Improvisation: Jazz oder nicht?

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borntobewild
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Hallo,

vor Kurzem hörte ich jemanden am Klavier improvisieren.

Ich sagte: "Schöner Jazz!"

Mein Begleiter allerdings erwiderte: "Nein, Jazz ist das nicht, eher freie Improvisation!"

Nun meine Frage:

Woran kann ich eigentlich erkennen, ob eine Improvisation jazzig ist, oder eben nicht?

Gibt es da ein paar Punkte, woran man das sofort festmachen kann?

Bitte aber jetzt keine Diskussion über Schubladendenken.

Freue mich über jede Antwort!

Liebe Grüße an alle!
 
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Schau Dir das mal an, der gute Helge Schneider erklärts recht witzig :)

https://www.br-klassik.de/themen/jazz-und-weltmusik/helge-schneider-10-folge-100.html

Meine Erfahrung:
Impro ist zwar ein (wenn nicht sogar DAS) Merkmal im Jazz; aber nicht jede Improvisation ist gleich Jazz(ig).
Improvisation ist eigentlich ein sehr altes (und gängiges) Stilmittel gewesen. Grad auch ausserhalb unserers Kulturkreises, bis heute noch.
Schau Dir mal bei YT verschiedene "Weltmusik" (so heisst das heute wohl) an; oder auch indische Musik /Ragas. Das ist alles Impro, hat aber keinen "jazzigen" Charakter.
Impro ist immer aus dem Moment (dem Herzen) heraus, das kann auch mal nur 2 Töne sein... Jazz ist da meist viel verspielter.
 
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Hallo,

dir lieber Jakari erstmal vielen Dank für deine Ausführungen und den echt interessanten Link.

Nun ich hab mal bei Wiki nachgeschaut. Da steht unter "Improvisation Musik" unter anderem:
"... da offenbar die stilistischen Spielregeln für Improvisation von herausragender Bedeutung sind."

Und um diese stilistischen Spielregeln im Jazz und der Improvisation dort geht's mir.

Anders gefragt: Was sind Anhaltspunkte, um eine Improvisation dem Jazz zuordnen zu können?

Ich fange gleich mal selber an: Swing! Und behaupte, eine jazzige Improvisation muss oder soll swingen.

Aber das kann nicht alles sein. Was ist sonst noch jazztypisch?

Na, traut sich noch jemand?
 
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Na, traut sich noch jemand?
Pfft.

Jazz lässt sich vor allem an der Harmonik erkennen. Es werden so gut wie keine einfachen Dur- oder Mollakkorde verwendet. Desweiteren taucht die berühmte II-V-I Verbindung auffallend häufig auf. Die Improvisation orientiert sich stark an den Akkorden, es werden viele Arpeggios verwendet, die Skalen wechseln häufig, wenn die gerade erklingenden Akkorde es erlauben bzw. nahelegen.

Im Vergleich dazu wird in der Pop-Rockmusik oft über die Stufenakkorde einer einzigen Tonart mit einer simplen Pentatonik improvisiert.
 
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Ich glaube, über die Benennung von Stilelementen wird man der Sache nicht gerecht.

"Jazz swingt, wird improvisiert und hat eine komplexe Harmonik."

1. Es gibt Jazz, der nicht swingt: Latin Jazz oder Jazzrock z.B.
2. Es gibt Jazz der nicht improvisiert wird oder der Improvisationsteil auf ein Minimum zurückgeschraubt wird: Bigband Jazz z.B.
3. Es gibt Jazz, der keine komplexe Harmonik hat und keine II V I-Verbindungen: So What, Jean Pierre, Freejazz ...

Das Phänomen Jazz ist stilistisch ausgesprochen vielseitig. Der zielführendste Weg, geht wohl über die Jazz-Geschichte. Man muß die Entwicklung des Jazz verstehen und nachvollziehen, wenn man sich eine gute Basis für ein eigenes Urteil schaffen will, was Jazz ist und was nicht.

Angefangen bei den Vorläufern Ragtime, Mississippi-Blues, über den New Orleans- und Chicago-Jazz zum Swing und Bebop, Cooljazz, Hardbop bis zum Freejazz, Jazzrock, Modern Creative ... ... Gospel ...

Das ist klanglich und stilistisch alles ausgesprochen verschieden, und doch ist es alles Jazz. Und interessant ist die Beschäftigung damit allemal!

Es gab mal so eine LP von Joachim Ernst Behrendt: Was ist Jazz? Das war in den 70ern und 80ern Schulstoff. :D
https://www.discogs.com/de/Joachim-Ernst-Berendt-Was-Ist-Jazz/release/1541338

Viele Grüße,
McCoy
 
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Ich glaube, über die Benennung von Stilelementen wird man der Sache nicht gerecht.
Das ist sicher richtig. Allerdings ist ein Beitrag in einem Forum auch nicht dazu geeignet, dieser Sache erschöpfend auf den Grund zu gehen, wenn man bedenkt, dass Berendt/Huesmann über 900 eng bedruckte Seiten dafür verwendet haben. Das sollte nun eigentlich auf eine Buchempfehlung hinauslaufen, doch anscheinend ist das Werk wohl nicht mehr so einfach zu bekommen.

Edit: Die Doppel-LP von Jochim-Ernst Berendt hab ich vor sehr langer Zeit ganz normal in einem Plattenladen gekauft. :)
 
Das ist ein heikles Thema, das Du da aufmachst. Da drohen von allen Seiten gleich die jeweiligen Hüter der reinen Leere hervorzustechen ... :)

Aber für mich persönlich (!!) ist das einzige Merkmal, das Musik haben MUSS, damit ich sie als jazzmäßig wahrnehme, eine gewisse rhythmische Finesse, gleich in welcher konkreten Form sie sich offenbart (Drive, Swing, Polymetrik, ...). Aber OHNE besondere rhythmische Kunstfertigkeit kann für mich persönlich kein Jazz existieren.

LG
Thomas
 
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Aber für mich persönlich (!!) ist das einzige Merkmal, das Musik haben MUSS, damit ich sie als jazzmäßig wahrnehme,
eine gewisse rhythmische Finesse, gleich in welcher konkreten Form sie sich offenbart (Drive, Swing, Polymetrik, ...).
Aber OHNE besondere rhythmische Kunstfertigkeit kann für mich persönlich kein Jazz existieren.


absolut richtig und scheinbar nicht nur unsere Meinung.




"jazz time is syncopation" !!!
 
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Oh, oh... ich glaube da ist die einzige Antwort: die einen sagen so - die anderen sagen so... :rolleyes:

Es gibt keine verbindliche Definition für Jazz, das ist ja kein Industriestandard sondern ein Stil bzw, eine ganze Ansammlung von Stilen. Und das Empfinden ändert sich auch im Laufe der Zeit - was heute für uns aalglatt klingt, galt vor ein paar Jahrzehnten noch als schräg. Insofern stimme ich mit @McCoy überein: der sinnvollste Zugang ist wahrscheinlich der über die geschichtliche Entwicklung.

Es gibt sicher einige Merkmale, die viele Leute als typisch für Jazz identifizieren (z.B. bestimmte Extensions (maj7/9/11 etc.), Verbindungen (I-V-I) oder Rhythmen (Swing, Synkopen, ungerade Takte). Aber das ist auch nur eine verbreitete Meinung und keine Definition. Für all das lassen sich leicht Gegenbeispiele finden (siehe @McCoy), wo jeder sofort sagt: klar, das ist auch Jazz.

Aber schon bei einfachen Fragen scheiden sich die Geister: zählt Blues (heute noch) zum Jazz? Oder Skiffle? Oder etliche US-Schlager aus den 50ern, die damals zweifellos "jazzig" klangen?

Woran kann ich eigentlich erkennen, ob eine Improvisation jazzig ist, oder eben nicht?

(Mein) Fazit: Das kannst du nicht erkennen. Das kannst du nur so empfinden - oder eben nicht.

stilistischen Spielregeln im Jazz und der Improvisation dort geht's mir.

Es gibt keine Spielregeln im Jazz. Es gibt allenfalls Konventionen und gemeinsame Interessen.

Ich fange gleich mal selber an: Swing! Und behaupte, eine jazzige Improvisation muss oder soll swingen.

Swing ist ganz bestimmt kein (definierendes) Merkmal für Jazz. Genauso wenig wie Tonalität oder Rhythmik.
Mein liebstes Beispiel: Hör dir mal "Zero Tolerance for Silence" von Pat Metheny an. Da findest du nichts von alledem. Ist das noch Jazz? Oder nur noch Lärm? (Ehrlich gesagt: ich weiß es auch nicht.)

Aber das kann nicht alles sein. Was ist sonst noch jazztypisch?

Tja, um ehrlich zu sein: ich glaube du wirst keine Antwort finden. Aber ich finde die Frage trotzdem interessant. Ich bin jemand, der sagen würde: er mag Jazz, hört ihn schon seit vielen Jahren und spielt ihn auch (oder versucht es jedenfalls). Aber ich muss feststellen: ich weiß eigentlich auch nicht so genau, was er eigentlich ist und was ihn ausmacht. ;)

Grüße,
Thomas
 
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Hallo,

erstmal eine großes Dankeschön an alle, die hier antworteten.

Ich denke mal, wir werden hier zu keiner allgemeingültigen Definition kommen.

Eigentlich ist es auch egal, ob so eine Improvisation Jazz ist oder sonst was.

Mir hat´s gefallen, und das ist wichtig.

Viele Grüße!
 
Hallo,

vor Kurzem hörte ich jemanden am Klavier improvisieren.

Ich sagte: "Schöner Jazz!"

Mein Begleiter allerdings erwiderte: "Nein, Jazz ist das nicht, eher freie Improvisation!"

Nun meine Frage:

Woran kann ich eigentlich erkennen, ob eine Improvisation jazzig ist, oder eben nicht?

Gibt es da ein paar Punkte, woran man das sofort festmachen kann?

Bitte aber jetzt keine Diskussion über Schubladendenken.

Freue mich über jede Antwort!

Liebe Grüße an alle!

Hast du dir jemals mal Jazzmusik angehört? Miles Davis, John Coltrane, Wes Montgomery, Charlie Parker?

Vielleicht würde das alle deine Fragen beantworten
 
Es wurde quasi alles Wesentliche gesagt.
Für mich persönlich ist Jazz progressiv.
Also kann er sehr schlicht sein bis hin zum Extrem.

Sehr simpel würde ich sagen, es ist dann Jazz, wenn Reibungen überwiegen, und das ist der Fall, wenn für unsere Ohren „ruhige“ Harmonien durch Zusatztöne „gestört“ werden.
Selbiges gilt für den Rhythmus. Das ruhig empfundene Metrum wird durch Unterbrechungen, Synkopen, Betonungen an „unbetonten“ Stellen gestört.

Wie stark diese Effekte sind, machen dann die Progression aus, also wie stark „verjazzt“ gespielt wird.

Und das ist in allen Genres möglich.

Grüßle
 

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