Handelt es sich hier um eine Verschiebung des tonalen Zentrums?

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Hallo,
Ich bin zwar doch etwas bewandert in der Harmonielehre, aber auf nachfolgende Problemstellung habe ich bisher noch keine Antwort finden können - here we go:

In vielen Liedern, speziell denen der Popularmusik, verlaufen Harmonieprogressionen stets nach dem gleichen Schema ab. Akkord A, der jeweilige tonartenspezifische Grundakkord, eröffnet die Progression, die sich z.B über die 3 Akkorde B,C,D wieder zurück zu A wendet. Der Grundakkord A steht am Anfang und am Ende und "zieht" die Harmonieführung magnetisch an. Nun ist es oftmals so, dass z.B die s, die d, oder die sP (Moll, weil meine nachstehenden Beispiele in Moll-Tonartehn stehen) irgendwie zu einem "neuen" tonalen Zentrum (?) werden, jedoch meine ich hier keinen Tonartenwechsel oder eine Modulation mit dem Gebrauch von Versetzungszeichen, sondern schlicht...hmm, ich will es mal anders versuchen zu erklären: Wenn sich dieses "tonale Zentrum" (Anführungszeichen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich den Begriff hier nicht mißbrauche - wie gesagt: keine Versetzungszeichen) zum Beispiel in Moll auf die s verschiebt, so bringt eine als nächstes verwendete t keine "Ruhe", sondern drängt auf harmonische Weiterführung. Um anschließend wieder die t "magnetisch" zu machen, bräuchte es z.B einer Kadenz.

Hmm...ich hoffe, ich habe das einigermaßen verständlich hinbekommen. Falls nicht, helfen vielleicht die folgenden 2 Musikbeispiele zur Verdeutlichung meiner Problemstellung:

http://www.youtube.com/watch?v=KZ92vQbgE7M
Hier geschieht oben Gesagtes z.B bei 0:37, wobei es sich in diesem Falle um die s handelt...oder 10 Sekunden später, wo es sich um die s der neuen Tonart handelt.

http://www.youtube.com/watch?v=ZMygpI73OwQ&feature=related
Hier ist es ab 5:04 die sP, die "magnetisch" wirkt...sorry für diese Laiensprache, aber ich habe eben keine Ahnung. In der Klassik betrifft diese Erscheinung übrigens vorwiegend die Dominante.

Wie nennt man das alles, und gibt es musiktheoretisches Know-How als Lesestoff hierzu?
 
Eigenschaft
 
Ich würde hier von Modulationen sprechen. Genau das Verschieben des Zentrums ist doch das Ziel einer Modulation. Wenn die Tonika nicht mehr Ruheakkord ist, ist sie auch nicht mehr Tonika. Und mit Sicherheit kommen an diesen Stellen auch Versetzungszeichen vor.

Ich gehe auf den von dir erwähnten Anfang des ersten Musikstücks ein. Es beginnt in D-moll. Das erste mal drückt Eb (Neapolitaner) kurz aus der Tonart, löst sich aber dann sofort wieder nach Dm auf. Anschließend hört man Cm6 Gm Cm6 D, womit G-moll eindeutig ins Zentrum gerückt wurde. Gleich mit dem nächsten Akkord wiederholt sich das harmonische Spielchen. Mit Fm6 Cm Fm6 G sind wir in C-moll angekommen.

Wir hatten zwei mal den selben Modulationsweg und sind jedes mal eine Quinte nach unten gewandert.


Gruß
 
Wobei bei kurzen Ausflügen in eine andere Tonart der Begriff "harmonische Ausweichung" passender ist, wie ich finde.

Ich empfinde das Wort "Modulation" als einen "größeren" Eingriff, deswegen würde ich es bei kurzen Ausflügen nicht nehmen.
Bei Bach kommen ja häufig solche Ausweichungen vor, die keine wirkliche Modulation sind.

Aber das nur am Rande.

P.S. In dem erst genannten Beispiel haben wir aber keine Bestätigung durch g-moll.
Das ganze wird Sequenzartig mit f-moll fortgeführt, erst da resultiert es mit c-moll nach dem G.
An dieser Stelle würde ich es eher "Rückung" nennen, wie es oft in der Popularmusik und zu oft bei Sir(!) Andrew Lloyd Webber vorkommt.
 
Hallo,
Ich bin zwar doch etwas bewandert in der Harmonielehre, aber auf nachfolgende Problemstellung habe ich bisher noch keine Antwort finden können - here we go:

In vielen Liedern, speziell denen der Popularmusik, verlaufen Harmonieprogressionen stets nach dem gleichen Schema ab. Akkord A, der jeweilige tonartenspezifische Grundakkord, eröffnet die Progression, die sich z.B über die 3 Akkorde B,C,D wieder zurück zu A wendet. Der Grundakkord A steht am Anfang und am Ende und "zieht" die Harmonieführung magnetisch an. Nun ist es oftmals so, dass z.B die s, die d, oder die sP (Moll, weil meine nachstehenden Beispiele in Moll-Tonartehn stehen) irgendwie zu einem "neuen" tonalen Zentrum (?) werden, jedoch meine ich hier keinen Tonartenwechsel oder eine Modulation mit dem Gebrauch von Versetzungszeichen, sondern schlicht...hmm, ich will es mal anders versuchen zu erklären: Wenn sich dieses "tonale Zentrum" (Anführungszeichen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich den Begriff hier nicht mißbrauche - wie gesagt: keine Versetzungszeichen) zum Beispiel in Moll auf die s verschiebt, so bringt eine als nächstes verwendete t keine "Ruhe", sondern drängt auf harmonische Weiterführung. Um anschließend wieder die t "magnetisch" zu machen, bräuchte es z.B einer Kadenz.

Hmm...ich hoffe, ich habe das einigermaßen verständlich hinbekommen. Falls nicht, helfen vielleicht die folgenden 2 Musikbeispiele zur Verdeutlichung meiner Problemstellung:

http://www.youtube.com/watch?v=KZ92vQbgE7M
Hier geschieht oben Gesagtes z.B bei 0:37, wobei es sich in diesem Falle um die s handelt...oder 10 Sekunden später, wo es sich um die s der neuen Tonart handelt.

http://www.youtube.com/watch?v=ZMygpI73OwQ&feature=related
Hier ist es ab 5:04 die sP, die "magnetisch" wirkt...sorry für diese Laiensprache, aber ich habe eben keine Ahnung. In der Klassik betrifft diese Erscheinung übrigens vorwiegend die Dominante.

Wie nennt man das alles, und gibt es musiktheoretisches Know-How als Lesestoff hierzu?

Hi,

Beispiel 2

07 - cradle of filth - the twisted nails of faith

ab 4:15

|| Eb- | % | B | % |
| Eb- | % | C- | % |
| E- | % | C- |% |
|E- | % |B | % ||
|| Eb- | % | Cb | & |
| Eb- | % | C- | % |
| E- | % | C- |% |
|E- | % |E- | % ||Break 5:09
|| Ab- | % | E- | % |
| Ab- | Gb | E- | % |
| Ab- | etc.

Und jetzt stelle noch einmal Deine Frage bitte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zefixundzugenähtsoeinsch...okay, es gab hier ein Verständnisproblem, weil ich eine andere Stelle im Lied meinte. Tut mir echt Leid...:mad:...ich meine die Stelle 1:23 bis 1:29.
Lest euch meine Fragestellung unter diesem Gescihtspunkt bitte nochmal durch. Wie gesagt, hier scheint die "Betonung" auf der Subdominante zu liegen, welche dadurch "magnetisch" wird - ohne Versetzungszeichen. So ähnlich ist es beim zweiten Beispiel, nur handelt es sich bei selbigem um die Parallele der Subdominante.


An dieser Stelle würde ich es eher "Rückung" nennen, wie es oft in der Popularmusik und zu oft bei Sir(!) Andrew Lloyd Webber vorkommt.
Ja, das ist eine Rückung. Aber wie gesagt: Falsche Stelle. Die, die ich meinte, ist von Aufbau her ähnlich, aber eben mit einem kleinen Unterschied.;)

Hi,

Beispiel 2

07 - cradle of filth - the twisted nails of faith

ab 4:15

|| Eb- | % | Cb | & |
| Eb- | % | C- | % |
| E- | % | C- |% |
|E- | % |B | % ||
|| Eb- | % | Cb | & |
| Eb- | % | C- | % |
| E- | % | C- |% |
|E- | % |E- | % ||Break 5:09
|| Ab- | % | E- | % |
| Ab- | Gb | E- | % |
| Ab- | etc.

Und jetzt stelle noch einmal Deine Frage bitte.

Ich würde sagen, dass jetzt ein paar Fragen hinzukamen. Offensichtlich hast du mich da falsch verstanden.
 
P.S. In dem erst genannten Beispiel haben wir aber keine Bestätigung durch g-moll.
Das ganze wird Sequenzartig mit f-moll fortgeführt, erst da resultiert es mit c-moll nach dem G.
An dieser Stelle würde ich es eher "Rückung" nennen, wie es oft in der Popularmusik und zu oft bei Sir(!) Andrew Lloyd Webber vorkommt.

Was heißt, "keine Bestätigung"? Meinst du, meine Ohren betrügen mich? Ich kann natürlich nur das beschreiben, was und wie ich höre. Es ist also nicht unbedingt verallgemeinbar. Und ich höre, ähnlich wie es der Threadsteller beschreibt, zwei Wechsel des tonalen Zentrums in der ersten Minute.


@-Imperator-
Der sG (nicht sP) ist ein tonartfremder Akkord. (Eine andere Bezeichnung ist Neapolitaner)
Er liegt einen Halbton über der Tonika. Der Grundton bricht also aus der Tonart heraus. Der Akkord ist nicht diatonisch. Aufgrund dieser Tatsache hat er auch eine viel höhere harmonische Spannung, als die reguläre Moll-Subdominante. Er eignet sich auch sehr gut als Drehpunkt einer Modulation.

In Hörbeispiel hört man ihn zuerst bei 0:33, wo er sich, wie für einen Neapolitaner typisch, zur Tonika auflöst.

Beim zweiten Mal bei 0:37 hört man ihn in Eb6* Gm Eb6* D. Ich empfinde schon deshalb das Gm als Auflösung, da ich hier auch eine Auflösung erwarte. das D am Ende ist für mich noch Mal eine Bestätigung. (Halbschluß)

Bei 0:46 passiert genau das gleiche. Ein Halbton über dem jetzigen Zentrum g setzt die gleiche harmonische Fortschreitung wieder ein. Ab6* Cm Ab6* G.

Ob man von Modulation, Ausweichung oder Rückung spricht, ist mir im Prinzip egal. Auf alle Fälle ändert sich der Bezugspunkt, das Zentrum. Ich würde eben von Modulation sprechen. Ausweichung klingt wie ein kurzer Abstecher, von dem gleich zurückgekehrt wird. Rückung klingt, als gäbe es keinen harmonischen Zusammenhang. Beides paßt nicht richtig für mich. Erstens kehre ich nicht zurück, zweitens gibt es einen Zusammenhang: N6* wird als Subdominante einer neuen Tonart umgedeutet.

(*) Die gekennzeichneten Akkorde lassen sich aufgrund der Sexte auch als Moll-Akkord mit Terzbaß betrachten, wodurch die Kadenz leichter erkennbar ist: s t s D

Gruß
 
Was heißt, "keine Bestätigung"? Meinst du, meine Ohren betrügen mich? Ich kann natürlich nur das beschreiben, was und wie ich höre. Es ist also nicht unbedingt verallgemeinbar. Und ich höre, ähnlich wie es der Threadsteller beschreibt, zwei Wechsel des tonalen Zentrums in der ersten Minute.

Es bleibt dort aber auf D stehen, auf dem Halbschluss und geht dann mit f-moll weiter.
Nicht nur mein Gehör sagt mir das, sondern auch der Klavierauszug.
g-moll wird hier eindeutig angepeilt und jedes halbwegs gute Gehör erwartet auch g-moll als Auflösung, aber g-moll wird nicht gebracht, es geht mit f weiter.
Das steht auch in der Partitur, die ich hier irgendwo habe.
Beim zweiten mal kommt dann aber c-moll auch als Auflösung.
 
Hmm...also mir geht es eben nicht um die Rückung, Modulation (oder als was man sie sonst noch bezeichnen möge) oder um den Neapolitaner (welchen ich ja selbst öfters beim Improvisieren am Klavier verwende), sondern schlicht und einfach um die Tatsache, dass der "betonte" "Anfang" dieser Akkordprogression nicht mehr auf der Tonika liegt.

Ich gebe euch mal ein frei erfundenes Beispiel: Nehmen wir an, die zweite Strophe eines Liedes in G-Moll fängt in der Harmonie der Subdominantparallele Es-Dur an, dann ist dieser erste Takt in der Harmonie Es-Dur irgendwie betont. Im zweiten Takt folget dann die Tonika G-Moll, doch drängt sich der Eindruck auf, dass sie nicht ruhend ist, sondern nach Weiterführung drängt. Durch eine Kadenz könnte man sie wieder als "magnetisches" Zentrum, dass die Akkordprogression anzieht, definieren.

Das Gleiche geht mit der Dominante, der Subdominante (Star Wars bei 1:23 bis 1:29) und der Parallele auf der III. Stufe.

...und wie erwähnt: hierzu braucht es eben keinerlei Versetzungszeichen, abgesehen von der hochalterierten Terz der Dominante in Moll.

Ich vermute, es hat irgendwas mit dem Metrum von Takten zu tun, aber auf diesem Gebiet bin ich relativ uninformiert...deshalb eben hier die Frage.
 
Ok, dann war das ein Mißverständnis.

Ich bleibe mal bei deinem Beispiel Eb Gm in G-moll. Ich fühle hier ziemlich schwaches Verhältnis von Spannung zu Entspannung. Wesentlich schwächer als bei Cm Gm oder Am7b5 Gm. Alle drei Fortschreitungen sind plagale Kadenzen. Der Hauptunterschied liegt hier in der Grundtonbewegung und in der Anzahl gleicher Töne zwischen den Akkorden(Verwandtschaft der Akkorde). Eb und Gm stimmen immerhin in zwei Tönen überein.

Vielleicht ist es das, was du meinst?

Wobei ich mir so eine Wendung, gezielt eingesetzt, auch als Schluß vorstellen kann. Das wäre dann wie ein langsames Luftrauslassen...

Gruß
 
Ich gebe euch mal ein frei erfundenes Beispiel: Nehmen wir an, die zweite Strophe eines Liedes in G-Moll fängt in der Harmonie der Subdominantparallele Es-Dur an, dann ist dieser erste Takt in der Harmonie Es-Dur irgendwie betont. Im zweiten Takt folget dann die Tonika G-Moll, doch drängt sich der Eindruck auf, dass sie nicht ruhend ist, sondern nach Weiterführung drängt. Durch eine Kadenz könnte man sie wieder als "magnetisches" Zentrum, dass die Akkordprogression anzieht, definieren.

Hi,

was Du hier ansprichst bezieht sich auf den Harmonischen Rhythmus.
Delamont bezeichnet in seiner Harmonielehre solche Fälle bei denen das Spannungsgradverhältnis Akkord <-> Zeitliche Positionierung könträr ist als weibliche Akkordfortschreitungen.

Spannungsgefälle innerhalb eines Taktes:

| Stabil instabil wenigerstabil Instabil |
Das Schema ist übertragbar auf mehrtaktige Gefüge.

Spannungsgrade der Akkorde:
Tonika - stabil
Subdominante - weniger stabil
Dominante - instabil.

Maximalen Effekt erziehlt man, wenn Gleiches koinzidiert. Ein instabiler Akkord positioniert auf einen instabilen Takt(teil) erzeugt also mehr Instabilität als ein instabiler Akkord auf einem stabilen Takt(teil).

Kommt nun aber ein vertauschtes Verhältnis vor, wird es "in der Regel" kurze Zeit später wieder korrigiert.
In Bachs WTK kommen solche Situation zu Hauf vor.


CIAO
CUDO
 
Jaha - genau um das geht's mir. :great:

@meinen Vorredner: Gibt es hierzu irgendwelche empfehlenswerte (Online)Literatur?

Das ist nämlich genau das Gebiet, auf dem ich mich mehr oder weniger unbewusst beim Improvisieren bewege. Aber es gezielt musiktheoretisch zu erfassen wäre wohl zielführender als hier autodidaktisch vorzugehen.

Jedenfalls machen solche Variationen im Harmonischen Rhythmus Musik erst richtig interessant, und wie gesagt, in meinen Beispielen kommt das vor (bei Star Wars ist es die Subdominante, bei Cradle die Subdparallele) - und ich bin übrigens ein großer Bach-Fan.;)
 
J Gibt es hierzu irgendwelche empfehlenswerte (Online)Literatur?

Ich hatte mir mal in NYC vor Jahren "Modern Harmonic Technique: The Elements of Harmony Vol.I und Vol.II" von Gordon Delamont gekauft. Wie ich mich erinnere, behandelt er diese Thematik etwas eingehender als andere.
Hier zu haben für nur 100US$:great: :D
Spass beiseite. Interessant ist das Buch allemal, da er viele rudimentäre Sachen aus seiner eigenen Sichtweise zeigt, die allerdings etwas von der Gängigen abweicht, was für Vergleiche wiederum sehr interessant ist.
Hier ist es günstiger->
Inhaltsverzeichnis hier: -> Harmonic Pulse!
 

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