kypdurron
Helpful & Friendly User
Interessieren Berichte zu Instrumenten, die man nicht mehr kaufen kann? Viele sagten: Ja, deshalb hier out of my closet: Fender Cyclone II, in fragwürdigem Zustand, aber zu einem guten Preis Anfang des Jahres gebraucht gekauft.
Die zwischen 2002 und 2006 gebaute Cyclone II stammt aus einer Phase, in der man bei Fender die eigene Geschichte als großen Suppentopf zu verstehen schien. Ein paar mal umrühren und gucken, was am Ende auf dem Teller landet. Da treibt es dieses Modell auf die Spitze:
… Der Korpus ist der Mustang entlehnt, aber etwas dicker, um das
… Sechsschraubentremolo aus der Strat aufzunehmen.
… Die Mensur von 24.75 kennt man eher von Gibson,
… die Kopfplatte soll der Jazzmaster entlehnt sein.
… Schaltung und Pickups sind von der Jaguar abgeleitet.
Damit noch nicht genug: Statt zwei Pickups wie bei der Jaguar sitzen in der Poolfräsung gleich drei Abnehmer. Und zwar, auf einer mittelmäßigen Mex-Fender nicht zu erwarten, die einzigen Jaguar-Pickups, die Fender damals im Sortiment hatte: Aus der hochwertigen American Vintage Reihe. Lackiert ist die Gitarre in einem beeindruckenden Metallicton namens Candy Apple Red, zusätzliches Schmankerl sind die Rallyestreifen der Competition-Mustang.
Nach dem Auspacken ...
Spielfähig machen
Der Verkäufer hatte mich vorgewarnt: Das Instrument war etwas abgerockt. Kratzer, Schlagstellen - geschenkt, eingepreist. Ein paar rustikale Reparaturen und Macken hatte er aber nicht erwähnt. Der hintere Gurtpin hing lose an einer festgefressenen, ausgenudelten, zu großen Schraube, die sich weder heraus-noch festdrehen ließ. Mit so einem wackligen Ding wollte ich nicht leben, schließlich hängt da ja die Gitarre dran.
Nettes Pickguard, schönes Rot
Den Mutigen gehört die Welt, dachte ich: Schraubenkopf abgesägt, Pin beiseite, und dann mit der Rohrzange ran. Dem hatte sie wenig entgegenzusetzen. Mit etwas Hilfe von Streichholzbruch ließ sich eine passende Schraube schön griffig eindrehen.
Die Hülsen der Kluson-Style Mechaniken waren am Herausfallen, zu klein für die Bohrlöcher. Original, Nachrüstung? Der Vorbesitzer hatte das notdürftig mit Tesafilm korrigiert, ich hatte zum Glück noch einen echten Fender-Hülsensatz von einer anderen Gitarre herumliegen. Daneben fiel mir auf, dass einer der drei PU-Schalter scheinbar nicht original war, aber da er funktionierte, beließ ich es dabei.
Setup: Ein Fall für Besitzer von Zollwerkzeug
Nach dem Besaiten kamen wir uns langsam näher. Schnell merkte ich: Hinter der rattenscharfen roten Metallic-Fassade lauert ein kleines Biest, das mit seinen Gemeinheiten noch nicht fertig war. Der Hals: Flaches Profil, seltsam breites Griffbrett. Hinten klarlackiert (leicht tinted, schick!), vorn etwas, das wie ein sehr helles, zudem ungepflegtes Palisander aussieht. Sieht auf Original-Produktfotos aber auch so aus, und bleibt auch nach Putzen und Ölen so. Medium Jumbo Frets, 9.5 Radius: Nicht mein Favorit, aber mal gucken.
Nach dem Zusammenbau, noch ohne Saiten
Beim Setup kam ich nicht sehr weit: Der Hals hatte einen leichten Backbow, und die Truss-Rod-Mutter war entweder kaputt oder hatte eine nicht geläufige Größe. Also gut, was kostet die Welt, Nase voll - ab zum Profi damit.
Die gute Nachricht: Der Truss Rod war in Ordnung, mit dem passenden Zollwerkzeug ließ er sich richten. Bei der Gelegenheit ließ ich auch die etwas angefressenen Bünde abrichten und polieren. Danach hatte ich zwar immer noch Probleme mit dem ungewohnten Halsprofil, aber das verbuche ich unter Geschmack. Nun war die Gitarre so weit benutzbar.
Kann viel, aber man muss arbeiten
Den Bandkollegen gefiel die klassische und doch unkonventionelle Optik auf Anhieb. Auch klanglich bietet die Cyclone II einige nette Eigenheiten. Die drei einzeln schaltbaren Single Coils lassen sich in insgesamt sieben (mit ganz aus: acht) Positionen schalten. Da kann jede Strat einpacken.
Der Grundcharakter ist durch die Jaguar-Abnehmer vorbestimmt: Kristallin schimmernd, transparent, und ziemlich kräftig im Ton, mit etwas quäkenden Mitten. Auch im Bassbereich schiebt die Gitarre ganz nett heraus. Bei der Jaguar hatte Leo F. eine Idee, die sich nicht durchsetzte. Eine Metallklammer sollte das Magnetfeld der Single Coils verstärken und fokussieren, und außerdem abschirmen. Die Pickups sollten dadurch etwas kräftiger klingen und weniger brummen. In der Praxis berichten viele Jaguar-Spieler von nervigem Feedback; das ist mir hier bisher nicht aufgefallen.
Vermutet hatte ich, dass die Brückenkonstruktion der Strat Sustain und Klangfülle im vergleich zur Jaguar begünstigt. Das finde ich durchaus bestätigt. Leider gibt es diesen Vorteil nicht umsonst: Im Gegenzug spielt die Cyclone mit dem Strat-Tremolo weniger stimmstabil und reagiert übersensibel, verglichen mit einer Jaguar.
Gegenüber den sehr klaren und kräftigen Sounds der einzelnen Pickups fallen die Mittelpositionen etwas ab, sind deutlich leiser und etwas belegt. Mit dem Tone-Regler wird es ebenfalls nicht wärmer, sondern nur dumpfer.
Trotzdem bietet die Gitarre ein großes Spektrum an Möglichkeiten, vom klirrenden Twang über Strat-artige Solosounds bis zu schiebenden Rocksounds. Weshalb ich sie auch gern und oft benutze, auch wenn sie sich nach wie vor etwas hakelig spielt und da bei Weitem nicht mit meiner Tele und meiner Jazzmaster mithalten kann. Mit dieser Gitarre muss man kämpfen, wird aber dafür belohnt.
Sound-Sample: Einfach mal die Positionen durchgeschaltet, Amp-Model mit ein bisschen Hall: http://soundclick.com/share.cfm?id=12080325
Vielseitiges Arbeitstier und ich in Aktion
Mein Fazit
Die Fender Cyclone II ist ein wilder Mix aus Elementen der Fender-Geschichte. Qualitativ auf dem eher mäßigen Stand der Fender Mexiko-Einsteigermodelle von vor 10 Jahren; der Hals spielt sich nicht besonders angenehm, die Elektrik hat Luft nach oben. Die Pickups gehören aber zum Besten, was man damals produziert hat und sorgen dafür, dass die Gitarre einen hohen Nutzwert mitbringt.
Wer heute eine Cyclone II sucht, kann lange suchen: Ich hab außer dieser in den letzten Jahren keine gesehen. Um die 400 € muss man wohl einplanen, falls man denn fündig wird. Gibt es dafür heute bessere Gitarren? Vermutlich schon. Aber diese Lady will es ja auch gar nicht allen rechtmachen. Wer ein kleines Biest besiegen will, der wird jedenfalls nur schwer wieder von ihr los kommen - denn es belohnt mit seiner ganz eigenen Stimme.
Zeitgenössisches Review: http://www.music123.com/derivates/2...Copy_91C72A58-9043-4046-9EF6-FBAEB89A7F65.pdf
Nachtrag: Der Mann hat ein gutes Demo gemacht:
Die zwischen 2002 und 2006 gebaute Cyclone II stammt aus einer Phase, in der man bei Fender die eigene Geschichte als großen Suppentopf zu verstehen schien. Ein paar mal umrühren und gucken, was am Ende auf dem Teller landet. Da treibt es dieses Modell auf die Spitze:
… Der Korpus ist der Mustang entlehnt, aber etwas dicker, um das
… Sechsschraubentremolo aus der Strat aufzunehmen.
… Die Mensur von 24.75 kennt man eher von Gibson,
… die Kopfplatte soll der Jazzmaster entlehnt sein.
… Schaltung und Pickups sind von der Jaguar abgeleitet.
Damit noch nicht genug: Statt zwei Pickups wie bei der Jaguar sitzen in der Poolfräsung gleich drei Abnehmer. Und zwar, auf einer mittelmäßigen Mex-Fender nicht zu erwarten, die einzigen Jaguar-Pickups, die Fender damals im Sortiment hatte: Aus der hochwertigen American Vintage Reihe. Lackiert ist die Gitarre in einem beeindruckenden Metallicton namens Candy Apple Red, zusätzliches Schmankerl sind die Rallyestreifen der Competition-Mustang.
Nach dem Auspacken ...
Spielfähig machen
Der Verkäufer hatte mich vorgewarnt: Das Instrument war etwas abgerockt. Kratzer, Schlagstellen - geschenkt, eingepreist. Ein paar rustikale Reparaturen und Macken hatte er aber nicht erwähnt. Der hintere Gurtpin hing lose an einer festgefressenen, ausgenudelten, zu großen Schraube, die sich weder heraus-noch festdrehen ließ. Mit so einem wackligen Ding wollte ich nicht leben, schließlich hängt da ja die Gitarre dran.
Nettes Pickguard, schönes Rot
Den Mutigen gehört die Welt, dachte ich: Schraubenkopf abgesägt, Pin beiseite, und dann mit der Rohrzange ran. Dem hatte sie wenig entgegenzusetzen. Mit etwas Hilfe von Streichholzbruch ließ sich eine passende Schraube schön griffig eindrehen.
Die Hülsen der Kluson-Style Mechaniken waren am Herausfallen, zu klein für die Bohrlöcher. Original, Nachrüstung? Der Vorbesitzer hatte das notdürftig mit Tesafilm korrigiert, ich hatte zum Glück noch einen echten Fender-Hülsensatz von einer anderen Gitarre herumliegen. Daneben fiel mir auf, dass einer der drei PU-Schalter scheinbar nicht original war, aber da er funktionierte, beließ ich es dabei.
Setup: Ein Fall für Besitzer von Zollwerkzeug
Nach dem Besaiten kamen wir uns langsam näher. Schnell merkte ich: Hinter der rattenscharfen roten Metallic-Fassade lauert ein kleines Biest, das mit seinen Gemeinheiten noch nicht fertig war. Der Hals: Flaches Profil, seltsam breites Griffbrett. Hinten klarlackiert (leicht tinted, schick!), vorn etwas, das wie ein sehr helles, zudem ungepflegtes Palisander aussieht. Sieht auf Original-Produktfotos aber auch so aus, und bleibt auch nach Putzen und Ölen so. Medium Jumbo Frets, 9.5 Radius: Nicht mein Favorit, aber mal gucken.
Nach dem Zusammenbau, noch ohne Saiten
Beim Setup kam ich nicht sehr weit: Der Hals hatte einen leichten Backbow, und die Truss-Rod-Mutter war entweder kaputt oder hatte eine nicht geläufige Größe. Also gut, was kostet die Welt, Nase voll - ab zum Profi damit.
Die gute Nachricht: Der Truss Rod war in Ordnung, mit dem passenden Zollwerkzeug ließ er sich richten. Bei der Gelegenheit ließ ich auch die etwas angefressenen Bünde abrichten und polieren. Danach hatte ich zwar immer noch Probleme mit dem ungewohnten Halsprofil, aber das verbuche ich unter Geschmack. Nun war die Gitarre so weit benutzbar.
Kann viel, aber man muss arbeiten
Den Bandkollegen gefiel die klassische und doch unkonventionelle Optik auf Anhieb. Auch klanglich bietet die Cyclone II einige nette Eigenheiten. Die drei einzeln schaltbaren Single Coils lassen sich in insgesamt sieben (mit ganz aus: acht) Positionen schalten. Da kann jede Strat einpacken.
Der Grundcharakter ist durch die Jaguar-Abnehmer vorbestimmt: Kristallin schimmernd, transparent, und ziemlich kräftig im Ton, mit etwas quäkenden Mitten. Auch im Bassbereich schiebt die Gitarre ganz nett heraus. Bei der Jaguar hatte Leo F. eine Idee, die sich nicht durchsetzte. Eine Metallklammer sollte das Magnetfeld der Single Coils verstärken und fokussieren, und außerdem abschirmen. Die Pickups sollten dadurch etwas kräftiger klingen und weniger brummen. In der Praxis berichten viele Jaguar-Spieler von nervigem Feedback; das ist mir hier bisher nicht aufgefallen.
Vermutet hatte ich, dass die Brückenkonstruktion der Strat Sustain und Klangfülle im vergleich zur Jaguar begünstigt. Das finde ich durchaus bestätigt. Leider gibt es diesen Vorteil nicht umsonst: Im Gegenzug spielt die Cyclone mit dem Strat-Tremolo weniger stimmstabil und reagiert übersensibel, verglichen mit einer Jaguar.
Gegenüber den sehr klaren und kräftigen Sounds der einzelnen Pickups fallen die Mittelpositionen etwas ab, sind deutlich leiser und etwas belegt. Mit dem Tone-Regler wird es ebenfalls nicht wärmer, sondern nur dumpfer.
Trotzdem bietet die Gitarre ein großes Spektrum an Möglichkeiten, vom klirrenden Twang über Strat-artige Solosounds bis zu schiebenden Rocksounds. Weshalb ich sie auch gern und oft benutze, auch wenn sie sich nach wie vor etwas hakelig spielt und da bei Weitem nicht mit meiner Tele und meiner Jazzmaster mithalten kann. Mit dieser Gitarre muss man kämpfen, wird aber dafür belohnt.
Sound-Sample: Einfach mal die Positionen durchgeschaltet, Amp-Model mit ein bisschen Hall: http://soundclick.com/share.cfm?id=12080325
Vielseitiges Arbeitstier und ich in Aktion
Mein Fazit
Die Fender Cyclone II ist ein wilder Mix aus Elementen der Fender-Geschichte. Qualitativ auf dem eher mäßigen Stand der Fender Mexiko-Einsteigermodelle von vor 10 Jahren; der Hals spielt sich nicht besonders angenehm, die Elektrik hat Luft nach oben. Die Pickups gehören aber zum Besten, was man damals produziert hat und sorgen dafür, dass die Gitarre einen hohen Nutzwert mitbringt.
Wer heute eine Cyclone II sucht, kann lange suchen: Ich hab außer dieser in den letzten Jahren keine gesehen. Um die 400 € muss man wohl einplanen, falls man denn fündig wird. Gibt es dafür heute bessere Gitarren? Vermutlich schon. Aber diese Lady will es ja auch gar nicht allen rechtmachen. Wer ein kleines Biest besiegen will, der wird jedenfalls nur schwer wieder von ihr los kommen - denn es belohnt mit seiner ganz eigenen Stimme.
Zeitgenössisches Review: http://www.music123.com/derivates/2...Copy_91C72A58-9043-4046-9EF6-FBAEB89A7F65.pdf
Nachtrag: Der Mann hat ein gutes Demo gemacht:
- Eigenschaft
Zuletzt bearbeitet: