Infos über technische Spezifikationen des Akkordeons

G
Gast 113247
Guest
Ein freundliches Hallo an die Gemeinde!

Man denkt ja, im Internet gäbe es nichts, was es nicht gibt.
Falsch!
Etwas gibt es nicht, nämlich technische Daten und Spezifikationen zum Bau von Akkordeons.
Jedenfalls habe ich trotz intensiver Suche nichts darüber gefunden.
Dabei gibt es ja durchaus Fragen, die es wert sind, darüber Tipps und Antworten zu posten.

Fragen wie z.B. diese:
  • Wie groß sollte der optimals Tastenhub sein und wie wird er eingestellt?
  • Welche Werkzeuge braucht man dafür und wie werden sie gehandhabt?
  • Welche Toleranzen sind noch zulässig bei der Luftdichtigkeit der Tonklappen?
    Bewegt man sich dabei im Bereich Zehntel oder Hundertstel mm?
  • Wie misst man den Tastendruck bzw. die Auflagekraft der Tonklappen und
    wie kann diese Kraft eingestellt werden?
  • Gibt es Alternativen zum Wachs bei der Befestigung der Tonklappen an den Clavishebeln (Heißkleber, Silikon-Dichtmasse)?
  • Hat sich schon mal jemand Gedanken über das Tastenklappern gemacht und wie man es evtl. reduzieren kann?
  • Gibt es Kurse/ Lehrgänge zum Thema Instandsetzung/ Reparatur von Akkordeons?
Die Firma stringsandboxes vertreibt online Materialien, Ersatzteile und Werkzeuge zur Reparatur von Akkordeons und gibt auch Tipps
wie man welches Material einsetzt (www.stringsandboxes.de).
Der Inhaber her Hartmann ist sehr hilfsbereit und zuverlässig und spart auch nicht mit Tipps und Hinweisen.

Allerdings fehlt nach wie vor eine Internetadresse, die sich speziell mit den technischen Fragen zum Bau von Akkordeons beschäftigt.

Hat hier jemand Antworten auf diese Fragen oder kann Tipps geben, wo man was findet?

Mit besten Grüßen

Play_bach
 
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Hallo Play_bach,
dein Anliegen finde ich absolut unterstützenswert.

In der Tat gibt es im Netz m.W. keine umfassende und v.a. konzentrierte Sammlung dazu. Und dann kommt noch dazu die Frage, sollte so etwas eine Sammlung mehr oder weniger qualifizerter Beiträge sein, wobei die Qualität auch von der Qualifikation abhängt, d.h. ob interessierter und geschulter Laie, Ingenieur, HZIM, HZIMM usw. und selbst bei "echten Fachpersonen" gibt es unterschiedliche Erfahrungen, Meinungen, Reflexionsvermögen und Weite im Denkhorizont etc.
Oder soll es eine redaktionell bearbeitete Sammlung sein, in der es Haupteinträge gibt, die von Fachleuten druchgesehen und abgesegnet sind , ergänzt durch Kommentare bzw. Foreneinträge (so wie dies bspw. bei notebookcheck gemacht wird).
Es wäre reizvoll, wenn sich das rechtlich machen liese, das Buch "Akkordeon" von Gotthard Richter o.ä. online zu stellen, samt Kommentar- und Diskussionsmöglichkeit.

Zu der Frage nach Wachsalternativen, hier eine Einschätzung (gemischt aus Foreneinträgen und Gesprächen mit HZIM und Usern hier): Eine populäre Alternative sind auf Leder aufgenagelte Stimmplatten, u.a. bei der Hohner FunFlash ist dies der Fall. Bei älteren Atlantics wurde die Stimmplatten auf den Stimmstock geklebt. Zu Silikon habe ich mal eine HZIM stöhnen hören. Bevor ich meine Morino III M dahin brachte und darauf hinwies, dass einige wenige Stimmplatten mit irgendwas anderem befestigt seien, meinte er nur, dass es hoffentlich nicht Silikon sei; die hätten das trotzdem gemacht, aber es muss wohl eine ziemliche Sauerei sein, dies weg zu bekommen.
Heißkleber habe ich vor vielen vielen Jahren in Ermangelung von Kenntnis (immerhin der Ahnung, dass das Mist ist:D), Wachs, Werkzeugen und Zeit bei meiner Weltmeister Serie 90 ausprobiert. Weder lässt es sich gut verarbeiten, viel Spaß bei den Fäden, die das Zeugs zieht (was sich mit besserer Pistole und Klebestiften reduzieren ließe) und gehalten bzw. gedichtet hat es aufgrund der geringen Fließfähigkeit mehr oder weniger gut, ließ sich aber nach Jahren relativ gut entfernen.
Aber das ist eine stümperhafte Einzelerfahrung, da können hier andere vermutlich fachlicheres beitragen.


Gruß und in sehr gespannter Erwartung, was hier noch zu den Spezifikationen etc. kommt,
Tobias
 
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In der Tat gibt es im Netz m.W. keine umfassende und v.a. konzentrierte Sammlung dazu.

Ist mir auch nix bekannt, und es gibt auch keine Norm oder DIN zum Bau und Auslegung von Akkordeons.


Es wäre reizvoll, wenn sich das rechtlich machen liese, das Buch "Akkordeon" von Gotthard Richter o.ä. online zu stellen,

Da könnt ihr Herr Richter ja dazu fragen, wie er dazu steht.
Denn Herr Richter ist a) noch am Leben (und ich wünsche ihm ein angenehmens, langes Leben!) und b) ist das Buch nach wie vor im Handel erhältlich - von daher ist sowohl Urheberrecht als auch Copyrigth in vollem Umfang gültig und ohne ausdrückliche Einwilligung von Herr Richter darf nichts davon kopiert oder gar online gestellt werden.


Hat hier jemand Antworten auf diese Fragen oder kann Tipps geben, wo man was findet?

Wer hier im Forum die Beiträge aufmerksam liest , insbesondere im Faden Funktion /Reparatur, findet bereits hier im Forum sehr viele Tipps und Erläuterungen.


Etwas gibt es nicht, nämlich technische Daten und Spezifikationen zum Bau von Akkordeons.
Jedenfalls habe ich trotz intensiver Suche nichts darüber gefunden.

@play_bach
Deine nachfolgend aufgelisteten Fragen sind ja teilweise schon eher spezieller Natur: Was ist denn der Grund dafür, dass du dich hierfür näher interessierst?
 
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  • Wie groß sollte der optimals Tastenhub sein und wie wird er eingestellt?
Bei Weltmeister ist der Tastenhub ab Werk 4,5 mm, bei älteren Instrumenten Standard 5 mm. Unabhängig davon kann es jede Firma anders handhaben.
  • Welche Werkzeuge braucht man dafür und wie werden sie gehandhabt?
Biegeeisen in verschiedener Ausführung. Die Handhabung lässt sich nicht einfach beschreiben - man muß es vormachen und dabei erklären, sonst wird das nix.
  • Welche Toleranzen sind noch zulässig bei der Luftdichtigkeit der Tonklappen?
Von Hersteller und Instrument abhängig. Der Balg kann auch über die Jahrzehnte langsam undicht werden. Es gibt dafür keine einheitlichen Werte. Jede Firma hat ihr eigenes Meßverfahren und Hilfsmittel zur Bestimmung der für sie zulässigen Dichtigkeit.
  • Bewegt man sich dabei im Bereich Zehntel oder Hundertstel mm?
Im Regelfall zieht man den Balg auf und lässt das Instrument in sich zusammensacken. Anhand der Geschwindigkeit des Zusammensackens in Abhängigkeit des Gewichts des Diskants schätzt man das ein. Wie gesagt, es gibt dafür auch Hilfsmittel, die mit Wassersäule und Zeitintervall arbeiten.
  • Wie misst man den Tastendruck bzw. die Auflagekraft der Tonklappen und
    wie kann diese Kraft eingestellt werden?
Federwaage. Man kann die Federn nachbiegen und so wie gewünscht einstellen. Je nach Hersteller und Instrument bewegt sich der Federndruck zwischen 80 und 140 Gramm im Diskant, im Baß um die 300 Gramm (am Knopf)
  • Gibt es Alternativen zum Wachs bei der Befestigung der Tonklappen an den Clavishebeln (Heißkleber, Silikon-Dichtmasse)?
Es gibt dafür spezielle Industriekleber. Besser als die italienischen Klappen ist die WM-Gummiaufhängung. Bei der Morino N- und S-Serie ebenfalls verwendet.
  • Hat sich schon mal jemand Gedanken über das Tastenklappern gemacht und wie man es evtl. reduzieren kann?
Ja, gibt auch Patente dazu.
  • Gibt es Kurse/ Lehrgänge zum Thema Instandsetzung/ Reparatur von Akkordeons?
Gibt es.
Wer es fundiert als Handwerk lernen möchte, kann sich auch hier an der Berufsfachschule für Musikinstrumentenbau anmelden: http://www.bfs-klingenthal.de (Noch im Aufbau)
Dort lernt man auch, sein Werkzeug selbst zu bauen. Und wer das nicht kann, kann meiner Meinung nach auch ein Akkordeon nicht reparieren. Die vielen Fälle, die ich und meine Kollegen inzwischen schon auf den Tischen hatten, bei denen ohne jegliche Grundlage an Fertigkeiten und Wissen gepfuscht worden ist, zeigen mir immer wieder, daß es gut ist, sein Instrument zu kennen, das Reparieren aber fundiert und grundlegend angeeignet sein muß. Und nein, ich weiß auch nicht alles, sondern lerne seit 10 Jahren jeden Tag hinzu. Und genau das ist der Grund, weshalb ich der Meinung bin, daß man es entweder richtig oder gar nicht machen sollte.

Es gibt auch weitere Literatur und die meisten Deiner Fragen sollten mit den Büchern von Toni Schwall abgedeckt werden.
Das Buch von Gotthard Richter ist im Verlag Florian Nützel und dieser dürfte auch das Recht erworben haben, die Weiterverbreitung in jedweder Art zu erlauben bzw. zu unterbinden. Da ein Verlag Interesse daran hat, daß sein gedrucktes Buch vertrieben wird, gehe ich nicht davon aus, daß Interesse vonseiten des Verlages besteht, daß das Buch als PDF frei herumgeistert. Bitte bedenkt, daß Urheberrechtsvergehen nicht billig sind.
 
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gehe ich nicht davon aus, daß Interesse vonseiten des Verlages besteht, daß das Buch als PDF frei herumgeistert. Bitte bedenkt, daß Urheberrechtsvergehen nicht billig sind.
Nur zur Klarstellung: Ich habe und hatte nicht vor, das Buch online zu stellen. Deshalb schrieb ich ja ausdrücklich im Konjunktiv! Es ging mir lediglich um einen Hinweis, wie eine fachliche Seite aussehen kann, bei der die Unterscheidung zwischen Diskussionsbeiträgen und fachlich geprüften Beiträgen gewährleistet ist.
Das ist hier im Forum auch bedingt möglich, wenn man weiß, wer die Schreibenden sind. Wenn du schreibst, weiß ich, dass da ein HZIMM schreibt;)

Gruß, Tobias
 
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Kann mir vielleicht jemand sagen wieviel Grad ein Akkordeon Rohgehäuse für 30min verträgt ohne das die Leimung darunter leidet oder sich das Holz verzieht?
Also nicht mit Zelluloid beschichtet.
Das meiste sind ja Sperrhölzer.
Ist ja auch eine Spezifikation wenn auch ungewöhnlich. :) Aber für etwas neues aussergewöhnliches wichtig :)
 
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Hallo,

Erhöhte Temperaturen treffen wohl nur realistisch auf kpl. Instrumente und da ist dann bereits einiges an anderen Materialen im argen, bevor das Holz gröberen Schaden nehmen würde...
Ich könnte mir 2 Herangehensweisen vorstellen, da es wohl im Akkordeonbau kein realistischer Gedankengang im allgemeinen ist, sich mit diesem Faktor rein auf das Holzgehäuse im Rohzustand zu beschäftigen.

1. Du nimmst Dir ein altes Akkordeon vom Flohmarkt (etwa in gleicher Größe und Aufbau) und strippst es dann für entsprechende Selbstversuche.....
oder:
2. Du gehst zu einem Fachmann für Holz (Schreiner, etc.) der Erfahrungen mit höheren Umgebungstemperaturen an Holz hat (z.B. Saunabereich, etc.) und frägst mal dort nach. Er wird Dir dann sicher auch sagen, das dabei die Umgebungsfeuchtigkeit ebenfalls ein wichtiger Faktor wäre....
Also er sollte dann schon ungefähr eine Richtlinie angeben können, wie z.B. eine verleimte Schubladenkonstruktion in einer bestimmten Holzart, dann ungefähr belastbar wäre...

Ein moderneres Akkordeon hat eventuell schon gute Aluminium-Füllungen (Böden) verbaut, die den Verzug am Holz natürlich besser verhindern, als reine Holzböden (ähnlich einer typ. Schublade).
Wiederrum sind Leichtbauinstrumente auch wieder gefährdeter (wie z.B. bei Folklore-Modellen, etc.), da die Holgehäuse dünnwandiger gefertig sind....

Gruß
REDO
 
Kann mir vielleicht jemand sagen wieviel Grad ein Akkordeon Rohgehäuse für 30min verträgt ohne das die Leimung darunter leidet oder sich das Holz verzieht?

Eine wirklich gültige Aussage kann glaube ich so nicht getroffen werden.

Das Problem dürfte weniger das Gehäuseholz sein, sondern eher die zusätzlichen Werkstoffe, wie Leim oder Lacke. Beim Leim wird von Holzleim (Kaltleim) bis Heißleim alles verwendet. Genauso siehts bei den Dichtstellen aus. Planfüllung etc wird oft mit Lacken abgedichtet, die man in die Fuge reinlaufen lässt. Auch hier gibts nix einheitliches, was da verwendet wurde. Entsprechend schwierig dürfte es sein, einheitliche Angaben zu machen.

-> ich wüsste nicht, wo ich die Temperaturgrenze festmachen sollte.:nix:
 
Es gibt auch weitere Literatur und die meisten Deiner Fragen sollten mit den Büchern von Toni Schwall abgedeckt werden.
Das Buch von Gotthard Richter ist im Verlag Florian Nützel...

Ich habe mir zwei Bücher von Schwall und das von Richter gekauft und kann sie nur empfehlen. Lediglich bei Schwall war ich ein wenig enttäuscht von der doch recht primitiven Verarbeitung (kopierte Schreibmaschinenseiten). Inhaltlich trotzdem sehr interessant, weil dort jemand aus der praktischen Erfahrung heraus schreibt und viele Details bezüglich Fertigung und Reparatur verrät, auf die ich sonst nicht gekommen wäre. Wer es ganz genau wissen will, muss dann wohl eine Ausbildung zum HZIM machen, das ist doch in jedem Handwerk so.

Ich glaube auch, man sollte den Herstellern zugestehen, dass sie nicht alle ihre Betriebsgeheimnisse verraten.
 
Danke. Ich denke Lacke sind nicht so sehr das Problem. Die meisten packen 80 C locker. Meine größten Bedenken habe ich beim Holz. Ältere Instrumente haben noch recht gutes Holz. Bei neuen ist das bestimmt alles kammergetrocknet. Zumindest bei Serienprodukten. Luftfeuchtigkeit kann ich regulieren, so wie ich es brauche, kein Problem. Beim Gießen von Kunststoffteile brauche ich wenig und beim Trocknen von PUR etwas höhere da es den Prozess beschleunigt. Wenn der Leim und das Holz es packen ist alles gut. Abdichtung könnte man zur Not erneuern.
Wird jetzt mal in der Wärmekammer getestet.
 
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