Zuerst Danke nochmals für die (für mich überraschend) positive Reaktion !
Nun, ... "ohne Harmonielehre" bin ich allerdings bei weitem nicht ausgekommen. So würde ich das keinesfalls formulieren. Ich glaube, PVAULTS hat mein "Wesen" da treffender eingeschätzt ...
Ich glaube, man kann sich dem harmonischen Wissen von 2 Seiten aus nähern:
1. Von der theoretischen "ANGELESENEN" Seite her
2. Von der "praktischen", durch abgespeicherte Klangerfahrungen geprägten Seite her
Im IDEALFALL gehen harmonisches theoretisches Wissen und "klangliches Wissen" bzw. die innere Klangvorstellungsfähigkeit Hand in Hand und entwickeln sich Hand in Hand weiter. Das sieht auch SIKORA als Idealfall an, soweit ich ihn da richtig interpretiere.
Bei mir herrschte elendiglich lange Zeit ein Ungleichgewicht zugunsten des "klanglichen", "analogen Wissens". Ich habe durchaus über die Jahre hinweg private Harmonielehre getrieben. Durch gezieltes und analytisches Zuhören der Musik, die ich mag/mochte und durch den Versuch des Nachspielens. Dabei habe ich sehr viel gelernt, mein musikalisches Gehör sehr weiterentwickelt, und ein Gespür für Phrasen, Harmonieprogressionen, Form, etc. bekommen, Harmoniemöglichkeiten und Voicings kennengelernt, ... daher rührt auch mein Ansatz, daß der einzelne Akkord alleine für mich gar nichts bedeutet. Für mich ist die sinnvolle musikalische Einheit immer die ganze Phrase, die ganze Progression (z. B. der ganze Turnaround), die ich gehörmässig in den Griff kriegen wollte. Jedenfalls habe ich all diese "musikalischen Situationen" und "Lösungen" versucht, klanglich abzuspeichern und sie dann gezielt zu"verwenden". Der theoretische Unterbau, nämlich WARUM diese oder jene Progression nun möglich ist oder GUT KLINGT, den habe ich allzulange vernachlässigt. Ich wußte, bei welcher Modalität welche Stufe mit welchem Voicing gut klingt, aber ich hatte keinerlei Interesse daran, welcher Akkord denn nun welchen anderen ersetzen würde, und schon gar nicht daran, welche Chordscales denn nun "passend" wären ...
DIESES Interesse ist erst in den letzen Jahren bei mir aufgetaucht und ich finde es überaus spannend, im Nachhinein zu lernen, WARUM etwas so gut funktioniert, das man als funktionierend schon lange verwendet hat. Aber wenn ich jetzt - im Nachhinein - von z. B. Modal Interchange erstmals gelesen habe, dann wußte ich halt sofort klanglich, welche musikalischen Situationen damit gemeint sind und ich konnte die gelesen Worte richtig in meinem innren Ohr als beispielsweise Musikfetzen hören.
Wie gesagt, das ist sicher ein Mangel, daß ich dieses Interesse nicht früher hatte. Denn man kann sicher auch eine Menge davon profitieren, wenn man Dinge, von denen man LIEST oder HÖRT, DANACH einfach am Instrument/in der Musik ausprobiert und SO lernt. DAS habe ich (leider) nie getan.
Aber für fatal halte ich es, wenn man den Weg GÄNZLICH aus der anderen Richtung nimmt, nämlich versucht, sich intelektuelles Wissen anzueignen ohne Klangerfahrungen damit verknüpfen zu können. Das führt mMn genauso in eine Sackgasse.
Mein Fazit zu diesem Thema daher: Harmonielehre ist für den Musiker unentbehrlich ... die Frage ist nur, W I E er lernt. Intuitiv oder analytisch, langsam oder schnell, durch Zuhören oder lesen, durch das Folgen irgendwelcher "Regeln" oder durch persönliches try and error.
Aber ... nur, weil ich nicht weiß, wie die alterierte Skala geht, heißt das noch lange nicht, daß ich sie nicht doch verwenden kann ... ??!!
Danke nochmals für das Interesse und schönen RestSonntag,
LG, Thomas