Und je mehr ich Gehörtes und Gemessenes vergleiche, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass die (gemessene) Grundfrequenz einer Zunge nur die halbe Wahrheit ist.
Klar - die Zunge strahlt ein sehr breites Frequenzsspektrum ab, das sich obendrein mit der Schwingungsamplitude also mit der Lautstärke ändert - beschreibt Fehlhaber in seinem Buch recht anschaulich. - Stimmen kann man aber keine Teilfrequenz, sondern nur die Zunge als Ganzes. D.H. ich verpasse der Zunge beim Stimmen einen Kerbstrich. Das einzige, was ich variiere, ist ob ich den Strich weiter nach hinten oder eher weiter nach vorne setze. Das hängt von der Tondrift der jeweiligen Zunge ab. Sollte sich hierbei das Obertonspektrum in dessen Ausprägung leicht verschiebe - Tja, dann isses halt so. Ändern könnte ich das, selbst wenn ich wollte, nicht. Also nehm ich es hin. Aber die Frequenzen grundsätzlich verschieben schaff ich nicht. Die sind da - stark oder schwach, oder auch mal nicht, aber die Frequenz verschieben schaff ich nicht.
Darüber hat auch der gesamte Luftkanal einen Einfluss darauf, welche Frequenzen denn letztlich aus dem Akko rauskommen. Also auch das Ventil etc...
Oder anders ausgedrückt: Schwebungsfrei (bzw. "schwebungskorrekt") ist nicht unbedingt dasselbe wie "sauber". Ein guter Stimmer müsste demnach den letzten Schliff nach Gehör anlegen,
Es gibt Stimmer, die lassen nur eine instrumentengestützte Stimmung als reproduzierbar und gut gelten und es gibt Stimmer, die lassen ihr Gehör als oberste Richtlatte gelten. Gibts beides und für beides gibt es genügend Argumente, so dass sich diese beiden Lager beliebig Argumente gegenüberstellen können, die jeweils für oder gegen die eine oder andere Methode spricht.
Es ist hauptsächlich der Einschwingvorgang mit seinen hohen Anteilen an Unharmonischen und Geräuschen, der ein Orgelprinzipal als solches erkennen lässt. Beim Akkordeon dürfte es ähnlich sein.
Am eigentlichen "Ton" der Stimmzunge ändert der Einschwingvorgang nach meiner Erfahrung nichts. Allerdings habe ich hierzu keine tiefergehenen Untersuchungen gemacht. Das ist eine subjektive persönliche Erfahrung meinerseits. Von Orgelpfeifen habe ich , wie schon an andere Stelle geschrieben, keine Ahnung - deshalb kann ich hierzu auch nichts vernünftiges sagen und halte mich hier auch aus Diskussionen raus.
Aber insgesamt habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein Akkordeon an sich ein relativ unsauberer Klangerzeuger ist. Vermutlich gewinnt das aber eben aus dieser Unsauberkeit seinen speziellen Charme. Mit dem muss man zu einem gewissen Grad leben, wenn man Akkordeon spielen will. Ich kenne Leute (ein paar Geiger z.B.) die hören diese Unsauberkeiten und stören sich daran, weil sie auf der Geige sauberer stimmen und spielen, als es ein Akkordeon sein kann - für die ist das Akkordeon sicherlich nicht das richtige Instrument, mit dem die glücklich werden könnten.