Impro-Workshop Nr. 4: "Corcovado"

Jay
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Neuer Workshop mit dem Thema Latin allgemein und Corcovado speziell. Spain wäre auch gern gesehen worden, ich stimme da aber mit cordesavide überein, der sinngemäß meinte, dass das als Solo(!)piano(!)stück wohl eher ungeeignet wäre, so schön das Lied auch ist. An Stücken wie Corcovado, Desafinado, Blue Bossa, etc. kann man Latin wahrscheinlich besser erörtern. ;)

And now, please contribute. :great:
 
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Oh, jetzt hab ich vor lauter Kursanmeldung die Abstimmung verpasst. Aber Corcovado ist gut. Mein Beitrag folgt demnächst!
 
Bin ich mit einverstanden. Kann jemand mal das Sheet posten? :)
 
Voilà:
 

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Dankeschön! Bis mein Beitrag kommt, dauerts noch n Weilchen, aber ich kann vorweg schon mal eine harmonische Analyse liefern. Dabei laß ich das Intro mal außen vor, das finde ich sowieso komisch, da denk ich mir lieber selber eines aus.

Wenn man so will, hat man in den ersten 6 Takten eine Dominantenkette. In den ersten beiden die Zwischendominante D7 mit A als Grundton (interessiert nur den Bassisten bzw. die linke Hand). Ab° (sprich: vermindert) in den nächsten beiden Takten ist ein Substitut für die Zwischendominante G7. Als letztes dann das C7 als Hauptdominante mit Gm7 als vorgehaltener 2. Stufe. In Takt 7 und 8 löst sich das ganze dann nach Fmaj auf. (Zuvor allerdings noch einmal F vermindert als Vorhalt - den kann man fürs Solieren allerdings getrost ignorieren.)
In der nächsten Phrase wechselt das tonale Zentrum zu C. Zunächst haben wir Bb7 als Sekundärdominante (bVII7) mit Fm vorher als dazu zugehöriger 2. Stufe (IVm). Das Em7 im dritten Takt der Phrase ist die 2. Stufe zur Zwischendominante A7, die nach D7 auflöst. Da D7 selbst nicht auflöst, ist es als Sekundärdominante zu betrachten. Folgt noch Dm7 als 2. Stufe und Ab° als Ersatz für die 5. Stufe von C.
Dritte Phrase ist genauso wie die erste.
Die vierte Phrase sieht auf den ersten Blick ähnlich aus wie die zweite, hats aber in sich. Fm7 und Fm6 weiß ich nicht so recht einzuordnen. Spontan würde ich sagen, Fm6 ist Substitut für Bb7 und fungiert so als Sekundärdominante wie in der zweiten Phrase. Voicing ist jedenfalls das gleiche, genau so wie die Skala. Em7, Am7 und Dm7 sind Teile der großen Kadenz in C, also 3., 6. und 2. Stufe, alles zur Dur-Diatonik von C, schlußendlich mit G7b9 als großer, fetter, finaler 5. Stufe, die schlußendlich zum - hoppla, Überraschung! Anstatt aufzulösen, gehts wieder zurück zum Em7, die ganze große Kadenz noch mal durch, bis nun mit dem finalen C6 das tonale Zentrum erreicht und das Schäfchen im Trockenen ist. ;)

Nun die alles entscheidende Frage - was darüber spielen? Theoretisch korrekt würde es so aussehen:
D7/A: D mixolydisch #11 (= A melodisch moll)
Ab°: Ab GT-HT
G-7, Csus, Fmaj: F dur
F-7: F dorisch (= Eb dur)
Bb7: Bb mixo #11 (= F mel moll)
E-7: Hier phrygisch (= C dur) , da die Melodiestimme hier kein Vorzeichen vorm F hat - dementsprechendes phrygisches Voicing spielen!
A7b13: A alteriert ( = Bb mel moll)
(ich überspringe jetzt die redundante 3. Phrase)
F-7: F dorisch (= Eb dur)
F-6: F mel moll
E-7, A-7, D-7: C dur
G7 b9: G HT-GT
E-7, A-7, D-7, G7, C6: C dur (schwer, ne? ;))

Allerdings können wir uns an manchen Stellen das Leben deutlich leichter machen (Änderungen fett markiert):
D7/A: D mixolydisch #11 (= A melodisch moll) oder H moll Pentatonik
Ab°: Ab GT-HT
G-7, Csus, Fmaj: F dur oder A moll Pentatonik
F-7, Bb7: Eb dur oder G moll Pentatonik
E-7: E dorisch = D dur oder F# moll Pentatonik mit normalem Moll-Voicing. Achtung! Wenn ihr das Thema spielt, müßt ihr aber wegen der Melodie nach wie vor das phrygische Voicing spielen!
A7b13: b13 weglassen und A mixolydisch = wie oben D dur oder F# moll Pentatonik spielen
F-7: F mel moll (beißt sich eigentlich mit der Septime im Voicing, klingt aber trotzdem gut)

F-6: F mel moll
E-7, A-7, D-7: C dur oder E moll Pentatonik
G7 b9: b9 weglassen und beim C dur (bzw. bei der Pentatonik) bleiben
E-7, A-7, D-7, G7, C6: drei mal dürft ihr raten ;)


Das klingt alles furchtbar theoretisch, aber sehr hilfreich ist das, was in Mark Levines Jazz Piano Book steht: Akkorde und Skalen sind im Jazz eigentlich im Prinzip das gleiche! Man sollte eigentlich weniger in Akkorden, sondern stärker in Skalen denken. Das leuchtet einem ein, wenn man merkt, für wie viele unterschiedliche Akkorde es ein und dasselbe Voicing und ein und dieselbe Skala gibt. Man sollte Voicings daher immer mit den zugehörigen Skalen üben, dadurch automatisiert sich das irgendwann. Dann kriegt man das hin, ohne größer drüber nachzudenken.

Btw: wenn jemand nicht weiß, was sich hinter GT-HT und HT-GT verbirgt, dann möge er laut und deutlich schreien. :D
 

Hey Luc,

Kompliment für Deine Analyse! Ich persönlich - so ist das auch bitte zu verstehen - mache mir beim Spielen primär keine Gedanken über die Zusammenhänge. Mir hilft es aber immer bei Stellen, die sich mir beim bloßen Durchspielen zunächst harmonisch nicht erschließen und ich halte es für den ein oder anderen Jazzer, der sich noch ziemlich am Anfang befindet, für eine gute Grundlage, sich Deine Erörterungen mal reinzuziehen.

Was ich nie verstehen werde und sich in meinen Ohren auch noch bei keiner Interepretation von Corcovado bewahrheitet hat, ist die Darstellung des ersten Akkordes nach dem Intro als D7/A. Für mich ist das ein Am6 (was natürlich von den Tönen her das selbe ist, aber funktionali ist doch D7/A für den A...). Oder wie siehst Du das?

Auch ich werde demnächst meine Impro posten.
 
Ja, von der Skala gesehen ist dasselbe wie Am6 bzw. Am maj. Ich denke allerdings, die Schreibweise rührt daher, weil Am maj sonst tonales Zentrum wäre, von der Funktion allerdings dominantisch gesehen werden soll, somit D7 mit A als Grundton.
Für Spielen tut das allerdings nichts zur Sache, ist beides das gleiche.

Die Theorie ist ja auch nicht Selbstzweck, sondern dient vor allem dazu, daß man ein Bild davon hat, was man wo spielen kann und sich somit einige Stellen vereinfachen kann. Wenn man das mit der Dominantenkette am Anfang erkannt hat, kann man ja theoretisch reharmonisieren (geht natürlich nur alleine, man muß auch die Baßfigur entsprechend anpassen): aus D7/A | % | Ab° | % | Gm | Csus wird schlicht D7 | % | G7 | % | C7 | %. Wenn man dabei C7 und D7 mixo #11 spielt und G7 alteriert, hat man den Vorteil, daß man sich für die ersten 2 Takte ein Motiv (anfangs in D7 #11 = A mel moll) ausdenken, und dann in G7 und C7 jeweils einen Halbton tiefer wiederholen kann, bis man dann über Fmaj irgendwas in Fdur spielt. Das ist nicht schwer und klingt gut. :)
 
Wobei ich hier eigentlich doch die originale Version bevorzugen würde - ohne das Ab° hat das Stück nicht diese mitreißende melancholische Stimmung. Aber einfacher zu spielen wär die Reharmonisation sicherlich.
 
Soo, jetzt bin ich tatsächlich mal der erste.
Habe mich jetzt mal eine Stunde mit dem Corcovado auseinander gesetzt und bin zu dem Schluss gekommen, dass es sicherlich für den Großteil der vielleicht nicht professionell behafteten Improvisateure einfacher ist, eine Combo im Rücken zu haben.

Also gibt es jetzt bei mir 2 Sachen runterzuladen:

1. Bass und Percussion: Intro und 3 Chorusse.

Anmerkungen:

Ich habe - weil ich's immer so mache - die letzten beiden Takte (wo last x only drübersteht) harmonisch wie folgt abgehandelt: auf 1. Takt Zählzeit 1 C6. 2. Takt Zählzeit 1 B°7, Zählzeit 2 E7b9. Der dritte Chorus endet auch aprupt mit dem E7b9, was dann einfach ausklingt.
Percussionmäßig habe ich eine erweiterte 3-2 Clave und ein chickenshake drübergelegt. Das dürfte auch für den Liveauftritt ohne viel Drumzeugs eine schöne Untermalung sein. Das ist überhaupt wichtig für lateinamerikaischen Jazz: die Clave stellt hier das rhythmische Grundmodell dar. Es gibt sozusagen kein 1 und 3 sondern die 3-2 oder 2-3-Clave.



Da ich das ganze vorsorglich per MIDI eingespielt habe, besteht jederzeit die Möglichkeit auf Anfrage den ein oder anderen Chorus einzuschieben. Wenn jemand keinen Webspace hat, kann ich auch was zur Verfügung stellen!


2. Meine Interpretation

Es sind - na ja man ist ja immer so selbst kritisch - ein paar unrunde Stellen drinne, aber ich denke, das ist ein Workshop und keine Demoaufnahmesession. Ich improvisiere den 2. und halben 3. Chorus.




Für alle Interessierten: Bass (PRB015) und Percussion (PR031) kommen aus dem Fantom XR und der Flügel aus dem GEM Promega 3 (ST GRAND1).

Viel Spaß beim hören und vor allem selber produktiv werden!
 
Sehr cool geworden! :) Dem ist eigentlich nicht mehr hinzuzufügen. Stimmführung, Timing, Harmonik - stimmt alles. Besonders gut gefiel mir der Chrous, bei dem du in Double-Time gewechselt bist. Das klang mal richtig schön jazzig.
Ein paar Fragen zu deinen Voicings: Was ist das für ein cooler Bill Evans-Akkord bei 3:54? Und welches Left-Hand-Voicing nimmst du für den Moll-Akkord bei 1:08? (Laß mich raten: 7, 9, 3, 13)
 
Sehr cool geworden! :) Dem ist eigentlich nicht mehr hinzuzufügen. Stimmführung, Timing, Harmonik - stimmt alles. Besonders gut gefiel mir der Chrous, bei dem du in Double-Time gewechselt bist. Das klang mal richtig schön jazzig.
Ein paar Fragen zu deinen Voicings: Was ist das für ein cooler Bill Evans-Akkord bei 3:54? Und welches Left-Hand-Voicing nimmst du für den Moll-Akkord bei 1:08? (Laß mich raten: 7, 9, 3, 13)

Danke für das Kompliment. Ja, ich spiele sehr gerne synkopisch, gerne double-time-feeling, triolisch und was man da noch so alles an Schweinereien machen kann.

Also meine Analyse in Cubase ;-) sagt mir, dass ich bei 1:08 lefthand f', a', bb' und c' spiele, damit liegst du unter Berücksichtigung des (noch gerade) klingenden Melodietones e'' goldrichtig. Ist finde ich gar nicht so einfach mit den lefthand-Voicings, da die Melodie recht tief liegt. Außerdem sind die lefthands bei mir eine Schwachstelle. Dabei hätte ich alle Voraussetzungen, sie ein für alle Male zu üben (Piano-Book, guter Blattspieler usw.). Da habe ich andi85 bei Stella bewundert mit seinen piksauberen Lefthands. Ich meine mich zu erinneren, dass Deine auch ziemlich amtlich sind, Luc.

In 3:54 klingt von unten nach oben: a, g', a', d'', g'' und b'' - naja und dann die Evans-Rückung, welche er von meinem Benutzerbild geklaut hat... :D. Corcovado finde ich lädt ein wenig zu modalen Rückungen ein, oder?

Sehr unzufrieden bin ich allerdings mit der mp3, nachdem ich sie soeben nochmal mit Schrecken gehört habe. Meine Soundkarte im PC zermatscht das ganz schön.

10 Minuten später: Au weia, da war auf dem Piano-Kanal noch der Kompressor drinne. Werde morgen (besser gesagt heute...) vermtl. die mp3s mal neu uploaden.

Und kleine Korrektur zu meinem Post von gestern, 14:48 h:
Der 2. Akkord im letzten Takt ist nicht E7b9 sondern natürlich E7#9... .
 
Habe die MP3s erneut in vernünftiger Qualität geripped und bereitgestellt.
 
Andi85 hat mich gebeten, seinen Corcovado-Beitrag einzustellen.
Hier isser:

Corcovado von Andi85

So, und nun Arena frei :D
 
Danke Wolf, so Webspace ist schon fein :D
Also seid bitte gnädig mit mir! Ich musste unbedingt mein Klavier aufnehmen und das war so ein Rumgenerve, dass ich irgendwann auf Corcovado keinen Bock mehr hatte :eek:
Die Version war jetzt das geringste Übel, aber mir gefällts immer noch nicht. Außerdem scheppert irgendwas im Klavier mit (hört man beim Spielen nicht) und ich glaube, dass die Mikros etwas zu nahe dran sind.
Naja, ich habs wenigstens versucht.
 
Jetzt lamentier nicht so rum! Die Impro ist recht hübsch, ich wünschte ich würde es so hinkriegen, mein erster Versuch war kein Vergleich (in negativer Hinsicht :mad: ). Aber ich kann mich ja jetzt an Deiner und Travelinlights Version orientieren :D .
Aufnahmetechnisch klingts etwas amateurisch, allerdings sooo schlecht auch wieder ned, die meisten Amateur-Microaufnahmen sind schlechter. Welche Micros hast Du denn eigentlich genommen? Und wo hast Du sie plaziert? Ist das auf Deinem Steingräber gespielt? Dann klingt selbiges aber schon recht fein, Glückwunsch!

Cheers,

Wolf
 
Genau, das Klavier ist das Steingraeber, Mikros waren zwei Shure PG-81, die ich ins oben offene Klavier gehängt hab. Was genau dran fehlt, weiß ich auch nicht wirklich. Vielleicht der Raumklang? Da ist natürlich bei einem normalen Wohnzimmer mit Fliesenboden nicht viel zu reißen...
 

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Genau, das Klavier ist das Steingraeber, Mikros waren zwei Shure PG-81, die ich ins oben offene Klavier gehängt hab. Was genau dran fehlt, weiß ich auch nicht wirklich. Vielleicht der Raumklang? Da ist natürlich bei einem normalen Wohnzimmer mit Fliesenboden nicht viel zu reißen...

Ich denke, eine Stimmung täte ihm nicht schlecht :D.

Ansonsten hast Du finde ich einen guten Anfang in der Kategorie "Klavier solo" gemacht :great:. Ich werde das auch noch bei Gelegenheit nachreichen. In jedem Fall bist du näher an den Original-Changes. Ich habe die irgendwie mit der Zeit beim Mucken etwas verreharmonisiert... .
Mir gefällt die kleine Steigerung ab 2:00 sehr gut (war ja beim letzten Track von Dir auch sehr gelungen - kam da aber sehr abrupt).Auch diesmal viele schöne Voicings dabei.

Ich finde, Du könntest die Melodie ruhig noch viel viel viel mehr laid back spielen - ist natürlich Geschmackssache, aber ich finde es bei den Bossas am geilsten, wenn die Melodie mindestens anderthalb Takte hinterherhinkt :D
 
Klar, die Stimmung kommt im Herbst, sobald die Heizung läuft. Außerdem, ich weiß nicht ob man das hört, da prellen ein paar Tasten - das wird beim selben Termin auch nachgestellt.
Ich meine eher eine Verbesserung des Aufnahmesounds. Da bin ich leider ziemlich ratlos.

Haha, laid back, da sagst du was - ich war auf 180, wie ich das gespielt hab :D :twisted: %$§ Klavier, &%$§ Mit-Rasseln, &%$§" GarageBand...da muss ich froh sein, wenn die Melodei nicht eineinhalb Takte vorausrennt :eek:
Aber mal im Ernst: Natürlich hast du recht damit. Da müsste noch etwas mehr Ruhe rein - heißt ja nicht umsonst auch "Quiet Nights".
 
@andi:
Sehr schöne Aufnahme! :) An manchen Stellen möchte man glauben, Bill Evans sei wiederauferstanden. Mich beeindruckt immer dein Gespür für Harmonik - durch die Wahl der Voicings und die simplen, aber genial klingenden Reharmonisationen (ich sage nur sus ;)) bekommt dein Spiel einen sehr mordernen und klangvollen Charakter.

Die Idee, das an meinem Klavier aufzunehmen, hatte ich auch. Deswegen muß meine Impro noch ein Weilchen warten, da überhaupt erst mal Mikrophone angeschafft werden müssen. :D Fakt ist doch, daß die Aufnahme trotz eher amateurhafter Technik viel gefühlvoller und softer klingt als von irgendeinem 08/15-Stagepiano gegriffen. An dem etwas dumpfen Klang störe ich mich nicht, im Gegenteil, den würde ich jedem künstlich sterilisierten Digitalsound vorziehen.
 
Danke, luc!
Jaja, sus-Akkorde, die mag ich irgendwie :)

Zwecks den Mikros: Frag doch mal einen Schlagzeuger. "Meine" PG-81 laufen normalerweise als Overheads.

Aber du hast schon recht, egal wie gut das Klavier auf der Aufnahme rauskommt, es verändert die Art in der man spielt schon merklich.
 

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