtige Notation" zu fest in meinem Hirn verdrahtet ...).

Dem Kontrapunkt habe ich mich übrigens bisher eher nur "pragmatisch" (= ohne Lehrbuch, ohne explizites Lernen) genähert: Denn mir scheint - auch aus meiner Arrangier- und Komponierpraxis für unseren Chor - das Umgehen mit Formen viel wichtiger: Das möchte ich zuerst beherrschen. Die "paar Fugato-Einsätze" oder die eine oder andere selbstständige Gegenmelodie bringe ich so auch zusammen (ok, nebenKlavier bin ich auch mit ein paar Jahren Kirchenorgellernen beaufschlagt worden und spiele seit ein paar Jahren wieder regelmäßig in Gottesdiensten - da kiregt man "einiges mit").
 
Auch ich bin der Meinung: Ja!

Für harmonisches Verständnis ist es zwar eine große Hilfe, ein Tasteninstrument zur Verfügung zu haben, aber mit der Gitarre ist man es ja auch gewohnt, harmonisch zu denken, spielen und zu empfinden.

Das fällt den Spielern "monophoner" Instrumente meist schwerer, aber die Gitarre kann Dir als polyphones Instrument ähnlich helfen wie ein Klavier. Nicht immer bei der tatsächlichen praktischen Ausführung und auch vom Tonumfang nicht.

Eine musikalische Vorstellungskraft zu haben oder zu entwicklen ist auch wichtig, eigentlich am wichtigsten, und da Du dank Computer die Möglichkeit hast, ein Stück, das sich vielleicht nicht so auf der Gitarre spielen läßt, trotzdem anzuhören, ist doch alles gut.
Die Kontroll-Abhörfunktion von Notensatzprogrammen dient ja der Überprüfung und dafür ist sie sehr gut geeignet.

Ideen entstehen im Kopf, da ist das Instrument tatsächlich nur "Instrument" im Sinne von Werkzeug.

Also: Es ist schön, daß Du Dich mit Musik beschäftigen willst, und dieser Wille ist die beste und wichtigste Voraussetzung. Dann los! :great:
Bei Fragen, Unsicherheiten oder einfach für einen Austausch gibt es hier immer hilfreiche Geister...

Ach ja: und willkommen im Board! :)

Viele Grüße
Torsten
 
Klavier ist schön und gut, aber kein Muss. Wichtig ist nur, dass man genügend Vorstellungskraft hat sich verschiedene Stimmen im Kopf zu bauen oder auch zu einem Gitarrenarrangement dazu zudenken.
Gehörbildung finde ich daher sehr wichtig; das kommt zwar auch mit der Zeit, aber wenn man sein Gehört trainiert, fallen viele Sachen leichter.
 
Also
Danke schon mal für die netten und hilfreichen Antworten, ich werde mich jetzt mal mit meiner Klampfe in die Materie stürzen ;)
Nun habt ihr mir noch empfohlen, mich mit Gehörbildung und Formenlehre zu beschäftigen. Welche Literatur würdet ihr da empfehlen? Wie gesagt, ich bin musiktheoretisch nicht blank, komme aber nicht aus der Klassik, weshalb ich jetzt noch nicht großartige Hör- und Spielerfahrungen mit E-Musik habe. Ich habe zu Gehörbildung und Formenlehre 2 Bücher von Clemens Kühn gefunden, die recht gute Rezensionen bekommen haben. Das Gehörbildungsbuch kommt aber komplett ohne CD oder sonstiges in der Art aus, was mich ein bisschen misstrauisch macht, außerdem ist eine ellenlange "Hör-Liste" enthalten mit Stücken von 1200 bis 1950 (ca), die man "kennen muss", um mit dem Buch arbeiten zu können. Ich möchte eigentlich wirklich nur Gehörbildung machen, wie man ein Handwerk erlernt, sodass ich eine bessere "musikalische Vorstellungskraft" habe, wie oben gesagt wurde. Also welche Literatur würdet ihr empfehlen?
Liebe Grüße
Christoph
 
Zu musikalischen Formen: Ich finde Diether de la Mottes "Musik Formen" sehr gut, wenn man mit der passenden Erwartungshaltung drangeht: Das ist keine "Formenlehre", wo einem erzählt wird, dass ABACAD... "die Rondoform ist", sondern ein umfangreiches Herumforschen an vielen Arten von (vorwiegend "klassischen" - vom Mittelalter bis ins 20. Jhdt.) Musikstücken. Danach hat man erstens viel gelernt, man ist (bzw. ich war) aber viel ratloser als vorher, zuletzt habe ich dann aber mir einen Ruck gegeben und (a) mir selber angefangen zu überlegen, auf welche Formenwege ich mich langfristig machen will; (b) mich mehr drauf konzentriert, bei jeder Art von Musik, die man sich anhört, über Form nachzudenken (und nicht nur über die eher "kurzfristigen" Ereignisse wie Harmonien, Stimmführung, Klang). Klassische Formenlehre habe ich nie eine ganz durchgelesen und schon gar nicht durchgearbeitet, weil sowas mir einfach i.d.R. zu apodiktisch ist ... da gibt es sicher Standardbücher (ich habe auch ein oder zwei zu Haus - ich schau mal, welche es sind).

H.M.
 
@luiblchristoph
Ich kann zwar nichts qualifiziertes dazu beitragen, ob man ohne Klavier zu spielen komplexes Zeug komponieren kann, aber ich kann dich vielleicht davor bewahren, Geld aus dem Fenster hinaus zu werfen.
Ich habe zum Erlernen von Kompositionsprinzipien das Buch "Kontrapunkt: Polyphone Musik in Selbststudium und Unterricht" von Thomas Krämer in Betracht gezogen, da ich das Buch des selben Autors zur Harmonielehre sehr verständlich fand.
Mir ging es ganz ähnlich. Ich fand Krämers Harmonielehre relativ angenehm durchzuarbeiten und wollte mich danach etwas mit Kontrapunkt beschäftigen. Krämers Buch war da eine naheliegende Anlaufstelle. Letzendlich habe ich es mir auch gekauft, aber ich bin damit nie so richtig warm geworden.

Zum einen legt Krämer eindeutig den Schwerpunkt auf Vokalmusik der Renaissance, während ich eher an der polyphonen Instrumentalmusik von Bach, Händel und ihren Nachfolgern interessiert bin. Zum anderen ist der Aufbau ziemlich strikt linear, was das überspringen "langweiliger" Kapitel nahezu unmöglich macht. Es bleibt einem kaum etwas anderes übrig als sich von vorne bis hinten durchzukämpfen. An dieser Stelle muss ich dann auch direkt zugeben, dass ich bereits am ersten Kapitel gescheitert bin, in dem es 32 Seiten lang darum geht, einstimmige Linien in diversen Kirchtonarten nach gewissen "Empfehlungen" (Krämer mag das Wort "Regeln" nicht) zu schreiben. Während ich das Kapitel auf dem Papier problemlos nachvollziehen konnte, hat es mich musikalisch gefühlt kein Stück weiter gebracht. Der Einstieg in die Zweistimmigkeit war dann ähnlich wenig ersprieslich. Geistig war ich zwar noch nicht abgehängt, aber die Übungsbeispiele und Aufgaben waren für mich musikalisch leer. Mittlerweile steht das Buch seit Monaten unberührt im Regal.

Gut möglich, dass ich das Buch einfach mit falschen Erwartungen angegangen bin und/oder zu ungeduldig war. Aber eins ist klar: Krämers Kontrapunkt ist keinesfalls so zugänglich wie seine Harmonielehre. Hier sind Disziplin und Durchhaltevermögen gefragt. Außerdem wird es ohne Affinität bzw. Toleranz für Vokalmusik noch mal eine ganze Ecke schwieriger. Leider kann ich dir kein besseres Buch empfehlen, da ich selbst noch auf der Suche bin. Ich werde es demnächst mit de la Motte versuchen, dessen Harmonielehre ich ergänzend zu Krämer ziemlich großartig fand.

Lange Rede, kurzer Sinn: wenn dein Konto nicht gerade überquillt, guck dir das Buch genau an bevor du es dir kaufst. Mit etwas Glück kannst du es dir aus einer Bücherei in deiner Nähe ausleihen.

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Nachtrag:
Ich habe zu Gehörbildung und Formenlehre 2 Bücher von Clemens Kühn gefunden
Mit Kühns Formenlehre habe ich einen Weihnachtswunsch verschwendet. ;) Das war mir eindeutig zu viel Geschwafel und Gerede um den heißen Brei. Kühn verkündet direkt zu Beginn, dass er von strikten Regeln und Formen nichts hält und liefert danach hauptsächlich vage Beischreibungen von einigen Konzepten, die offensichtlich etwas mit Form zu tun haben. Aber wie man das in eigenen Kompositionen umsetzen soll habe ich nicht verstanden.

Außerdem finde ich das Konzept "Buch zur Gehörbildung" grundsätzlich etwas fragwürdig. Neben Earmaster Pro gibt es auch noch das kostenlose GNU Solfege, mit dem ich ziemlich zufrieden bin.
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus
Danke schon mal für die Ratschläge, ich werde mich mal erkundigen :)
Da ich die polyphone Vokalmusik der Renaissance eigentlich ganz cool finde, ist das Buch von Thomas Krämer noch nicht ganz aus dem Rennen, aber ich werd versuchen, mal irgendwo ein Exemplar zu finden und einen Blick rein zu werfen :)
LG
Christoph
 

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