Gott in der Bluesmusik? Infos für Referat gesucht

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Hi Leute,

für ein Referat mit dem Thema "Gott in der Musik" suche ich Informationen über Gott im Blues. Also, wie wird er erwähnt, beschrieben, thematisiert und so weiter. Schreibt einfach was ihr darüber wisst =) Danke
 
Eigenschaft
 
ich bin kein diplomierter Bluesologe obwohl ich nächste Woche mein 20 jähriges Gaildorfer Bluesfestival in Folge feiere:D aber Gott wird im Blues natürlich erwähnt , Aussprüche wie "Lord, have mercy" oder ähnliches finden sich im Blues immer wieder. Schau dir auch den Text vom Stormy Monday Blues an usw usw. Auch gibt es fliessende Übergänge zwischen Blues und Gospel. Viele Afroamerikaner , die zum Christentum übergegangen sind oder wurden (Geschichte der Sklaverei ) haben in ihren Blues Songs viel von Hoffnung, Schmerz und Freude gesungen und dabei "Gott" auch erwähnt
 
ich bin kein diplomierter Bluesologe
ich auch nicht :D, ich sag trotzdem mal was

der Blues kann auf Gospel, Worksongs und Negro Spirituals zurückgeführt werden (auch noch auf anderes, ist aber hier nicht so wichtig), hat also auch religiöse Wurzeln. die Afroamerikaner waren ja zunächst nicht christlich, sind aber irgendwann zum Christentum konvertiert und haben ihre "Gesangsbräuche" einfach mitgenommen und haben halt Gott in ihre Texte eingebaut...
 
Ich seh den Thread grade nur zufällig in der Thread-Übersicht... dein Thema scheint ja mehr als nur Blues zu umfassen; falls du Infos für den Bereich Rock/Metall brauchst, meld dich einfach mal per PN bei mir.

MfG, livebox
 
Ich habe gerade nochmal das Buch Blues aus 100 Jahren von Alfons Michael Dauer quergelesen. In den Bluestexten, die dort abgedruckt und übersetzt sind, geht es hauptsächlich um Frauen, Sex, Kohle, Alkohol und Drogen. Um Gott geht es nur am Rande. Z.B. im Canned Heat Blues (Canned Heat: Hitze in Büchsen - ist wohl ein selbstgebrannter Schnaps bzw. Brennspiritusverschnitt, den man in der Not der Prohibition trank):

Cryin canned heat, canned heat mama, cryin' sure, Lord, killin' me.
[...]
Woked up this mornin', with canned heat, Lord, on my mind.

Gott wird immer als Lord bezeichnet. Lord wird genauso wie Mama verwendet, und zwar ungefähr so ähnlich, wie wir "Oh Gott" sagen. Außerdem läßt sich Lord sehr gut singen, z.B. dann, wenn einem gerade der Text nicht einfällt oder so.

In einem Beispiel wird dieses Wort 10x hintereinenader gesungen: Chicago is loaded with Blues.

Es geht um folgendes: New York ist voll mit Leuten, L.A. ist voll mit Filmstars, Zeitungen sind voll mit Nachrichten, das Meer ist voll mit Wasser, Las Vegas ist voll mit Spielern, aber Chicago ist voll mit Blues.

Wörtlich heißt es dann im Refrain:

Lord, Lord, Lord, we got the blues,
Lord, Lord, Lord, Lord, Lord, Lord, we got the blues,
Lord, Lord, Lord, Lord, Lord, Lord, Lord, Lord, Lord, Lord, we got the blues;
we got blues that'll make you lonesome, Lord, we got blues, that'll make you glad.

Also Lord ist eigentlich ein ideales und universales Füllwort.

Anders im Spirutal und im Gospel, da geht es ganz konkret um Gott, Jesus, Sterben, Jenseits, Geschichten aus der Bibel etc.

Alfons Michael Dauer schreibt (auf Seite 10):
Sehr nahe verwandt zur Bluespoesie zeigt sich schließlich die religiöse Folklore der Afro-Amerikaner, besonders das Repertoire der Straßenevangelisten, der Heilungs- und Erweckungskirchen (Sanctified Churches) sowie der poetische Predigerstil der "Chanted Sermons". Keine Verwandtschaft mit den poetischen und musikalischen Merkmale der genannten Bereiche des Blues, Worksongs und Sacred Singing haben die Spirituals. Sie gehören poetisch und musikalisch in ihrer Mehrheit einer völlig anderen Traditionsschicht an und weisen nahezu keinerlei Gemeinsamkeiten mit dem Blues auf. Es ist daher unrichtig zu behaupten, daß Blues und Spirituals in irgendeinem chronologischen, historischen oder gar entwicklungsmäßigen Zusammenhand stehen - wie das in vielen Darstellungen der Jazzgeschichte üblich ist; extrem formuliert ließe sich sagen, sie sind einander poetisch und musikalisch fremd. Hingegen werden die Bereiche des Blues, Worksongs, Sacred Singing, Chanting und Preaching von den Afro-Amerikanern als unmittelbar zusammengehörig empfunden; sie sind lediglich in ihren Inhalten alternativ, so daß es als unschicklich angesehen wird, sich z.B. im Bereich des Blues und des Sermons gleichzeitig zu betätigen oder Formen des Blues und des Sacred Singing miteinander zu vermischen.

Ray Charles hat ja diese Vermischung dann absichtlich gemacht, was ihm anfangs sehr übel genommen wurde.

Viele Grüße,
McCoy
 
Hey danke, hilft mir echt weiter =)
@livebox: wir machen das Referat zu dritt, falls der Metal-mann aber noch Hilfe braucht werd ich mich melden
 
... und ich oute mich wieder mal als altmodisch und unhilfreich und so weiter und so fort wenn ich sage: "Geht mal selbst auf die Suche und kommt mit konkreten Fragen wieder. Selber recherchieren macht klug, nicht irgendwas dahingeworfenes abschreiben. Konkrete Fragen beantworten macht mir Spaß, nicht Referat-Input für oberflächliche Schulaufgaben liefern".

Viel Erfolg.


Edit: Was der A.M. Dauer da schreibt, halte ich übrigens für ziemlichen Dummsinn. Blues & Gospel sind quasi untrennbar miteinander verknüpft. Und Ray Charles hat - nach eigener Aussage - nie Spirituals und Blues zu Soul "verknüpft", er hat die Musik gemacht, die in ihm war. Son House, einer der größten alten Blueser, war auch mal Priester, hat einen "Preachin' Blues" geschrieben... Robert Johnson hat nicht nur den Song kopiert, er singt auch "Me & The Devil" und "Hellhounds on My Trail", und wer an den Teufel glaubt, muss ja auch an Gott glauben... Fred McDowell als alter Delta/Mississippi Blueser hatte durchaus auch Gospels im Programm usw usw.
 
Was der A.M. Dauer da schreibt, halte ich übrigens für ziemlichen Dummsinn. Blues & Gospel sind quasi untrennbar miteinander verknüpft.
Dauer schreibt schon recht differenziert: er unterscheidet Spirituals, Chanted Sermons, Sacred Singing, Chanting und Preaching. Von Gospel spricht er gar nicht. Da müßte man natürlich erst mal Begriffsklärung betreiben und sich in seinen Schreibstil einlesen, um dahinter zu kommen, was er mit seiner Aussage meint. Ich vermute, daß er darauf hinaus will, daß es auch in der schwarzen Bevölkerung der Südstaaten Klassenunterschiede gab, die ihre unterschiedlichen Kulturtraditionen hatten und daß vor allem die gehobeneren Klassen darauf achteten, daß diese sich nicht vermischen. Spirituals sind da wohl eher in der gehobeneren Klasse zu finden. Aber um all das zu entscheiden, müßte man das Buch noch etwas genauer lesen, als ich es gerade leisten kann.

Mir persönlich ist jedenfalls die Sichtweise, daß Gospel, Blues, Spirituals, Jazz etc. alle miteinander verbunden sind und alle die gleiche Wurzel haben, etwas zu einfach. Historische Wirklichkeiten sind da einfach zu kompliziert, als daß mir solche pauschalen Aussagen genügen würden. Schon allein die Tatsache, daß Sklaven aus unterschiedlichsten afrikanischen Kulturen nach Amerika verschleppt wurden, die dort wiederum untereinander verschiedene kulturelle Untergruppen bildeten, welche aber wiederum in lokalen Gemeinschaften miteinander auskommen mußten, erschwert in meinen Augen die Beurteilung der kulturellen Folgen all dieser Vorgänge ungemein.

Grüße,
McCoy
 
Mir persönlich ist jedenfalls die Sichtweise, daß Gospel, Blues, Spirituals, Jazz etc. alle miteinander verbunden sind und alle die gleiche Wurzel haben, etwas zu einfach.

Meine Sicht auf die Dinge: Verbunden definitiv JA, gleiche Wurzeln schlichtweg "nicht nachweisbar".

Die Diskussion um die "Wurzeln" ist ziemlich müßig, weil es halt so gut wie keine Aufnahmen (mangels Technik und Interesse) und keine aufgeschriebenen Stücke (mangels musikalischer Fähigkeiten) gibt. Unbestritten bewiesen (weil eben durch Tonaufnahmen dokumentiert) sind aber z.B. die oben genannten Beispiele von Bluesern, die auch mal kirchliche Stücke aufgenommen haben. Es gibt aber schon - gerade in den 30er Jahren - eine klare Einordnung von Blues als "Devil's Music", mit der ein anständiger Mensch nichts zu tun haben wollte. Aber der Mensch war eben noch nie "heilig" oder "teuflisch", sondern immer eine Mischung. Die meisten R&B-Künstler haben noch heute (!) eine starke Verwurzelung in der Gospelmusik über entsprechende Kirchenchöre etc....

Mischung ist das Stichwort - es ist schlichtweg erwiesen/belegt, wie vielseitig Musiker beeinflusst wurden aus unterschiedlichsten Richtungen. Es gibt Interviews, Aufnahmen, etc., die zeigen, wie breit das Spektrum der Künstler war. Aber - gerade die europäischen Musikwissenschaftler lieben Kategorien, klare Trennungen... sind aber auch oft "weit weg" von dem, was in USA so aus der "Realität" her allgemein akzeptiert wird.

Eine wirklich schöne Seite, die eine Sicht auf die - meiner Meinung nach nicht wegzudiskutierenden - wechselseitigen Einflüsse zeigt, ist die hier:
http://onmuddysavariverbank.blogspot.com/2010/06/blues-history.html

Die Idee, dass es verschiedene "Traditions" (z.B. Work / Minstrel / Sacred) etc. gib, sind durchaus akzeptiert... aber das wird gerne entweder als "klar getrennt" oder "hat sich entwickelt aus" gelesen, was wiederum falsch ist. Kann man jedenfalls trefflich drüber streiten. :D


Edit: Selbst Blues-Größen verstehen's nicht :D
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Es gab 'ne Menge Blues- Sänger, die über Gott gesungen haben. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts waren das meist Schwarze, weil die meisten Weißen solche Musik als "Devil's Music" abkanzelten: Blind Willie Johnson, Rev. Dan Smith, Blind Lemon Jefferson, Rev. Gary Davis, Sister Rosetta Tharpe... sogar Charlie Patton und Son House haben gelegentlich Gospels gesungen. Davon blieben Weiße wie Elvis und Johnny Cash nicht unbeeinflusst - die hatten weder gegenüber dem "teuflischen" Blues noch gegenüber dem "schwarzen" Gospel Berührungsängste. Beides wurde ihnen von Konservativen sehr übel angekreidet. Der in einer tief religiösen Famile aufgewachsene Jerry Lee Lewis lebte lange unter der Vorstellung, für seine Musik in die Hölle kommen zu müssen. Heutzutage kommen mir im "christlichen" Blues Glenn Kaiser, Darrell Mansfield, Larry Howard und Rev. Vince Anderson in den Sinn. Kürzlich hat Michael Roe unter dem Titel "We all gonna face the rising Sun" eine CD mit uralten Gospel Blues- Klassikern weitgehend akustisch aufgenommen.

Alex
 
Bestes Beispiel aus der Liste von jf.alex ist wohl Blind Willie Johnson: Text AUSSCHLIESSLICH (!!!) Kirchenmusik, Musik sitzt genau auf der Grenze zwischen Blues und Spirituals. Sein "Dark Was The Night, Cold Was The Ground" ist wohl einer der besten Blues-Songs aller Zeiten. Willie wäre aber sicherlich persönlich angegriffen gewesen, wenn man ihn als Blues-Musiker bezeichnet hätte. Die englische Wikipedia spricht hier dann von Gospel-Blues :)
http://en.wikipedia.org/wiki/Dark_Was_the_Night,_Cold_Was_the_Ground
 
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