Historische Aufführungspraxis in der Popularmusik

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Liebe Mitmusiker,

ich habe in einigen Beiträgen der letzten Jahre (seit 2005 ;)) ab und zu Gedanken zur Historischen Aufführungspraxis in der Popularmusik geäußert. Ein solches Forschungsfeld gibt es bisher in der Musikwissenschaft meines Wissens nicht, zumindest nicht ausdrücklich. Jede Coverband und jeder nachspielende Popmusiker setzt sich zwar irgendwie damit auseinander - sei es bewusst oder unbewusst. Aber niemand redet bisher drüber. Vor ein paar Tagen haben wir hier im Board darüber diskutiert.

Daher stelle ich mal zur Diskussion, daß Historische Aufführungspraxis in der Popularmusik eine Sache ist, über die man sich mal ausdrücklich Gedanken machen kann. Meiner Meinung nach sollte man sogar darüber nachdenken. Möglicherweise muss man es sogar, um als Musiker einen eigenen Stil zu entwickeln. Das könnte man schon mal diskutieren.

Historische Aufführungspraxis bemüht sich darum, Musik so zu rekonstruieren, wie sie früher praktiziert wurde. Das bedeutet in Sachen Popularmusik schon mal, zwischen Livespiel und Aufnahmen zu unterscheiden. Man könnte versuchen, live so zu spielen wie historische Vorbilder - ebenso könnte man versuchen, Aufnahmen so wie historische Vorbilder zu machen, je nachdem, was man als Produkt anstrebt. Man kann auch überlegen, ob denn eine Aufnahme als Vorlage zum Livespielen überhaupt etwas taugt - oft genug sind ja Aufnahmen Kunstprodukte, die live überhaupt nicht spielbar wären.

Der Begriff der Stilkopie wird hier wichtig: wir Musiker lernen ja oft Musik durch Nachspielen bekannter Songs. Also über Stilkopien. Gerade in der Popularmusik ist das ja sehr ausgeprägt - man schaue sich das E-Gitarren-Forum hier im Board an. Oft (und nicht nur da) kommen da Fragen, wie man diesen oder jenen Song originalgetreu spielt. Und schon ist man bei der Frage, wie originalgetreu es denn nun sein soll: reichen die richtigen Griffe, oder muss es auch eine historisch adäquate Gitarre mit Röhrenamp (welchem?!) sein...kann man überhaupt das Feeling historischer Vorbilder nachempfinden, oder ist der Versuch der "Originaltreue" von vorneherein aussichtslos?

Mein Hintergrund sah bis vor einigen Monaten so aus, dass ich in einem Salon- und Tanzorchester in Köln Klavier gespielt habe. Wir haben Chansons der 20er-40er Jahre gespielt und uns oft (aber nicht extrem) um Originaltreue bemüht. Aber aus der Zeit sind Aufnahmen i.d.R. so verrauscht, daß man keine genauen Klaviervoicings hört. Wie wurde also in dieser Zeit in Swingbands und Tanzorchestern Klavier gespielt? Ich kann es nur vermuten, denn aufgeschrieben wurden nur Standardrhythmen, die aber variiert wurden. Mit dem Aussterben der Pianisten ging bzw. geht auch dieses Wissen verloren. Ich habe mich zwar mal mit Paul Kuhn über das Thema unterhalten, aber er konnte auch nur vermuten.

Ein vergleichbarer Wissensverlust ist in anderen Bereichen der Popularmusik abzusehen, weil mündliche Traditionen oft nicht genau dokumentiert werden. Die Glenn Miller Band klingt heute anders als früher, auch wenn sie sich auf die Fahnen schreiben, das Klangideal zu bewahren. Der Miller-Holzbläser-Sound ist zwar technisch beschreibbar (5stimmiger enger Blocksatz mit cl,as1,as2,ts1,ts2), aber die Spielweise der Spieler ist entscheidend - ich vermute, auch z.B. die Blattwahl dürfte ein entscheidender Faktor sein.

Interessant ist auch die Retro-Welle von vor ein paar Jahren, speziell in der Studiotechnik. Das Wiederaufkommen von Röhrengeräten geht IMHO auch in die Richtung, so klingen zu wollen, wie früher. Die alten Analog-Synthesizer gibt's als VSTi zu kaufen, und "Vintage" war und ist ja ein ernstzunehmender Marktfaktor. Alle, die "Vintage" klingen wollen, setzen sich dadurch mit der Historischen Aufführungspraxis in der Popularmusik auseinander. Bewusst oder unbewusst.

Harald
 
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Hallo Harald,

ich finde deinen Beitrag sehr interessant und finde auch, dass man sich, wenn man denn wirklich historisch aufführen möchte, intensiv recherchieren sollte.
Aber besonders interessant wird es doch erst, wenn trotz detailgetreuer Nachahmumg der Spielweise/Instrumente trotzdem ästhetisch und kompositorisch moderne Musik gespielt wird. Oder geht es dir hierbei wirklich nur um die "Korrektheit"?
 
ich finde deinen Beitrag sehr interessant und finde auch, dass man sich, wenn man denn wirklich historisch aufführen möchte, intensiv recherchieren sollte.

Danke zunächst mal...ja, "wenn man denn wirklich historisch aufführen möchte": möchte man das? Für Historische Aufführungspraxis in der klassischen Musik gibt es ja mittlerweile einen gewissen Markt. Es gibt Aufnahmen auf historischen Instrumenten, es gibt Konzerte und ausgewiesene Spezialisten für das Thema. Wenn Historische Aufführungspraxis in der Popularmusik einen ähnlichen Markt haben oder generieren könnte, gäbe es ihn sicher schon. Da es ihn nicht gibt, gibt es offensichtlich für das Thema bisher entweder keine Sensibilität oder keinen Bedarf.

Ich persönlich würde gerne mal historisch genau musizieren. Nicht als ultimativ angestrebtes künstlerisches Ziel, sondern um Erfahrungen der Musiker (und der Zuhörer) vergangener Jahrzehnte nachzuvollziehen. Ich verspreche mir davon ein paar Einsichten und Erfahrungen, die einem sonst verschlossen bleiben, wenn man nur mit heutigen Umgangsweisen und heutigem Material an historische Stücke herangeht.

Aber besonders interessant wird es doch erst, wenn trotz detailgetreuer Nachahmumg der Spielweise/Instrumente trotzdem ästhetisch und kompositorisch moderne Musik gespielt wird.

Das wäre dann ein Mix aus historischem Instrumentarium und modernen Musikstilen. Max Raabe und das Palastorchester machen sowas und spielen "Oops! … I Did It Again" von Britney Spears oder "Sex Bomb" von Tom Jones und Mousse T. im Sound der 20er/30er. Oder wenn Mambo Kurt auf dem Wacken Open Air Songs von Nirvana an einer Yamaha D 85 Electone Heimorgel spielt. Das meine ich nicht. Ich meine damit, live originale Songs auf originalen Instrumenten zu spielen. Oder eben Aufnahmen zu machen, die so klingen, wie in den Abbey Road Studios 1962. Und ich frage mich, ob es dafür einen Markt gäbe.

Immerhin gibt es Coverbands, Tribute-Bands und eine starke Retro-Welle bei Synthesizern und Studio-Equipment. In der aktuellen Popmusikszene sehe ich einige Belege, daß die Zukunft im Wesentlichen aus Vergangenheit bestehen wird. Daher ist es IMHO an der Zeit, die produktive Auseinandersetzung mit der eigenen Musikgeschichte (die in der klassischen Musik schon seit Jahrzehnten passiert!) auch in der Popularmusik umzusetzen.

Oder geht es dir hierbei wirklich nur um die "Korrektheit"?

Unter anderem: ja. Und als Zwischenschritt: ja, auch. Meine (Binsenweisheit-)These ist, daß man ein besserer Musiker wird, wenn man historisches Verständnis hat. Konsequent weitergedacht bedeutet das, sich eben auch mit der Spielweise früherer Zeiten zu beschäftigen. Jeder Flötenstudent lernt die Verzierungen aus Quantz' Flötenschule, um sie so auszuführen, wie es Quantz für angemessen hielt - damit er sich später im Job selbst entscheiden kann, ob das bei anderer Musik auch so Sinn macht. Die korrekte Stilkopie ist ein Lernschritt. Das gilt genauso für die Akkorde von "House of the rising sun": wenn man den Song erkennbar spielen will, muss man als Gitarrist alle notwendigen Akkorde draufhaben. Später kann man sich dann über Reharmonisationen Gedanken machen, wenn man mit einer gewissen Korrektheit eine Stilkopie mal erreicht hat. Es geht also nicht nur um Korrektheit, aber auch.

Harald

P.S. Ach übrigens...während ich das hier schreibe, blinkt rechts am Bildschirmrand der Slogan für Rolands Synthesizer: "Roland Jupiter 80 - Zeit, wieder Geschichte zu schreiben". So ein Werbebanner kann die Dinge schneller auf den Punkt bringen, als ich mit Worten ;)...
 
Zuletzt bearbeitet:
Okay, also einigen wir uns auf Stilkopie und setzen mal voraus, dass die nachfolgende Erkenntnis dessen wiederum in neue Kompositionen münden sollten/könnten/würden.

Da würde mich mal interessieren, was du schon alles herausgefunden hast und wo dort dein Spezialgebiet liegt. In der Spielweise der Instrumente, dem Arrangement, des Instrumentenbaus, der Soundgestaltung (wobei diese wohl eher ins Recording gehört und dir geht es ja hierbei um Live-Musik)?
 
Hallo HaraldS und borralbi,

Daher stelle ich mal zur Diskussion, daß Historische Aufführungspraxis in der Popularmusik eine Sache ist, über die man sich mal ausdrücklich Gedanken machen kann. Meiner Meinung nach sollte man sogar darüber nachdenken. Möglicherweise muss man es sogar, um als Musiker einen eigenen Stil zu entwickeln.

Ich finde es schwierig (im Vgl. zur historischen Aufführungspraxis der klassischen Musik) bereits heute von historischer Aufführungspraxis zu reden. Wir leben in dieser "Epoche" und sind ständig von Popmusik umgeben, sodass im Vergleich zur historischen Aufführungspraxis der klassischen Musik, die sich ja doch mit einem abgschlossenen Zeitraum beschäftigt, der Gedanke darüber als Wissenschaft mir ein bisschen zu früh erscheint. Wenn wir uns in 100 Jahren über die Musikgeschichte des 20. und 21. Jahrhundert wissenschaftlich unterhalten wird der Aspekt der historischen Aufführungspraxis unserer Zeit eine Rolle spielen, heute wie ich finde allerdings noch nicht oder es fällt uns extrem schwierig.
Anders sehe ich es als Musiker: Das hängt natürlich mehr oder weniger mit dem Instrument zusammen (Ein Pianist wird sich weniger Gedanken machen wie ein Steinway vor 20 Jahren klang, als ein Gitarrist, der durch das riesige Arsenal an Amps/Effekten/... größere Probleme hat den Sound eines Gitarristen vor 20 Jahren hinzukriegen) und auch ob man nur Coverversionen spielen möchte (dann bräuchte man z.B. als Gitarrist für jeden Song einen anderen Effekt) oder nur seine eigenen Lieder. In diesem Fall wird man sich zwar mit einigen Sounds von Leuten beschäftigen, man will mit seinem Sound aber doch in einer gewissen Weise einzigartig sein und daher keine Nachmache liefern.

oft genug sind ja Aufnahmen Kunstprodukte, die live überhaupt nicht spielbar wären.

Durch die ganze Technik unterscheidet sich der Sound schon extrem zwischen Studioalbum und Live-Auftritt, bei dem natürlich auch der kommerzielle Aspekt eine Rolle spielt. Auch Moderationen/Bühnenshows oder gewisse Spieltechniken usw. fallen unter diesen Punkt, den man wie ich finde, nicht vernachlässigen sollte.

Und schon ist man bei der Frage, wie originalgetreu es denn nun sein soll: reichen die richtigen Griffe, oder muss es auch eine historisch adäquate Gitarre mit Röhrenamp (welchem?!) sein...kann man überhaupt das Feeling historischer Vorbilder nachempfinden, oder ist der Versuch der "Originaltreue" von vorneherein aussichtslos?

Nur die richtigen Noten zu spielen, macht wie ich finde aus einem Stück noch keine historische Aufführung. Wenn man wirklich versucht historische Vorbilder nachzumachen, sollte man sich ernsthaft und intensiv damit beschäftigen, bis es zu 99,9% passt. Eine 100% Identität wird es nie geben, aber sobald man es versucht sollte man zwischen einem simplem Cover und einem Versuch einer exakt historischen Wiedergabe unterscheiden.

Wie wurde also in dieser Zeit in Swingbands und Tanzorchestern Klavier gespielt? Ich kann es nur vermuten, denn aufgeschrieben wurden nur Standardrhythmen, die aber variiert wurden. Mit dem Aussterben der Pianisten ging bzw. geht auch dieses Wissen verloren. Ich habe mich zwar mal mit Paul Kuhn über das Thema unterhalten, aber er konnte auch nur vermuten.

Das ist das Problem, dass man sich damals noch nicht wirklich mit diesem Thema beschäftigt hat und auch die Musiker nicht immer an Musikwissenschaftler denken und für uns alles notieren, was wir gerne hätten. Ich kann auch nur vermuten, hab mich mit dem Thema auch noch nie auseinander gesetzt, sponta fällt mir aber die Identität des Generalbass ein, der ja auch mit seinen Ziffern den Musiker zum "Improvisieren" zwingt. Vielleicht kann man da gewisse Ähnlichkeiten daraus ableiten.

Ein vergleichbarer Wissensverlust ist in anderen Bereichen der Popularmusik abzusehen, weil mündliche Traditionen oft nicht genau dokumentiert werden. Die Glenn Miller Band klingt heute anders als früher, auch wenn sie sich auf die Fahnen schreiben, das Klangideal zu bewahren. Der Miller-Holzbläser-Sound ist zwar technisch beschreibbar (5stimmiger enger Blocksatz mit cl,as1,as2,ts1,ts2), aber die Spielweise der Spieler ist entscheiden.

Liegt meiner Meinung nach auch am technischen Fortschritt. Ich kenn mich mit Aufnahmetechnik nicht so aus, aber die Geräte und Software wurde im Lauf der Zeit immer besser, sodass kein Rauschen mehr auf den Aufnahmen zu hören ist, die einzelnene Instrumente besser rauszuhören sind, etc.
Außerdem entwickeln sich Musiker ja immer weiter, sie werden von neuen Klängen beeinflusst, von anderen Musikern inspiriert, das spiegelt sich alles in ihrer eigenen Musik wieder, die sich dann natürlich im Lauf der Zeit verändert (leicht oder auch extrem).

So, das wars schon

Gruß Sausi
 
Könnte man vielleicht die "Zappa plays Zappa"-Tour(en) von Dweezil Zappa als Beispiel nennen?

Der Betreibt schließlich einigen Aufwand, um so nah wie möglich an das Original ranzukommen.

Das fällt mir grad kurz zu diesem interessanten Thema ein.

Gruß

Lukas
 
Ich hätte mich hier längst mal melden müssen, ist mir ja vor Jahren angeraten worden. Also hole ich das jetzt nach.

Das Thema "Historische Aufführungspraxis" bezieht sich zunächst mal zumeist auf Musik, die in einer Zeit entstand, als Klangaufzeichnungen noch nicht möglich waren, also auch nicht deren Wiedergabe. Musik war immer live und 100% handgemacht mit vollakustischen Instrumenten.

Das heißt, im ursprünglichen Kontext stellt sich die Frage, ob man die Studio- oder eine Liveversion replizieren soll, gar nicht. Es gibt keine Studioversion. Es gab ja nicht mal Studios. Auch konkrete zeitgenössische Liveversionen können nicht repliziert werden, weil eben auch diese nicht aufgezeichnet werden konnten. Verständlicherweise kann man auch nicht auf Augen- bzw. Ohrenzeugen zurückgreifen. Das einzige, was man als Anhaltspunkt nehmen könnte, sind vorhandene Noten sowie etwaige andere schriftliche Aufzeichnungen des Komponisten oder eines Arrangeurs, wie es zu klingen hat – implizierend, daß sich daran auch gehalten wurde.

Es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis Studioversionen als Vorlagen zum Nachspielen überhaupt in Frage kamen. Einigermaßen differenziert "heraushörbar" sind sie erst seit etwa den 1930er Jahren, und ab den 50ern hat sich die klangliche Qualität der Aufzeichnungen noch weiter gesteigert, wobei bis in die 60er Jahre nicht alle Musiker und Bands in Studios auf qualitativ wirklich hochwertiges Equipment zurückgreifen konnten – so manche Soulnummer der 60er kommt klanglich nicht an Frank-Sinatra-Aufnahmen aus den 50ern heran.

Allerdings war es bis in die zweite Hälfte der 60er noch gang und gäbe, daß Songs im Studio im Ganzen aufgezeichnet wurden, also die ganze Band auf einmal oder auch mal der Sänger mit der Studioband oder gar dem Orchester. Oder man hat nur den Gesang separat aufgenommen und das instrumentale Backing nach wie vor als Ganzes. Es wurde also im Studio so gespielt wie live, nur disziplinierter. Einige Plattenfirmen wie Motown oder Tamla setzten obendrein noch ab und an gern Ambience-Mikros ein, was das Heraushören erschwert, weil der Sound zwar voller, aber auch mulmiger und undifferenzierter wird.

Nichtsdestotrotz sind die Arrangements aus jener Zeit mit kompatiblen Besetzungen relativ einfach nachahmbar; auch klanglich ist eine Originalnähe mit nicht zu sehr überbordendem Aufwand möglich, weil wenig Technik im Einsatz war. Die Spieltechnik der Musiker ist hier im Vergleich noch sehr wichtig, ebenso der Gesang. Ansonsten könnten allenfalls noch schwer nachzubildende Besetzungen sich als Hürde erweisen, etwa wenn früher Sänger von kleineren Orchestern begleitet wurden.

In der zweiten Hälfte der 60er kam dann das Multitracking und damit die Möglichkeit von Overdubs und der besseren Nachbearbeitung eigener Spuren groß auf. Das erlaubte es dem kurz darauf aufkommenden Progressive Rock, noch ausgefuchster zu werden, weil man nicht mehr an die Beschränkungen des Livespiels gebunden war. Das Multitracking machte die in den 70ern heranwachsende elektronische Musik vielfach überhaupt erst möglich. Selbst Kraftwerk, die mittlerweile eine vierköpfige Elektronikband waren, machten bald im eigenen Studio mehr, als sie auf der Bühne konnten. Und Solisten wie Jean Michel Jarre oder der erst allmählich zur Elektronik findende Vangelis waren auf Overdubs angewiesen, weil sie ihre Musik nie alleine vollumfänglich händisch hätten spielen können. 1979 erkannte auch Gary Numan, nachdem er seiner Punkband Tubeway Army den New-Wave-Hit "Are Friends Electric?" beschert hatte, daß er für Synthpop eigentlich gar keine Band mehr brauchte.

Das trat die Entwicklung los, die bis heute anhält, daß Studioproduktionen immer komplizierter werden – und somit immer schwieriger auf die Bühne zu bringen. Zum einen wird im Studio immer mehr technisch möglich, zum anderen sind diese Studiomöglichkeiten durch die Produktion im Computer, also auch schon mal in handelsüblichen Laptops, inzwischen für jedermann zugänglich, so daß auch Newcomer in Indie-Bereichen aufwendigere Produktionen fahren können, als es in den 80ern Major-Acts konnten.

Allein, auf der Bühne macht sich kaum jemand einen solchen Aufwand. Der Keyboarder in einer Top40-Coverband hätte theoretisch die Möglichkeit, ganze Studio-Produktionsumgebungen auf seinem Bühnencomputer zu fahren, so er denn einen einsetzt. Aber erstens würde der zeitliche Aufwand pro Song, so etwas einzurichten, komplett aus dem Ruder laufen. Zweitens könnte der Keyboarder die Unmengen an Spuren, die es in modernen Studioproduktionen gibt, gar nicht händisch spielen, zumal viele davon sowieso nur im hochpräzisen starren Raster eines Sequencers funktionieren, muß sie also von der Technik abspielen lassen. Willkommen beim Playback. Drittens muß er sie sowieso als Audio abspielen lassen, denn selbst wenn sein Rechner mit der darauf installierten Software alle Parts einer entsprechend aufwendigen Produktion nachspielen könnte, hat er nicht die Rechenpower, sie alle gleichzeitig nachzuspielen – im Studio würde das mit all den gleichzeitig laufenden Klangerzeugungs- und Effekt-Plugins den Rahmen selbst dessen sprengen, was ein zwölfkerniger Mac Pro auf einmal könnte, also wird auch da vieles früh in Audio gerendert.

Und viertens läßt sich vortrefflich darüber debattieren, wieviel davon tatsächlich auf welchem Originaltreueniveau und welchem Detailgrad nachgebaut werden muß.

Generell stellt sich neben der Frage, was möglich ist, die, was tatsächlich erforderlich und sinnvoll ist. Das hängt letztlich von verschiedenen Faktoren ab: Selbstverständnis der Band, Ansprüche der jeweiligen Veranstalter, die Komplexität des Originals und last but not least das Publikum.

Da wäre also zunächst das Selbstverständnis der Band. Will man einfach nur bekannte Songs nachspielen, vielleicht auch die von nur einem einzigen Originalinterpreten, aber im eigenen Sound? Will man als hochdotierte Top40-Coverband professionell auftreten? Oder ist man gar eine Tributeband, die per Definition – sofern sie die nicht explizit ändert – die größtmögliche Nähe zum jeweiligen Original suchen muß?

Vor allem Top40-Bands müssen auch ihre Veranstalter zufriedenstellen. Wer das als Band professionell betreiben will, muß auf sehr, sehr hohem Niveau spielen, vor allem auf sehr, sehr hohem Niveau der Originaltreue – weil man immer wieder auf Veranstalter treffen wird, die eine Band zu diesem Preis nur buchen werden, wenn die wirklich "wie die Originale" klingt. Natürlich dürfte kaum ein Veranstalter ein Musiknerd mit trainiertem analytischen Gehör sein, aber die Forderung steht im Raum, und die Band muß solche Gigs mitnehmen, weil ihre Mitglieder davon leben.

Diesen Anspruch stellen Tributebands für gewöhnlich an sich selbst. Wie die Top40-Band stehen in vielen Bereichen – will sagen, bei vielen Originalen – Tributebands in einem ziemlichen Konkurrenzkampf zueinander, zumindest müssen sie sich durchsetzen. Während die Top40-Band das mit einer Mischung aus relativer Originaltreue und Publikumsanheizerei nebst Rampensauallüren (sofern erforderlich) macht, an der sich auch kleinere Krauter-Tributebands versuchen, müssen Tributebands in ganz andere Richtungen punkten.

Bei der Top40-Band kommt erschwerend die riesige stilistische Bandbreite hinzu, für die man häufig nicht optimal besetzt ist, wenn man wirklich Originalarrangements exakt und detailliert nachspielt. Bei 70er-Jahre-Hardrock hat der Keyboarder häufig nichts zu tun. Bei modernen Dance-Nummern hätte vom Gesang abgesehen nur der Keyboarder – Top40-Bands haben immer nur einen – zu tun, der, wenn es wirklich wie auf CD klingen soll, eine ganze Studioproduktionsumgebung emulieren dürfte (das wäre nicht unbedingt historisch und überhaupt nicht Aufführung, sondern mehr Abfahren einer Studioproduktion vor Publikum) und mindestens 95% Sequencer- und/oder Audio-Playback fahren müßte, während Schlagzeuger, Bassist und beide Gitarristen in der Nase bohren könnten. Das träfe auch auf viele Hits aus den 80er und 90er Jahren zu.


So, nun kommt das Publikum ins Spiel und daneben auch das Original. Bezüglich des Publikums stehen jetzt mehrere Fragen im Raum:
  1. Was kennt das Publikum? Kennt es das Original nur aus dem Radio und/oder von Studioalben bzw. Singles, oder ist es auch mit Live-Versionen vertraut?
  2. Wie originalgetreu will das Publikum es haben?
  3. Wie genau kennt das Publikum die Originale, wie genau hört es hin, worauf achtet es?
  4. Will die Hörerschaft des jeweiligen Originalinterpreten unbedingt kreative Live-Interpretationen (aber immer noch im Stil des Originalinterpreten) hören? (z. B. in Richtungen wie Jazz, Blues, Folk, 60er-/Anfang-70er-Jahre-Rock)
    Oder will es das hören, was es schon kennt, weil es das hören will, was es gewohnt ist? (z. B. Popfans)
    Oder will es das hören, was es schon kennt, weil es erpicht ist auf eine möglichst präzise Replika der Originalfassungen? (z. B. Progrock-Fans, Elektronik-Fans)
  5. Wenn es das hören will, was es schon kennt, und originale Live-Versionen kennt, will es dann Studioversionen hören oder Live-Versionen?
Dazu kommt dann noch die Zusammensetzung des Publikums aus drei Gruppen:
  • Der Gelegenheitshörer. Er kennt das Original praktisch nur aus dem Radio, wo zumeist nur Studioversionen laufen, oder hat vielleicht ein, zwei Alben, die mal nebenbei gehört werden.
  • Der moderate Fan. Er kennt alle großen Hits und auch eine Anzahl an offiziellen Studioaufnahmen (Alben, Singles) und hört die Musik des Originals schon bewußter.
  • Der Hardcore-Fan. Er besitzt neben der gesamten Studioalben-Diskographie auch offizielle Live-Alben und möglicherweise auch unbearbeitete, also authentische Live-Bootlegs. Als einzige Zuhörergruppe ist der Hardcore-Fan also mit Live-Versionen vertraut.
Als dritter Faktor kommt hinzu, wie komplex und anspruchsvoll die Musik des jeweiligen Originals ist.


Es gibt sehr wohl Originale, da reicht es für Tributebands aus, wenn sie die Musik des Originals einigermaßen nachspielen, aber gut abrocken. Das sind zumeist anspruchslosere Rock-Acts, wie sie in (seit) den 70ern ihr Unwesen trieben. Historische Aufführungspraxis wäre hier möglich, würde sich aber weit überwiegend auf die Darbietung konzentrieren. Außerdem wäre sie Perlen für die Säue, weil es niemand bemerken würde – wahrscheinlich wären nicht unerhebliche Teile des Publikums eh betrunken.


Dann gibt es Originale, bei denen auch Fans darauf Wert legen, daß eben nicht stur repliziert wird. Das trifft zu auf alle Arten von Rockmusik, die nicht Progressive Rock oder Art Rock sind, also Rockmusik für den Bauch oder die Eier statt für den Kopf. Da wird – in diesem Fall wohl zu Recht – das Argument angeführt: "Die Originale spielen live ja auch nicht die Studioversionen, und das will auch keiner hören, das ist langweilig. Tributebands sollen auch nicht die Studioversionen spielen, das wäre auch langweilig." Auch hier wieder ist die Hauptsache, daß gut abgerockt wird. Natürlich sollte der Originalinterpret "durchschimmern". Wenn Musiker unter den Zuhörern sind, sind das in den allermeisten Fällen Gitarristen, gefolgt von Schlagzeugern und vielleicht noch Bassisten. Keyboarder sind da weit abgeschlagen, und wenn, dann ist das die Klavier/E-Piano/Hammond-Fraktion.


Wo die historische Aufführungspraxis in der Nachkriegsmusik tatsächlich gelebt wird, das sind die Beatles. Da beschränkt man sich auf die Beat-Ära, also 1962 bis spätestens 1964, die erste Platte des "Roten Albums", weil das übersichtlich ist: Man braucht keine Kostümwechsel, und auch das verwendete Equipment ist überschaubar, wenngleich auch nicht immer ganz einfach zu beschaffen. Hier stellen die richtigen Musiker tatsächlich den größeren Schwierigkeitsgrad dar – sie sollten einigermaßen aussehen wie die Beatles, sie sollten singen wie die Beatles, und nur der Bassist sollte ein Linkshänder sein. Hier macht man notgedrungen noch am ehesten Abstriche.

In diesem Fall stellt sich übrigens gar nicht die Frage nach den Präferenzen des Publikums. Man macht es nicht, weil die Fans es unbedingt so haben müssen. Man macht es, weil es geht. Wenn du es spielst, werden sie kommen.

Die späteren Beatles werden von Tributebands eher nicht bedacht. Alsbald wurden sie ja zu ziemlichen musikalischen Wendehälsen, die immer wieder in neue Genres eintauchten, bis sie auf dem White Album kaum zwei Stücke im selben Genre haben. Ab 1967 sind ja die Beatles selbst nicht mehr live aufgetreten und haben angefangen, Musik zu machen, die sie gar nicht mehr live spielen konnten. Zur Ruhe kam man ja erst wieder kurz vor Ende – wobei ich noch auf die erste Tributeband warte, die das Rooftop Concert nachstellt. Auf einem Hausdach.


Dann gibt's den von mir immer wieder gern zitierten Fall ABBA. Hier wäre historische Aufführungspraxis schon erheblich schwieriger. Das betrifft nicht nur den Gesang, der nun wirklich sehr charakteristisch ist, sondern auch das Drumherum. Mit fortschreitendem Jahrgang, vor allem ab 1976, als Benny seine Polar Studios fertig hatte und obendrein Synthesizer in den ABBA-Sound mit einbrachte, wurde der ABBA-Sound technisch immer aufwendiger und immer unmöglicher, auf die Bühne zu bringen, erst recht auf Replika-Niveau. 1979 war das letzte Jahr, dem man nennenswerte Live-Versionen entnehmen konnte. Mit dem letzten Album The Visitors von 1981 sind ABBA endgültig zum Synthpop umgeschwenkt, wohl auch weil Benny genau wußte, daß er nichts von alledem jemals wieder auf eine Bühne bringen müssen wird. Hat er ja auch nicht. An Vorlagen für Tributebands zum Replizieren gibt es also mangels Live-Versionen nur die extrem überproduzierten Studioversionen.

Auch wenn ABBA gern als seichter 08/15-Pop abgetan werden, sind ihre Studioaufnahmen schwer bis unmöglich nachzubauen. Benny hat damals mitnichten nur das in Rockproduktionen übliche Standardequipment auf übliche Art verwendet, sondern zum einen Equipment und zum anderen Methoden angewandt, die sich selbst unter heutigen Studiobedingungen nicht nachstellen lassen – live erst recht nicht. Okay, einen Minimoog hatte er auch – mindestens einen. Aber viele wichtige Geräte stellten oder stellen noch große Hindernisse dar.

Bennys ARP Odyssey ist ein Mk I, also die eigentlich sehr unpopuläre Generation mit dem blechern-quäkigen Zweipolfiter. Alle digitalen Klone konzentrieren sich auf den Mk II/III mit dem um Größenordnungen fetteren ARP-eigenen Vierpolfiter, also die meistgebauten Varianten des Odyssey, oder vielleicht noch auf den seltenen, aber gesuchten frühen Mk II mit nochmals fetterem Moog-Klon-Filter. So Sachen wie der Flötenleadsound in "Gimme! Gimme! Gimme!" sind erst nachahmbar, seit Korg den Odyssey als echtanaloge Reissue herausgebracht hat, deren Filter auf alle drei Typen umschaltbar ist. Mit dem Synth kommt man binnen kürzester Zeit auf 97% Originaltreue, mit allen anderen modernen Synths auch nach Stunden intensiven Detailschraubens auf nicht mal 30%. Hürde: Der ARP Odyssey von Korg ist nicht speicherbar, und wenn man während eines Gig mehrere Sounds daraus braucht, hat man ein Problem.

Ein noch größeres Problem ist der Moog Polymoog Synthesizer Mod. 203a, von dem es noch gar keinen vollumfassenden Klon gibt, erst recht nicht auf Gforce- oder U-he-Niveau, und dann braucht man auch noch die restliche Signalkette inklusive Dolby 365 (der Polymoog rauscht wie Hulle) und bis dato unbekannten anderen Gerätschaften. Auch von der mächtigen Yamaha GX-1 gibt es bis heute keinen Hard- oder Software-Klon, erst recht nicht im Verbund mit den dazugehörigen Röhrenkabinetten, über die praktisch jeder die GX-1 abgenommen hat. In beiden Fällen kommen auch "generische" Synthesizer zum Imitieren nicht in Frage, weil beide Synths, der Polymoog noch mehr als die GX-1, sehr spezielle Signalwege haben, derweil sich praktisch alle virtuell-analogen Synthesizer an Minimoog und Oberheim orientieren.

Tatsächliche historische Aufführungspraxis gebietet eigentlich den Einsatz von Originalinstrumenten. Der ist hier aber schlicht und ergreifend nicht möglich. Ein paar Eckdaten zur Yamaha GX-1: Höchstens 50 wurden davon gebaut. Etwa 13 verließen je Japan. Das Instrument wurde seit 1974 immer zu fünfstelligen Preisen gehandelt. Der Spieltisch wiegt 300 kg. Die Bank wiegt 67 kg, das ist alleine mehr als normalerweise das Gesamtequipment eines Coverband-Keyboarders. Das Baßpedal wiegt 20 kg. Die beiden Röhrenkabinette wiegen jeweils 141 kg, und die GX-1 muß darüber gespielt werden, weil sie integraler Bestandteil des Gesamtsounds sind und die GX-1 keine Linebuchsen hat. Die GX-1 ist also zu selten, zu teuer und viel zu schwer. (Auf der Bühne wäre sie aber historisch korrekt – 1979 sind ABBA mit Bennys GX-1 getourt.) Der Polymoog ist fast so selten wie die GX-1 – zumal es extrem schwierig ist, ein voll funktionsfähiges Exemplar zu finden, denn er ist sehr unzuverlässig, und es gibt keine Ersatzteile mehr. Wieviel einfacher ist es im Vergleich, einen Minimoog zu bekommen.

Zum Glück würde ein solcher Aufwand nicht honoriert, was ihn unnötig macht. Ich kenne die ABBA-Fangemeinde inzwischen sehr gut. Da gibt es kaum Musiker mit geschultem Gehör. Die ABBA-Fans hören ganz einfach nicht so genau hin wie Fans anderer Gruppen. Exakt muß für sie nur der Gesang sein, und wenn sie das von den Instrumenten behaupten (was kaum jemand tut), dann muß das relativiert werden, weil sie ganz einfach keine Ahnung haben.

Außerdem gibt es im Publikum einer ABBA-Tributeband nie Hardcore-Fans. Die lehnen nämlich allesamt Tributebands aus tiefster Überzeugung ab. Das Original oder nichts. Das allerdings macht eine Sache komplizierter: Was übrig bleibt, sind etwa 5% moderate Fans und 95% Gelegenheitshörer. Somit sitzt im Publikum einer ABBA-Tributeband praktisch niemand, der die Live-Versionen kennt. Das Publikum will ja das hören, was es kennt. Wie gesagt, keine Musiker und so, da sind also die Ansprüche anders als bei Musikern. Und was kennt das Publikum? Das, was im Radio läuft. Und da laufen die Studioversionen. Spiel ihnen Live-Versionen vor, und sie sind zutiefst irritiert, weil sie die nie gehört haben und gar nicht kennen. Der Hardcore-Fan könnte sagen: "Geil, das ist 'Tiger' wie in Melbourne 1977!" Der Hardcore-Fan ist aber nicht da. Und die, die da sind, sagen: "Was ist das denn? Das klingt aber komisch™."

Wenn jetzt ABBA persönlich auf der Bühne stehen würden, wären die Fans schon gespannt darauf, was ABBA aus den Songs machen – sofern sie sich nicht zu weit von den gewohnten Studiofassungen entfernen. Wenn eine Tributeband auf der Bühne steht, dann sieht das ganz anders aus. Dann wollen sie keine kreative Umbearbeitung, sondern sie wollen das so hören, wie sie es aus dem Radio gewohnt sind.

Natürlich hören die Moderaten und die Gelegenheitshörer keine Details raus. Sie hören alles als Ganzes. Aber ändere eine Kleinigkeit am Ganzen ab, dann klingt das sofort "komisch".

Der gigantische Aufwand der exakten ABBA-Replika läßt sogar praktisch alle wirklich hochdotierten ABBA-Tributebands davor zurückschrecken zu behaupten, sie klängen bis ins kleinste Detail genau wie ABBA. Sie haben am eigenen Leib erfahren, daß sie so gar nicht klingen können. Da versuchen sie eher, mit Original-ABBA-Mitmusikern wie Ola Brunkert zu punkten oder mit Show-Bombast, der sie dann klanglich vom Original wieder entfernt. Meistens spielt man dann auch nur weniger anspruchsvolle Sachen in einem Arrangement, das ABBA vielleicht heute so spielen würden, arrangiert vollends Unreplizierbares wie "Lay All Your Love On Me", das ABBA selbst nie live gespielt haben, von dem es also als Referenz ausschließlich die Studiofassung gibt, gründlich um und baut es teilweise sogar in Medleys ein, um es nicht ausspielen zu müssen.

Ich lese immer wieder die Anmerkung: "ABBA sind selbst nie mit ihrem Studioequipment getourt und haben nie die Studioversionen live auf die Bühne gebracht." Das stimmt. Aber wie ich schon schrieb: Erstens sind auch die Live-Darbietungen von ABBA mitunter unmöglich zu replizieren. Yamaha GX-1 auf der '79er Tour. Es gibt bis heute nichts, was die GX-1 in all ihren Facetten ersetzen kann. Zweitens will das Publikum von einer Tributeband hören, was es schon kennt. Und weil diejenigen, die die originalen ABBA-Liveversionen kennen, geschlossen den Tributebands fernbleiben, kennt das Publikum nur die Studioversionen. Also erwartet es die Studioversionen. Drittens gibt es von sehr vielen großen ABBA-Hits überhaupt keine Live-Versionen zum Nachbauen. Und deren Studioversionen sind noch komplizierter nachzubauen als die Studioversionen der Songs, die ABBA live gespielt haben.


Aber ich will auch noch auf andere Beispiele eingehen. Ein krasses Gegenstück zu ABBA sind gewisse Progrock-Fans. Die Ansprüche nicht weniger Genesis-zu-Peter-Gabriel-Zeiten-Fans sind derart himmelhoch, daß einer aus ihren eigenen Reihen eigens für entsprechende Tributebands einen sehr originalgetreuen virtuell-analogen Rackmount-Klon des ARP ProSoloist entwickelt hat, weil dessen Sound sich mit nichts anderem adäquat nachbauen läßt. Die Genesis-Fans sehen und hören wirklich sehr exakt hin, und es gab schon mehr als eine Genesis-Tributeband, deren Keyboarder das Originalequipment von Tony Banks bis hin zu allen Tretminen vollumfänglich auffuhr. Zum Glück hatte Tony Banks in der ersten Hälfte der 70er nur beschränkte Mittel, so daß dieses Equipment übersichtlich war.

Der Aufwand der exakten Nachahmung lohnt sich hier nicht nur, er ist erforderlich. Wenn The Musical Box auftreten, besteht das Publikum zum überwiegenden Teil aus Hardcore-Fans, also ausgemachten Genesis-Nerds. Genesis prä-Invisible Touch sind für die Masse zu obskur, prä-And Then There Were Three erst recht, so daß es keine moderaten Fans gibt. Die Gelegenheitshörer sind allgemeine Progheads mit auch nicht unbedingt wesentlich geringeren Ansprüchen – plus vielleicht ein paar Verirrte, die nicht verstanden haben, daß hier nicht die Genesis der 80er und 90er nachgespielt werden, und die dann enttäuscht aus der Halle wieder rauskommen, weil die Band "Land Of Confusion" nicht gespielt hat, dafür aber nur Sachen, die sie nicht kennen.


Bei Rush ist dasselbe noch extremer. Rush kennt nämlich die breite Masse überhaupt nicht. Die hatten nie große Radiohits oder so und waren auch nie wirklich groß in den Single- oder Albumcharts vertreten. Außerdem sind sie normalen Rockfans nicht hart und laut und dreckig und testosteronstrotzend genug, und für die Progheads kamen sie zu spät. Rushs Zielgruppe besteht daher ausschließlich aus Nerds. Das Publikum von Rush und ebenso das einer Tributeband besteht also zu mindestens 99% aus Nerds und zu 98,5% aus Hardcorefans, weil es auch praktisch keine moderaten Fans gibt. Und die Hardcorefans hören sehr genau hin. Ein wohl immer noch zweistelliger Prozentsatz kann von jedem Song, den Rush je aufgenommen haben, jeden einzelnen Schlag von Neil Peart mit schlafwandlerischer Sicherheit exakt nach Studioaufnahme auf dem imaginären Luftschlagzeug nachspielen – und tut das auch beim Gig, egal, was der Drummer auf der Bühne spielt – selbst wenn das Neil Peart selber ist.

Wenn es nicht so schwierig wäre, jemanden zu finden, der wie Geddy Lee singen kann, könnte man aus dem Publikum einer Rush-Tributeband möglicherweise mehrere Rush-Tributebands rekrutieren, die schlimmstenfalls rein vom Spielerischen her originalgetreuer sind als die, die gerade auf der Bühne steht. Das sähe sehr schlecht für eine Tributeband aus, wenn ihr Publikum besser ist als sie selbst. Es muß folglich das Ziel einer Rush-Tributeband sein, so exakt zu sein, daß nicht Teile des Publikums besser ist als sie selbst.

Folglich wird die historische Aufführungspraxis für Rush-Fans zur Obsession. Neil Pearts Drumkits sind akribisch dokumentiert, und es gibt haufenweise Rush-Fans, die sie bis zu 100% baugleich – also wirklich häufig mit komplett genau den gleichen Komponenten, die Neil jeweils verwendet hat – vollumfänglich exakt replizieren. Andere bauen Schießbuden, die vom Umfang her gleich mehrere historische Neil-Peart-Kits umfassen, so daß sie damit die Möglichkeiten einer ganzen Anzahl an Alben abdecken können. Alben, weil, wie gesagt, Rush-Fans im Gegensatz zu Genesis-, Pink-Floyd- oder Rolling-Stones-Fans auf die Albumversionen eingeschossen sind. Um so schwieriger würde ein entsprechender Nachbau von Geddy Lees Studioequipment über längere Zeit. Daß das noch nicht passiert ist, scheitert nicht nur an den horrenden Kosten, sondern auch daran, daß Rush nicht unbedingt Synthesizerfreaks zu ihren Fans zählen. Die hören dann doch lieber ganz andere Sachen.


Zum Beispiel – und der eignet sich hier als Beispiel ganz hervorragend – Jean Michel Jarre. Er ist schon seit den 70ern einer der ganz Großen in seinem Metier. Und er ist keiner von denen, die einfach nur aus ihrem stillen Kämmerlein New-Age- oder EDM-Sachen rausschieben, sondern er ist gerade auch berühmt für seine gigantischen Konzerte, die alle Maßstäbe sprengten. Jarre hat viermal hintereinander den Weltrekord für die größte Zuschauerschaft bei einem Konzert aufgestellt – will sagen, er hat dreimal seinen eigenen Rekord gebrochen. Er ist der einzige Künstler überhaupt, der schon mehrmals vor einem Millionen-Livepublikum gespielt hat. Seit 1993 tourt er aber auch immer mal wieder, damals noch ausschließlich open-air auf eigens für ihn gebauten Bühnen, seit 1997 in Hallen.

Trotzdem kann man nach Jarre-Tributebands lange und vergeblich suchen. Erst recht nach solchen, die die Akribie der historischen Aufführungspraxis anwenden. Und das, obwohl der Begriff "Replica Cover" gerade im Jarre-Fandom sehr bekannt ist und immer wieder angewandt wird.

Es gibt nämlich sehr wohl Musiker im Jarre-Fandom. Und das sind fast alles Synthesizerspieler. Immerhin spricht er einen nicht unerheblichen Teil dieser Musikergruppe an – zumindest diejenigen, die kein Problem mit auskomponierter und songartig ausarrangierter Elektronik haben und nicht wie die Anhänger der Berliner Schule oder moderner EDM der Meinung sind, elektronische Musik muß sequenzen- und patternbasiert sein. Genau deshalb sind die Synthleute im Jarre-Fandom auch zumeist händische Spieler und keine reinen Sequenzenklicker und Knöpfchendreher. Es ist also nicht so, daß keine Leute im Jarre-Fandom wären, die grundsätzlich dazu in der Lage wären, ihn nachzuspielen.

Es ist auch nicht so, daß Jarre musikalisch gesehen ein Buch mit sieben Siegeln wäre. Das Equipment, das er über die Jahre verwendet hat, ist hervorragend dokumentiert. Auf fast jedem Album steht irgendwo, welche Instrumente er auf diesem Album eingesetzt hat. Auch wie es verwendet wurde, ist häufig sehr gut bekannt, und vieles kann auch durch Versuche der Musiker im Fandom ermittelt werden oder ist schon ermittelt worden.

Weil eben der Kenntnisstand so hoch ist, ebenso wie die Skills der im Fandom vertretenen Musiker, sind auch die Ansprüche hoch. Es gibt tatsächlich ein paar Leute im Fandom, die nicht nur sehr, sehr genau hinhören und allerkleinste Details bemerken – das tun noch mehr –, sondern auch wissen, wie diese Details umsetzbar sind. Und weil das bekannt ist, bestehen sie darauf, daß das auch befolgt wird, zumindest wenn sowieso auf hohem Detailgrad gearbeitet wird. Das ist nicht die Masse, aber wenn es irgendwo um Replica-Covers geht, sind diese wenigen sofort zur Stelle, üben Kritik – auf ihrem himmelhohen Niveau – und geben Tips, wie man die letzten Prozent auch noch herausholen kann.

Nun wird man sich fragen: Muß das alles so hochgenau sein? Ja, muß es. Bei Jarre gibt es (meistens) keinen Gesang, auf den der Fokus gelegt werden kann. Mangels Gesang verlegt sich der Fokus also auf die Instrumente. Und bei Jarre spielt da nicht einfach nur irgendeine Hookline eine Rolle. Zum einen spielt das Komplettarrangement eine Rolle, also wirklich alles von der Melodie über die Drums und die Bassline und Flächen und Ostinattos bis zu Effektsounds. Zum anderen geht es eben nicht nur um die gespielten Töne – sondern gerade beim Synthesizer-Godfather Jean Michel Jarre auch um den Sound selbst. Und auch das beschränkt sich nicht auf die Melodie, sondern auf alles, was eine Rolle spielt. Und wie ich gerade schrieb: Alles spielt eine Rolle. Jedes Detail in der Musik, jedes Detail im Sound. Vor allem für den Jarre-Fan.

Und der wäre für eine Jarre-Tributeband die Hauptzielgruppe. Wir reden hier übrigens größtenteils wieder von Hardcore-Fans. Moderate Jarre-Fans sind entweder die, die 1976/77 die Oxygène bei Erscheinen gekauft haben, die Equinoxe 1978 dann auch noch, vielleicht noch die Magnetic Fields 1981, alles andere aber nicht mehr, weil sich das von dem Jarre, den sie damals kennengelernt haben, zu weit entfernt hat, und sie eigentlich damit gerechnet haben, daß Jarre bis in alle Ewigkeit wie "Oxygène 4" klingen wird. Oder sie sind gerade erst eingestiegen und auf dem unaufhaltsamen Wege zum Hardcore-Fan, haben also dieselbe Attitüde, nur noch nicht so ganz den Kenntnisstand.

Die Zusammensetzung des Publikums bei Jarre-Konzerten ist ziemlich schwankend, weil von der Größe des Publikums abhängig. Das wiederum liegt an der geringen, also stark begrenzten Zahl an jeweils vor Ort verfügbaren bzw. anreisewilligen Fans. Wenn also nur 500 Fans zum Konzert kommen können, ist der prozentuale Fan-Anteil bei einem Indoors-Konzert mit Ticketverkauf und 5000 Zuschauern größer als der bei einem Umsonst-und-draußen-Konzert mit einer Million Zuschauern. Der Rest setzt sich zusammen aus ein paar Gelegenheitshörern, die qualitativ von der Musik wenig erwarten (außer vielleicht, daß sie nicht unbedingt Dance-Remixes hören wollen, siehe Paris 1998), Leuten, die nur wegen der Lightshow da sind, und bei hinreichend großen Open-Air-Konzerten Leuten, die sowieso gerade in der Gegend waren oder gar keine andere Wahl haben, als das Konzert zu verfolgen, weil sie es von da, wo sie sich gerade aufhalten, zwingend verfolgen müssen (siehe Moskau 1997, wo sich über 3,5 Millionen Zuschauer über das ganze Moskauer Stadtgebiet verteilten).

Wie würde sich das nun zusammensetzen bei einem Konzert einer Tributeband? Von den Hardcore-Fans dürften kaum weniger kommen, denn den "Es muß unbedingt das Original sein"-Personenkult des ABBA-Fandoms gibt's im Jarre-Fandom nicht, zumal Jarre ja auch nicht singt, sondern sich einen Großteil seiner Konzerte über in einer Synthesizerburg verbirgt. Der Fokus seiner Konzerte liegt ja sowieso nicht auf ihm als Person. Er ist nicht Bob Dylan oder Bruce Springsteen. Vielmehr liegt der Fokus auf der Instrumentalmusik und der Lightshow. Anteilig gäbe es mehr Hardcore-Fans, denn eine Tributeband dürfte weniger Nichtfans anlocken als Jarre selbst – außer sie verspricht denselben Bombast.

Der hohe Anteil der Hardcorefans – in Verbindung mit ihren Kenntnissen der Musik, ihren Hörgewohnheiten, was Jarres Musik angeht, und somit ihren Ansprüchen – macht für eine Jarre-Tributeband eine hochakribische, sehr originalgetreue Darbietung notwendig. Das Niveau, das von den zu Hause produzierten Replica-Covers verlangt wird, muß auch live gehalten werden.

Aber wie soll es live nun klingen? Was gebietet die historische Aufführungspraxis im Falle von Jean Michel Jarre? Das führt zwangsweise zur Frage, wie Jarre selbst live klingt.

Genau das wirft schon mal Probleme auf. Im Gegensatz zu Gepflogenheiten bei Rockbands ist bei Jarre nämlich nicht jedes Konzert von Zufall und Tageslaune der beteiligten Musiker abhängig. Der Anteil des tatsächlich live Gespielten ist unterschiedlich. Das heißt, für bestimmte Sachen gibt es sowieso immer Sequenzen, und die werden nicht vor jedem Gig programmiert, sondern gleich aus dem Studio übernommen und höchstens mal an einen veränderten Songablauf angepaßt. Einen wirklich hohen Anteil an live neu erzeugten Klängen gab es nur bei den Concerts In China 1981 – aus logistischen Gründen, und weil Jarre erstmals ein Konzert mit anderen Musikern gab und man noch "experimentierte" – und bei den Tourneen 2008 bis 2011 – da war das Livespiel auf ca. 60 teilweise uralten Synthesizern Teil des Konzepts.

Jetzt sehe man sich mal die anderen Konzerte an, darunter diejenigen, die bei Jarre-Fans noch mit am populärsten sind. Jarres Debütkonzert 1979 war fast Vollplayback zu den originalen Studioaufnahmen, weil Jarre alleine auf der Bühne saß und unmöglich alles selbst spielen konnte. Das bekam aber kaum jemand mit, denn Jarre selbst war fast nicht zu sehen in seiner Burg – er hatte praktisch sein komplettes Studio auf die Bühne gestellt.

Besagte originale Studioaufnahmen liefen auch immer mit bei den Großkonzerten (Houston 1986, Lyon 1986, London 1988, Paris 1990 und 1995, Moskau 1997), bei der Europe In Concert-Tour 1993 und beispielsweise auch in Hongkong 1994 und Gizeh 1999/2000. Da lag der Grund an der musiksynchron choreographierten Licht-, Laser-, Projektions- und Feuerwerksshow. Die fiel bei Jarres Outdoor-Konzerten immer derart gigantisch aus, daß sie unmöglich komplett per Hand abgefahren werden konnte und automatisiert werden mußte. Das wiederum setzte voraus, daß die Musik absolut zuverlässig 100% synchron zum Timecode der Lightshow lief. Komplettes Livespiel kam da absolut nicht in Frage. Also wurde zu mitlaufenden Studioaufnahmen gespielt, bei denen teilweise trotz Anwesenheit eines Drummers nicht mal die originale Drumspuren weggelassen wurden. Manchmal werden Backings komplett neu vorproduziert, manchmal werden einzelne Parts vorher neu eingespielt, häufig läuft da aber dasselbe wie auf den Studioalben.

Dann kommt dazu, daß bestimmte Parts sowieso als Aufzeichnung abgefahren werden müssen, weil sie sowieso nicht adäquat live nachgespielt werden können, aber sehr originalgetreu gespielt werden müssen.

Folge: Die Konzerte, die die Jarre-Fans am geilsten finden, klingen streckenweise, als hätten ein Drummer und ein Bassist zur Platte gespielt.

Folge davon: Wenn man Jarres konkreten Live-Sound replizieren will, muß man erstmal seinen Studiosound replizieren. Der ist gut dokumentiert, aber gerade weil er so gut dokumentiert ist, zeigt er dadurch, wie schwer er zu replizieren ist – eben, wie ich schon schrieb, weil die Jarre-Fans sehr, sehr hohe Ansprüche an den Detailgrad und selbst dann, wenn sie vom elektronischen Musizieren nichts verstehen, eine sehr niedrige "Klingt komisch"-Schwelle haben.

Der notwendige Detailgrad ist so exorbitant hoch, daß teilweise sogar Software-Klone der Geräte, die Jarre jeweils für die Originalversion im Studio einsetzte, nicht nah genug dran sind. Wer es wirklich ernst meint, stellt sich nur dann keine Eminent 310 Unique in die Bude, wenn er sie häufiger bewegen oder überhaupt erst ohne Fahrstuhl und womöglich ohne fremde Hilfe durch ein enges Treppenhaus in den x-ten Stock wuchten müßte. So eine Heimorgel ist nämlich raumgreifender als ein Klavier und auch nicht viel leichter. Allgemeiner Platzmangel ginge auch noch als Grund durch. Der Preis weniger – noch vor einigen Jahren war es ein Leichtes, auf marktplaats.nl von unkundigen niederländischen Verkäufern Oppas alte Eminent für einen Euro abzuschnappen. Beim Electro-Harmonix Small Stone wird teilweise auf Generationen geachtet, weil die jüngeren Versionen anders klingen als die aus den 70ern; mitunter wird sogar die 8,5-Volt-Modifikation eingebaut, die Michel Geiss an Jarres Small Stone durchgeführt hat, um den LFO für "Equinoxe 2" noch langsamer zu bekommen. An einen Roland D-50 und/oder D-550 für Revolutions und Waiting For Cousteau kommt man leicht, und sogar die Sounds, die Jarre auf den Alben verwendet hat, gibt's als alben- und trackchronologisch sortierten Download.

Allerdings kann man das nicht konsequent für alle Alben durchexerzieren, nicht mal für die populäre Zeit von 1976 (Oxygène) bis 1997 (Oxygène 7–13). In dieser Zeit ging Jarre durch Unmengen an Equipment. Das waren wohl alleine über 100 verschiedene Synthesizer, und dann kamen noch Sampler, Drummachines, Effekte und so weiter dazu. In den 80ern hörte sich ja jedes Jarre-Album anders an, auch weil Jarre immer wieder neues Equipment heranschaffte. Jarres Musik komplett auf Originalinstrumenten zu spielen, das schafft allerhöchstens er selbst, weil er sehr viel von dem Zeug immer noch hat. Erschwerend kommen die Exoten hinzu. "Equinoxe 4" macht eigentlich eine Eko Computerhythm erforderlich, und die ist extrem selten, und wenn mal eine verkauft werden sollte, wird sie wohl extrem teuer sein. Samples von dem Ding kursieren auch keine, aber wir reden ja hier von Originalequipment. ARP 2500, RMI Harmonic Synthesizer und RMI Keyboard Computer findet man auch kaum. Neben Minimoog (erst ab 1992!), Roland TR-808 (schon ab 1986) und Roland TR-909 sind auch Synths wie der Roland Jupiter-8 und der durch Jarre erst zum Hype gewordene Elka Synthex längst teure Sammlerstücke. Von EMS VCS3 und Synthi AKS will ich gar nicht erst reden: Von EMS-Rehberg zu Quasi-Neugeräten refurbished kosten sie um die 6.000 €, und vorher muß man sich auf einer Warteliste eintragen. Gebraucht werden sie manchmal noch teurer. Und das sind für Jarres Sound absolut wichtige Geräte – von denen Jarre bei Konzerten normalerweise insgesamt sechs am Start hat (kein Speicher und so). Jarre ist die EMS-Galionsfigur, von der immer behauptet wird, Brian Eno wäre das. Ach ja, und Jarre war in den 80ern einer der ersten Fairlight-Nutzer – das nützt einem aber wenig, wenn man nicht die speziell für Jarre gemachten Samples hat. Last but not least sind da die Spezialanfertigungen für Jarre, die zum Glück selten tatsächlich Klangerzeuger waren, sondern eher so Sachen wie die von Michel Geiss gebauten Matrisequencer und (der heute noch einsatzfähige) Digisequencer. Wenn man die historische Aufführungspraxis in all ihrer Konsequenz nach Live-Vorlage durchziehen wollte, bräuchte man auch noch die von Lag-Innovart speziell für Jarre als Einzelstücke gebauten Masterkeyboards (Meuble, Insecte, Circulaire 1988, Circulaire 1990, im Falle des Meuble inklusive der eingebauten Klangerzeuger im Wert von wohl über 15.000 €).

Die Chance, das alles zu bekommen, ist gleich null. Die Chance, wenn man das alles hat, es auch so auf eine Bühne zu bringen, daß es entsprechend gespielt werden kann, ist noch niedriger.

Wie ich schon schrieb: Jarre folgte der europäischen Tradition, sein Studio mit auf die Bühne zu nehmen – genau wie Kraftwerk. Es ist aber nicht so, daß Jarre nie etwas aus seinem Studio rausgenommen hätte. Wenn man sich mal die Kamerafahrten durch die Synthesizergasse im offiziellen Paris La Défense-Video ansieht, sieht man einiges an Gearporn, aber mitnichten alles, was Jarre seit 1976 im Studio verwendet hat. Das spielte aber keine Rolle, weil viel vom älteren Musikmaterial eh vom Band kam.

Wir halten also fest: Jarres Musik mit Instrumentenklonen oder gar eher "generischen" Instrumenten auf dem erforderlichen Detailgrad zu replizieren, ist schwierig – aus technischen Gründen. Jarres Musik komplett mit Originalinstrumenten zu replizieren, wie es die historische Aufführungspraxis gebietet, ist unmöglich – aus finanziellen und logistischen Gründen.

Ein bißchen erleichternd wirkt sich aus, daß Jarre-Fans sich sehr für Jarres Live-Versionen begeistern können, was die Nachfrage nach Konzertbootlegs belegt. Das umfaßt auch diejenigen Live-Versionen, bei denen kein durchgehendes Studio-Backing lief – letztere werden häufig hauptsächlich präferiert, weil da das Schlagzeug- und Baßspiel sowie andere nachträglich dazugekommene Parts einfach besser ankommen. Bei "Equinoxe 4" ist die 80%-Playback-Version von Paris La Défense 1990 mit Christophe Deschamps an der Schießbude populärer als die komplett neu eingespielte Fassung von den Concerts In China 1981 mit Roger Rizzitelli am riesigen Simmons-SDS-V-Kit, wobei die auch ihren Reiz hat. Und "Souvenir Of China" gewann deutlich, als ab Anfang der 90er Guy Delacroix darüber seinen Adlib-Baßpart spielte.

Es ist also nicht unbedingt erforderlich, die Studiofassung zu replizieren. Historische Aufführungspraxis wäre das sowieso nicht – historische Aufführungspraxis wäre, zur CD zu spielen.

Das Schlupfloch für eine Tributeband wäre, die Musik so auszulegen, wie Jarre und seine Leute sie theoretisch bei einem hypothetischen Konzert ohne Studiobacking live spielen könnten. Es sollte jetzt nicht klingen wie irgendjemand anders, sondern immer noch wie Jarre. Aber spätestens seit der 2009er In>Doors-Tour hat man da mehr Freiheiten. Man hat sogar dann noch Freiheiten, wenn man versucht, noch mehr nach Jarre zu klingen als er selbst live.

Das wiederum sollte man tatsächlich versuchen, denn auch die Jarre-Fans werden Jarre mehr Änderungen an den Stücken durchgehen lassen als einer Tributeband. Gleichzeitig werden sie sagen, daß exakte Studio-Replikas bei einem Konzert vom technischen Standpunkt her vielleicht spektakulär sein dürften, vom Unterhaltungswert her aber eher langweilig. Es gilt, die richtige Mischung zu finden, also einen Mittelweg zwischen einem Sound, den Jarre ohne Studiobacking tatsächlich haben könnte, und der Studioversion. Denn wenn Jarre so weit abweicht, wie er es etwa 2011 in Monaco tat, ist das "kreativ"; wenn eine Tributeband das tut, ist das "nachlässig".

Nun bestehen Jarres Konzerte aber im Gegensatz zu klassischen oder Jazz-Konzerten nicht nur aus der Musik. Integraler Bestandteil ist auch immer das optische Drumherum: die Lightshow, die Lasershow, die Projektionen auf Leinwände oder gar Gebäude und bei Outdoor-Konzerten das Feuerwerk. Und bei den ganz großen Einzelkonzerten waren somit auch die Gebäude um die Bühne herum Teil der Show. Sie wurden illuminiert, auf sie wurden Bilder, Filme oder Laserfiguren projiziert, auf ihnen wurden Suchscheinwerfer aufgestellt, von ihnen wurde Feuerwerk abgeschossen und so weiter.

Wenn man die historische Aufführungspraxis hier genauso konsequent durchziehen wollte wie im Bereich der Klassik, müßte das alles mit bedacht werden. Ich wette, Jarre-Fans wären hellauf begeistert, wenn es eine Tributeband schaffen würde, eins von Jarres Großkonzerten der 80er oder 90er Jahre genauso umfassend und detailliert zu replizieren, wie The Musical Box bei Genesis zu Werke geht oder Brit Floyd bei Pink Floyd. Nur würde das wesentlich mehr umfassen – und nur am Originalschauplatz funktionieren. Einmal reden wir hier von gigantischen Dimensionen, in denen außer Jean Michel Jarre nie jemand Konzerte gegeben hat – und selbst Jarre mußte schon Konzerte absagen wie in Frankfurt 1991, weil sie zu teuer wurden. Als Tributeband könnte man das erst recht nicht wuppen.

Denn außerdem sehen die Originalschauplätze heute häufig nicht mehr so aus wie zum Zeitpunkt der Konzerte. Eine etwaige Jarre-Tributeband auf dem Qualitätsniveau von The Musical Box könnte z. B. nicht Destination Docklands als 30jährige Jubiläumsshow replizieren. Das liegt nicht etwa am Aufwand, eine schwimmende Bühne auf mehrere Schuten zu stellen und auf der Themse zu verankern. Das liegt auch nicht unbedingt daran, daß man dafür eigentlich dasselbe katastrophal schlechte Wetter bräuchte wie damals im Oktober 1988. Das liegt vielmehr daran, daß die Queen Victoria Docks in London, wo die beiden Konzerte stattfanden, inzwischen völlig anders aussehen. Jarre spielte nämlich damals in einem im Abriß begriffenen alten Hafenviertel, und die Gebäude, auf die er projizieren ließ, wurden tatsächlich kurz darauf abgerissen. Heute steht da ein ganz anderer Stadtteil.

Aber seien wir mal ehrlich: Eine Tributeband hätte nicht mal die Möglichkeiten, ein Indoors-Tour-Konzert von Jarre zu replizieren. Auch hier übersteigt der technische Aufwand für die Lightshow den, den Pink Floyd oder Genesis in den 70ern anwandten. Und hier bräuchte man erst recht die gleichen Instrumente, die bei den Originalkonzerten dabei waren – nicht nur aus klanglichen Gründen, sondern weil sie rein optisch in einem so "kleinen" Rahmen natürlich wesentlich auffälliger sind. Ihretwegen hat Jarre vor allem während der Oxygène Tour 2008 einen riesigen Schwenkspiegel über der Bühne installieren lassen, damit das Publikum sehen konnte, wie er und seine Mitstreiter auf dem immensen Überwiegend-Vintage-Synthpark die Musik live spielten. Das Konzept war ja, die Oxygène auf zu erheblichen Teilen Originalequipment vor Publikum live aufzuführen. Es konnte sogar jedes Instrument einzeln mit einem rechteckigen RGB-LED-Spotlight beleuchtet werden.

Eine wirklich strikte Formel gibt es zum Glück nicht bei Jarres Lightshows. Es gibt sehr wohl gewisse wiederkehrende Elemente wie die rot ausgeleuchtete Bühnenumgebung bei "Souvenir Of China" oder projizierte Motive mit Le Trac bei "Equinoxe 4". Mit heutigen Mitteln ließe sich da was machen, zumal es seit einziger Zeit relativ einfach erhältliche Beamer mit genügend Lichtstärke für größere Flächen gibt. Dann gibt es die Laser Harp, die Lightshow mit Musik verbindet – die ist wirklich spielbar. Einfach ist das nicht, aber Bauanleitungen für Laser Harps als funktionsfähige MIDI-Controller gibt es nicht gerade wenige, und eventuell kann man sich sogar eine fix und fertige Harp bauen lassen. Die einzige Einschränkung wäre, daß man als Amateur nicht an eine Jarre-typische offene Laser Harp mit entsprechend leistungsstarkem Laser kommen dürfte.

Wenn man also die Musik in eine glaubwürdige Live-Version versetzt, die trotzdem nicht weiter vom Original abweicht als nötig, und jarretypische optische Showelemente einbaut, wären Jarre-Tributeshows in Form einer Stilkopie durchaus möglich.

Dennoch wären sie aufwendig und vor allem teuer. Das musikalische Equipment geht an sich schon mal ins Geld. Man kann Jarre nicht glaubwürdig mit irgendwas nachspielen. Auch Software ist keine Lösung; daß sie von schwankender bis zweifelhafter Originaltreue ist, fällt dabei nicht so sehr ins Gewicht wie der bei Jarre immer mitspielende Gearporn-Faktor. Mit einem Laptop und ein, zwei USB-Keyboards Jarre nachspielen sieht scheiße aus. Laptop kann man bei Kraftwerk nehmen, aber nicht bei Jarre.

Der Aufwand fürs Musikequipment multipliziert sich dann auch noch, weil eine Jarre-Tributeband ja nicht nur einen Keyboarder hat, sondern mindestens zwei, besser drei, wenn nicht vier (mit jeweils abnehmendem Sequenzen-, also Playbackanteil). Man braucht also Geld und Platz für einiges an Gear. Und auch wenn man einige Vintage-Maschinen für weniger Geld bekommen kann, z. B. das Solina String Ensemble als tragbaren Eminent-Ersatz, von dem man auch noch zwei oder drei bräuchte, dann können diese alten Kisten trotzdem sehr wartungsintensiv werden.

Nächster Punkt ist die Lightshow. Selbst wenn man keine originale Jarre-Lightshow nachbaut, muß eine entsprechend opulente Lightshow sein. Und das sind mitnichten ein paar starre PAR-Kannen und zwei, drei Moving Heads im Automatikbetrieb. Da ist Choreographie gefragt, letztlich also auch eine vorprogrammierte Lightshow. Die muß programmiert werden, die muß getestet werden, mit der muß die Band proben, also kann man das Lichtequipment nicht leihen, man muß es kaufen. Wahrscheinlich braucht man noch einen oder mehrere sehr leistungsstarke Beamer. Noch mehr Geld, das die Band irgendwie wieder einspielen muß.

Für Konzerte in einem solchen Maßstab braucht man dann den passenden Rahmen. In Musikkneipen braucht man es gar nicht zu versuchen – kein Platz für die Instrumente, kein Platz für die Lightshow, sowieso zu hell und nicht das passende Publikum. Auch die kleinen Musikclubs für um die 200 Pax kann man vergessen. Hier reden wir von Dimensionen mindestens eines Theater- oder Konzertsaals oder einer Sporthalle. Das muß man anmieten, und dann muß man genügend Tickets verkaufen, um die Miete wieder reinzukriegen. Noch reizvoller ist es natürlich, open air aufzutreten und das hinter einem stehende Gebäude anzustrahlen für noch mehr Jarre-Feeling. Aber je nach Location muß man da Platzmiete zahlen oder teure Genehmigungen von den örtlichen Behörden einholen. Dann das Geld wieder einzunehmen, wird schwierig – selbst wenn man Tickets für Sitz- oder Stehplätze verkauft, macht das Konzertformat mit Sicherheit nicht zahlende Zaungäste möglich.

Übrigens ist die letzte dedizierte Jarre-Tributeband, die dreiköpfige Gruppe Jarrelook, genau an so etwas gescheitert. Das ist jetzt zwölf Jahre her. Sie wollten ein Charity-Konzert auf dem Rollfeld des Londoner Flughafens Gatwick spielen mit Projektionen auf das dahinter liegende Terminalgebäude. Sie haben sich dafür auch mit einem Veranstalter zusammengetan, über den auch der Ticketverkauf laufen sollte. Alles an Vorkosten für Genehmigungen und so weiter hat die Band getragen. Nachdem sie 12.000 Pfund aus eigener Kasse in das Konzert investiert hatten, hat der Veranstalter es kurzfristig abgesagt. Daraufhin legte Jarrelook eine "Pause" ein, im Zuge derer sich die Gruppe letztlich auflöste. Seitdem hat sich nie wieder jemand an einer spezialisierten Jarre-Tributeband versucht.

Bei Jarre ist also auch die hinreichend überzeugende Stilkopie ein kaum zu bewältigender Aufwand.


Martman
 
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Ich persönlich würde gerne mal historisch genau musizieren. Nicht als ultimativ angestrebtes künstlerisches Ziel, sondern um Erfahrungen der Musiker (und der Zuhörer) vergangener Jahrzehnte nachzuvollziehen.
Ich muß bei dem Thema spontan an Big-Band-Swing denken :gruebel: - wenn es z.B. darum geht, daß heutige Bands den Stil nachspielen. Ich werde das Gefühl nicht los, daß man der Musik heute leicht mal anhört, daß die Musik eben nicht mehr taufrisch und neu ist, sondern das vor 80 Jahren war.
Selbst wenn man sich die Originalinstrumente schnappte, könnte man sie schwerlich mit der Aufgeregtheit "Ich entdecke gerade Neuland :w00t:" spielen, die die Musiker auf dem Höhepunkt der Swing-Ära empfunden haben werden. Man hört dieses Brennen den Bands von Bennie Moten, Count Basie oder Benny Goodman einfach an.

Analog bei Aufnahmen Louis Armstrongs aus den 20ern: Man hört, daß diese Stilistik Avantgarde war und daß vor Armstromg niemand so gespielt hatte. Ähnlich bei Fats Waller, James P. Johnson oder besonders den Missourians: selbst wenn man technisch alles dransetzte, könnte man wohl kaum dermaßen das Dach wegblasen wie die letzteren:spicy:.
 
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Dass es heute den angesprochenen Markt im Bereich der klassischen Musik gibt, hängt vielleicht auch - sicher nicht nur! - damit zusammen, dass die Musik wieder so klingen sollte, wie sie der Komponist hören wollte bzw. gehört hat. Dabei wurde angenommen, dass es auf Grund der bekannten Veränderungen vor allem bei den Instrumenten einen signifikanten (und wohl auch für den Fast-Laien deutlich hörbaren) Unterschied zwischen historischen und aktuellen Aufführungen gibt; wichtig ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt das Streben nach "Authentizität". Das sehe ich in Bezug auf die Popularmusik noch nicht, und ich vermute, dass es deshalb auch vorerst keinen wirklichen Markt für sowas gibt.

Das kann, wird und sollte niemand von der Beschäftigung mit der historischen Aufführungspraxis abhalten, sondern eher die Grenzen der Verwertbarkeit umreissen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine ganz bestimmte klanghistorische Aufführungspraxis ist ja gerade auf Tour. Die Besonderheit: es geht um die Songs der späten Beatles (Sg. Pepper Album etc.), die ja reine Studioproduktionen waren und von von Beatles selbst nie aufgeführt wurden. In Holland hat ein Schlagzeuger (ein reicher ehemaliger Tommy Hilfiger World Wide Manager) diesen seinen Traum auf die Beine gestellt. Problem dabei war u.a., dass die Beatles damals u.a. Keyboards benutzt haben, die es seitdem nur noch als Dachbodenfundstücke gibt. Es sollten aber eben solche O-Instrumente sein und keine digitalen Klons, ebenso natürlich wie im Beatles Studio richtige Streicher etc., also jedes Atudio-Detail komplett 1:1 für die Bühne rekronstruiert.

Das "archäologische" Klangprojekt läuft unter "The Analogues" derzeit auf EuropaTour.

http://www.theanalogues.net/

 
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Großartig! Das muss man gesehen haben. :)

Gruß Claus
 
Mir fällt zu dem Thema das heutige Preisniveau von originalen Gibson- und Fender-Gitarren aus den Gründerjahren sowie die Nachrüst-Szene mit Pickups und ähnlichem Zubehör ein, die meistens den "Originalklang" von diesem oder jenen Gitarristen auf dem ganz bestimmten Album XYZ zum Ziel haben. ;)
 
Mir fällt zu dem Thema das heutige Preisniveau von originalen Gibson- und Fender-Gitarren aus den Gründerjahren sowie die Nachrüst-Szene mit Pickups und ähnlichem Zubehör ein, die meistens den "Originalklang" von diesem oder jenen Gitarristen auf dem ganz bestimmten Album XYZ zum Ziel haben. ;)
Witzig ist ja, klassische/traditionelle Instrumente mit z.B. Saiten aus Katzendarm will ja wirklich niemand mehr hören (von wissenschaftlich damit beschäftigten Musikhistorikern einmal abgesehen). Wäre neugierig ob oder wann sich das "PAF 59" und Röhrengedöns erledigt hat? Aber das sind ja noch 150-200 Jahre Zeit bis dahin ... ;)
 
Meine ganz persönliche und subjektive (natürlich !) Meinung zu diesem Themenkomplex ist:

Ich kann den Fetish Historische Aufführungspraxis überhaupt nicht nachvollziehen.
Ich kann das schon nicht bei z. B. Barockmusik, aber noch viel weniger im Falle von Popularmusik.

Ich honoriere durchaus die immensen Mühen, Anstrengungen und auch die Expertise, die es braucht, um z. B. die Beatles oder ABBA akkurat "nachzubauen". Das ist zweifellos eine Leistung.

Nur ... was ich mich immer frage, und worauf ich beim besten Willen noch keine Antwort gefunden habe ...:

W O Z U ?!

Ich kann so überhaupt nicht nachempfinden, welche Art von Befriedigung das sein soll, eine 100 %ige Kopie z. B. der Musik von IRGENDWEM zu machen.

LG
Thomas
 
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Naja, es ist schon ein Unterschied, ob man z.B. eine Bach-Orchestersuite mit Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern aus den 70er Jahren hört oder mit einem aktuellen Barockorchester aus England oder Deutschland. Aber natürlich bleibt es dann Geschmackssache, was einem besser gefällt - mir die "Originalklang"-Aufnahme.
 
Naja, es ist schon ein Unterschied, ob man z.B. eine Bach-Orchestersuite mit Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern aus den 70er Jahren hört oder mit einem aktuellen Barockorchester aus England oder Deutschland.

Für mich gibt es 1000 Möglichkeiten, eine Bach-Orchestersuite SCHÖN und musikalisch sinn- und gehaltvoll zu interpretieren, und 10 000 Möglichkeiten, das selbe Werk hässlich und gehaltlos zu interpretieren. Dabei spielen vor allem Elemente wie Geschwindigkeit, Rhythmik, Dynamik und Spannungsbögen die Hauptrolle.

Ob man im Orchester aber, um nur ein Beispiel zu nennen, die Traversflöte oder die Querflöte zur Hand nimmt, ist für mich völlig bedeutungslos.

Aber ich fürchte, wir sind da jetzt schon ganz ganz weit weg von dem, was HaraldS EIGENTLICH besprechend wollte ... :)

Thomas
 
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Historische Aufführungspraxis bemüht sich darum, Musik so zu rekonstruieren, wie sie früher praktiziert wurde.

Aber ich fürchte, wir sind da jetzt schon ganz ganz weit weg von dem, was HaraldS EIGENTLICH besprechend wollte ... :)
Finde ich gar nicht. Ist doch die "Popularmusik" schon einmal zeitmäßig näher als die so genannte "E-Musik" (wie ich diese Unterscheidung hasse ...) Daher gilt das was für Tanzmucke von 1920 gilt, 5x mehr für (Tanz)mucke von 1720. Dass pseudoelitäre Nasenbohrer für Letztere eine Theologie des Ewiggestrigen daraus gebastelt haben, ist allerdings eine andere Geschichte.

P.S.: https://www.musiker-board.de/thread...axis-in-der-popularmusik.482355/#post-8249243, Sorry aber das ist für einen Forumsbeitrag zu viel und zu durcheinander. :weird:
 
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Ach so, noch was: Historische Aufführungspraxis der 60er Jahre beim Live-Auftritt z.B. einer Cream-Coverband lässt sich heutzutage nur noch schwer dem jeweiligen Veranstalter vermitteln, besonders wenn sich die Location nicht im örtlichen Stadion befindet. Und selbst dann werden sich die Nachbarn beschweren. ;)
 

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