Improvisation - wie geht man von absolut null an die sache ran!?

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Sebastian_R
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Hallo,
um gleich auf den punkt zu kommen, ich möchte mit dem fagott anfangen ein bisschen jazz zu spielen. Ich hab ez mal so angefangen dass ich mir ein paar standards aus dem realbook in den bassschlüssel übertrage und einmal nur die melodie spiele und evtl ein bisschen rhythmisch bzw. mit einfachen verzierungen variiere.

Wie beginnt man "richtig" zu improvisieren? Muss ich wirklich alle Skalen in allen Tonarten lernen und anwenden können, oder wie fang ich am besten an!?
Meine Fagottlehrerin kann mir leider auch nicht helfen, sie hat auch nicht viel mehr ahnung von jazz wie ich...

An alle die meinen mit dem Fagott könne man überhaupt nicht jazz spielen, ersparts euch bitte den kommentar...

danke und lg
sebastian
 
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hallo sebastian

TIPP :

wichtigste zuerst vor skalen sind meiner meinung
einmal die vier Grund_3_Klänge ( dur-moll-vermindert-üm ) in allen lagen und in allen umkehrungen zu üben
- wenn das geht - gleich ALLES wieder im Quarten + Quintenzierkel

dann ALLE kirchentonarten ( wenn net alle üben willst - dann wichtigsten ) hier ALLES zumindest in terzen
und was ABER SICHER net erspart bleibt, gleich dazu ALLE "harmonisch" sowie "melodisch moll" tonarten und wieder
zuerst in 3klänge - dann aber auch in 4klängen ( wegen akkordübersicht und aufbau - 4klänge sind auch nix anderes als 3klang-schichten )
gutes training - wenn man alle gut drauf hat einen akkord rauf - nächst folgenden retour ( sehr gut für be bop )

gleich mit standards beginnen - find ich persönlich keine gute idee - zielführender jeden einzelnen kirchenton-Modus und sämtlich akkorde dazu anhören, aufnehmen - also MODAL improvisieren ( melodien bilden ) lernen

nächster schritt dann II- V - dann I-VI-II-V und danach V7er alterieren - umso melodisch + harmonsich moll gezielt einsetzen lernen
und danach erst mit skalen beginnen ...
 
Mit dem Fagott kann man wunderbar Jazz spielen! Falls du es nicht kennst, hör dir mal Béla Fleck and the Flecktones Live At Quick an, mit Paul Hanson am Fagott :cool:

Das theoretische Wissen ist nützlich, aber bringt allein noch nicht viel. Ich empfehle vor allem: Viel Jazz hören, Soli bewusst anhören, vielleicht stellenweise raushören und nachspielen. So bekommt man so eine art musikalisches Vokabular und kann später eigene "Sätze" daraus bilden. Üben - einfach ausprobieren und wenn etwas gut klingt, gleich "Selbstreflektion", wie mein Klavierprofessor es immer sagt, also warum klang das gut, was hab ich da richtig gemacht? Gleich abspeichern und beim nächsten mal bewusst machen.
 
Kleiner Tipp: Es gibt auch ein Bass-Realbook, indem die Songs im Bassschlüssel notiert sind.
 
Viele Skalen in allen Tonarten zu können ist natürlich super. Aber wenn man alle Skalen in allen Tonarten geübt hat, kann man ja immer noch nicht improvisieren. Man kann auch erst mal probieren, wie weit man z.B. mit der Bluestonleiter bei einem Stück wie Equinox, Stolen Moments oder Work Song kommt und sich von dort aus weiter in die Welt der Skalen hineintasten. Auch bei So What braucht man zunächst gerade mal 2 Skalen: D-Dorisch und Eb-Dorisch und kann damit schon beginnen zu improvsieren. Man kann Stücke suchen, bei denen man wenige Skalen braucht. Mit 4 Skalen (Ab-Dur, C-Dur, Eb-Dur, G-Dur) kommt man durch All the Things You are weitestgehend durch. Man muß halt herausfinden, welche Skala wohin gehört und immer die Akkordtöne im Blick behalten.

Wenn man dazu dann Tonleitern, Akkordumkehrungen etc. übt, werden die sich im Laufe der Zeit fast von selbst in die Ímpro einfügen.

Grüße,
McCoy
 
Allgemein einmal danke für die tipps...

@iron_net: sind in dem dem bass realbook nicht vorgeschlagene bass-stimmen ausnotiert, ich war nämlich schon am überlegen mir das für den e-bass zu kaufen um mir da den jazz einstieg ein bisschen zu erleichtern....is nicht so einfach wenn man sich alles selber lernen muss....

von wegen skalen und dreiklänge....dur/moll bis ca. 3 kreuz/ b geht mehr oder weniger problemlos....dann schon nicht mehr (höhrt sich jetzt vl. komisch an) aber in der klassischen musik brauch ich das ganze ja so gut wie nie...und von wegen skalen...is vl am besten mal das wichtigste (zb. Dorisch, Mixolydisch) in verschiedenen Tonarten auzuschreiben und dann zu spielen, dass ich nicht gleich fehler einbaue, oder??
 
Im Bass Real Book stehen die gleichen Melodien drin wie im "normalen" Real Book, damit z.B. Posaunisten die Melodien auch spielen können.

Wenn man Skalen und Akkorde kann und deren Zusammenhänge versteht, versteht (und spielt?) man klassische Musik auch anders. Aufschreiben ist auf jeden Fall eine gute Idee, auch mal ein Solo raushören und aufschreiben und nachspielen, evtl. von einem Instrument das in der gleichen Tonlage ist, z.B. Bariton-Saxophon.

Grüße,
McCoy
 
Fagott eignet sich für Jazz schon deshalb weil es einen Sound hat, den man im Jazz-Kontext eben nicht so oft hört.
Vor einer ganzen weile wollten alle meine Saxophonisten-Kollegen auf dem Fagott doppeln. :]

Also die Melodie variieren finde ich schonmal total wichtig. Man spielt ja ein Solo in der Regel über ein Stück und nicht über eine abstrakte Akkordfolge. Das Thema sollte schon irgendwie verarbeitet werden. Bei Balladen finde ich das besonders wichtig.

Eine der ersten "Jazzschulen" (ich glaube Art Tatum hat sie irgendwann Mitte des letzten Jahrhunderts gegründet) hat sogar ihre Schüler solange eine Melodie spielen lassen, bis die zugehörigen Changes (Akkorde) automatisch mitgelernt waren und sie darüber improvisieren konnten.

Ansonsten gibt es diesen wunderschönen englischen Ausdruck "harmonical awareness". Damit hat man beim improvisieren anfangs am meißten zu tun. Es bedeutet, dass man zu jeder Zeit seiner Improvisation weiß was man tut ... welcher Akkord des Stücks gerade klingt und welche Funktion die Töne haben die man gerad spielt. Dafür würde ich allerdings nicht gleich in allen Tonarten spielen. Es gibt Stücke über die man mit einer Tonart ganz gut drüber kommt. Autum Leaves wäre ein Klassiker.

Bei etwas komplizierteren Stücken kann es schnell mal vorkommen, dass man mal für ein oder zwei Takte nach zB. Db-Dur oder Ab-Moll moduliert. Da machen sich dann die Technikübungen in allen Tonarten bezahlt.

Gruß.
 
Hallo,
vielen Danke mal für die vielen Tipps. Das Realbook in der Bass-Ausführung hab ich mir schon bestellt:great:

Eine Sache ist mir aber noch unklar...
Nehmen wir als Beispiel die ersten 4 Takte von All The Things You Are: das is ja vi-ii-V-I in As-Dur, richtig? Das heißt im Prinzip brauch ich ja eigentlich nicht zu lernen wie man, keine Ahnung, zb Dorisch von Bb weg spielt, weil, wenn ich diese 4 Takte nur Leitereigene Töne von As-Dur verwende bin ich ja grundsätzlich immer richtig, oder versteh ich das falsch?....das würde heißen, dass ich beim Improvisieren für den Anfang "nur" schaun muss was gerade Tonika ist und halt eben mit speziellem Augenmerk auf die jeweiligen Akkordtöne spielen !?.....hui is das alles kompliziert:eek:

Vielen Dank
sebastian
 
Ja, das Tonmaterial ist das von Ab-Dur ... allerdings ändert sich die harmonische Gewichtung der Töne mit dem Wechsel der akkorde. Ein versierter Improvisator wird sich an den jeweiligen Akkordtönen orientieren und so die harmonische Strucktur klar machen, selbst wenn er nicht begleitet wird. Deshalb sollte man schon zB Dorisch von Bb aus spielen können, da die Schwerpunkte da anders liegen als bei Ab-Ionisch.

Aber am Anfang kann man tatsächlich erstmal ruhig auf der Ab-dur Skala spielen. :]
 
Darf ich nochmal ne Frage stellen?
Zu Sebastians letzter Frage, das versteh ich auch nicht zu 100%, bzw. glaube ich, dass ich es schon verstehe, nur bin ich mir unsicher :gruebel:

Wenn ich die II-V-I in Ab-Dur habe, habe ich doch mit den Tönen von Ab-Dur doch alles Abgedeckt, oder nicht?
In den Tönen hab ich ja für die II die Töne von Bb Dorisch und für die V die Töne von Eb Mixolydisch.
Das ich die Harmonien mit der Improvisation herrausstellen, also das ich jeweils mit den Terzen und Septen herrumspielen, meinetwegen auch noch auf den starken Beats 1 und 3, nehme ich als selbstverständlich an.
Aber da zwischen kann ich doch alles von Ab Dur spielen was mir gefällt, oder nicht?
Oder hab ich da irgendwas nicht beachtet?

Edit: Dazu muss ich sagen, ich bin Gitarrist, also würden sich die Griffbilder für Dorisch bzw. Mixolydisch überhaupt nicht ändern. Ich würd ja höchsten von einem anderen Ton starten, vom Bb bzw. vom Eb.
 
Im Prinzip: Ja, die eine Auswahl aus sieben Tönen passt über alle drei Akkorde. Aber: Es kann interessant sein, über die drei Akkorde unterschiedliche Skalen zu spielen. Probier zum Beispiel mal Dorisch über II, lydisch-dominant oder auch alterniert über V und lydisch über I. Aber für den Anfang bist Du mit der normalen Dur-Tonleiter im Hintergrund und etwa den Vier- oder Fünfklangarpeggios als primärem Tonmaterial gut bedient.
 
Nebenbei gesagt ist der approach über Skalen bei weitem nicht der einzige - allerdings wird er viel gelehrt, weil er verhältnismäßig einfach zu vermitteln ist.
durch eine II - V7 - I rein diatonisch zu spielen (also dorisch - mixo - ionisch) klingt nicht sonderlich spannend es sei denn man nutzt die leittöne (terzen/septimen) geschickt aus.

viel interessanter wird's wenn man akkordisch spielt, sich also an den akkordtönen 1 3 5 7 (lower structure) orientiert und diese zb chromatisch umspielt. später dann kann man auch die viel zitierten "upper structures" bedienen indem man die tensions der einzelnen akkorde einbezieht und dort strukturen sucht.

es geht nicht nur darum "richtige" töne zu spielen, was das improviesieren mit skalen manchmal vermuten lässt. vielmehr ist die kunst die gespielten noten sinnvoll in bezug zueinander zu setzen. je ausgefuchster dieser bezug ist desto mehr kinnladen klappen im publikum nach unten. ;)

gruß!
 
Lower Structure = alles innerhalb der Oktave, und Upper structure = über der Oktave?
Und mit Tensions meinst du dann dementsprechend die 9,11,13?

Seitdem ich mich jetzt ein wenig von meinen Lehrbücher löse und nicht mehr die "Wahrheit im System" suche, klingt auch alles viel besser.
Ich glaube, langsam beginne ich zu verstehen worum es eigentlich geht.
 
Seitdem ich mich jetzt ein wenig von meinen Lehrbüchern löse und nicht mehr die "Wahrheit im System" suche, klingt auch alles viel besser.
Hurra! Offenbar bist Du auf dem richtigen Weg.

upper structure:
Wenn Du z.B. einen C13 Akkord hast, dann heißen die Töne C E G Bb D F# A (die 13 schließt alle tieferen Tensions ein). Die oberen 3 Töne ergeben nun einen D-Dur Dreiklang, die unteren vier Töne einen C7 Akkord. Also könnte man schreiben: D/C7 (D-Dur über C7). Der D-Dur Dreiklang (9 #11 13) ist die "upper structure" (US), der C7 Akkord die "lower structure". Dieser Akkord wäre ein upper structure der 2. Stufe (US II)

Ebenso z.B.:
C7(b9 13) = A/C7 (US VI)
C7 (b9 b13) = C#m/C7 (US bII)
C7 (b9 #11 13) = F#m/C7 (US #IV moll)
C7 (b9 #11) = F#/C7 (US #IV Dur)

etc.

Gruß,
McCoy
 
So, ich hab mich heute mal an Autumn Leaves gemacht. Soll ja nen guter Einstieg in die Improvisation sein.

Erstmal hab ich den Schinken (versucht) Analysiert, wobei folgendes herraus kam:

(Zunächst nur den A-Teil)
Cmi7 / F7 / Bbj7 / Ebj7 / Ami7b5 / D7 / Gmi

II / V / I / IV / VII / Zwischendominante (?) /VI in Bb Dur.

Kann man das so stehen lassen?


Jetzt hab ich bis jetzt immer nur über reine II-V-I Verbindungen Improvisiert. Hatte da meine Griffbilder, konnte die Arpeggios anwenden.
Nun kommen da aber noch anderen Stufen hinzu bzw. auch ein Tonleiterfremder akkord.
Also muss nen anderes Konzept zur Impro her.
Da dacht ich mir, halt die an die Arpeggios, die sind mir ja bekannt.
Jetzt bin ich dabei mit die Arp. Töne mit Zwischentönen zu verbinden. Kann man ja soch machen, oder nicht?

Nen 2. Konzept, was mir einfiel, war, bis zur Zwischendominante (wenn das denn da so heißt) mit der Bb Dur Tonleiter zu Improviesieren und über dem D7 mit der G Dur Tonleiter.
Was haltet ihr davon? Bzw. wie kann ich das noch besser üben?
 
Also ich würde Ami7b5 / D7 / Gmi als II-V-I Verbindung in Moll ansehen. Die V dabei mit Tension b9 (was dann auch gerade dem b5 von Ami7b5 entspricht).

Improvisatorisch würde ich mal mit G Harmonisch Moll (die HM5-Skala) darüber, zwischen b9 und Terz von D7b9 entsteht die für Harmonisch Moll typische Lücke von 3 Halbtonschritten.
 
Ok, das erklärt dann auch den D7.

Harmonisch Moll ist mir bekannt, aber was meinst du mit HM5? Die 5 bringt mich raus :$

Nach deinem Beitrag hab ich direkt mal mir Gm hergeleitet und aufgeschrieben (besser für mein Verständnis und den Überblick).
Dabei kam raus:

G ABb C D Eb F G

Dann wollt ich daraus Harmonisch Moll machen, also die 7 erhöhen:

G ABb C D Eb F#G

So! Jetzt hab ich da aber nen Kreuz und 2 B'chen. Geht doch garnicht! Oder doch? Ich steh auffem Schlauch.
 
Naja ... über gemischte Kreuze und Bs beschweren sich eigentlich nur Klassiker. ;)

Die Bezeichnung HM5 meint die Skala die sich ergibt wenn man Harmonisch Moll vom 5. Ton aus beginnt. Mann sagt Harmomisch Moll 5. Stufe.

G A Bb C D Eb F# G A Bb C D Eb F# G

Diese Skala ist das Äquivalent zu Mixolydisch nur eben in einem Moll. Man nennt sie auch mixo(b9,b13) da sie sich nur durch die beiden Tensions b9 und b13 von Mixolydisch unterscheidet.

Zum Zusammenhang in Autum Leaves. Man könnte durch den ganzen A-Teil mit dem Tonmaterial von G-moll (also aeolisch) spielen. Einzig das D7 enthält einen fremden Ton, nämlich F#. Wenn man Gm Tonmaterial nimmt spielt man an der Stelle F, was in D7 die #9 ist ... völlig legitim. Allerdings verschenkt man einen Leitton (F#->G), weshalb man eben eher Mixo(b9,b13) spielen würde.
 
Naja ... über gemischte Kreuze und Bs beschweren sich eigentlich nur Klassiker. ;)

Das kommt davon, wenn man bei einem Unterricht hat ;D

Danke für die Erläuterung, jetzt hab ich soweit alles verstanden. Heute Abend mal an einen neuen Versuch machen.
 

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