Hellier
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Hallo in die Runde,
Nach mehrjähriger Abwesenheit in diesem Forum wollte ich euch an meiner neuesten Errungenschaft teilhaben lassen.... Eine Barockgitarre im Stil von Antonio Stradivari.
Ich sammle nun schon seit etlichen Jahren historische Instrumente, vor allem Gitarren aus der Zeit der Romantik. Immer mal wieder verschlägt es mich in das hiesige Museum für Musikinstrumente, wo auch die eine oder andere schöne Barockgitarre in der Vitrine hängt.
Da muss es wohl dann auch passiert sein das ich mich hoffnungslos in diese Instrumente verliebt habe, und sogleich erwachte der Wunsch in mir ein solches Instrument in meiner Sammlung zu haben.
Meinen Freund und Gitarrenbauer konnte ich relativ schnell von meiner Idee überzeugen, und während eines Fussballspiels meines Sohnes am Ende der Welt besorgte ich mir dann den Bauplan für ein solches Instrument und schickte ihn meinem Gitarrenbauer......
Der Plan:
Der Plan stammt vom holländischen Instrumentenbauer Jan van Capelle und ist auf dessen Homepage zum kostenpflichtigen Download erhältlich. Jan hat sich intensiv mit der Thematik der Gitarren von Stradivari auseinandergesetzt, und basierend auf einem sich in Paris befindlichen Template (MS 750) mit der Konstruktion eines Modells mit einer «normalen Mensur» von 657mm befasst. Seine Ansätze sind die folgenden:
Die erhaltenen Instrumente haben durchwegs lange Mensuren von 740mm und sind daher nur bedingt für das heute übliche e-Tuning geeignet (eher d-Tunings sind damit erreichbar)
Um die Mensur sinnvoll zu verkürzen müsste die Position der Bridge in Richtung Hals verlagert oder dieser selbst verkürzt werden. Beides ist nur bedingt als Lösung zu betrachten da es die Proportionen der Gitarre stark verzerrt.
Das in Paris erhaltene Template MS 750 ist in seiner Auslegung für eine Mensur von 657mm bestens geeignet. Es ist davon auszugehen das Instrumente zur damaligen Zeit in «Familien» gebaut wurden, also in unterschiedlichen Mensuren und auch unterschiedlichen Stimmungen (Beispiel: Familie der Lauteninstrumente)
Es existieren weitere Barockgitarren mit kürzeren Mensuren (z.B. 580mm) welche eine Unterteilung in Familien, also Instrumente mit unterschiedlicher Grundstimmung belegen sollen. Anbei der Link zu einem sehr interessanten Artikel Jans über Stradivaris Gitarren:
Zum Bau der Gitarre nach der Vorlage MS 750:
Die Gitarre hat eine Mensur von 657mm
Der Bau der Gitarre erfolgt um eine Innenform, wie damals im klassischen Geigenbau in Italien (hier im speziellen Cremona) und auch heute noch üblich
Der Boden der Gitarre weist keinerlei Verstrebungen (Balken) auf
Die Decke der Gitarre weist 3 Balken auf, alle im Bereich des Schalllochs
Die Rosette stammt vom französischen Künstler Matteo Cremades und wurde zugekauft. Sie basiert im Wesentlichen auf der in der «Sabionari» als Rekonstruktion verwendeten Rosette und besteht aus 3 Schichten Pergament. Der Durchmesser wurde leicht angepasst (verkleinert)
Das Gewicht der fertigen Gitarre wird auf Grund der äusserst leichten Bauweise eher gering sein.
Die verwendeten Hölzer:
Eine Fichtendecke von Tonewood Switzerland, thermisch behandelt, nach der finalen Bearbeitung etwa 1.8 mm stark
Ein «Kern» aus Fichte für den Hals welcher mit Riegelahorn furniert wird
Boden und Zargen aus maximal 1.8mm dickem Riegelahorn (ebenfalls von Tonewood Switzerland)
Griffbrett und Kopfplatte werden mit Mooreiche furniert, ein Holz welches Stradivari an Stelle von Ebenholz verwendet hat (Ebenholz war selbst zu Stradivaris Zeiten selten und teuer)
Einlagen aus Perlmutt, Bridge aus Pflaumenholz, Stimmwirbel aus Buchsbaum
Das sah dann erst mal so aus:
Die fertige Innenform um welche dann die Gitarre gebaut wurde:
Bau des Halses mit dem Kern aus uralter Fichte:
Die Rosette von Matteo Crémades:
Anschäften der Kopfplatte:
Der Korpus entsteht, dabei werden die Zargen mittels kleiner Holzdübeln an der Innenform fixiert:
Irgendwann war dann mal Hochzeit.... Der Hals wurde mit einer Schraube fixiert, Antonio tat dies bei seinen Instrumenten mit Nägeln. Nennen wir es ein Zugeständnis an die Moderne:
Der Boden wurde mit in Leim getränktem Papier an den Zargen fixiert. Dazu diente uns ein Buch aus dem 18. Jahrhundert welches unrettbar war, aber für diesen Zweck noch gute Dienste leistete:
Die Decke war dann auch so weit:
Und es wurde alles verschlossen:
Vorbereitung des Griffbretts aus Mooreiche, mit Bindings aus Ahorn:
Das wurde dann auch auf den Hals "transplantiert". Das Binding um den Korpus war dann such schon fertig, bei der geringen Materialstärke eine Zitterpartie:
Der Steg aus Obstholz, mit seinen sich wiederholenden Intarsien:
Aufgeleimt:
Irgendwann gab kam dann mal Farbe ins Spiel, Geigenlack von Hammerl & Co. mit etlichen Zwischenschliffen:
Die Decke wurde mit Propolis behandelt.
Endausrüstung, Bünde knüpfen und anbringen der Stimmwirbel:
Nach etwas mehr als einem Jahr war sie dann fertig:
Zur Stimmung, aktuell ist sie in der Stimmung e' - h'h' - g'g'- Dd' -a'a' gestimmt. Die Stimmung der Barockgitarren ist reentrant, d.h. vom e' geht es abwärts bis zum D, dessen Chor aber oktaviert ist. Die beiden a-Saiten des fünften Chors sind ebenfalls oktaviert, somit ist das D des vierten Chores die tiefste Saite. Ist durchaus ein wenig gwöhnungsbedürftig.
Fazit:
Ein wunderschönes Projekt, von Anfang bis zum Schluss. Leider kann ich nicht alle Bilder des Baus hier zeigen, aber die Zeitreise hat grossen Spass gemacht. Das fertige Instrument ist ein Kunstwerk geworden und hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen.
Ein Klangbeispiel liefere ich noch nach, aktuell sind wir noch in der Phase des Kennenlernens, und die Barockgitarre stellt mich doch noch vor die eine und auch andere Herausforderung!!
Liebe Grüsse an alle!!
Michael
Nach mehrjähriger Abwesenheit in diesem Forum wollte ich euch an meiner neuesten Errungenschaft teilhaben lassen.... Eine Barockgitarre im Stil von Antonio Stradivari.
Ich sammle nun schon seit etlichen Jahren historische Instrumente, vor allem Gitarren aus der Zeit der Romantik. Immer mal wieder verschlägt es mich in das hiesige Museum für Musikinstrumente, wo auch die eine oder andere schöne Barockgitarre in der Vitrine hängt.
Da muss es wohl dann auch passiert sein das ich mich hoffnungslos in diese Instrumente verliebt habe, und sogleich erwachte der Wunsch in mir ein solches Instrument in meiner Sammlung zu haben.
Meinen Freund und Gitarrenbauer konnte ich relativ schnell von meiner Idee überzeugen, und während eines Fussballspiels meines Sohnes am Ende der Welt besorgte ich mir dann den Bauplan für ein solches Instrument und schickte ihn meinem Gitarrenbauer......
Der Plan:
Der Plan stammt vom holländischen Instrumentenbauer Jan van Capelle und ist auf dessen Homepage zum kostenpflichtigen Download erhältlich. Jan hat sich intensiv mit der Thematik der Gitarren von Stradivari auseinandergesetzt, und basierend auf einem sich in Paris befindlichen Template (MS 750) mit der Konstruktion eines Modells mit einer «normalen Mensur» von 657mm befasst. Seine Ansätze sind die folgenden:
Die erhaltenen Instrumente haben durchwegs lange Mensuren von 740mm und sind daher nur bedingt für das heute übliche e-Tuning geeignet (eher d-Tunings sind damit erreichbar)
Um die Mensur sinnvoll zu verkürzen müsste die Position der Bridge in Richtung Hals verlagert oder dieser selbst verkürzt werden. Beides ist nur bedingt als Lösung zu betrachten da es die Proportionen der Gitarre stark verzerrt.
Das in Paris erhaltene Template MS 750 ist in seiner Auslegung für eine Mensur von 657mm bestens geeignet. Es ist davon auszugehen das Instrumente zur damaligen Zeit in «Familien» gebaut wurden, also in unterschiedlichen Mensuren und auch unterschiedlichen Stimmungen (Beispiel: Familie der Lauteninstrumente)
Es existieren weitere Barockgitarren mit kürzeren Mensuren (z.B. 580mm) welche eine Unterteilung in Familien, also Instrumente mit unterschiedlicher Grundstimmung belegen sollen. Anbei der Link zu einem sehr interessanten Artikel Jans über Stradivaris Gitarren:
Zum Bau der Gitarre nach der Vorlage MS 750:
Die Gitarre hat eine Mensur von 657mm
Der Bau der Gitarre erfolgt um eine Innenform, wie damals im klassischen Geigenbau in Italien (hier im speziellen Cremona) und auch heute noch üblich
Der Boden der Gitarre weist keinerlei Verstrebungen (Balken) auf
Die Decke der Gitarre weist 3 Balken auf, alle im Bereich des Schalllochs
Die Rosette stammt vom französischen Künstler Matteo Cremades und wurde zugekauft. Sie basiert im Wesentlichen auf der in der «Sabionari» als Rekonstruktion verwendeten Rosette und besteht aus 3 Schichten Pergament. Der Durchmesser wurde leicht angepasst (verkleinert)
Das Gewicht der fertigen Gitarre wird auf Grund der äusserst leichten Bauweise eher gering sein.
Die verwendeten Hölzer:
Eine Fichtendecke von Tonewood Switzerland, thermisch behandelt, nach der finalen Bearbeitung etwa 1.8 mm stark
Ein «Kern» aus Fichte für den Hals welcher mit Riegelahorn furniert wird
Boden und Zargen aus maximal 1.8mm dickem Riegelahorn (ebenfalls von Tonewood Switzerland)
Griffbrett und Kopfplatte werden mit Mooreiche furniert, ein Holz welches Stradivari an Stelle von Ebenholz verwendet hat (Ebenholz war selbst zu Stradivaris Zeiten selten und teuer)
Einlagen aus Perlmutt, Bridge aus Pflaumenholz, Stimmwirbel aus Buchsbaum
Das sah dann erst mal so aus:
Die fertige Innenform um welche dann die Gitarre gebaut wurde:
Bau des Halses mit dem Kern aus uralter Fichte:
Die Rosette von Matteo Crémades:
Anschäften der Kopfplatte:
Der Korpus entsteht, dabei werden die Zargen mittels kleiner Holzdübeln an der Innenform fixiert:
Irgendwann war dann mal Hochzeit.... Der Hals wurde mit einer Schraube fixiert, Antonio tat dies bei seinen Instrumenten mit Nägeln. Nennen wir es ein Zugeständnis an die Moderne:
Der Boden wurde mit in Leim getränktem Papier an den Zargen fixiert. Dazu diente uns ein Buch aus dem 18. Jahrhundert welches unrettbar war, aber für diesen Zweck noch gute Dienste leistete:
Die Decke war dann auch so weit:
Und es wurde alles verschlossen:
Vorbereitung des Griffbretts aus Mooreiche, mit Bindings aus Ahorn:
Das wurde dann auch auf den Hals "transplantiert". Das Binding um den Korpus war dann such schon fertig, bei der geringen Materialstärke eine Zitterpartie:
Der Steg aus Obstholz, mit seinen sich wiederholenden Intarsien:
Aufgeleimt:
Irgendwann gab kam dann mal Farbe ins Spiel, Geigenlack von Hammerl & Co. mit etlichen Zwischenschliffen:
Die Decke wurde mit Propolis behandelt.
Endausrüstung, Bünde knüpfen und anbringen der Stimmwirbel:
Nach etwas mehr als einem Jahr war sie dann fertig:
Zur Stimmung, aktuell ist sie in der Stimmung e' - h'h' - g'g'- Dd' -a'a' gestimmt. Die Stimmung der Barockgitarren ist reentrant, d.h. vom e' geht es abwärts bis zum D, dessen Chor aber oktaviert ist. Die beiden a-Saiten des fünften Chors sind ebenfalls oktaviert, somit ist das D des vierten Chores die tiefste Saite. Ist durchaus ein wenig gwöhnungsbedürftig.
Fazit:
Ein wunderschönes Projekt, von Anfang bis zum Schluss. Leider kann ich nicht alle Bilder des Baus hier zeigen, aber die Zeitreise hat grossen Spass gemacht. Das fertige Instrument ist ein Kunstwerk geworden und hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen.
Ein Klangbeispiel liefere ich noch nach, aktuell sind wir noch in der Phase des Kennenlernens, und die Barockgitarre stellt mich doch noch vor die eine und auch andere Herausforderung!!
Liebe Grüsse an alle!!
Michael