Ich empfehle dir auch einen richtigen Gehörkurs. Punkt. Es genügt nicht, einfach nur einen Aspekt des Hörens zu entwickeln - man muss das Schritt für Schritt angehen. Aus deinem Beitrag geht nicht direkt hervor, ob du die Intervalle überhaupt schon alle perfekt beherrschst. Das wäre der erste Schritt. Danach kannst du damit anfangen, Akkorde inklusive Umkehrung zu bestimmen, und frühestens dann kannst du mit den Kadenzen loslegen. Wenn du diese Reihenfolge einhältst, sollte es eigentlich auch keine wirklichen Probleme oder Unklarheiten bei der Herangehensweise geben.
Es ist wichtig zu verstehen, wie Gehörtraining funktioniert: Du lernst erst, "einfache" Klänge zu hören und sie ganz intuitiv zu bestimmen. Dadurch entwickelt dein Gehör eine gewisse Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit muss Schritt für Schritt gesteigert werden. Der (meiner Meinung nach) einzig richtige Zeitpunkt, sich mit der nächstschwierigeren Klangform auseinanderzusetzen ist, wenn man alles davor perfekt gemeistert hast, denn das ist das Zeichen dafür, dass die Aufmerksamkeit des Gehörs sich so weit entwickelt hat, dass dieses überhaupt dazu fähig ist, etwas komplexeres wahrnehmen bzw. verarbeiten zu können. Wenn du mit den Intervallen und Akkord-Umkehrungen fertig bist, sind die Kadenzen und Akkordverbindungen generell schon fast ein Kinderspiel.
Der Weg dorthin dauert aber im Normalfall mehrere Monate, manchmal sogar Jahre. Ihn konsequent zu gehen setzt einen eisernen Willen voraus. Doch jeder Komponist und Improvisationsmusiker sollte ihn gehen, denn das Ergebnis wird seine musikalischen Fähigkeiten um ein vielfaches steigern.
Earmaster ist ein sehr gutes Programm, wobei das mehr ein Testprogramm ist, in dem nicht viel erklärt wird. Dieser Aufgabe wird es aber in höchstem Maße gerecht. Daher kann ich es auch empfehlen - aber in der Vollversion, denn eine Woche üben bringt so gut wie gar nichts.
Jedem, für den englisch kein Problem ist, würde ich den "Relative Pitch Supercourse" von David Lucas Burghe ans Herz legen. Darin wird auf etwa 20 CDs vor jeder neuen Aufgabe sehr viel erklärt, aber eben auf englisch. Viele sind der Meinung, dass darauf zu viel geredet wird, und manches wird echt oft wiederholt. Aber mir hat das enorm geholfen, vieles zu verstehen und die richtige Herangehensweise zu entwickeln. Die Übungen sind sehr umfangreich und gut gestaltet. Man fühlt sich sehr gut durch das oft frustrierende Minenfeld des Gehörtrainings geführt.
Ganz generell kann ich auch jedem, der es ernst meint empfehlen, sich mehrere unterschiedliche (methodisch aufgebaute) Hörkurse zu besorgen und gleichzeitig zu absolvieren. Das sorgt für Abwechslung, die Übungen sind oft unterschiedlich ausgerichtet (die wenigsten Gehörkurse decken wirklich alles ab) und man gewöhnt sich von Anfang an daran, die Töne auf Instrumenten mit unterschiedlichen Klangfarben herauszuhören.
Gutes Gehörtraining ist zeitaufwändig und nicht billig, wenn man sich alles auf legalem Wege beschafft. Doch die Investitionen werfen ihre Früchte das gesamte Musikerleben lang ab.