Mein Internet am Laptop hat jetzt längere Zeit nicht funktioniert, deswegen mag diese Kritik etwas zu spät kommen. Trotzdem ist es mir ein Anliegen, mich zu diesem Text zu äußeren. Bitte eines zu bedenken: auch wenn ich viel analysiere, geh ich in erster Linie vom Gefühl aus. Wenn ich also sage, irgendwas passt für mich nicht, dann heißt das wirklich, dass mich der Song (leider) nicht einfängt - und nicht, dass ich Korrekturrand dasitze und ihn zerstückeln will.
"Sag am Besten nichts
bleib einfach still
es ist nicht viel
was ich dir sagen will
denn nun bin ich zu diesem Schritt bereit"
Hier bin ich schon mal draußen. Wird das also ein Selbsthilfelied für das LI? Was ist mit der anderen Person? Ist sie für diesen Schritt bereit, schon mal daran gedacht?
"ich weiss,
jetzt ist die zeit
jetzt ist der Moment
in dem ich sag, was mir auf der Seele brennt"
Schön, dass das LI das weiß - ich tue es nämlich nicht, vielleicht auch der/die Partnerin nicht. Wie gesagt: hört sich nach "Du hörst mir jetzt zu!" an, auf subtile Art und Weise.
"viel zu lang' überlegt,
wie ich's dir sagen kann
nur
wie fang ich an?"
Das ist eine Wiederholung. "Wie ich's dir sagen kann" und "wie fang ich an" umreißen beide dasselbe Problem. Wenn die erste Frage gelöst, kann die zweite ein Problem werden - aber hier stehen beide im Raum, er könnte gleich weiter machen "wie wirst du reagieren?" und "wie reagiere ich, wenn du mir so etwas sagst?" - zu viele hypothetische Sachen, die mich von der aktuellen Situation wegreißen.
"Nichts in der Welt
ist so schön wie du,
ich schau dir einfach zu
und wollt' dir nur sagen
wie gern ich das tu
so schau ich dir zu"
Diese Zeilen wirken sehr… kindlich, sicherlich Geschmackssache, ob einem so etwas gefällt. Mir müsste mein Partner/meine Partnerin etwas Interessanteres sagen, mit mehr Bezug zu mir, nichts, was "einfach" oder "nur" ist. Auch wenn das der Pre-Chorus ist, die Intensität darf nirgendwo verloren gehen.
"Ich schau dich an
das bist du,
'was ganz Besonderes in meinem Leben
schau dich an
komm nicht zur Ruh
und mein Herz fängt an zu beben"
So viel Passivität, das LI schaut zu die ganze Zeit - natürlich, das könnte schon mehr bedeuten, aber nach der bisherigen Darstellung, wo das LI auf mich eher als simpler Typ rüberkommt, der seine Gefühle kaum artikulieren kann, wird der Eindruck verstärkt, dass, was auch immer alles in ihm gerade vorgeht, nicht nach außen getragen wird durch diese Zeilen. Und dadurch fängt mich der Song gar nicht ein, denn ich erwarte mir bei einem Lied etwas, was mir meine Sorgen und Probleme etwas abnimmt - für mich spricht, wenn ich mich nicht ausdrücken kann. Das schafft dieser Text bisher gar nicht.
"schau mich an
das bin ich
und ich hab dir nicht so viel zu geben
wie du mir
heilig bist"
Na also! So langsam gewinnt das LI an Kontur. Es hat nicht so viel zu geben, wie es gerne geben würde - die Beziehung gewinnt Kanten, was Individuelles, zwar könnte das noch stärker kommen, aber mein Interesse wird wieder geweckt.
"Es ist schwer zu beschreiben
kaum in Worte zu fassen
dieses Gefühl sich einfach fallen zu lassen
Mit dem Gedanken daran, dass nichts passieren kann"
Das ist gut, weil es mir endlich weitere Aspekte der Beziehung offenbart. Und es wäre perfekt, wenn ich in der ersten Strophe tatsächlich was über den/die PartnerIn erfahren hätte. Denn dann wäre das ihr ein intelligenter Umschwung auf die andere relevante Seite der Geschichte. Die letzte Zeile ist jedoch eine Wiederholung (sich fallen lassen zu können heißt normalerweise, dass man denkt, dass nicht passieren kann) und bringt mich ein bisschen aus dem Fluss raus wieder.
"Denn deine Liebe
lässt mich fliegen
lässt mich meine Feinde besiegen
schenkt mir Frieden, gibt mir Kraft
wenn ichs allein' nicht schaff"
Unsauberes Reimschema, bringt mich zum Stolpern. Plattitüden, welche die Originalität des Songs untergraben bringen mich zum Wanken. Und ein unsauberer Reim sowie eine oberflächliche Standardaussage (das LI könnte es also allein schon schaffen? Hat es das früher gemacht, will es das? Kommt nicht rüber, das Kalenderspruchbuch hat das ja auch nicht irgendwie erwähnt!) bringt mich endgültig zum Fall, so dass der Text mich wieder verloren hat.
"so will ich um jeden Preis
dass du es endlich weisst
Dass Nichts..."
Um jeden Preis, jessas! Wie schon oben erwähnt: sehr egoistisch und rücksichtslos, vor allen wenn man dann argumentiert "Aber von mir geliebt zu werden, da muss man sich doch darüber freuen!" - sorry, aber jede/r kennt Verehrer, die man nicht will, und die Hauptunsicherheit ist doch auch normalerweise, dass man dem/der Anderen auf die Nerven geht. Schön, wenn das LI sich selbst anfeuern muss, damit es die Ängste überwinden kann - aber das ist für mich kein Liebeslied für den/die PartnerIn, sondern für sich selbst. Und von denen gibt es sehr, sehr viele.
"Nichts in der Welt
so schön ist wie du"
Die Aussage tut, vor allem, weil sie alleine da steht. Baut natürlich auf allem davor gesagten auf, deswegen funktioniert sie hier für mich nicht. Aber als Stilmittel per se richtig positioniert, gut eingesetzt.
Und der Refrain ist in meinen Augen nicht stark genug, um ihn unverändert zu wiederholen.
Ich hab meine Kritikpunkte bereits in der Analyse gesagt, ich hoffe, es kam nicht zu hart rüber. Arachnophobias Vergleich mit dem Gitarristen unter dem Fenster ist für mich hier sehr passend: jemand kommt ungebeten, weil er es endlich sagen will, ohne auf die Angebetete Rücksicht zu nehmen, zieht sein Stück ab und hofft danach darauf, sie erobert zu haben. Was für Machostrukturen da relativ klar mitschwingen ("Na komm, Frau, ich hab dir ein Lied gesungen, also musst du mir jetzt zuhören! Ist doch so, dass der Mann sie so erobert mit der Gitarre, na?!"), die auch teilweise in deinem Lied mitschwingen, sollte auch nicht unerwähnt bleiben.
(BTW: Arachnophobia, sind bei euch Feministinnen gemäßigter als bei uns? Weil hier in Wien würden da einige ziemlich schnell drauf anspringen in meinem Bekanntenkreis.
)
Als Empfehlung für ein gutes "Liebeslied" kann ich dir ein anderes "Heilig" empfehlen, nämlich jenes aus Schuberts deutscher Messe.
Es ist in erster Linie selbstlos, es wird von den Eigenschaften des Besungenen erzählt. Es wird sehr langsam und andächtig gesungen, teilweise mit lauten Passagen, wo die ganze Emotion rüberkommt. Ich verstehe, dass man Gott (und dem Christentum generell) gegenüber Ressentiments hat, aber versuch dir trotzdem etwas davon mitzunehmen. Versuche dir vorzustellen, so ein Lied wirklich nur für jemanden Anderen zu singen. Dann wirst du wirklich zeigen können, wie "heilig" dir dieser Mensch ist. 