Goldberg Variationen

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Hallo,
Ich dachte vielleicht besteht interesse an einem Goldberg Variationen Thread.

Eingangs einen persönlichen Eindruck beim Hören der Variationen von Gould.
Bei manchen Nummern kam mir der Gedanke das bach in diesem Werk teilweise die Klassik überspringt und bis zu
Schumann weist.
Auf der andern Seite hatte ich ein Gefühl von renaissancer Taktverschwerpunktverschiebung, allgemein, speziell in den langsamen Variationen, erinerten die langen überschneidungen zwischen den Stimmen, auf der einen Seite an frühe Zweistimmigkeit, auf der andern, vorallem vielleicht durch das Zustandekommen von Dissonanzen, begründet in der Konsequenten (eigenständigen) Melodik/stimmführung, an hochromantische Klaviermusik.

Welche weiteren Einspielungen (neben Gould, den ich wärmstens Empfehlen würde)
findet ihr Hörenswert.

Gibt es Links zu Artikeln/ eBooks zu diesem Thema ?

Ich freue mich auf eine angeregte Diskussion !
 
Eigenschaft
 
Ich ziehe meine interpretation vor, da ich das werk gern und oft spiele, auf dem klavier, auf dem virtuellen cembalo, wo es eigentlich hingehört. Die spielweise ist auf zwei manuale berechnet, und wer die nicht hat, bekommt leicht bei den häufigen überkreuzungen einen knoten in die handgelenke. man muss sich da arrangieren.
Ein kreuzübel bei den meisten wiedergaben sind die zu schnellen tempi, da rauscht ein kanon am ohr vorbei, ohne dass selbst ich, der ich in der materie stecke, dem verlauf der geistreich und kunstvoll geführten stimmen nicht folgen kann, bei charakterstücken tun sich die schwer, die nie tanzmusik gespielt haben und keinen sinn für tänzerische rhythmik haben, ob bei Bach oder Chopin.. Dabei gibt es auch einige etuden, in denen man brillieren kann, das werk ist ja zyklisch aufgebaut, dem thema folgen je eine etude, ein kanon in allen intervallen von der prime über die oktave bis zur none und ein charakterstück. 10x3 = 30.
Goukd war mal große mode (die gründe für solche platzhirsch-erfolge sind unergründlich, beruhen wahrscheinkich auf der werbetätigkeit der verlage), Andras Schiff sagt mir mehr zu, wenns schon klavier sein soll, bei den großen damen des cembalos habe ich meine zweifel.
Ein werk hat eine bandbreite, aber es wird auch viel gesündigt, und der biedere hörer merkt es nicht.
 
Würdest du trotzdem eine cembalointerpretation empfehlen ?
Hab bislang leider noch nichts befriedigendes gefunden.
 
Ich höre mir nicht so viel an, was ich selber spiele, und von interpretenvergleichen halte ich wenig: jeder spielt auf seine weise, und manches ist eben anders, ob besser oder nicht, darüber zerbreche ich mir nicht den kopf.
Das Clavicembalo ist deshalb vorzuziehen, weil es klar abgegrenzte register hat (nicht die knöpfle an orgel und harmonium, sondern wie die menschliche stimme mit ihren bruchzonen) und die stimmen sich deutlicher voneinander abheben als bei einem auf homogenität getrimmten klavier.
Man kann auch keine pedal- und andere mätzchen machen, dafür gibt andere tücken, und man muss gut phrasieren, das A und O bei bachscher musik. Ich durfte einmal alle spielbaren tasteninstrumente im Händelhaus in Halle spielen, da klirrte und knackte es denn doch zuweilen, vom ungleichmäßigen anschlag abgesehen. Am schlimmsten empfindet das verwöhnte ohr die Clavichorde, das haupt-handwerkszeug damaliger komponisten.
 
Ich muss gestehen, dass ich mein Exemplar der Gouldschen Variationen im Rahmen einer Platzmach-Aktion weggegeben habe, weil ich sie mir nicht mehr angehört habe. Bach auf dem modernen Konzertflügel gespielt gefällt mir aber, eine meiner Lieblingsaufnahmen sind die Partiten und die Französischen Suiten von András Schiff. Seine Goldberg-Variationen kenne ich nicht.

Das Cembalo als Instrument mag ich eigentlich, längere Zeit am Stück wird mir der Klang aber zu monoton - oder vielleicht habe ich noch nicht den richtigen Cembalisten für mich entdeckt? Was mir sehr gut gefällt, ist Gustav Leonhardts Einspielung von WTK Band 1, bei der er zwischen Cembalo, Clavichord und einer kleinen Orgel abwechselt.
 
Das clavicembalo isn ein intimes instrument, und jedes klingt anders, auch aus verschiedenen positionen. Sitzt man davor, hat es einen rauschenden, vollen, silbrigen klang, der aber schon in geringer entfernung auf grund der stark gedämpften schwingungen merklich ab-ebbt, und schließlich zu klirren und zirpen wird. Jeder kennt das aus großen konzertsälen. wo sich der cembalist abmüht, aber eher störend hörbar wird. Die 6 herrlichen violinsonaten von Bach werden da leicht einstimmig wahrgenommen, wovon der cembalist, der die beiden anderen stimmen spielt, nichts merkt.
Das veranlasste Nikisch, der dem zug der zeit nicht widerstehen konnte, nach einem barocken werk den technikern zu sagen "Nun schafft endlich den ollen tschembahlo weg!"

"Klavier" war bei Bach jedwedes tasteninstrument, eine wiedergabe wie oben erwähnt ist nicht nur abwechslungsreich, sondern stilvoll.
 
Dann ist das Cembalo wahrscheinlich auch äusserst schwierig auf "Konserven" zu bannen?
 
Eigentlich nicht, da man ja die mikrophone optimal positionieren kann. Vielleicht sind es die nebengeräusche die aufnahmen schwierig machen, die sind auch in samples nicht zu überhören.
 
Etwas skurriles:
vor ein paar tagen hatte ich sie wieder mal auf dem pult. das telefon klingelte, ein alte freundin aus ebenso alten theatertagen:
Ich: "Ich spiele gerade die Goldberg-variationen, ich muss mich erst zurechtfinden"
Sie: "Die habe ich gestern von Glenn Gould gehört und bin dabei eingeschlafen".

Das betrifft auch "Die kunst der fuge" und "Das musikalische opfer", wer nicht den vorgängen in der musik folgt, sie nur eben klanglich wahrnimmt, langweilt sich dabei.
Köstlich die episode bei Hoffmanns kapellmeister Kreisler: in einer teegesellschaft wird er um variationen gebeten so alla Mozart, er spielt die 30 von Bach und fügt weitere, eigene hinzu, aber da haben die gäste längst das weite gesucht.
 
Günter Sch.;4823624 schrieb:
Das clavicembalo isn ein intimes instrument, und jedes klingt anders, auch aus verschiedenen positionen. Sitzt man davor, hat es einen rauschenden, vollen, silbrigen klang, der aber schon in geringer entfernung auf grund der stark gedämpften schwingungen merklich ab-ebbt, und schließlich zu klirren und zirpen wird.

Sehr gut beschrieben!

Ich habe beide Goldberg-Variation von Gould. Wobei mir letztere besser gefällt. Da jagt er halt nicht von jugendlichen Übermut angefeurt durch die Nummern. Diese Aufnahmen hat er übrigens nicht auf seinem Steinway D eingespielt, sondern auf einem Yamaha Konzertflügel.
Dann habe ich noch eine Aufnahme von Martin Stadtfeld. Ein Pianist aus deutschen Landen. Ich denke, alle die diesen Thread aufmachen, kennen ihn sowieso. Nun, ich halte es wie Günther mit dem Interpretenvergleichen. Sagen wir mal so: Er ist noch sehr jung, spielt sehr gut, und es ist trotzdem noch Luft nach oben ;)

Gruß,

Paul
 
Ich habe auch beide Fassungen der Einspielungen von Gould. Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass zwei so grundsätzlich verschiedene Einspielungen von einem Pianisten existieren und beide auch noch verdammt gut sind. Man kann nicht sagen, welche Fassung 'besser' ist. Mir persönlich gefällt die späte allerdings auch besser.

Also zu Martin Stadtfeld kann ich nur sagen: Kein Vergleich zu Glenn Gould. Martin Stadtfeld ist meiner Meinung nach total gehypt. Ich versteh nicht warum gerade er so bekannt ist.
 

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