@HeinerM Im täglichen Umgang mit Kindern erlebe ich "cool" sein etwas facettenreicher. Es bedeutet nicht nur sich angeberisch in den Vordergrund zu drängen. Es ist auch das neue Wort für schön, bewundernswert, u.ä. ganz ohne negativen Beigeschmack.
Wie kann man der Blockflöte ein cooles Image verschaffen?
Vorbilder sind wichtig. Klar!
Aber was cool ist liegt im Auge des Betrachters, ist also eine Frage des Geschmacks. Kann man den beeinflussen? Wenn ja, wie?
Die Betrachtungsweise wird immer irgendwie auch vom sozialen Umfeld (Familie, Freunde, Schule, Arbeitsplatz ... ) geprägt. Und je mehr das Selbstwertgefühl vom Applaus anderer abhängt, um so mehr wird man fremdgesteuert.
Etwas zu besitzen oder zu können, für das einen andere bewundern bzw. cool finden, möchte im Grunde jeder. Die (nicht nur innere) Freiheit, dem eigenen persönlichen unabhängig von anderen entwickelten Geschmack folgen zu können, besitzen nur wenige.
Kindern wenigstens etwas von der für so eine Unabhängigkeit notwendigen Stärke zu geben, darin sehe ich eine meiner vornehmlichen Aufgaben als Lehrerin. Unter anderem gehört dazu, ihnen zu vermitteln, dass andere etwas, das man kann oder besitzt, im Grunde nur deshalb niedermachen, weil sie es nicht besitzen und nicht können und sich deshalb irgendwie schlechter fühlen. Und um dieses Gefühl los zu werden, machen sie dann das, was die anderen besitzen und können schlecht, damit sie sich dann besser fühlen können.
Es braucht viel Ausdauer, Kindern die Coolness ;-), also die Gelassenheit zu vermitteln, nicht gleich auf jede Hetze anzuspringen und sich angegriffen zu fühlen. Viele gehen dem auf andere Weise aus dem Weg, indem sie einfach jedem Trend nachlaufen und alles mitmachen, was die Masse gerade cool findet. Auf die Idee, selbst Trendsetter zu sein, kommt nur eine Minderheit.
Es ist schon interessant, was da für Mechanismen zu beobachten sind. Und es ist irgendwie mein "täglich Brot", mit all diesen Dingen umzugehen und einen Weg zu finden, die Kinder für das aktive Musizieren (egal mit welchem Instrument) zu gewinnen.
Ich bin auch "Freund der alten Musik", und ich meine mal, DA ist die BF am ehesten "zuhause", oder auch im (hist.) Folk.
Wie Lisa und moni schrieben, mangelt es bei uns einfach an ordentlicher!!! und v.a. auch spielerisch aufklärender "Vorbilder" bzw Musikern, die das Thema Blockflöte auch mal bekannter machen.
Beim "Selbermachen" bevorzuge ich die Blockflöte auch im Kontext "alter Musik" welcher Couleur auch immer. Aber letztendlich ist sie für mich in erster Linie "einfach nur" ein Melodieinstrument, das man wie andere Melodieinstrumente und die menschliche Stimme ganz unterschiedlich unsisono, solistisch, chorisch oder im Bandkontext einsetzen kann. Musikstile betreffend bin ich als Hörer sehr offen. Moderne Blockflötenmusik höre und sehe ich sehr gerne! Und wenn die Umstände passen, wer weiß ...
Der Bezug der Blockflöte zur alten Musik hat sich zwar durch den Lauf der Musikgeschichte ergeben und es gab gute Gründe, warum die Blockflöte irgendwann von der Bildfläche verschwand. Nachdem sie aber nun vor rund 100 Jahren wieder aus der Versenkung aufgetaucht ist, muss sie ja nicht in dieser "Kiste" bleiben. Verheißungsvolle Ansätze, sie da raus zu holen, gibt es eigentlich genug.
Die Erweiterung des Tonraums, der dynamische Spielraum, die Durchsetzungsfähigkeit moderner Instrumente, neue Formgebung und die Möglichkeit, sie mit technischem Equipment zu kombinieren, eröffnen für die Blockflöte neue Perspektiven, die so mancher Blockflötenlehrer allerdings möglicherweise entweder nicht so gerne angeht oder schlicht und ergreifend gar nicht kennt. Diese Bremse kann nur von gut ausgebildeten, jungen (oder jung gebliebenen) begeisterten Blockflötenlehrern überwunden werden, die selbst experimentierfreudig sind, innovativ arbeiten, etc. . Moderne Spieltechniken sind hochinteressant, wecken die Experimentierfreude in einem ganz anderen Maße als Spielereien mit elektrischen Geräten, bei denen der Geldbeutel darüber entscheidet, wie das, was am Ende aus der Box heraus kommt, klingt und das handgemachte Musizieren durch fremdgesteuerten "Kram" platt gemacht wird. Kindern etwas beibringen, was andere nicht können, nicht erwarten ... das finden sie cool.
Aber das muss schnell und mühelos gehen. Dran bleiben, Energie und Zeit aufbringen, um zu üben .... hmmm ... das ist dann schon weniger cool, weil es oft viel zu wenig Anerkennung für diese Anstrengungen gibt und die Kinder nach einem langen Schultag, der sie nicht selten erst gegen 16h oder 16:30h Zuhause sein lässt, von anderen Zeitfressern in Bann gezogen werden. :-( Das, so denke ich, ist ein sehr generelles Problem, mit dem Musikleher der unterschiedlichsten Sparten zu kämpfen haben.
Fast möchte ich sagen, die Wiederentdeckung der Blockflöte kam zu spät, um sie als cooles Instrument etablieren zu können. Aber irgendwie halte ich es dann doch lieber mit der Volksweisheit: Es ist niemals zu spät. Man muss nur anfangen.
Und wenn die Blockflöte als Einsteigerinstrument für die Masse verschwindet, ist es vielleicht leichter, sie als anspruchsvolles, facettenreiches Instrument zu etablieren, das in der Hand eines Könners zu einem wundersamen Chamäleon werden kann, mit oder ohne dran gehängter Technik.
ch persönlich glaube zu beobachten, dass der Einzug der Digitalisierung in alle Lebensbereiche - insbesondere in die moderne Unterhaltungsmusik, wo es echte, analoge Instrumente nur noch in Form von Soundsamples gibt - zur Entstehung einer Gegenbewegung führt, die den Focus ganz bewusst auf traditionelle, akustische Instrumente legt. Und da hat unsere Blockflöte als besonders altes Instrument vielleicht sogar ziemlich gute Karten.
Auf diese Gegenbewegung setze ich ebenfalls!