trommla
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Hier mal ein etwas ausgefalleneres Review, möglicherweise nicht für jede*n interessant, für Fans „alter“ Musik aber fast ein Muss.
Durch meine Beschäftigung mit Oldschool-Musik (Bigband, New-Orleans und Dixieland, Rockabilly etc.) stieß ich immer wieder auf das Thema Kalbfelle, vor Erfindung der heute üblichen Plastikfelle 1956 der Standard aller Drummer, und bis heute vor allem im symphonischen Einsatz regelmäßig anzutreffen. Aber wie macht sich ein Naturfell im täglichen Einsatz für Drummer, die mit Ambassador und Co. aufgewachsen sind und das aufwändige Prozedere der Fellwechsel (mit „Tucking“) und das ständige Verstimmen wegen Temperaturschwankungen und wechselnder Luftfeuchtigkeit nur aus Erzählungen kennen?
Gleich vorneweg, den ganz klassischen Weg hab ich mir dann doch erspart, weil ich im Internet auf interessante Berichte und Videos über das Kentville Kangaroo Hide Drumhead gestolpert bin, ein Fell aus Känguruhaut, welches (erwartungsgemäß) in Australien produziert wird. Ehe mich Tierschutzaktivisten nun ans Kreuz nageln, der Hersteller Kentville verspricht, dass die Tiere im Rahmen der staatlichen Bestandskontrolle „ethisch“ der freien Wildbahn entnommen wurden.
Kentville Drums 14" Kangaroo Drum Head medium
Die Kentville-Felle gibt es in diversen Größen in den Stärken Medium und Heavy. Sie entsprechen in etwa den Stärken von Ambassador und Emperor und sind natürlich bei einem gewachsenen Produkt nicht über die gesamte Fläche identisch.
Besonders hervorgehoben wird in den Berichten und Reviews die angeblich höhere Stimmstabilität gegenüber diversen anderen Herstellern, denn Kentville spendiert seinen Fellen verwindungsarme Alureifen, wie man sie von Mylarfellen gewohnt ist, statt der für Naturfelle typischen Holzringe.
Wie es der Zufall wollte, gelangte ich nun innerhalb weniger Wochen an eine alte 14x5 Slingerland-Stahlsnare mit sehr durchsetzungsstarkem Crack und an ein beinahe neues 14“ Kentville-Snarefell in der Medium – Version. Die Snare wollte ich klanglich auf jeden Fall entschärfen, und da Naturfelle gemeinhin als wärmer und weicher beschrieben werden, schien mir die Kombination aus beidem erfolgversprechend. Dass eine solche Kombi nicht die „Everyday-Snare“ sein dürfte, war mir von vornherein klar.
Der gut gefüllte Terminkalender mit Proben und Konzerten in verschiedenen traditionellen Genres bot mir die Chance, beides auch gleich ausführlich auf Herz und Nieren zu prüfen. Um mein Review nicht ausarten zu lassen, werde ich im folgenden meine Eindrücke etwas verschlagworten und für euch zusammenfassen:
Erster Eindruck
Der Aluring wirkt vertraut, der Fellkragen fällt beim Kentville-Fell allerdings deutlich flacher aus, als man es gewohnt ist. Das Fell wirkt optisch sehr gleichmäßig gewachsen und hat die bei Naturfellen gewohnte leicht rauhe Textur. Der Fellwechsel gelingt problemlos, die Snare lässt sich ohne Mühe in eine gute Ausgangsstimmung bringen. Der Klang ist weich, in der Mitte sehr trocken, zu den Rändern hin nimmt der Anteil unaufdringlicher warmer Obertöne zu. Mit Besen bearbeitet, strahlt nicht nur die Snare, sondern auch mein Gesicht.
30.06. Erster Live-Einsatz, Open Air mit Jazz und Weltmusik
Ein warmer Sommertag, die Luftfeuchtigkeit lässt Gewitter erwarten. Wir schaffen es gerade noch rechtzeitig, unser Programm zu beenden und die Instrumente in Sicherheit zu bringen, bevor der Wolkenbruch kommt. Klanglich passt der unaufdringliche Snaresound gut zur Musik. Zwar habe ich die genaue Tonhöhe nicht nachgemessen, habe aber nicht das Bedürfnis, die Snare nachzustimmen.
01.07. Probe mit einer Rockabilly-Band
Im Kellerraum eines Proberaumkomplexes ist es schon zu Probenbeginn schwül-warm. Die Snare klingt im Verlauf der Probe tiefer als zuvor zuhause. Vermutlich die Luftfeuchtigkeit, die für ein Nachlassen der Stimmung sorgt. Es sind eher Nuancen, der Sound passt dadurch sogar noch besser zur Musik, finden alle. Der mitlaufende Zoom-Recorder offenbart später beim Anhören einen traumhaften Vintage-Snaresound. Insgesamt sind mir die Obertöne im Randbereich etwas zu präsent, ich nehme mir für die nächsten Tage vor, einen simplen Außendämpfer zu bauen.
08.07. Kleine Stimmsession zuhause
Hab ein wenig mit Stimmungen im mittleren und hohen Bereich rumprobiert. Tiefe Stimmungen habe ich nicht getestet, das dürfte kaum das Einsatzgebiet für eine Snare mit Naturfell sein. Mit stark gespanntem Teppich bekommt die Snare in hoher Stimmung ein wenig „Two-Princes“-Charakter, geht also auch J Der aus einer Dokumentenklammer und etwas Jeansstoff gebaute Dämpfer liefert genau das richtige Maß, die Snare bleibt trotzdem lebendig. Achtung: Moongels sollte man auf Naturfellen nicht verwenden, denn sie entziehen dem Fell Feuchtigkeit und machen es brüchig!
11.07. Liedermacher-Chanson-Jazz, Wohnzimmer-Probe
Der Band gefällt der Klang und die Variabilität des Kängurufells. Ich habe Gelegenheit, jazzig zu wischen, etwas zu grooven, Latin auch mal ohne Teppich zu spielen, der Klang der Snare gefällt in jeder Disziplin.
13.07. Liedermacher-Chanson-Jazz, live/unmikrofoniert in einem alten Kino
Die Snare setzt sich gut im ganzen Saal durch, klingt dabei in mittelhoher Stimmung ausgewogen. Gegen die verstärkten Instrumente fehlt eventuell etwas „Bissigkeit“, die ich durch lauteres Spiel ausgleichen muss.
14.07. Bigband – Matinee im Biergarten, unmikrofoniert
Sonnenwetter, leider gibt es niemand, der mir detaillierte Rückmeldung zum Snaresound geben kann, das Spielgefühl im Klanggefüge einer Bigband passt aber gut.
14.07. Liedermacher-Chanson-Jazz, Open Air, mikrofoniert
Stimmung bleibt im Wesentlichen stabil, ich muss nicht mehr nachstimmen als mit Plastikfellen gewohnt. Unser Tontechniker bezeichnet den Snaresound als unkompliziert und gut passend. Zum Vergleich, meine 22" Frame Drum mit Ziegenfell verstimmte sich unter den selben Bedingungen innerhalb weniger Minuten um bis zu einer Terz nach oben und unten.
27.07. Dixieland auf einer Dampferrundfahrt
Der Einsatz, auf den ich am gespanntesten gewartet habe. Mitten auf dem See bei Sommerhitze, wechselndem Licht und Schatten, direkt am Wasser. Jazz mit Sticks und Besen, klanglich hab ich mich in jeder Situation richtig wohl gefühlt, besonders Second-Line-Grooves hatten genau den Charme, den ich mir wünsche. Wahrscheinlich hätte ich auch ohne Stimmschlüssel überlebt, aber man kann wohl nicht aus seiner Haut und dreht eben doch mal an ein paar Schrauben. Nötig wäre es nicht gewesen.
Fazit:
Wer auf der Suche nach überzeugenden Oldschool-Sounds ist, sollte sich die Kentville-Felle näher ansehen. Zwar liegen die Preise im Handel deutlich über dem für vergleichbare Plastikfelle, Naturfelle sind aber bei angemessener „Bearbeitung“ auch wesentlich länger haltbar, ohne irgendwann ihr Coating zu verlieren. Ich fand im Netz Aussagen von professionellen Drummern, die in 10 Jahren nicht einmal das Fell wechseln mussten.
Mit ca. 80 Euro kosten Kentville-Felle noch weniger als vergleichbare Kalbsfelle, liefern aber neben dem unverwechselbaren Natursound eine für mich überraschend gute Stimmstabilität, die auch den einen oder anderen satten Backbeat verträgt. Allzu hart sollte man Naturfelle natürlich nicht traktieren, aber wer sie nutzt, dürfte üblicherweise eher auf der feinfühligen Seite der Musik zuhause sein.
Durch meine Beschäftigung mit Oldschool-Musik (Bigband, New-Orleans und Dixieland, Rockabilly etc.) stieß ich immer wieder auf das Thema Kalbfelle, vor Erfindung der heute üblichen Plastikfelle 1956 der Standard aller Drummer, und bis heute vor allem im symphonischen Einsatz regelmäßig anzutreffen. Aber wie macht sich ein Naturfell im täglichen Einsatz für Drummer, die mit Ambassador und Co. aufgewachsen sind und das aufwändige Prozedere der Fellwechsel (mit „Tucking“) und das ständige Verstimmen wegen Temperaturschwankungen und wechselnder Luftfeuchtigkeit nur aus Erzählungen kennen?
Gleich vorneweg, den ganz klassischen Weg hab ich mir dann doch erspart, weil ich im Internet auf interessante Berichte und Videos über das Kentville Kangaroo Hide Drumhead gestolpert bin, ein Fell aus Känguruhaut, welches (erwartungsgemäß) in Australien produziert wird. Ehe mich Tierschutzaktivisten nun ans Kreuz nageln, der Hersteller Kentville verspricht, dass die Tiere im Rahmen der staatlichen Bestandskontrolle „ethisch“ der freien Wildbahn entnommen wurden.
Kentville Drums 14" Kangaroo Drum Head medium
Die Kentville-Felle gibt es in diversen Größen in den Stärken Medium und Heavy. Sie entsprechen in etwa den Stärken von Ambassador und Emperor und sind natürlich bei einem gewachsenen Produkt nicht über die gesamte Fläche identisch.
Besonders hervorgehoben wird in den Berichten und Reviews die angeblich höhere Stimmstabilität gegenüber diversen anderen Herstellern, denn Kentville spendiert seinen Fellen verwindungsarme Alureifen, wie man sie von Mylarfellen gewohnt ist, statt der für Naturfelle typischen Holzringe.
Wie es der Zufall wollte, gelangte ich nun innerhalb weniger Wochen an eine alte 14x5 Slingerland-Stahlsnare mit sehr durchsetzungsstarkem Crack und an ein beinahe neues 14“ Kentville-Snarefell in der Medium – Version. Die Snare wollte ich klanglich auf jeden Fall entschärfen, und da Naturfelle gemeinhin als wärmer und weicher beschrieben werden, schien mir die Kombination aus beidem erfolgversprechend. Dass eine solche Kombi nicht die „Everyday-Snare“ sein dürfte, war mir von vornherein klar.
Der gut gefüllte Terminkalender mit Proben und Konzerten in verschiedenen traditionellen Genres bot mir die Chance, beides auch gleich ausführlich auf Herz und Nieren zu prüfen. Um mein Review nicht ausarten zu lassen, werde ich im folgenden meine Eindrücke etwas verschlagworten und für euch zusammenfassen:
Erster Eindruck
Der Aluring wirkt vertraut, der Fellkragen fällt beim Kentville-Fell allerdings deutlich flacher aus, als man es gewohnt ist. Das Fell wirkt optisch sehr gleichmäßig gewachsen und hat die bei Naturfellen gewohnte leicht rauhe Textur. Der Fellwechsel gelingt problemlos, die Snare lässt sich ohne Mühe in eine gute Ausgangsstimmung bringen. Der Klang ist weich, in der Mitte sehr trocken, zu den Rändern hin nimmt der Anteil unaufdringlicher warmer Obertöne zu. Mit Besen bearbeitet, strahlt nicht nur die Snare, sondern auch mein Gesicht.
30.06. Erster Live-Einsatz, Open Air mit Jazz und Weltmusik
Ein warmer Sommertag, die Luftfeuchtigkeit lässt Gewitter erwarten. Wir schaffen es gerade noch rechtzeitig, unser Programm zu beenden und die Instrumente in Sicherheit zu bringen, bevor der Wolkenbruch kommt. Klanglich passt der unaufdringliche Snaresound gut zur Musik. Zwar habe ich die genaue Tonhöhe nicht nachgemessen, habe aber nicht das Bedürfnis, die Snare nachzustimmen.
01.07. Probe mit einer Rockabilly-Band
Im Kellerraum eines Proberaumkomplexes ist es schon zu Probenbeginn schwül-warm. Die Snare klingt im Verlauf der Probe tiefer als zuvor zuhause. Vermutlich die Luftfeuchtigkeit, die für ein Nachlassen der Stimmung sorgt. Es sind eher Nuancen, der Sound passt dadurch sogar noch besser zur Musik, finden alle. Der mitlaufende Zoom-Recorder offenbart später beim Anhören einen traumhaften Vintage-Snaresound. Insgesamt sind mir die Obertöne im Randbereich etwas zu präsent, ich nehme mir für die nächsten Tage vor, einen simplen Außendämpfer zu bauen.
08.07. Kleine Stimmsession zuhause
Hab ein wenig mit Stimmungen im mittleren und hohen Bereich rumprobiert. Tiefe Stimmungen habe ich nicht getestet, das dürfte kaum das Einsatzgebiet für eine Snare mit Naturfell sein. Mit stark gespanntem Teppich bekommt die Snare in hoher Stimmung ein wenig „Two-Princes“-Charakter, geht also auch J Der aus einer Dokumentenklammer und etwas Jeansstoff gebaute Dämpfer liefert genau das richtige Maß, die Snare bleibt trotzdem lebendig. Achtung: Moongels sollte man auf Naturfellen nicht verwenden, denn sie entziehen dem Fell Feuchtigkeit und machen es brüchig!
11.07. Liedermacher-Chanson-Jazz, Wohnzimmer-Probe
Der Band gefällt der Klang und die Variabilität des Kängurufells. Ich habe Gelegenheit, jazzig zu wischen, etwas zu grooven, Latin auch mal ohne Teppich zu spielen, der Klang der Snare gefällt in jeder Disziplin.
13.07. Liedermacher-Chanson-Jazz, live/unmikrofoniert in einem alten Kino
Die Snare setzt sich gut im ganzen Saal durch, klingt dabei in mittelhoher Stimmung ausgewogen. Gegen die verstärkten Instrumente fehlt eventuell etwas „Bissigkeit“, die ich durch lauteres Spiel ausgleichen muss.
14.07. Bigband – Matinee im Biergarten, unmikrofoniert
Sonnenwetter, leider gibt es niemand, der mir detaillierte Rückmeldung zum Snaresound geben kann, das Spielgefühl im Klanggefüge einer Bigband passt aber gut.
14.07. Liedermacher-Chanson-Jazz, Open Air, mikrofoniert
Stimmung bleibt im Wesentlichen stabil, ich muss nicht mehr nachstimmen als mit Plastikfellen gewohnt. Unser Tontechniker bezeichnet den Snaresound als unkompliziert und gut passend. Zum Vergleich, meine 22" Frame Drum mit Ziegenfell verstimmte sich unter den selben Bedingungen innerhalb weniger Minuten um bis zu einer Terz nach oben und unten.
27.07. Dixieland auf einer Dampferrundfahrt
Der Einsatz, auf den ich am gespanntesten gewartet habe. Mitten auf dem See bei Sommerhitze, wechselndem Licht und Schatten, direkt am Wasser. Jazz mit Sticks und Besen, klanglich hab ich mich in jeder Situation richtig wohl gefühlt, besonders Second-Line-Grooves hatten genau den Charme, den ich mir wünsche. Wahrscheinlich hätte ich auch ohne Stimmschlüssel überlebt, aber man kann wohl nicht aus seiner Haut und dreht eben doch mal an ein paar Schrauben. Nötig wäre es nicht gewesen.
Fazit:
Wer auf der Suche nach überzeugenden Oldschool-Sounds ist, sollte sich die Kentville-Felle näher ansehen. Zwar liegen die Preise im Handel deutlich über dem für vergleichbare Plastikfelle, Naturfelle sind aber bei angemessener „Bearbeitung“ auch wesentlich länger haltbar, ohne irgendwann ihr Coating zu verlieren. Ich fand im Netz Aussagen von professionellen Drummern, die in 10 Jahren nicht einmal das Fell wechseln mussten.
Mit ca. 80 Euro kosten Kentville-Felle noch weniger als vergleichbare Kalbsfelle, liefern aber neben dem unverwechselbaren Natursound eine für mich überraschend gute Stimmstabilität, die auch den einen oder anderen satten Backbeat verträgt. Allzu hart sollte man Naturfelle natürlich nicht traktieren, aber wer sie nutzt, dürfte üblicherweise eher auf der feinfühligen Seite der Musik zuhause sein.
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