Harmonielehre anhand von Beispielen verstehen

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Hallo,

ich bin in Sachen Harmonielehre nicht besonders bewandert. Habe zwar passende Lektüre dazu, aber irgendwann lässt die Motivation nach, weil doch irgendwie der Praxisbezug fehlt. Jetzt dachte ich mir, parallel zur Lektüre des Buches versuche ich Harmonielehre anhand eines praktischen Beispiels zu verstehen.

Ich hab mir jetzt keinen besonders schweren Song in der Hinsicht ausgesucht. Ich verstehe auch teilweise, was da harmonisch gesehen passiert, aber nicht immer. Und bräuchte ich dann eure Hilfe.

Es geht um das Lied "Ride" von Joe Satriani. Ja, wie gesagt, nicht besonders schwer, aber doch ein nettes Beispiel:

Das Lied ist in der Tonart H-moll.
Die Töne der Tonleiter sind H-Cis-D-E-Fis-G-A-H, als kleine Hilfe schreibe ich mir immer die Töne der parallelen Dur-Tonart dazu, weil ich dann genauer weiß, welcher Akkord moll oder dur ist. (also I-IV-V und II-III-VI)

D-Dur:
D-E-Fis-G-A-H-Cis-D

So, jetzt zum Aufbau des Songs.
Typisches Rock Lied:

Intro, Vers, Bridge, Solo

Zum Intro. Ich schreib mal die Basslinie auf:

Intro.jpg


Meiner Meinung nach passen dazu die Akkorde Hm und im 3. Takt E Dur (anstatt E Dur ginge auch A Dur, aber ich finde, dass E-Dur besser klingt)
Wie komme ich auf E-Dur? Der Bass spielt ja im 3. Takt die Töne E-A-Gis-H
E-Dur besteht aus den Tönen E-Gis-H.
VOn daher müsste das ja soweit passen. Nur, warum "darf" man an der Stelle denn nun E-Dur spielen?
In der H-Moll bzw. D-Dur Tonleiter tritt der E Akkord als Moll Akkord auf.
Wie lässt sich das harmonisch erklären?

Nun zum Vers:

Der Vers besteht aus folgenden Akkorden: Hm-D-A-G

Na das ist nicht schwer zu erklären, warum die Akkorde "gut" klingen. Die sind ja alle auf der Tonleiter druff.

Bridge:

Die Bridge besteht aus den Akkorden E-G-A-Fism.
Auch hier meine Frage, wie oben. Warum geht da E-Dur, wo doch E-Moll der Akkord auf der 2. Stufe der D-Dur Tonleiter ist.

Solo:

Das Solo besteht aus folgendem Basslick:

Solo.jpg


Ich hab versucht die Tonart rauszufinden, nur komme ich zu keinem Punkt. Fast alle Töne, die der Bass spielt liegen auf der Cism Blues Scale, aber besser passt eigentlich E-Dur. Auch E-Dur als Akkord klingt besser, wenn man ihn während des Licks spielt, als Cism.
Aber Satriani improvisiert mit Em-Blues Skale über das Lick, das eigentlich in E-Dur ist...

Ja, also das kapier ich einfach nicht. Kann mir das mal jemand genauer erklären?
Hoffe meine Fragen sind halbwegs verständlich und nicht zu blöd. Hab eiffach noch viel zu lernen :cool:
 
Eigenschaft
 
Warum sollte ein Song nur diatonische Akkorde verwenden?

Grundtonart ist B-moll (H-moll), das stimmt. Durch die Wahl der Akkorde und Melodie kann man den Klang variieren. Der Klang pendelt hier zwischen äolisch (= moll, wenn G gespielt wird), dorisch (wenn E gespielt wird) und mixolydisch (wenn der Ton d# in Baß oder Melodie dazu kommt). Dieses "sich nicht genau Festlegen" ist typisch für Blues.

Das Solo wird über einen E7-Klang gespielt. Der Baß spielt die Terz g# mit einer chromatischen Linie an. Die Gitarre verwendet Töne zwischen e-Blues und e-mixolydisch.

Gruß
 
Hey MaBa,

vielen Dank für die Hilfe. Mit deiner Erklärung hast du bei mir Licht ins dunkle gebracht.
Vor allem die Sache mit den verschiedenen Tonleitern hat mir sehr weiter geholfen.

D.h. mit dem Wechsel der Tonleiter (also äolisch auf dorisch) ändern sich natürlich die Akkorde, die man auf der jeweiligen Tonleiter aufbaut.

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr... Jetzt ist es aber klarer. Danke nochmal!
 
Warum sollte ein Song nur diatonische Akkorde verwenden?

Grundtonart ist B-moll (H-moll), das stimmt. Durch die Wahl der Akkorde und Melodie kann man den Klang variieren. Der Klang pendelt hier zwischen äolisch (= moll, wenn G gespielt wird), dorisch (wenn E gespielt wird) und mixolydisch (wenn der Ton d# in Baß oder Melodie dazu kommt). Dieses "sich nicht genau Festlegen" ist typisch für Blues.

Das Solo wird über einen E7-Klang gespielt. Der Baß spielt die Terz g# mit einer chromatischen Linie an. Die Gitarre verwendet Töne zwischen e-Blues und e-mixolydisch.

Gruß

Das verstehe nun ich wiederum nicht. (Gehöre übrigens auch zu denen, die gerne besser Harmonielehre verstünden ;) )
Woran erkenne ich, dass der Ton G in Bezug auf H-Moll Aeolisch klingt? Jeder Ton aus H-Moll, auch G klingt aeolisch, oder? Wieso speziell des G?
Selbe Frage für Dorisch und Mixolydisch: Wieso klingen E und Dis in Bezug auf H-Moll mixolydisch?
Oder interpretiere ich einfach nur falsch?
 
Woran erkenne ich, dass der Ton G in Bezug auf H-Moll Aeolisch klingt? Jeder Ton aus H-Moll, auch G klingt aeolisch, oder? Wieso speziell des G?
Selbe Frage für Dorisch und Mixolydisch: Wieso klingen E und Dis in Bezug auf H-Moll mixolydisch?
Oder interpretiere ich einfach nur falsch?
Das ist ein Mißverständnis: G meint den G-Dur-Akkord und E den E-Dur-Akkord, deswegen habe ich sie großgeschrieben. Nur d# ist ein einfacher Ton, der kommt mal in der Melodie und mal im Baß vor.

Die reine Moll-Tonleiter (äolisch) sieht so aus:
b c# d e f# g a b

Sobald E (Durakkord) gespielt wird, ändert sich das g zum g# in der Tonleiter:
b c# d e f# g# a b
Es klingt dorisch.

Jetzt taucht sporadisch statt d manchmal das d# auf. So ändert sich die Tonleiter:
b c# d# e f# g# a b
Es wird kurzzeitig mixolydisch.

Sobald aber immer das G (Durakkord) auftaucht, hört man wieder die beiden Töne g und d und damit äolisch.

Im Prinzip ändert sich ständig, je nachdem, was gerade gespielt wird, der Grundklang.

Gruß
 
Ah, ok alles klar! Danke!
Ich hab auch schon gedacht, dass E-Dur und G-Dur gemeint sein könnte, aber bin dann beim aufschreiben trotzdem auf keine Lösung gekommen. So wie's jetzt dasteht ist es mir aber klar geworden.
 
Im Prinzip ändert sich ständig, je nachdem, was gerade gespielt wird, der Grundklang.

An sich ist dieser Skalen- und der damit verbundene Akkordwechsel nichts besonders schweres, dennoch eine sehr wirkungsvolle "Waffe" um einen Song interessanter klingen zu lassen. Es ist tatsächlich so, dass ein einzelner Akkord, der nicht mehr in der äolischen Tonleiter auftritt plötzlich alles ganz neu und anders klingen lässt, oder?
 
Eine Frage hab ich da noch, und zwar zum Song "Circumstances" von Rush.

Intro (Basslinie)
circ.JPG


Bis zu Takt 12 sieht es aus, als ob es G-Dur wäre. Ab Takt 12 beginnt dann die Strophe, da wechselt die Gitarre auf den Akkord H-Dur, dann G-Dur, D-Dur, Fis-Dur. Das passt dann nicht mehr richtig in irgendeine diatonische Leiter hinein, soweit ich das sehe. Gibt es trotzdem irgendeinen harmonischen Grund, diesen Wechsel von G-Dur auf H-Dur usw. zu machen? Korrigiert mich bitte, falls ich irgendwo einen grundlegenden Fehler gemacht hab.
 
Ich würde bei der Analyse immer von den Akkorden ausgehen. Über die Akkorde sind die harmonischen Zusammenhänge leichter erfaßbar. In der Regel kommt man ziemlich schnell auf den Grundton für eine Passage. Der Grundton entspricht immer dem gefühlten Zentrum.

In dem Beispiel basiert das Intro eindeutig auf Am. Sowohl Baßlinie als auch Gitarre deuten darauf hin. Durch die prägnanten Akkorde D und G ergibt a-dorisch, ein etwas hellerer Mollklang als äolisch.

Die Strophe steht meiner Meinung nach in B-moll/D-Dur. Die Akkorde stehen alle in funktionaler Beziehung zu dieser Tonart. Die Strophe endet auf E, der Doppeldominante von D-Dur. Gleichzeitig ist E auch die Dominante von a-moll und leitet damit zurück nach a-moll bzw. a-dorisch.

Das Solo in steht m.M.n. in C-Dur/a-moll.

...vorausgesetzt ich habe alles richtig gehört.


Gruß
 

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