Ich bin zwar schon schlauer, aber wie sollte ich mich nun dem Jazz nähern?
Hm, wenn Du es jetzt nicht obereilig hast, würde ich sagen, neben der Theoriebüffelei vor allem: hören - hören - hören.
Irgendwelche Leute behaupten wahrscheinlich immer noch, Jazz sei vorwiegend Musik für den Kopf. Genausogut könnte man wahrscheinlich sagen, daß Rock oder Soul Musik für den Kopf wär.
Solltest Du Gelegenheit haben, irgendwo was an CDs, LPs etc. auszuleihen, würde ich da starten, und mich einfach hineinstürzen. Das Gefühl dafür, was sich zu hören lohnt, und was weniger, kommt früher oder später von alleine.
Und dabei kriegt man bestimmt so gut wie beim Lesen mit, wie meistens die Reihenfolge der Solisten ist, wann 4-, 8-, 12- oder 17taktige Wechsel mit dem Schlagzeug kommen, wie die Tonbildung und Phrasierung abläuft und wat noch alles.
Parallel würde ich mich dosiert mit Büchern schlau machen, die jetzt vielleicht nicht jeden Akkord erläutern, aber erzählen, was für Musiker wichtig waren/sind, wo die her kamen, wie sie abfuhren und was noch alles. Und dann mal gucken, wie die sich so anhören (sozusagen).
Wo Du nach wichtigen Leuten/Stücken etc. fragst - es gibt Hunderte. Mir fiele mal so ein (fangen wir mal mit Deinem Instrument an):
Wes Montgomery (Gitarre), Four on Six, West Coast Blues
Charlie Christian (git): Live Sessions at Minton's Playhouse 1941
Charlie Parker (sax): fast alles
Sonny Rollins: LP "Saxophone Colossus"
Joe Henderson: Recorda me und alles andere von der LP "Page One"
Miles Davis: LPs Kind of Blue, Milestones, alles von seinem ersten und zweiten Quintett, Bitches Brew, In a silent way
Charles Mingus: LPs "Mingus-Ah-Um", "Mingus at Monterey" etc. etc.
Wayne Shorter: LPs "JuJu", "Speak no evil"
John Coltrane: noch mal fast alles
Benny Goodman: "Avalon", "I got rhythm", Carnegie Hall Concert 1938
Duke Ellington: endlos viel, "Sophisticated Lady", "Take the A train",
Louis Armstrong: "West End Blues" 1928
Fats Waller: Berge von Zeug aus den 20ern
James P. Johnson, Jelly Roll Morton: dito
Es ufert halt einfach aus (und deshalb finde ich solche Listen einfach nur begrenzt sinnvoll), und es wird dadurch noch mehr, daß es sich auch lohnt, ganz tief in uralten Sachen zu graben, weil die Tradition auch in neuen Geschichten oft heute noch weiterlebt.
Um's kurz zu machen:
Falls Du an Ausleih-CDs nicht rankommst, würde ich mal im Radio auf die Suche gehen. Man muß eigentlich nur wissen, wann die Sendungen laufen. Je nachdem wo Du wohnst, könnte das Angebot gut aussehen:
http://www.wdr.de/radio/jazz/
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/jazz/-/id=659242/1snziau/index.html
http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=5978
http://www.dradio.de/portale/musik/
Dahinter verbirgt sich u.a. der Deutschlandfunk, der ein sehr gutes und kompetentes Jazzprogramm macht und (wie der Name schon sagt) in ganz Deutschland zu kriegen ist.
Außerdem gibt's auch für jeden Tag Programmhinweise in den Zeitschriften Jazzthing und Jazzpodium.
Mit ein bißchen Hörerfahrung kann man dann wahrscheinlich doppelt soviel mit Harmonielehre und dem ganzen Zeug anfangen, als wenn man nur liest...
Michael